Wollen Wohnungseigentümer einen Neuanstrich der Fassade dazu nutzen, das Gesamterscheinungsbild des Gebäudes zu verändern, gehen sie damit über die bloße Instandhaltung, für die es ausreicht, die Fassade in der alten Farbe neu zu streichen, hinaus.
Soll ein solches Farbkonzept hinsichtlich des Neuanstrichs der Fassade verwirklicht werden, ist zu beachten, dass es sich hierbei um eine bauliche Veränderung nach § 22 Abs. 1 WEG handeln kann, die der Zustimmung aller Eigentümer bedarf, wenn durch die Maßnahme nicht zustimmende Eigentümer über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus benachteiligt werden.
Zu den baulichen Veränderungen gehören insbesondere Veränderungen an der äußeren Gestaltung des Gebäudes (vgl. § 5 Abs. 1 WEG), also des architektonisch-ästhetischen Bildes, aber auch der Farbgebung, jedenfalls soweit diese den Gesamteindruck der Anlage beeinflusst.
Eine Beeinträchtigung im Sinne von §§ 22, 14 Nr. 1 WEG kann bei derartigen Änderungen der Fassade durch einen Neuanstrich insbesondere in einer nicht nur unerheblichen nachteiligen Veränderung des optisch-architektonischen Gesamteindrucks der Anlage bestehen.
Dabei gilt, dass nicht jede wesentliche Veränderung des optischen Gesamteindrucks als nachteilig einzustufen ist, sondern es vielmehr darauf ankommt, ob die Veränderung des optischen Gesamteindrucks als nachteilig zu bewerten ist.
Maßstab zur Beurteilung, ob eine bauliche Veränderung beeinträchtigend wirkt, ist, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in einer entsprechenden Lage objektiv und verständlicherweise benachteiligt fühlen kann.
Dazu hat nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen eine am konkreten Einzelfall orientierte Abwägung stattzufinden, die den Grundrechten sowohl der die bauliche Veränderung veranlassenden Eigentümer als auch der Wohnungseigentümer, die in ihrem Eigentumsrecht beeinträchtigt werden, hinreichend Rechnung tragen muss.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Erfordernis der Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer nicht eine erhebliche Störung voraussetzt. Es greift vielmehr dann ein, wenn die bauliche Veränderung nicht nur unerheblich stört.
Die Schwelle einer Beeinträchtigung der Rechte der übrigen Wohnungseigentümer ist dabei schon aus verfassungsrechtlichen Gründen niedrig anzusetzen, was im Übrigen der Vorschrift des § 22 Abs. 1 S. 2 WEG als Ausnahmeregelung entspricht; nur ganz geringfügige Beeinträchtigungen von völlig belanglosem oder bagatellartigem Charakter für das Gemeinschaftseigentums bzw. die äußere Gestaltung der Anlage bleiben außer Betracht.
Danach handelt es sich um eine wesentliche Änderung, durch die nicht nur bloße geschmackliche Empfindlichkeiten betroffen sind, sondern die objektiv als eine störende Veränderung des architektonisch-ästhetischen Gesamteindrucks empfunden werden kann und in der ein nicht nur unerheblicher Nachteil für einen nicht zustimmenden Eigentümer liegt, wenn
- die ursprüngliche Fassadengestaltung durch eine einheitliche unauffällige Farbgebung ein ruhiges und neutrales Gestaltungsbild vermittelt und
- sich das Erscheinungsbild der Fassade nach dem Neuanstrich, beispielsweise durch die Schaffung von starken Farbkontrasten, die einzelne Hauselemente hervorheben und andere zurücktreten lassen, ganz anders darstellt, also der Charakter der Fassade sich so stark verändern würde.
Das hat das Landgericht (LG) München I mit Urteil vom 20.09.2012 – 36 S 1982/12 WEG – entschieden.
Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.
Ähnliche Beiträge