Strafrecht – Haftbefehl – Voraussetzungen für den Haftgrund der Fluchtgefahr und der Verdunkelungsgefahr.

Strafrecht – Haftbefehl – Voraussetzungen für den Haftgrund der Fluchtgefahr und der Verdunkelungsgefahr.

Nach § 112 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) darf Untersuchungshaft gegen einen Beschuldigten nur angeordnet werden, wenn

  • ein dringender Tatverdacht gegen ihn besteht,
  • ein Haftgrund vorliegt und
  • die Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nicht außer Verhältnis steht.

Haftgründe (vgl. hierzu §§ 112 Abs. 2, Abs. 3, 112a StPO) sind u. a. auch Fluchtgefahr und Verdunkelungsgefahr.

Der Haftgrund der Fluchtgefahr im Sinne des § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO liegt vor, wenn bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalles eine höhere Wahrscheinlichkeit für die Annahme spricht, der Beschuldigte werde sich zumindest für eine gewisse Zeit dem Strafverfahren – einschließlich der Strafvollstreckung – entziehen, als für die Erwartung, er werde sich dem Verfahren zur Verfügung halten.
Allein die Straferwartung bietet für den Haftgrund der Fluchtgefahr dann keine ausreichende Grundlage, wenn ein Beschuldigter in Deutschland lebt, hier sozial verwurzelt und berufstätig ist, er sich bisher durchgängig unter seiner Meldeanschrift aufgehalten hat und es Anhaltspunkte dafür, dass er sich ins Ausland absetzen oder in Deutschland untertauchen könnte, nicht gibt.

Der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr nach § 112 Abs. 2 Nr. 3b StPO liegt vor, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen ein Verhalten des Beschuldigten festzustellen ist, das den dringenden Verdacht begründen könnte, er werde auf Zeugen oder Sachverständige unlauter einwirken, um deren Aussageverhalten zu beeinflussen und wenn deshalb die Gefahr droht, dass die Ermittlung der Wahrheit erschwert wird.
Eine entsprechende Absicht eines Beschuldigten allein, durch eine unlautere Einwirkung auf einen Zeugen die Beweislage zu seinen Gunsten prozessordnungswidrig zu beeinflussen, genügt für den Haftgrund der Verdunkelungsgefahr nicht. Erforderlich ist vielmehr, dass die potentielle Verdunkelungshandlung auch objektiv (noch) geeignet ist, die Ermittlung der Wahrheit zu erschweren.
Daran fehlt es, wenn die Beweise in einer Weise gesichert sind, dass der Beschuldigte die Wahrheitsermittlung nicht mehr mit Erfolg behindern kann, also wenn beispielsweise hinsichtlich der Taten bereits ein für glaubhaft erachtetes richterliches Geständnis des Beschuldigten vorliegt, der Beweiswert einer potentiell gefährdeten Zeugenaussage deshalb nicht mehr ernstlich in Frage gestellt werden kann, weil diese richterlich protokolliert worden ist und der Inhalt somit durch den Richter bezeugt werden kann sowie konkrete Anhaltspunkte für die Annahme fehlen, der Beschuldigte könnte eine geschädigte Belastungszeugin dazu bewegen, ein Verlöbnis vorzutäuschen, um ein Zeugnisverweigerungsrecht geltend zu machen und hierdurch die Verwertbarkeit der bisherigen Aussagen zu verhindern.

Darauf hat das Kammergericht (KG) Berlin mit Beschluss vom 11.07.2012 – 4 Ws 73/12 – hingewiesen.

 

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