Entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung auf dem Betriebsweg oder Selbsttötung?

Entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung auf dem Betriebsweg oder Selbsttötung?

Ist ungeklärt bzw. unklärbar, ob der Tod auf einem Betriebsweg durch Selbsttötung geschehen oder verkehrsunfallbedingt eingetreten ist, trägt die Berufsgenossenschaft als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung die Beweislast dafür, dass ein Suizid vorgelegen hat.
Hinterbliebene sind nicht beweispflichtig dafür, dass der Versicherte nicht in Selbsttötungsabsicht gehandelt hat.

Darauf hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 20.01.2015 – L 3 U 365/14 – hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte die Klägerin, als Hinterbliebene im Sinne von §§ 63 ff. Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) die Feststellung begehrt,

  • dass es sich bei dem Verkehrsunfall ihres nach § 6 SGB VII bei der Beklagten freiwillig versicherten Ehemannes,
  • bei dem dieser auf einem versicherten Betriebsweg im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII mit seinem PKW frontal mit einem entgegenkommenden LKW kollidiert und ums Leben gekommen war,

um einen versicherten Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB VII gehandelt hat.

Die beklagte Unfallversicherung hatte,

  • da weder auf der Fahrbahn noch an dem sichergestellten PKW Anzeichen dafür gefunden worden waren, dass der PKW vor dem Zusammenstoß abgebremst worden war, technische Mängel ausgeschlossen werden konnten, der Verunglückte nüchtern war und sich bei ihm auch für eine innere Erkrankung als auslösende Unfallursache keine Hinweise fanden,

die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall mit der Begründung abgelehnt,

  • dass es sich um eine willentlich herbeigeführte Selbsttötung und nicht um einen Unfall im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII gehandelt habe.

Die Klage war erfolgreich.

Das Bayerische LSG hat, da seiner Überzeugung nach eine Selbsttötung nicht mit der gebotenen Sicherheit nachgewiesen war, festgestellt, dass es bei dem Ereignis gemäß §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 8 Abs. 1 SGB VII um einen entschädigungspflichtigen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung gehandelt hat.
Wie das Bayerische LSG ausgeführt hat, ist für die Anerkennung eines Arbeitsunfalles im Sinne von § 8 SGB VII in der Regel erforderlich,

  • dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang),
  • diese Verrichtung zu einem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt (Unfallkausalität) und
  • das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität; vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteile vom 12.04.2005 – B 2 U 11/04 R –; vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R –; vom 05.09.2006 – B 2 U 24/05 R – und vom 12.12.2006 – B 2 U 28/05 R –).

Mit dem Erfordernis, dass das Ereignis „von außen“ auf den Körper des Versicherten einwirken muss, wird dabei zum Ausdruck gebracht, dass ein allein aus innerer Ursache, d.h. aus dem Menschen selbst kommendes Geschehen nicht als Unfall anzusehen ist (vgl. BSG, Urteile vom 12.04.2005 – B 2 U 27/04 R – und vom 29.11.2011 – B 2 U 10/11 R –).
Dieses Tatbestandsmerkmal dient ferner auch der Abgrenzung von Selbstschädigungen, die nicht als Unfall zu werten sind, weil

  • das willentliche Herbeiführen einer Einwirkung der Annahme einer äußeren Einwirkung entgegen steht und
  • dem Begriff des Unfalls die Unfreiwilligkeit der Einwirkung immanent ist.

Das Vorliegen eines Suizids im Straßenverkehr ist ein anspruchsschädlicher Umstand, der im Vollbeweis nachzuweisen ist.
Ist ungeklärt bzw. unklärbar, ob der Tod durch Selbsttötung geschehen ist, trägt insoweit die Unfallversicherung die objektive Beweislast (vergl. BSG, Urteile vom 17.02.2009 – B 2 U 18/07 R – und vom 04.09.2007 – B 2 U 28/06 R –).

Die ursächliche Verknüpfung zwischen der Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses und dem Unfallereignis, die sogenannten Unfallkausalität wird regelmäßig und so auch hier vermutet, wenn

  • es bei der versicherten Tätigkeit zu einem Unfallereignis gekommen ist und
  • außer der versicherten Tätigkeit keine anderen Tatsachen festgestellt werden, die im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne als Konkurrenzursachen wirksam geworden sein können.

Ein nachgewiesener Suizid würde insoweit die Unfallkausalität ausschließen.
Vorliegend war jedoch der Nachweis einer Selbsttötung nicht geführt. Daher verblieb es bei der Vermutung der Unfallkausalität.

Auch die haftungsbegründende Kausalität war gegeben, nachdem durch den Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge der Tod des Versicherten unmittelbar am Unfallort eingetreten war. 

 


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