Ein Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts nach den §§ 1666, 1666a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) kommt nur bei akuten und unmittelbar bestehenden bzw. unmittelbar bevorstehenden erheblichen Gefährdungen des Kindeswohls in Betracht, bei denen ein Hauptsacheverfahren nicht abgewartet werden kann.
Eine „vorsorgliche“ Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts ist unzulässig. Für ein sofortiges Eingreifen des Jugendamtes in Gefahrensituationen stellt § 42 des Sozialgesetzbuchs Achtes Buch (SGB VIII) eine ausreichende Rechtsgrundlage dar.
Darauf har das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG), 2. Senat für Familiensachen, mit Beschluss vom 14.04.2014 – 10 UF 19/14 – hingewiesen.
Ein Eingriff in die Personensorge setzt nach §§ 1666, 1666 a BGB das Vorliegen einer erwiesenen Gefährdung des körperlichen, geistigen oder seelischen Kindeswohls voraus und den Umstand, dass die Eltern nicht bereit oder nicht in der Lage sind, diese Gefahr von dem Kind abzuwenden.
Eine solche Kindeswohlgefährdung liegt dann vor, wenn eine gegenwärtig in einem solchen Maß vorhandene Gefahr besteht, dass sich bei seiner weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt.
Einstweilige Anordnungen können gemäß § 49 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) ergehen, wenn sie nach den für das Rechtsverhältnis maßgebenden Vorschriften gerechtfertigt sind und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges gerichtliches Einschreiten besteht.
An den Entzug des Sorgerechts im Wege der einstweiligen Anordnung sind angesichts der Regelungen der §§ 1666, 1666 a BGB vor dem Hintergrund des Elternrechts aus Art. 6 Grundgesetz (GG) hohe Anforderungen zu stellen. Je einschneidender eine Maßnahme ist, umso höher sind die Anforderungen an das Bedürfnis einer Regelung im Wege der einstweiligen Anordnung.
Für die leiblichen Eltern ist die Trennung von ihrem Kind der stärkste vorstellbare Eingriff in ihr Elternrecht, der nur bei strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit mit dem Grundgesetz vereinbar ist (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 24.3.2014 – 1 BvR 160/14 –).
Eine solche vorläufige Maßnahme kommt nur dann in Betracht, wenn sie zum Wohle der Kinder unumgänglich und die Sache derart eilbedürftig ist, dass sie bereits im Wege der vorläufigen Anordnung getroffen werden muss (vgl. Thüringer OLG, Beschluss vom 10.08.2005 – 2 UF 257/05 –). Dies kommt regelmäßig bei unmittelbaren Gefahren für das körperliche oder seelische Wohl der Kinder wie z. B. Verwahrlosung, Missbrauch, Kindesmisshandlung in Betracht, denen durch sofortige Maßnahmen begegnet werden muss, (Kammergericht (KG), Beschluss vom 18.06.2010 – 19 UF 22/10 –).
Im Ergebnis kommt ein Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts im Wege der einstweiligen Anordnung nur bei akuten und unmittelbar bestehenden bzw. bevorstehenden erheblichen Gefährdungen des Kindeswohls in Betracht, bei denen ein Hauptsacheverfahren nicht abgewartet werden kann.
Daraus folgt auch, dass sogenannte „Vorratsbeschlüsse“ rechtlich nicht statthaft sind. Denn insoweit fehlt es an einer akuten und unmittelbaren Gefährdung des Kindes, welche ein sofortiges Handeln notwendig macht. Ebenso reicht für den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts keine latente Kindeswohlgefährdung aus, da dieser regelmäßig durch ein entsprechendes Hauptsacheverfahren entgegengewirkt werden kann.
Auch bedarf es keiner vorsorglichen Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts, damit das Jugendamt tätig werden kann.
Insbesondere hat das Jugendamt nach § 42 SGB VIII die Befugnis und die Verpflichtung, bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen das Kind vorläufig in Obhut zu nehmen. Selbst bei einem Widerspruch der Personensorgeberechtigten ist eine Inobhutnahme solange möglich, wie die notwendige familiengerichtliche Entscheidung nicht eingeholt werden kann. Das Jugendamt ist nach § 42 SGB VIII bei Vorliegen der Voraussetzungen berechtigt und verpflichtet, das Kind vorläufig unterzubringen. Eine insoweit notwendige familiengerichtliche Entscheidung kann dann unverzüglich nachgeholt werden.
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