Tatbestand des § 24a Abs. 2 Straßenverkehrsgesetz (StVG) – Freispruch trotz Nachweises von Drogen im Blut?

Tatbestand des § 24a Abs. 2 Straßenverkehrsgesetz (StVG) – Freispruch trotz Nachweises von Drogen im Blut?

Eine Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 Satz 1 StVG, die mit Geldbuße und in der Regel auch mit Fahrverbot geahndet wird, begeht, wer „unter der Wirkung“ eines in der Anlage zu dieser Vorschrift aufgeführten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt.
Eine solche Wirkung ist nach § 24a Abs. 2 Satz 2 StVG gegeben, wenn eine der in der Anlage zu dieser Vorschrift aufgeführten Substanzen, zu denen u. a. auch THC und Amphetamin gehören, im Blut nachgewiesen wird.
Voraussetzung für die Erfüllung des (objektiven) Tatbestandes ist aber, dass die festgestellte Konzentration der Substanz des jeweiligen berauschenden Mittels im Blut eines Betroffenen die von der sachverständigen Grenzwertkommission mit Beschluss vom 22.05.2007 (BA 2007, 311) empfohlenen sog. analytischen Grenzwerte, die beispielsweise für THC 1 ng/ml und für Amphetamin 25 ng/ml betragen, zumindest erreicht sind. Das gilt selbst beim (vermeintlichen) Vorliegen rauschmitteltypischer (Ausfall-)Erscheinungen.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Jena mit Beschluss vom 23.02.2012 – 1 Ss Bs 92/11 – entschieden und einen Betroffenen, bei dem bei der Untersuchung einer ihm nach der Fahrt entnommenen Blutprobe 0,6 ng THC und 6,9 ng Amphetamin pro ml Blut festgestellt worden waren, vom Vorwurf des fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeugs unter Wirkung berauschender Mittel, freigesprochen.

Nach dieser Entscheidung ist die Regelung des § 24a Abs. 2 StVG vor dem Hintergrund zu sehen, dass bei Drogen – anders als bei Alkohol – keine hinreichend verlässliche Quantifizierung der Dosis-Wirkungs-Beziehung möglich ist. Die Norm bringt daher die gesetzgeberische Vorstellung zum Ausdruck, dass die Wirkungsdauer der einzelnen Mittel jeweils mit der Nachweisdauer ihrer berauschenden Substanzen überstimmt und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass ein Rauschmittel, solange dessen psychoaktive Substanz im Blut nachweisbar ist, auf den Führer eines Kraftfahrzeuges einwirkt und damit eine abstrakte Gefährdung des Straßenverkehrs gegeben ist.
Diese gesetzgeberische Annahme der Identität von Wirkungs- und Nachweisdauer wird durch die technische Verbesserung der verwendeten Messverfahren zunehmend in Frage gestellt. Denn Spuren psychoaktiver Substanzen lassen sich nunmehr noch mehrere Tage oder sogar Wochen nach ihrer Einnahme im Blut nachweisen. Nach Ablauf derart langer Zeiträume erscheint aber eine anhaltende Fortwirkung der festgestellten Substanzen auf den Betroffenen zumindest fragwürdig. Mit Rücksicht darauf kann nicht mehr jeder Nachweis einer solchen Substanz im Blut eines Verkehrsteilnehmers für eine Verurteilung nach § 24a Abs. 2 StVG ausreichen. Vielmehr muss diese in einer Konzentration festgestellt werden, die entsprechend dem Charakter der Vorschrift als abstraktes Gefährdungsdelikt eine Beeinträchtigung der Fahrsicherheit zumindest als möglich erscheinen lässt. In dieser Weise ist der Tatbestand des § 24a Abs. 2 StVG verfassungskonform auszulegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Kammerbeschluss vom 21.12.2004 – 1 BvR 2652/03 –).
Ist der analytische Grenzwert einer Substanz nicht erreicht, ist ein nach derzeitigen wissenschaftlichen Maßstäben zuverlässiger und damit eine Verurteilung nach § 24a Abs. 2 StVG tragender Nachweis der Substanz im Blut nicht erbracht.
In diesem Falle sind weitere Ausführungen über Anzeichen für eine persistierende Drogenwirkung weder veranlasst noch zulässig, was teilweise auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung, welche die Funktion der analytischen Grenzwerte als bloße Qualitätsstandards betont, außer Acht gelassen wird (vgl. OLG München, Beschluss vom 13.03.2006 – 4St RR 199/05 –).

Eine Entscheidung nach dem Prinzip des „Entweder-oder“ in Bezug auf das Erreichen der analytischen Grenzwerte ist darüber hinaus deshalb geboten, weil es unterhalb dieser Grenzwerte – anders etwa als bei Alkohol im Bereich zwischen 0,3 und 1,1 Promille – keine Erfahrungssätze des Inhalts gibt, dass bestimmte (Ausfall-)Erscheinungen Folge fortbestehender Rauschmittelwirkung sind.

Finden sich Nachweise mehrerer relevanter Drogenwirkstoffe, die jeweils unterhalb der analytischen Grenzwerte liegen, dürfen diese im Übrigen nicht einfach addiert werden. Vielmehr ist auch dann nach der hier vertretenen Auffassung des Senats der objektive Tatbestand des § 24a Abs. 2 StVG nicht erfüllt.

 

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