Zum Feststellungsinteresse wenn die Möglichkeit eines künftigen Schadenseintritts „sehr gering“ ist.

Zum Feststellungsinteresse wenn die Möglichkeit eines künftigen Schadenseintritts „sehr gering“ ist.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich im Urteil vom 02.04.2014 – VIII ZR 19/13 – mit der Frage befasst, ob das für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erforderliche Feststellungsinteresse auch dann vorliegt, wenn

  • eine vertragliche Pflichtverletzung bisher noch nicht zu einer Rechtsgutsverletzung geführt hat und
  • das Risiko des Eintritts eines künftigen Schadens infolge der Pflichtverletzung nur minimal über dem allgemeinen Lebensrisiko liegt und daher sehr gering ist.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall waren die Eltern der minderjährigen Kläger von 1998 bis 2008 Mieter einer Wohnung der Beklagten. Der Fußboden der Wohnung bestand bei Mietbeginn aus asbesthaltigen Vinylplatten (sog. Flexplatten). Nachdem sich der nach Nutzungsbeginn von den Eltern der Kläger über den Flexplatten verlegte Teppich Mitte des Jahres 2005 im vorderen Teil des Flurs gelockert hatte, entfernte der Vater der Kläger in diesem Bereich den Teppich und bemerkte, dass die darunter befindlichen Flexplatten teilweise gebrochen waren und offene Bruchkanten aufwiesen. Er informierte die Beklagte hierüber Ende Juli 2005, worauf die Beklagte ihre spätere Streithelferin mit dem Austausch der beschädigten Flexplatten beauftragte. Der Austausch erfolgte am 15.08.2005, während die Kläger in der Schule waren. Mitte September 2005 verlegte der Vater der Kläger über den ausgetauschten Flexplatten einen neuen Teppich. Den Eltern der Kläger war im Jahr 2005 nicht bekannt, dass die Flexplatten asbesthaltiges Material enthielten. Darüber wurden sie erst im Juni 2006 informiert.

Mit ihrer Klage begehrten die Kläger die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern alle materiellen und immateriellen Schäden, die ihnen aus der Gesundheitsgefährdung, die durch den Asbestkontakt in den Mieträumen bereits entstanden sind und/oder als Spätfolgen noch entstehen werden, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind.

Das Amtsgericht (AG) sah die Klage als zulässig an, wies sie aber als unbegründet ab.

Auf die Berufung der Kläger gab das Landgericht (LG) der Klage statt.

Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision, mit der die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiterverfolgt, hatte Erfolg.

Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH hat entschieden, dass die erhobene Feststellungsklage bereits unzulässig ist, weil es unter den besonderen Umständen des Falles an dem nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse fehlt.
Der VIII. Zivilsenat hat bei dieser Entscheidung die gutachterlichen Stellungnahme eines Professors für Arbeits- und Sozialmedizin berücksichtigt, der in seinem bereits vom AG eingeholten und auch vom Berufungsgericht verwerteten Sachverständigengutachten ausgeführt hatte, dass das Risiko der Kläger, in Zukunft an einem Tumor zu erkranken, der auf die der Beklagten zurechenbaren Pflichtverletzungen zurückzuführen ist, zwar minimal über dem allgemeinen Lebensrisiko liege, jedoch aufgrund der anzunehmenden Exposition der Kläger mit Asbestfasern, die im Niedrigdosisbereich liege, als „sehr sehr gering“ anzusehen sei; mit einer Tumorerkrankung sei „nicht zu rechnen“.
Angesichts dieser gutachterlichen Äußerungen bestehe bei verständiger Würdigung aus Sicht der Kläger kein Grund, mit einem zukünftigen Schaden zu rechnen, so dass es an einem Feststellungsinteresse der Kläger fehle.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 02.04.2014 – Nr. 57/2014 – mitgeteilt.

 


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