Familienrecht – Zum Nutzungsvergütungsanspruch bei Überlassung der Ehewohnung während des Getrenntlebens.

Familienrecht – Zum Nutzungsvergütungsanspruch bei Überlassung der Ehewohnung während des Getrenntlebens.

Eine Vergütung für die alleinige Nutzung der Ehewohnung kann auch zugesprochen werden, wenn ein Ehegatte während des Getrenntlebens aus einer Ehewohnung weicht, für die beiden Ehegatten gemeinsam ein unentgeltliches Wohnungsrecht eingeräumt ist.
Dies setzt nicht voraus, dass der in der Ehewohnung verbleibende Ehegatte die ihm durch die ungeteilte Nutzung zuwachsenden Vorteile wirtschaftlich verwerten kann.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 18.12.2013 – XII ZB 268/13 – hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatten die beteiligten Eheleute, die seit 1984 verheiratet waren, seit 17.11.2009 getrennt lebten und seit 16.08.2012 rechtskräftig geschieden sind, 1998 das jeweils zur Hälfte in ihrem Miteigentum stehende, bis zur Trennung gemeinsam bewohnte Familienheim, auf ihre vier gemeinsamen Töchter zu je 1/4 Miteigentumsanteil schenkweise übertragen.
Dabei hatten sie sich als Gesamtberechtigte (§ 428 BGB ) ein lebenslanges unentgeltliches dingliches Wohnungsrecht vorbehalten, das sie dazu berechtigte, das auf dem Grundstück stehende Wohnhaus unter Ausschluss des Eigentümers zu bewohnen.
Der Wohnwert des Anwesens beträgt monatlich 1.200 €.
Im Zeitpunkt der Trennung zog die Antragstellerin (Ehefrau) aus dem Familienheim aus.
Seither bewohnte der Antragsgegner (Ehemann) das Familienheim mit den vier inzwischen volljährigen Töchtern und einer 11jährigen Enkelin.

Mit ihrem Antrag hat die Ehefrau den Ehemann auf Zahlung einer monatlichen Nutzungsentschädigung von 600 € in Anspruch genommen, die sie mit Schreiben vom 30.08.2011 erstmals geltend gemacht hat.

Das Familiengericht hat den Antrag der Ehefrau abgewiesen.

Auf die Beschwerde der Ehefrau hat das Oberlandesgericht (OLG) ihr eine Nutzungsentschädigung von monatlich 250 € seit 01.09.2011 bis zum 15.08.2012 zugesprochen.

Hiergegen richtete sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Ehemanns.

Der XII. Zivilsenat des BGH hat die Rechtsbeschwerde des Ehemanns zurückgewiesen und seine Entscheidung wie folgt begründet:

Gemäß § 1361 b Abs. 3 S. 2 BGB kann der Ehegatte, der dem anderen die Ehewohnung während des Getrenntlebens ganz oder zum Teil überlassen hat, von dem nutzungsberechtigten Ehegatten eine Vergütung für die Nutzung verlangen, soweit dies der Billigkeit entspricht.
Seit der Neufassung der Vorschrift durch das Gewaltschutzgesetz zum 01.01.2002 knüpft die Vergütungsregelung nur noch an die faktische Überlassung der Wohnung an, ohne dass es darauf ankommt, ob der weichende Ehegatte die Ehewohnung freiwillig verlässt oder er verpflichtet ist, sie dem anderen zur alleinigen Benutzung zu überlassen.

Die familienrechtliche Nutzungsvergütung soll den Verlust des Wohnungsbesitzes und die damit einhergehenden wirtschaftlichen Nachteile für den weichenden Ehegatten im Einzelfall und nach Billigkeit kompensieren.
Zugleich schafft sie einen Ausgleich dafür, dass nur noch der Verbliebene allein diejenigen Nutzungen zieht, die nach der ursprünglichen ehelichen Lebensplanung beiden Ehegatten gemeinsam zustehen sollten.
Die Vergütungsregelung nach § 1361 b Abs. 3 S. 2 BGB ermöglicht somit einen nach familienrechtlichen Billigkeitskriterien orientierten Ausgleich für die Zeit des Getrenntlebens.

