Kindesunterhaltsansprüche – Wenn den Eltern die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, welcher Elternteil kann ein minderjähriges Kind bei der Geltendmachung seiner Unterhaltsansprüche vertreten?

Kindesunterhaltsansprüche – Wenn den Eltern die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, welcher Elternteil kann ein minderjähriges Kind bei der Geltendmachung seiner Unterhaltsansprüche vertreten?

Nach § 1629 Abs. 2 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann bei gemeinsamer elterlicher Sorge derjenige Elternteil, in dessen „Obhut“ sich das Kind befindet, dieses bei der Geltendmachung seiner Unterhaltsansprüche gesetzlich vertreten. Der dem Jugendhilferecht entlehnte (vgl. auch § 42 Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII)) Begriff der Obhut knüpft an die tatsächlichen Betreuungsverhältnisse an.
Ein Kind befindet sich in der Obhut desjenigen Elternteils, bei dem der Schwerpunkt der tatsächlichen Fürsorge und Betreuung liegt, der mithin die elementaren Lebensbedürfnisse des Kindes nach Pflege, Verköstigung, Kleidung, ordnender Gestaltung des Tagesablaufs und ständig abrufbereiter emotionaler Zuwendung vorrangig befriedigt oder sicherstellt.

Leben Eltern in verschiedenen Wohnungen und regeln sie den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes dergestalt, dass es vorwiegend in der Wohnung eines Elternteils lebt und dies durch regelmäßige Besuche in der Wohnung des anderen Elternteils unterbrochen wird (Eingliederungs- oder Residenzmodell), so ist die Obhut im Sinne des § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB dem erstgenannten Elternteil zuzuordnen (Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 21.12.2005 – XII ZR 126/03 – und vom 28.02.2007 – XII ZR 161/04 –).
Nur wenn die Eltern ihr Kind in der Weise betreuen, dass es in etwa gleich langen Phasen abwechselnd jeweils bei dem einen und dem anderen Elternteil lebt (Wechselmodell), lässt sich ein Schwerpunkt der Betreuung nicht ermitteln. Das hat zur Folge, dass kein Elternteil die Obhut im Sinne von § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB innehat.
Dann muss der Elternteil, der den anderen für barunterhaltspflichtig hält, entweder die Bestellung eines Pflegers für das Kind herbeiführen, der dieses bei der Geltendmachung seines Unterhaltsanspruchs vertritt, oder der Elternteil muss beim Familiengericht beantragen, ihm gemäß § 1628 BGB die Entscheidung zur Geltendmachung von Kindesunterhalt allein zu übertragen (BGH, Urteil vom 21.12.2005 – XII ZR 126/03 –).
Für die Beurteilung der Frage, ob ein Kind räumlich getrennt lebender Eltern im Residenzmodell oder im Wechselmodell betreut wird, kommt im Rahmen des § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB dem zeitlichen Einsatz der Eltern bei der Betreuung des Kindes eine besondere Bedeutung zu.
Anknüpfend an den Normzweck der Vorschrift, die Einleitung von Sorgerechtsverfahren nur mit dem Ziel einer späteren Austragung von Unterhaltskonflikten möglichst zu vermeiden, wird ein Elternteil bereits dann als Träger der Obhut im Sinne von §1629 Abs.2 Satz 2 BGB angesehen werden können, wenn bei diesem Elternteil ein eindeutig feststellbares, aber nicht notwendigerweise großes Übergewicht bei der tatsächlichen Fürsorge für das Kind vorliegt.

Sind die Eltern eines minderjährigen Kindes miteinander verheiratet, kann gemäß § 1629 Abs. 3 Satz 1 BGB, solange die Eltern getrennt leben oder eine Ehesache zwischen ihnen anhängig ist, ein Elternteil Ansprüche auf Kindesunterhalt gegen den anderen Elternteil nur in eigenem Namen geltend machen.
Diese Vorschrift will zum einen in der Ehesache und im Verfahren auf Kindesunterhalt Beteiligtenidentität bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Scheidung gewährleisten und zum anderen Konfliktsituationen für das Kind während der Trennungszeit und während des Scheidungsverfahrens verhindern (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11.05.2005 – XII ZB 242/03 – und vom 19.06.2013 – XII ZB 39/11 –).
Hat in einem derartigen Fall ein Elternteil, beispielsweise die Kindesmutter, das Verfahren als Verfahrensstandschafterin eingeleitet und wird während des erstinstanzlichen Verfahrens die Scheidung der Eltern rechtskräftig, ändert das an der Verfahrensführungsbefugnis der Kindesmutter noch nichts.
Der BGH hat bereits entschieden, dass es einerseits dem Rechtsgedanken des § 265 Abs. 2 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) und andererseits unabweisbaren praktischen Bedürfnissen entspricht, dass ein Unterhaltsverfahren, welches berechtigterweise in Verfahrensstandschaft eingeleitet wurde, in dieser Form – auch durch die Rechtsmittelinstanzen hindurch – bis zum Abschluss gebracht werden kann, wenn die elterliche Sorge für das minderjährige Kind bis dahin keinem anderen übertragen worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 19.06.2013 – XII ZB 39/11 –).

Darauf hat der XII. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 12.03.2014 – XII ZB 234/13 – hingewiesen.

 


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