Strafprozess – Beweiswürdigung – Tatgericht kann seine Überzeugungsbildung allein auf DNA-Spur stützen.

Strafprozess – Beweiswürdigung – Tatgericht kann seine Überzeugungsbildung allein auf DNA-Spur stützen.

Die Würdigung der Beweise ist vom Gesetz dem Tatgericht übertragen (§ 261 Strafprozessordnung (StPO)), das sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld eines Angeklagten zu bilden hat. Dazu kann es zu seiner Überzeugungsbildung auch allein ein Beweisanzeichen heranziehen.
Das Revisionsgericht ist demgegenüber auf die Prüfung beschränkt, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht oder sich so weit von einer festen Tatsachengrundlage entfernt, dass die gezogenen Schlussfolgerungen sich letztlich als reine Vermutungen erweisen. Dabei gehören von gesicherten Tatsachenfeststellungen ausgehende statistische Wahrscheinlichkeitsrechnungen zu den Mitteln der logischen Schlussfolgerung, welche dem Tatrichter grundsätzlich ebenso offenstehen wie andere mathematische Methoden.

Danach kann eine festgestellte Übereinstimmung zwischen den Allelen eines Angeklagten und auf Tatortspuren festgestellten Allelen angesichts der statistischen Häufigkeit des bei einem Angeklagten gegebenen DNA-Identifizierungsmusters eine ausreichende Tatsachengrundlage für die Überzeugungsbildung des Tatgerichts sein.

Dabei ist davon auszugehen, dass es sich bei der Merkmalswahrscheinlichkeit (oder Identitätswahrscheinlichkeit) lediglich um einen statistischen Wert handelt. Dieser gibt keine empirische Auskunft darüber, wie viele Menschen tatsächlich eine identische Merkmalkombination aufweisen, sondern sagt lediglich etwas dazu aus, mit welcher Wahrscheinlichkeit aufgrund statistischer, von einer beschränkten Datenbasis ausgehender Berechnungen zu erwarten ist, dass eine weitere Person die gleiche Merkmalkombination aufweist.
Diese Wahrscheinlichkeit lässt sich für die Bewertung einer festgestellten Merkmalsübereinstimmung heranziehen. Je geringer die Wahrscheinlichkeit ist, dass zufällig eine andere Person identische Merkmale aufweist, desto höher kann das Tatgericht den Beweiswert einer Übereinstimmung einordnen und sich – gegebenenfalls allein aufgrund der Übereinstimmung – von der Täterschaft überzeugen.
Dass sich auch bei einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit (selbst im Milliarden- oder Billionenbereich) wegen der statistischen Herangehensweise die Spurenverursachung durch eine andere Person niemals völlig ausschließen lässt, hindert das Tatgericht nicht daran, seine Überzeugungsbildung gegebenenfalls allein auf die DNA-Spur zu stützen; denn eine mathematische, jede andere Möglichkeit ausschließende Gewissheit ist für die Überzeugungsbildung nicht erforderlich. Vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lässt.

Ob sich das Tatgericht allein aufgrund einer Merkmalübereinstimmung mit einer entsprechenden Wahrscheinlichkeit von der Täterschaft zu überzeugen vermag, ist mithin vorrangig – wie die Beweiswürdigung ansonsten auch – ihm selbst überlassen. Im Einzelfall kann es revisionsrechtlich sowohl hinzunehmen sein, dass sich das Tatgericht eine entsprechende Überzeugung bildet, als auch, dass es sich dazu aufgrund vernünftiger Zweifel nicht in der Lage sieht.

Hat sich das Tatgericht allein aufgrund einer Merkmalübereinstimmung mit einer entsprechenden Wahrscheinlichkeit eine Überzeugung von der Täterschaft eines Angeklagten gebildet und den Zusammenhang zwischen den DNA-Spuren und der Tat ausreichend dargelegt, reicht es für das Revisionsgericht zur Überprüfung, ob das Ergebnis einer auf einer DNA-Untersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung plausibel ist, im Regelfall aus, wenn das Tatgericht mitteilt,

  • wie viele Systeme untersucht wurden,
  • ob diese unabhängig voneinander vererbbar sind (und mithin die Produktregel anwendbar ist),
  • ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben haben und
  • mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalkombination zu erwarten ist.
  • Sofern der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört, ist zudem darzulegen, inwieweit dies bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Bedeutung war.

Zu beachten hat das Tatgericht in solchen Fällen, dass die (durch eine DNA-Analyse ermittelte) hohe Wahrscheinlichkeit einer Spurenverursachung durch einen Angeklagten eine Würdigung aller Beweisumstände gerade mit Blick auf die bloß statistische Aussagekraft zwar nicht überflüssig macht.
Allerdings hängt das Maß der gebotenen Darlegung in den Urteilsgründen von der jeweiligen Beweislage und insoweit von den Umständen des Einzelfalles ab; dieser kann so beschaffen sein, dass sich die Erörterung bestimmter einzelner Beweisumstände erübrigt, wenn nach den konkreten Umständen keine Gesichtspunkte ersichtlich sind, welche den Beweiswert der Merkmalübereinstimmung schmälern oder allgemein gegen die Täterschaft des Angeklagten sprechen könnten.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 21.03.2013 – 3 StR 247/12 – hingewiesen.

 


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