Wenn Patient nach Befunderhebungsfehler beide Nieren verliert

Wenn Patient nach Befunderhebungsfehler beide Nieren verliert

Eine jugendliche Patientin, die nach einem groben Befunderhebungsfehler ihrer Hausärztin beide Nieren verloren hat, dialysepflichtig geworden ist und 53 Folgeoperationen, darunter zwei erfolglosen Nierentransplantationen ausgesetzt war, erhält 200.000 Euro Schmerzensgeld.

Das hat der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 03.07.2015 – 26 U 104/14 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall waren bei der Klägerin beiderseitige Schrumpfnieren diagnostiziert worden,

  • nachdem die damals fünfzehn Jahre alte Klägerin bei ihrer beklagten Hausärztin wegen krankhafter Fettsucht und Nikotinmissbrauch in Behandlung war,
  • die Beklagte bei der Klägerin einen deutlich erhöhten Blutdruck festgestellt, die Klägerin und ihre Mutter darauf hin lediglich auf eine notwendige Blutdruckkontrolle hingewiesen und
  • nachdem sie zwei Monate später erfahren hatte, dass die Klägerin, bei der wiederum erhöhte Blutdruckwerte vorlagen, aufgrund von Kreislaufproblemen viermal bewusstlos geworden war, eine Überweisung zum Internisten bzw. Kardiologen zur weiteren Diagnostik einer sekundären Hypertonie ausgestellt, selbst die Blut- und Nierenwerte der Klägerin aber nicht untersucht, sondern nur erneut regelmäßige Blutdruckkontrollen angeboten hatte, die von der Klägerin jedoch nicht wahrgenommen worden waren.

 

Der sachverständig beratene 26. Zivilsenat des OLG Hamm sah den Befunderhebungsfehler der Beklagten darin, dass diese nicht genug unternommen hatte, um die Ursache für den Bluthochdruck der Klägerin abzuklären.
Er war der Ansicht, dass der deutlich erhöhte Blutdruck ein krankhafter Befund gewesen sei, der durch weitere regelmäßige Blutdruckmessungen hätte abgeklärt werden müssen.
Der Beklagten sei vorzuwerfen, der Patientin und ihren Eltern nicht die hohe Dringlichkeit der weiteren Abklärung verdeutlicht und nach der erneuten Vorstellung der Patientin zwei Monate später eine weiterführende Diagnostik nicht stärker vorangetrieben oder selbst durchgeführt zu haben.
Wie der Senat weiter ausführte, hätten die mehrfachen Bewusstlosigkeiten und die wiederholt erhöhten Blutdruckwerte – trotz der weiteren Risikofaktoren der Klägerin – im Hinblick auf eine sekundäre Hypertonie zwingend weiter abgeklärt werden müssen.
Hierzu hätte es weiterer Blutdruckwerte bedurft, die seinerzeit nicht vorgelegen hätten.
Bei dieser Situation habe die bloße Überweisung der Klägerin zum Kardiologen ohne zwischenzeitliche eigenständige Diagnostik nicht ausgereicht.
Aus fachärztlicher Sicht eines Allgemeinmediziners sei sogar eine stationäre Abklärung erforderlich gewesen. Dieses hätte wiederum der Klägerin und ihren Eltern verdeutlicht werden müssen. Dass die Beklagte bei der gegebenen Situation diese elementar gebotenen diagnostischen Maßnahmen unterlassen habe, sei als grober Behandlungsfehler zu bewerten.

Aufgrund der mit dem groben Behandlungsfehler verbundenen Beweislastumkehr ging der Senat zugunsten der Klägerin davon aus, dass

  • ihre späteren Beeinträchtigungen der Nierenfunktion, insbesondere ihre Dialysepflicht, die zwei Nierentransplantationen mit insgesamt 53 Operationen auf die von der Beklagten zu vertretende zeitliche Verzögerung bei der Feststellung und Behandlung der Grunderkrankung zurückzuführen war und
  • bei einer früheren Diagnose der Nierenerkrankung der Klägerin eine – wenn auch geringe – Chance auf eine vollständige Heilung bestanden hätte.

 

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm am 19.08.2015 mitgeteilt.

 


Warning: Undefined variable $user_ID in /is/htdocs/wp1087826_EK6QR6X9JJ/www/haerlein.de/wordpress/wp-content/themes/arilewp-pro/comments.php on line 45

You must be <a href="https://www.haerlein.de/wp-login.php?redirect_to=https%3A%2F%2Fwww.haerlein.de%2Fwenn-patient-nach-befunderhebungsfehler-beide-nieren-verliert%2F">logged in</a> to post a comment