Haftungsverteilung nach Auffahrunfall bei Grünlicht einer Ampel

Haftungsverteilung nach Auffahrunfall bei Grünlicht einer Ampel

Der durch Grün bevorrechtigte Fahrzeugführer ist gehalten, die Grünphase einer Ampel auszunutzen, um einen ungehinderten Verkehrsfluss zu gewährleisten.
Bremst er während der Grünphase ohne zwingenden Grund vor dem Kreuzungsbereich stark ab und fährt das nachfolgende Fahrzeug auf, ist der gegenüber dem Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis erschüttert.

Darauf hat die 13. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Saarbrücken mit Urteil vom 20.11.2015 – 13 S 67/15 – hingewiesen und in einem Schadensersatzprozess nach einem Verkehrsunfall,

  • in dem der zunächst an vierter Stelle in einer Reihe von Fahrzeugen vor einer roten Ampel stehende Kläger auf das Fahrzeug des Beklagten vor ihm deshalb aufgefahren war,
  • weil der Beklagte, nach dem Umschalten der Ampel von Rot auf Grün zwar normal angefahren war, aber, nachdem die ersten beiden Fahrzeuge bereits in die Kreuzung eingefahren waren, sein Fahrzeug noch vor dem Kreuzungsbereich, wegen einer sich von rechts auf dem dortigen Fuß- und Radweg langsam nähernden Radfahrerin, deutlich über das Maß eines normalen Bremsvorgangs hinaus gebremst hatte,

 

gemäß § 17 Abs. 1, 2 Straßenverkehrsgesetz (StVG) auf eine Haftungsverteilung von 1/3 zu 2/3 zulasten des Beklagten erkannt.

Maßgebend für die Kammer war dabei zum einen, dass der Beklagte gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) verstoßen hat, 

  • weil er deutlich über das Maß eines normalen Bremsvorgangs hinaus gebremst hatte,
  • ohne dass bei objektiver Betrachtung für ein solches Bremsmanöver ein zwingender Grund, d. h. eine plötzlich drohende ernste Gefahr für Rechtsgüter und Interessen, die dem Schutzobjekt der Vorschrift (Sachen und Personen) mindestens gleichwertig sind, vorlag (vgl. Oberlandesgericht (OLG) München, Urteil vom 22.02.2008 – 10 U 4455/07 –)

 

und durch diesen nachgewiesenen Verstoß des Beklagten gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 StVO der gegen den Kläger als Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis erschüttert war (LG Saarbrücken, Beschluss vom 21.05.2013 – 13 S 72/13 –).

Wie die Kammer ausgeführt hat, hat an einer Kreuzung, an der der Verkehr für alle, also auch für die dortigen Fußgänger und Radfahrer, durch Lichtzeichen geregelt ist, ein durch Grün bevorrechtigte Verkehrsteilnehmer allein aufgrund einer Annäherung eines anderen, wartepflichtigen Verkehrsteilnehmers an die Kreuzung keine Veranlassung zu einem starken Bremsen.
Denn die Regelung des Kraftfahrzeug-, Fußgänger- und Radverkehrs durch eine Lichtzeichenanlage ist gerade dazu bestimmt, die Verkehrsverhältnisse zu ordnen und den Fahrzeugverkehr vom Fußgänger- und Radverkehr sicher auseinander zu halten.

Der durch Grün Bevorrechtigte

  • darf deshalb grundsätzlich darauf vertrauen, dass der Querverkehr stillsteht und
  • ist deshalb umgekehrt auch gehalten, die Grünphase auszunutzen, um einen ungehinderten Verkehrsfluss zu gewährleisten.

 

Allerdings traf den Kläger,

  • auch wenn der gegen ihn als den Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis durch den nachgewiesenen Verstoß des Beklagten gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 StVO erschüttert war,

 

nach Ansicht der Kammer wegen nachweislichen Verstoßes gegen die Pflichten aus §§ 3 Abs. 1, Satz 4, 4 Abs. 1 Satz 1, 1 StVO ein Mitverschulden an dem Unfall,

  • weil beim Anfahren bei Grün die Pflicht zur Einhaltung des Mindestabstands nach § 4 Abs. 1 Satz 1 StVO zwar außer Kraft gesetzt ist,
  • dies allerdings einhergeht mit der Pflicht zu besonderer Aufmerksamkeit und erhöhter Bremsbereitschaft (vgl. Kammergericht (KG), Beschluss vom 28.06.2012 – 22 U 56/12 –) und
  • hiergegen vom Kläger verstoßen worden war.

 

Die erkannte Haftungsverteilung von 1/3 zu 2/3 zulasten des Beklagten hat die Kammer damit begründet, dass

  • bei einem Auffahrunfall zwar in der Regel den Auffahrenden die überwiegende Haftung trifft,
  • dies allerdings nicht gilt, wenn dem Vorausfahrenden ein Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 StVO zur Last fällt,
  • die Mithaftung des Vorausfahrenden in einem solchen Fall umso größer ist, je unwahrscheinlicher nach der Verkehrssituation ein starkes Abbremsen ist und
  • hier der Beklagte mit seinem überraschenden und verkehrswidrigen Abbremsen die maßgebliche Ursache für den Unfall gesetzt hat, da, nachdem bereits die ersten beiden Fahrzeuge über die Ampel gefahren waren und auch der Beklagte beim Umschalten der Ampel auf Grün „normal“ angefahren war, der Kläger davon ausgehen durfte, dass der Beklagte während der Grünphase der Ampel zügig weiterfahren würde.

 


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