Darauf, welche Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast für den Eintritt eines durch die fehlerhafte Beratung eines Versicherungsmaklers verursachten Schadens zu stellen sind, hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in dem Urteil vom 23.10.2014 – III ZR 82/13 – hingewiesen.
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte der 2008 an den Folgen eines unverschuldeten Verkehrsunfalls verstorbene Ehemann der Klägerin, der dabei von dem Beklagten, einem Versicherungsmakler, beraten worden war, 2007 bei der Lebensversicherungs-AG eine Risikolebensversicherung abgeschlossen und in dem von der Lebensversicherungs-AG nachfolgend angenommenen Antrag auf Abschluss des Versicherungsvertrags sämtliche Fragen nach gesundheitlichen Beeinträchtigungen für den zurückliegenden Zeitraum von fünf Jahren verneint, obwohl er im Jahr 2006 unter einem behandlungsbedürftigen Hörsturz, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Lärmempfindlichkeit und allergischem Bronchialasthma gelitten hatte und unter anderem wegen eines hirnorganischen Psychosyndroms in ärztlicher Behandlung war.
Die Lebensversicherungs-AG hatte deshalb, als ihr nach Eintritt des Versicherungsfalles die verschwiegenen Vorerkrankungen bekannt geworden waren, den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten und die Leistung verweigert. Die daraufhin von der Klägerin erhobene Klage gegen die Versicherungs-AG auf Auszahlung der Versicherungssumme hatte keinen Erfolg und wurde rechtskräftig abgewiesen.
Die Klägerin verlangte deshalb von dem Beklagten Schadensersatz
- in Höhe der nicht ausgezahlten Versicherungssumme
wegen fehlerhafter Beratung mit der Begründung, dass nach Auskunft des Beklagten, die Vorerkrankungen, die ihm mitgeteilt worden waren, nicht anzugeben gewesen seien.
Wie der III. Zivilsenat des BGH ausgeführt hat, ist in einem solchen Fall die Klägerin, als Geschädigte, darlegungs- und beweispflichtig
Ist unstreitig oder bewiesen, dass der Makler pflichtwidrig den unzutreffenden Rat erteilt hat, dass die – ihm mitgeteilten – Vorerkrankungen des Ehemanns der Klägerin nicht anzugeben sind, kann sich die Klägerin
- bei der Beurteilung, ob ein schuldhafter Verstoß des Versicherungsmaklers gegen Hinweis- oder Beratungspflichten einen wirtschaftlichen Nachteil verursacht hat,
- allerdings auf die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens stützen.
Danach trifft den Makler die Darlegungs- und Beweislast dafür,
- dass der Geschädigte sich über die aus der Aufklärung und Beratung folgenden Verhaltensempfehlungen hinweggesetzt hätte und
- deshalb der Schaden auch bei vertragsgerechter und pflichtgemäßer Aufklärung und Beratung eingetreten wäre.
Ansonsten ist davon auszugehen, dass der Ehemann der Klägerin bei zutreffender Beratung durch den Makler bei Antragstellung die vorliegenden Erkrankungen auch wahrheitsgemäß angegeben hätte.
Allerdings erstreckt sich die Vermutungswirkung nicht darauf,
- dass bei vollständiger und wahrheitsgemäßer Beantwortung der Gesundheitsfragen Versicherungsschutz zu erlangen gewesen und
- ein Lebensversicherungsvertrag gegebenenfalls auch mit bestimmten Risikoausschlüssen oder mit entsprechenden Prämienzuschlägen zustande gekommen wäre.
Vielmehr verbleibt es insoweit bei der Darlegungs- und Beweislast des Geschädigten (so auch Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg, Urteil vom 19.03.2014 – 11 U 212/12 –).
Demzufolge hat, wenn dies vom Makler bestritten wird, der Geschädigte zu beweisen,
- dass er auch bei aufklärungsgemäßem Verhalten Versicherungsleistungen erhalten hätte,
- also auch bei vollständiger und wahrheitsgemäßer Beantwortung der Gesundheitsfragen ein Lebensversicherungsvertrag gegebenenfalls mit bestimmten Risikoausschlüssen oder mit entsprechenden Prämienzuschlägen zustande gekommen wäre.
Einem diesbezüglichen Beweisantritt des Geschädigten, der durch Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens auch dazu erfolgen kann, dass (jedenfalls) ein anderer Versicherer den Antrag ihres Ehemanns in Kenntnis der vorhandenen Erkrankungen angenommen hätte, hat das Gericht nachzugehen.
Angesichts der seitens des Maklers erbrachten Beratungsleistungen und seiner (scheinbar) erfolgreichen Vermittlungsbemühungen bestand für den Ehemann der Klägerin zum fraglichen Zeitpunkt nämlich kein Anlass, an andere potentielle Versicherer heranzutreten beziehungsweise Überlegungen darüber anzustellen, zu welchen Bedingungen andere Versicherer zu einem Vertragsschluss bereit wären.
Sollte durch das Sachverständigengutachten bewiesen werden, dass die fraglichen Erkrankungen aus medizinischer Sicht der Versicherbarkeit nicht entgegengestanden hätten, kann im Übrigen nicht ohne weiteres angenommen werden, die Lebensversicherungs-AG den Abschluss eines Lebensversicherungsvertrags in jedem Falle abgelehnt hätte.
Die von der Lebensversicherungs-AG erfolgte Anfechtung wegen arglistiger Täuschung besagt nämlich noch nicht, dass die Lebensversicherungs-AG den Vertrag bei wahrheitsgemäßer Beantwortung der Gesundheitsfragen unter keinen Umständen geschlossen hätte. Denn die Anfechtung der eigenen Willenserklärung des getäuschten Versicherers ist nicht nur dann zulässig, wenn er diese bei Vertragsschluss überhaupt nicht abgegeben hätte. Vielmehr ist die erforderliche Kausalität zwischen Täuschungshandlung und Willenserklärung im Rahmen der Anfechtung nach § 22 Versicherungsvertragsgesetz (VVG), § 123 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auch dann gegeben, wenn die Willenserklärung ohne die Täuschung mit einem anderen Inhalt oder zu einem anderen Zeitpunkt abgegeben worden wäre.
In seiner Entscheidung wies der III. Zivilsenat des BGH abschließend noch darauf hin, dass,
- wenn die behauptete Pflichtverletzung des Maklers vorliegt, dadurch jedenfalls ein Schaden entstanden ist, dass bis zum Eintritt des Versicherungsfalles Versicherungsbeiträge gezahlt worden sind,
- der Anspruch auf Ersatz dieses Schadens („negativen Interesses“) allerdings (hilfsweise) geltend gemacht werden muss.
Hinweis:
In Fällen wie dem obigen sollte deshalb stets hilfsweise, d. h. für den Fall, dass der Antrag auf Ersatz der Versicherungsleistung („positives Interesse“) nicht bestehen sollte, Schadensersatz in Höhe der bis zum Eintritt des Versicherungsfalles gezahlten Versicherungsbeiträge („negativen Interesses“) verlangt werden.
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