Ein Arzt schuldet seinem Patienten eine Behandlung entsprechend dem im Zeitpunkt der Behandlung bestehenden medizinischen Standard (vgl. BGH, Urteile vom 08.07.2003 – VI ZR 304/02 – und vom 21.12.2010 – VI ZR 284/09 –).
Der Standard gibt Auskunft darüber, welches Verhalten von einem gewissenhaften und aufmerksamen Arzt in der konkreten Behandlungssituation aus der berufsfachlichen Sicht seines Fachbereichs im Zeitpunkt der Behandlung erwartet werden kann. Er repräsentiert den jeweiligen Stand der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und der ärztlichen Erfahrung, der zur Erreichung des ärztlichen Behandlungsziels erforderlich ist und sich in der Erprobung bewährt hat (vgl. BGH, Urteil vom 16.05.2000 – VI ZR 321/98 –).
Die Ermittlung des Standards ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, der sich dabei auf die medizinische Bewertung des Behandlungsgeschehens durch einen Sachverständigen aus dem betroffenen medizinischen Fachgebiet stützen muss.
Handlungsanweisungen in Leitlinien ärztlicher Fachgremien oder Verbände dürfen nicht unbesehen mit dem medizinischen Standard gleichgesetzt werden. Dies gilt in besonderem Maße für Leitlinien, die erst nach der zu beurteilenden medizinischen Behandlung veröffentlicht worden sind. Leitlinien ersetzen kein Sachverständigengutachten. Zwar können sie im Einzelfall den medizinischen Standard für den Zeitpunkt ihres Erlasses zutreffend beschreiben; sie können aber auch Standards ärztlicher Behandlung fortentwickeln oder ihrerseits veralten (vgl. zum Ganzen: BGH, Urteil vom 15.02.2000 – VI ZR 48/99 –; Beschlüsse vom 28.03.2008 – VI ZR 57/07 – und vom 07.02.2011 – VI ZR 269/09 –).
Entsprechendes gilt für Handlungsanweisungen in klinischen Leitfäden oder Lehrbüchern. Auch sie geben nicht stets einen bereits zuvor bestehenden medizinischen Standard wieder.
Darauf hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 15.04.2014 – VI ZR 382/12 – hingewiesen.
Ähnliche Beiträge