Wenn Verkehrsverstoß begangen wurde, weil Verkehrszeichen zwar erkannt, aber dessen rechtliche Bedeutung verkannt worden ist

Wenn Verkehrsverstoß begangen wurde, weil Verkehrszeichen zwar erkannt, aber dessen rechtliche Bedeutung verkannt worden ist

Ist ein verkehrsordnungswidriges Verhalten auf einen aufgrund mangelnder präsenter Kenntnis der Straßenverkehrsvorschriften beruhenden Wertungs- bzw. Interpretationsirrtum des Betroffenen über die rechtliche Bedeutung der von ihm optisch richtig und vollständig wahrgenommenen Beschilderung zurückzuführen, ist

  • von einem regelmäßig vermeidbaren, den Tatvorsatz unberührt lassenden Verbotsirrtum im Sinne des § 11 Abs. 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) und
  • nicht von einem Tatbestandsirrtum im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 OWiG auszugehen.

 

Ein vermeidbarer Verbotsirrtum im Sinne des § 11 Abs. 2 OWiG kann dazu führen,

  • dass die Wertung des Pflichtenverstoßes als „grob“ im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 [1. Alt.] Straßenverkehrsgesetz (StVG) als nicht gerechtfertigt anzusehen ist,
  • mit der Folge, dass die Anordnung eines an sich nach § 4 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Erteilung einer Verwarnung, Regelsätze für Geldbußen und die Anordnung eines Fahrverbotes wegen Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr (BKatV) verwirkten Regelfahrverbots nicht (mehr) angezeigt ist.

 

Scheidet ein Wegfall des Fahrverbots aus, kann

  • die Abkürzung der an sich nach § 4 Abs. 1 Satz 2 BKatV vorgesehen Fahrverbotsdauer oder eine Fahrverbotsbeschränkung (25 Abs. 1 Satz 1 StVG) in Betracht kommen.

 

Insoweit ist ohne Belang, dass § 11 Abs. 2 OWiG im Unterschied zu § 17 Satz 2 Strafgesetzbuch (StGB) keine ausdrückliche fakultative Milderung des Sanktionsrahmens vorsieht.

Rechtfertigt der vermeidbare Verbotsirrtum die Wertung,

  • dass ungeachtet des Vorliegens eines Regelfalls nicht von einem groben Pflichtenverstoß auszugehen ist,
  • scheidet auch eine Kompensation des in Wegfall geratenen Fahrverbots durch Anhebung der Regelgeldbuße nach § 4 Abs. 4 BKatV aus.

 

Allerdings führt nicht jeder vermeidbare Verbotsirrtum „automatisch“ dazu, von einem Regelfahrverbot Ausnahmen zuzulassen.
Erforderlich ist stets eine umfassende einzelfallbezogene Abwägung und Gewichtung sämtlicher erkennbarer Umstände und eine hierauf aufbauende Gesamtschau.

  • Denn ein vermeidbarer Verbotsirrtum kann, muss aber den Schuldvorwurf nicht unter allen Umständen mindern.
  • Nur soweit er ihn im Einzelfall wirklich mindert, ist eine entsprechende Milderung geboten.

 

Die Anerkennung einer Privilegierungswirkung und ihr möglicher Umfang hängen im Falle des vermeidbaren Verbotsirrtums mit Blick auf ein bußgeldrechtliches Fahrverbot entscheidend vom Grad der Vermeidbarkeit für den Betroffenen ab.
Die Anerkennung einer Privilegierung hinsichtlich eines an sich verwirkten Fahrverbots, seiner Dauer oder seines Umfangs bedarf daher auch in den Fällen des vermeidbaren Verbotsirrtums regelmäßig ergänzender, dem Tatrichter vorbehaltener Wertungen und demgemäß korrespondierender tatsächlicher Feststellungen, um dem Rechtsbeschwerdegericht die Nachprüfung der Rechtsfolgenentscheidung zu ermöglichen.

Darauf hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts (OLG) Bamberg mit Beschluss vom 01.12.2015 – 3 Ss OWi 834/15 – in einem Fall hingewiesen, in dem ein Betroffener auf der Autobahn mit einem Pkw einen Geschwindigkeitsverstoß gegangen hatte, weil von ihm eine vertikal angeordnete Verkehrsbeschilderung,

  • bei der sich an der obersten Stelle das Zeichen 274 mit der Limitierung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit, darunter, optisch durch einen waagrechten durchgehenden Strich voneinander getrennt, das Verkehrszeichen „Überholverbot“ (Zeichen 277), darunter in einem rechteckigen Rahmen die Bezeichnung „2,8 t“ und darunter in einem rechteckigen Rahmen die Symbole für Omnibusse und PKW mit Anhänger befanden,

 

unzutreffend (vgl. § 39 Abs. 3 Satz 3 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO)) dahingehend interpretiert worden war, dass die angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung nur für Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 2,8 Tonnen gilt.

 


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