Wenn Erblasser mit seiner ersten Ehefrau ein gemeinschaftliches Testament errichtet hatte.

Wenn Erblasser mit seiner ersten Ehefrau ein gemeinschaftliches Testament errichtet hatte.

Ist von einem

  • nach Scheidung wiederverheiratetem Ehemann
  • in einem während seiner ersten Ehe errichteten Testament seine erste Ehefrau als Erbin eingesetzt worden,

kann seine im Testament nicht berücksichtigte zweite Ehefrau das Testament (sofern es nicht schon nach § 2077 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unwirksam sein sollte) nach dem Tode des Ehemanns regelmäßig anfechten.

Das hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Beschluss vom 28.10.2014 – 15 W 14/14 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte der Erblasser

  • 2003, während seiner ersten Ehe, mit seiner ersten Ehefrau ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sich die Eheleute wechselseitig zum alleinigen Erben des Erstversterbenden eingesetzt hatten, wobei in einem Nachtrag dazu zwischen den Eheleuten vereinbart worden war, dass das Testament auch im Falle der Ehescheidung gelten sollte

sowie

  • 2012, nach seiner Scheidung und seiner Wiederheirat, mit seiner zweiten Ehefrau, ein notarielles Testament, das einen Widerruf seiner früheren letztwilligen Verfügung beinhaltete, der ersten Ehefrau allerdings nicht übermittelt worden war.   

Die nach dem Tod des Erblassers erklärte und damit begründete Anfechtung des Testaments aus dem Jahr 2003 durch die zweite Ehefrau, dass sie als Pflichtteilsberechtigte übergangen worden sei, hat der 15. Zivilsenat des OLG Hamm für wirksam erachtet und aufgrund dessen festgestellt, dass die erste Ehefrau nicht Erbin geworden ist.

Zwar sei, wie der Senat ausführte, das Testament aus dem Jahre 2003 nicht nach § 2077 Abs. 1 S. 1 BGB mit der Scheidung unwirksam geworden. Denn die damaligen Eheleute hätten ihr gemeinschaftliches Testament ausdrücklich durch den Weitergeltungsnachtrag entsprechend der Regelung des § 2077 Abs. 3 BGB ergänzt.
Der Erblasser hätte sich deshalb von der Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments gemäß § 2271 Abs. 1 BGB nur durch eine Widerrufserklärung nach der für den Rücktritt von einem Erbvertrag geltenden Vorschrift des § 2296 BGB befreien können, die nach § 2296 Abs. 2 BGB der ersten Ehefrau gegenüber abzugeben gewesen wäre bzw. bei einer in ihrer Abwesenheit abgegeben Widerrufserklärung ihr hätte zugehen müssen, um wirksam zu sein (§§ 130 Abs. 1 S. 1, 132 Abs. 1 BGB).
Da der Erblasser zu seinen Lebzeiten aber versäumt hatte, seiner ersten Ehefrau den in dem notariellen Testament aus dem Jahr 2012 erklärten Widerruf zu übermitteln, war der Widerruf des gemeinschaftlichen Testaments aus dem Jahr 2003 nicht wirksam.

Das gemeinschaftliche Testament aus dem Jahr 2003 Testament war aber deshalb unwirksam, weil die nach § 2080 Abs. 3, § 2079 S. 1 BGB anfechtungsberechtigte zweite Ehefrau es wirksam angefochten hatte.
Die von ihr innerhalb der mit dem Tode des Erblassers beginnenden Jahresfrist (§ 2082 BGB) formgerecht gegenüber dem Nachlassgericht (§ 2081 Abs. 1 BGB) erklärte Anfechtung führte gemäß § 142 Abs. 1 BGB dazu, dass die vom Erblasser in diesem gemeinschaftlichen Testament verfügte Erbeneinsetzung der ersten Ehefrau als von Anfang an nichtig anzusehen war.

Sachlich begründet war die Anfechtung, weil der Anfechtungsgrund nach § 2079 S. 1 BGB durchgriff. Nach dieser Vorschrift kann eine letztwillige Verfügung u.a. dann angefochten werden, wenn der Erblasser einen zur Zeit des Erbfalls vorhandenen Pflichtteilsberechtigten übergangen hat, der erst nach der Errichtung pflichtteilsberechtigt geworden ist.
Der Tatbestand dieses Anfechtungsgrundes lag hier zweifelsfrei vor, weil die zweite Ehefrau erst dadurch pflichtteilsberechtigt geworden ist, dass sie 2012 die Ehe mit dem Erblasser geschlossen hat (§ 2303 Abs. 2 BGB).
§ 2079 S. 2 BGB begründet eine gesetzliche Vermutung dafür, dass der Erblasser bei Kenntnis der Sachlage den neu hinzugetretenen Pflichtteilsberechtigten nicht übergangen hätte, seine Unkenntnis also kausal für die getroffene Verfügung war.
Ausgeschlossen ist eine Anfechtung in einem solchen Fall nur dann, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser auch bei Kenntnis der Sachlage die Verfügung getroffen haben würde. Hiervon war im vorliegenden Fall nicht auszugehen.
Nach dem seinerzeit vereinbarten Nachtrag sollte das Testament des Jahres 2003 nämlich nur bei der Scheidung weitergelten. Dafür, dass es nach dem Willen des Erblassers auch im Falle seiner Wiederverheiratung weitergelten sollte, gab es keine konkreten Anhaltspunkte.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm am 14.01.2015 mitgeteilt.

 


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