Versicherungsrecht – Zum Unfallbegriff des § 178 Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG).

Versicherungsrecht – Zum Unfallbegriff des § 178 Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG).

Nach § 178 Abs. 2 VVG liegt ein Unfall vor, wenn die versicherte Person durch ein

  • plötzlich
  • von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis

unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet, wobei die Unfreiwilligkeit bis zum Beweis des Gegenteils vermutet wird.

Nimmt beispielsweise die versicherte Person willentlich eine Injektion von Kokain vor und verstirbt sie anschließend an einer rauschmittelbedingten Intoxikation ist durch ein plötzlich von außen auf den Körper wirkendes Ereignis gemäß dieser Vorschrift der Tod eingetreten.

Die „Plötzlichkeit“ des Ereignisses ergibt sich dabei bereits daraus, dass sich die Injektion des Kokains objektiv innerhalb eines kurz bemessenen Zeitraums vollzogen hat.
Hat sich ein Geschehen innerhalb eines kurzen Zeitraums verwirklicht, ist es stets plötzlich, ohne dass es auf die Erwartungen des Betroffenen ankommt.

Lediglich in den Fällen, in denen sich ein Geschehen nicht innerhalb eines kurzen Zeitraums ereignet, werden auch weitere Ereignisse vom Versicherungsschutz umfasst, die für den Betroffenen unerwartet, überraschend und unentrinnbar sind.

Ist dagegen die zeitliche Komponente des Unfallbegriffs erfüllt, so liegt bereits damit ein plötzliches Ereignis vor.
Daher kann die Plötzlichkeit eines solchen Geschehens nicht unter Hinweis auf das willensgesteuerte Verhalten bei der Rauschmittelinjektion verneint werden.
Würde etwa bei einer Gesundheitsbeschädigung durch einen Beilhieb – bei der auch eine Selbstverstümmelung in Betracht kommt – nicht bereits das in Bruchteilen einer Sekunde eintretende Ereignis ausreichen, sondern der Versicherungsnehmer die Unerwartetheit, die Unvorhersehbarkeit und die Unentrinnbarkeit des Ereignisses zu beweisen haben, so würde auf diese Weise der nach § 178 Abs. 2 S. 2 VVG vom Versicherer zu führende Beweis der fehlenden Unfreiwilligkeit mittelbar auf den Versicherungsnehmer verlagert. Dies widerspräche der Intention des Gesetzgebers, der in § 178 Abs. 2 S. 2 VVG bis zum Beweis des Gegenteils eine Vermutung der Unfreiwilligkeit des Unfalls statuiert hat.

Das Merkmal der Unfreiwilligkeit bezieht sich nicht auf die Einwirkung von außen, sondern auf die durch das Unfallereignis bewirkte Gesundheitsschädigung.
Dabei gibt es keine Einschränkung dahingehend, dass damit allein die erste, unter Umständen nur geringfügige Gesundheitsschädigung – wie etwa die Hautverletzung nach einem Spritzeneinstich – gemeint ist.
Hat die versicherte Person bei der Durchführung risikoreicher Handlungen beispielsweise zwar mit Verletzungen gerechnet, infolge einer Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf jedoch nicht mit deren konkretem, die Leistungspflicht des Versicherers auslösendem Ausmaß, so erleidet sie die durch das Ereignis bewirkte Gesundheitsschädigung unfreiwillig.
Das bedeutet, dass der Versicherer, wenn die versicherte Person nach einer willentlich vorgenommenen Injektion von Kokain verstirbt (und falls Versicherungsschutz nach den Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen bestehen sollte), in einem solchen Fall darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat, dass der Tod als Folge der Injektion von Kokain und der sich anschließenden Kokainintoxikation freiwillig war.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 16.10.2013 – IV ZR 390/12 – hingewiesen.

 

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