Wann liegt eine Meinungsäußerung und wann eine Tatsachenbehauptung vor?

Wann liegt eine Meinungsäußerung und wann eine Tatsachenbehauptung vor?

Ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Meinungsäußerung bzw. Werturteil einzustufen ist, ist eine Rechtsfrage und insbesondere bedeutsam, wenn darüber gestritten wird, ob einem Betroffenen Unterlassungsansprüche aus § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) analog zustehen.

  • Während die Zulässigkeit einer Tatsachenbehauptung von deren Wahrheit abhängt,
  • sind Meinungsäußerungen durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) geschützt und deshalb nicht schon dann unzulässig,
    • wenn sie das Persönlichkeitsrecht eines anderen verletzten,
    • sondern nur dann, wenn der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des anderen rechtswidrig ist, was davon abhängt, ob die in einem solchen Fall vorzunehmende Abwägung des durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Interesses des Betroffenen am Schutz seiner Persönlichkeit mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten Recht auf Meinungsfreiheit ergibt, dass das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 15.09.2015 – VI ZR 175/14 –; vom 28.07.2015 – VI ZR 340/14 – und vom 17.12.2013 – VI ZR 211/12 –).

 

Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert.
Demgegenüber werden Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt.

  • Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist danach, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich ist.
  • Dies scheidet bei Werturteilen und Meinungsäußerungen aus, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sind und sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen (vgl. BGH, Urteile vom 16.12.2014 – VI ZR 39/14 – und vom 28.07.2015 – VI ZR 340/14 –).

 

Sofern eine Äußerung,

  • in der sich Tatsachen und Meinungen vermengen,
  • durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist,

 

wird sie als Meinung von dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt.
Das gilt insbesondere dann, wenn

  • eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte (vgl. BGH, Urteile vom 29.01.2002 – VI ZR 20/01 –; vom 16.12.2014 – VI ZR 39/14 –; vom 28.07.2015 – VI ZR 340/14 – und vom 24.01.2006 – XI ZR 384/03 –).

 

Würde in einem solchen Fall das tatsächliche Element als ausschlaggebend angesehen, so könnte der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit wesentlich verkürzt werden (BGH, Urteil vom 16.12.2014 – VI ZR 39/14 –).

  • Die zutreffende Einstufung einer Äußerung als Wertung oder Tatsachenbehauptung setzt die Erfassung ihres Sinns voraus (vgl. BGH, Urteile vom 11.03.2008 – VI ZR 7/07 –; vom 22.09.2009 – VI ZR 19/08 – und vom 16.12.2014 – VI ZR 39/14 –).

 

Bei der Sinndeutung ist von dem Verständnis auszugehen, das ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum dem Begriff unter Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauchs zumisst (BGH, Urteil vom 11.03.2008 – VI ZR 7/07 –).
Dabei ist die Äußerung stets in dem Zusammenhang zu beurteilen, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (vgl. BGH, Urteile vom 30.01.1996 – VI ZR 386/94 –; vom 27.05.2014 – VI ZR 153/13 – und vom 16.12.2014 – VI ZR 39/14 –).

Darauf hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 19.01.2016 – VI ZR 302/15 – hingewiesen und in einem Fall,

  • in dem ein Verein, der sich für Belange des Tierschutzes einsetzt, auf seiner Internetseite, verbunden mit der Darstellung der Haltungsbedingungen von Tieren, eine Bank aufgefordert hatte, das Konto eines Interessenverbandes der Tierzüchter zu kündigen,

 

entschieden,

  • dass diese Aufforderung ein mit einer Meinungsäußerung verbundener zulässiger Boykottaufruf sein kann.

 


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