Vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten bei der Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen nach der Fluggastrechteverordnung.

Vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten bei der Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen nach der Fluggastrechteverordnung.

Mahnt ein Fluggast das Luftfahrtunternehmen wegen erheblicher Flugverspätung über einen Inkassodienstleister zur Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 a der Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004 – FluggastrechteVO) an, so sind

  • die Kosten der nachfolgenden vorgerichtlichen Beauftragung eines Rechtsanwalts erstattungsfähig,
  • sofern lediglich diese als Rechtsverfolgungskosten geltend gemacht werden.

Darauf hat das Amtsgericht (AG) Bremen mit Urteil vom 27.11.2014 – 9 C 416/14 – hingewiesen und ein Flugunternehmen

  • zur Zahlung der Ausgleichsleistung von 250,00 € zuzüglich Zinsen von 5,00% über dem jeweiligen Basiszinssatz verurteilt
  • sowie dazu, den Kläger von Honoraransprüchen seiner Prozessbevollmächtigten für die vorgerichtliche Tätigkeit in Höhe von 70,20 € zzgl. 19% Mwst 13,34 €, insgesamt 83,54 € freizustellen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall stand dem Kläger gemäß Art. 7 Abs. 1 a FluggastrechteVO ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 250,00 € zu, weil der vom Kläger gebuchte Flug sein Ziel nicht planmäßig, sondern erst mit einer Verspätung um mehr als 3 Stunden erreicht hatte, eine solche Verspätung einer Flugannullierung gleichsteht und Entlastungsgründe im Sinne des Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO von der insofern darlegungsbelasteten beklagten Fluggesellschaft nicht vorgetragen worden waren.

Die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur vorgerichtlichen Geltendmachung des Ausgleichszahlungsanspuchs, stellte nach Auffassung des AG Bremen,

eine zweckdienliche Rechtsverfolgungsmaßnahme dar (ausführlich: AG Bremen, Urteil vom 12.06.2014 – 9 C 72/14 –).
Die diesbezüglichen Kosten hatte das beklagte Luftfahrtunternehmen durch seine Schlechtleistung zurechenbar veranlasst. Somit waren die Rechtsanwaltsgebühren als Schaden im Sinne der §§ 280 Abs. 1, 249, 257 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu bewerten.
Der auf Freistellung von den Gebühren gerichtete Schadensersatzanspruch (§ 257 S. 1 BGB) folgt unmittelbar aus § 280 Abs. 1 BGB; auf eine vorangehende Inverzugsetzung kam es nicht an (AG Bremen, Urteil vom 12.06.2014 – 9 C 72/14 –).
Im Übrigen war die beklagte Fluggesellschaft vorliegend vom Kläger gemahnt worden und befand sich im Zeitpunkt der Mandatierung – nach Ablauf der Prüfungsfrist – auch im Zahlungsverzug.

Die erstattungsfähigen Rechtsanwaltsgebühren waren vorliegend auf Basis eines Streitwerts von 250,00 € zu beziffern. Gemäß dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in der Fassung ab dem 01.08.2013 (§§ 2 II, 13, 33 RVG i.V.m. VV 2300, 7002) ist die vorgerichtliche Leistung des Klägervertreter mit einer 1,3 Geschäftsgebühr inkl. Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer in Höhe von 83,54 € zu vergüten.

Der Erstattungsanspruch entfiel, wie das AG Bremen ausführte, auch nicht unter dem Gesichtspunkt der gegebenenfalls im ausschließlichen Interesse der Klägervertreter erfolgten Gebührenmaximierung (§ 254 BGB bzw. fehlender Zurechnungszusammenhang).
Zwar ist anerkannt, dass der Gebührenerstattungsanspruch bei erkennbarer Zahlungsunwilligkeit des Schuldners im Einzelfall entfallen kann (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 26.02.2013 – XI ZR 345/10 –; OLG Hamm, Beschluss vom 31.10.2005 – 24 W 23/05 –).
Ein solcher Ausnahmefall war vorliegend jedoch nicht gegeben. Insbesondere war der Kläger aufgrund der Schadensminderungspflicht nicht gehalten, seinem Prozessbevollmächtigten sogleich einen unbedingten Klageauftrag zu erteilen (a.A. für vergleichbaren Sachverhalt: AG Simmern/Hunsrück, Urteil vom 24.02.2014 – 32 C 935/13 –; AG Eilenburg, Urteil vom 08.05.2014 – 2 C 315/14 –; AG Lübeck, Urteil vom 05.06.2014 – 31 C 929/14 –; AG Geldern, Urteil vom 07.06.2014 – 17 C 229/14 –; AG Memmingen, Urteil vom 16.06.2014 – 11 C 445/14 –). Denn der geltend gemachte Anspruch war von der Beklagten nicht kategorisch zurückgewiesen worden.
Der Kläger durfte daher erwarten, dass die erfolgreich auf dem europäischen Markt agierende Fluggesellschaft seinen evident berechtigten Anspruch zumindest nach Anwaltsschreiben prüfen und sodann Ausgleichszahlung leisten werde.
Ein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten bestünde nur dann nicht, wenn die Fluggesellschaft – zulasten ihrer Außendarstellung – vor Beauftragung des Rechtsanwalts unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hätte, dass sie auch auf anwaltliche Mahnschreiben vorgerichtlich keine Zahlungen leisten werde. Eine solche ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung lag zum Zeitpunkt der Mandatierung aber nicht vor.

Auch wenn der Kläger hier vor der Beauftragung des Rechtsanwalts eine Inkassobüro eingeschaltet hatte sind die vorgerichtlichen Anwaltskosten erstattungsfähig. Denn ausgeschlossen ist nur eine doppelte Gebührenerstattung. Nicht erstattungsfähig sind im Zweifel dann die vorangehenden Inkassokosten, weil der Gläubiger sogleich einen Rechtsanwalt hätte beauftragen können.
Die Ansicht, die Fluggesellschaften mitunter vertreten, nämlich,

  • dass vorgerichtliche Anwaltskosten nicht nur ohne vorangehende Inverzugsetzung nicht erstattungserstattungsfähig sind,
  • sondern, wegen Verstoßes gegen die Schadensminderungsobliegenheit auch dann nicht, wenn der Fluggast vor der Mandatierung des Rechtsanwalts die Fluggesellschaft durch ein Inkassobüro hat mahnen lassen oder vor Einschaltung des Rechtsanwalts selbst ergebnislos gemahnt hat,

teilt das AG Bremen deshalb nicht, weil ein schlecht beförderter Fluggast danach niemals vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten geltend machen könnte. Gerade gegenüber Fluggesellschaften bedürfen die Fluggäste jedoch professioneller Unterstützung. 

 


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