Unter welchen Voraussetzungen darf ein Straßenteilstück für Motorradfahrer gesperrt werden?

Unter welchen Voraussetzungen darf ein Straßenteilstück für Motorradfahrer gesperrt werden?

Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) können die gemäß §§ 44 Abs. 1 Satz 1, 45 Abs. 1 Satz 1 StVO  – nach dem jeweiligen Landesrecht für zuständig erklärten – Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten.

Diese Befugnis wird durch § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO allerdings dahingehend modifiziert, dass

  • Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs

nur angeordnet werden dürfen, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht,

  • die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt,

was von der Straßenverkehrsbehörde im Einzelnen darzulegen ist.
Besondere örtliche Verhältnisse in diesem Sinne können insbesondere

  • in der Streckenführung,
  • dem Ausbauzustand der Strecke,
  • witterungsbedingten Einflüssen (z.B. Nebel, Schnee- und Eisglätte),
  • der dort anzutreffenden Verkehrsbelastung und

den daraus resultierenden Unfallzahlen begründet sein (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteile vom 18.11.2010 – 3 C 42/09 – für die Pflicht zur Radwegbenutzung; vom 23.09.2010 – 3 C 37/09 – für LKW-Überholverbote auf Autobahnen und vom 05.04.2001 – 3 C 23/00 – für Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen).

Die in der Vorschrift darüber hinaus geforderte konkrete Gefahrenlage ist dann anzunehmen,

  • wenn ohne ein verkehrsbehördliches Tätigwerden eine das allgemeine Verkehrsrisiko deutlich übersteigende Wahrscheinlichkeit dafür besteht,
  • dass alsbald vermehrt Schadensfälle, insbesondere Unfälle mit Personen- und Sachschäden, eintreten.

Keine besonderen örtlichen Verhältnisse in diesem Sinne stellen dagegen

  • etwaige Verkehrszuwiderhandlungen einzelner Verkehrsteilnehmer

dar.
Derartige Verkehrsverstöße sind ggf. im Rahmen entsprechender Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen die betroffenen Fahrzeugführer zu ahnden.  
Sie sind für sich genommen jedoch keine geeignete Grundlage für eine Streckensperrung nach § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 9 Satz 2 StVO, weil sie lediglich ein bestimmtes Verhalten der betreffenden Verkehrsteilnehmer belegen, nicht aber „besondere örtliche Verhältnisse“ im oben beschriebenen Sinne aufzeigen.
Vielmehr stellen Zuwiderhandlungen gegen Verkehrsvorschriften, insbesondere etwa über die zulässige Höchstgeschwindigkeit, ein allgemeines, eine Vielzahl von Straßen und sämtliche Kraftfahrzeugarten betreffendes Phänomen dar, ohne dass dies bislang – soweit ersichtlich – eine Straßenverkehrsbehörde jemals veranlasst hätte, eine Straße beispielsweise für den Pkw-Verkehr zu sperren, weil dort erwiesenermaßen regelmäßig Geschwindigkeitsüberschreitungen mit Pkw begangen werden.

Bei einem ein Verbot aussprechenden Verkehrszeichen,

  • mit dem eine zuvor erlassene verkehrsbehördliche Anordnung der Straßenverkehrsbehörde nach § 45 StVO umgesetzt wird,

handelt es sich um einen belastenden (Dauer-)Verwaltungsakt im Sinne einer Allgemeinverfügung,

Einen derartigen Verwaltungsakt kann gemäß § 42 Abs. 2 VwGO jeder anfechten, der geltend machen kann,

verletzt zu sein.
Für die Möglichkeit einer solchen Rechtsverletzung reicht es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 21.08.2003 – 3 C 15/03 –) bereits aus,

  • wenn ein Verkehrsteilnehmer anlässlich seiner Teilnahme am Straßenverkehr zumindest einmal mit dem fraglichen Verkehrszeichen konfrontiert worden ist,

weil er schon hierdurch zum Adressaten eines belastenden Verwaltungsakts wird und sich ein anschließend von ihm eingelegter Rechtsbehelf daher nicht als unzulässige Popularklage darstellt.

  • Nach Maßgabe dessen ist auch ein Motorradfahrer als antragsbefugt anzusehen, der geltend macht, dass er den gesperrten Straßenabschnitt mit seinem Motorrad habe befahren wollen, sich durch die dort aufgestellten Verbotszeichen jedoch an einer Weiterfahrt gehindert gesehen habe.

Darauf hat die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts (VG) Osnabrück mit Beschluss vom 22.04.2015 – 6 B 20/15 – in einem Fall hingewiesen, in dem sich ein Motorradfahrer erfolgreich gegen eine von der Straßenbehörde angeordnete uneingeschränkte Sperrung eines Straßenteilstücks für Motorräder und andere Krafträder gewandt hatte.

 


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