Der Anspruch scheidet aus, wenn der Wohnvorteil des in der Ehewohnung verbleibenden Ehegatten bereits anderweitig familienrechtlich kompensiert wird, er insbesondere bei der Unterhaltsbemessung entweder bedarfsmindernd oder die Leistungsfähigkeit erhöhend berücksichtigt ist.

In die Regelungen des § 1361 b BGB sind, wie sich aus Absatz 1 S. 3 der Vorschrift ergibt, Fälle von Eigentum, Erbbaurecht, Nießbrauch, Wohnungseigentum, Dauerwohnrecht und dinglichem Wohnrecht grundsätzlich unabhängig davon einbezogen, ob sie beiden Ehegatten gemeinsam oder nur einem von ihnen allein oder gemeinsam mit einem Dritten zustehen.
Ob eine Nutzungsvergütung zu entrichten ist, hängt daher grundsätzlich nicht von der Art des Rechts ab, auf dem die gemeinsame eheliche Nutzung der Wohnung beruht. Das entspricht dem Regelungszweck der Norm, die den wirtschaftlichen Nachteil des weichenden Ehegatten nach Billigkeit kompensieren und einen Ausgleich daür schaffen will, dass aus dem zuvor gemeinsam genutzten Recht nur noch der Verbliebene allein die Nutzungen zieht.

Der Vergütungsanspruch besteht daher auch, wenn ein Ehegatte aus einer Ehewohnung weicht, für die beiden gemeinsam ein unentgeltliches dingliches Wohnungsrecht eingeräumt ist. Denn während der Zeit des gemeinsamen ehelichen Wohnens ist das Wohnrecht jedes Ehegatten mit der Verpflichtung belastet, die Mitnutzung durch den anderen Ehegatten zu dulden.
Diese Duldungspflicht entfällt für den verbleibenden Ehegatten mit dem Weichen des anderen aus der Wohnung.
Die fortan ungeteilte Nutzung durch den verbliebenen Ehegatten kann einen höheren Wohnwert verkörpern als die ursprünglich nur anteilige Nutzung.
Sowohl dieser Vorteil als auch der dem weichenden Ehegatten entstehende Nachteil kann, soweit es der Billigkeit entspricht, durch eine Vergütung an den weichenden Ehegatten auszugleichen sein.

Soweit der Senat einen Ausgleichsanspruch in seinem Urteil vom 08.05.1996 – XII ZR 254/94 – weiterhin davon abhängig gemacht hat, dass der in der Ehewohnung verbleibende Ehegatte die ihm durch die ungeteilte Nutzung zuwachsenden Vorteile wirtschaftlich verwerten könne, hält er daran nicht fest.
Der Vergütungsanspruch nach § 1361 b Abs. 3 S. 2 BGB setzt nach dem Wortlaut der Vorschrift nur das Überlassen der Ehewohnung während des Getrenntlebens voraus und eröffnet auf der Rechtsfolgenseite eine Billigkeitsabwägung.
Der Nutzungsvergütung steht es auch nicht generell entgegen, wenn dem in der Wohnung verbliebenen Ehegatten die alleinige Nutzung letztlich aufgedrängt worden ist. Diesem Gesichtspunkt kann mit dem Kriterium der Billigkeit Rechnung getragen werden, an das der Vergütungsanspruch nach Grund und Höhe anknüpft.

Ob und in welchem Umfang eine Wohnwertsteigerung für den verbleibenden Ehegatten tatsächlich eintritt, in welchem Umfang der weichende Ehegatte durch den Verlust des Wohnungsbesitzes wirtschaftliche Nachteile erleidet und inwieweit es der Billigkeit entspricht, dieses durch eine Nutzungsvergütung zu kompensieren, obliegt einer wertenden Betrachtungsweise des Tatrichters.
Dass das OLG im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung, dass neben dem Ehemann noch vier erwachsene Töchter sowie ein Enkelkind die Ehewohnung nutzen, die vom Ehemann zu zahlende Nutzungsvergütung auf rund ein Fünftel des Gesamtwohnwerts des Anwesens festgesetzt hat, ist danach nicht zu beanstanden.

 

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