Trunkenheit im Verkehr nach § 316 StGB.

Trunkenheit im Verkehr nach § 316 StGB.

Trunkenheit im Verkehr nach § 316 Strafgesetzbuch (StGB) kann fahrlässig oder vorsätzlich begangen werden.
Mit bedingtem Vorsatz hinsichtlich seiner Fahruntüchtigkeit handelt ein Täter des § 316 StGB, wenn er seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit

  • kennt oder zumindest mit ihr rechnet und
  • sich damit abfindet.

Maßgeblich ist, ob der Fahrzeugführer eine so gravierende Beeinträchtigung seiner Leistungsfähigkeit

  • zumindest für möglich hält und
  • sich mit ihr abfindet oder billigend in Kauf nimmt, dass er den im Verkehr zu stellenden Anforderungen nicht mehr genügt,

wobei absolute Grenzwerte vom Vorsatz nicht umfasst sein müssen, da es sich bei ihnen nicht um Tatbestandsmerkmale, sondern um Beweisregeln handelt.

Davon, ob Fahrlässigkeit oder (schon) bedingter Vorsatz vorliegt, muss sich der Tatrichter auf der Grundlage einer Gesamtschau aller objektiven sowie subjektiven Tatumstände, unter Berücksichtigung folgender Aspekte, überzeugen (§ 261 Strafprozessordnung (StPO)):

  • Einen naturwissenschaftlich oder medizinisch gesicherten Erfahrungssatz, dass derjenige, der eine Alkoholmenge trinkt, die zu einer die Grenze der absoluten Fahruntüchtigkeit übersteigenden Blutalkoholkonzentration führt, seine Fahruntüchtigkeit auch erkennt, gibt es nicht.
  • Allerdings ist bei der Prüfung der Frage, ob ein Fahrzeugführer den Tatbestand des § 316 StGB bedingt vorsätzlich verwirklicht hat, eine solche Blutalkoholkonzentration ein gewichtiges Beweisanzeichen für das Vorliegen vorsätzlichen Handelns.
    Deshalb ist der Tatrichter auch nicht gehindert anzunehmen, dass eine Blutalkoholkonzentration umso eher für eine vorsätzliche Tat spricht, je höher sie ist.
    Er muss sich jedoch bewusst sein, dass er sich lediglich auf ein (widerlegbares) Indiz stützt, das zwar gewichtig ist, aber im Einzelfall der ergänzenden Berücksichtigung anderer Beweisumstände bedürfen kann.

Will der Tatrichter die Annahme bedingten Vorsatzes damit begründen,

  • dass ein Täter mit einer hohen Blutalkoholkonzentration im Allgemeinen weiß, dass er große Mengen Alkohol getrunken hat, so dass sich ihm die Möglichkeit einer Fahruntüchtigkeit aufdrängt,

muss er folglich erkennen lassen, dass er

  • lediglich einen Erfahrungssatz mit einer im konkreten Fall widerlegbaren Wahrscheinlichkeitsaussage zur Anwendung bringt,
  • nicht aber einen wissenschaftlichen Erfahrungssatz.

Deshalb ist es

  • einerseits nicht ausgeschlossen, dass der Vorwurf bedingt vorsätzlichen Handelns trotz Aufnahme einer erheblichen Alkoholmenge im konkreten Fall – etwa wegen eines länger zurückliegenden Zeitraums der Alkoholaufnahme oder bei Konsum von Mixgetränken mit unbekanntem Alkoholanteil – als entkräftet angesehen werden kann (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 15.11.1990 – 4 StR 486/90 – [BAK von 2,4 ‰ bei Entschluss zur Fahrt]; vgl. zur Erforderlichkeit von Feststellungen zu Trinkverlauf und Trinkende auch BGH, Beschluss vom 25.09.2006 – 4 StR 322/06 –).
  • Andererseits kann – wenn keine Besonderheiten vorliegen – auch im Einzelfall schon allein die die Aufnahme einer die Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit von 1,1 ‰ nur knapp überschreitenden Alkoholmenge dem Tatrichter die Überzeugung von einer vorsätzlichen Tatbegehung verschaffen (vgl. Oberlandesgericht (OLG) Celle, Beschluss vom 25.10.2013 – 32 Ss 169/13 –).

Darauf hat der 4. Strafsenat des BGH mit Urteil vom 09.04.2015 – 4 StR 401/14 – hingewiesen,

  • wobei er der in der obergerichtlichen Rechtsprechung teilweise vertretenen Auffassung entgegengetreten ist, dass bei weit über dem Grenzwert zur absoluten Fahruntüchtigkeit liegenden Blutalkoholwerten sich die Erkenntnis- und Kritikfähigkeit in einer den Vorsatz ausschließenden Weise verringere und (erneut) vorsatzausschließender Glaube an die Fahrtüchtigkeit eintrete (so etwa Kammergericht (KG) Berlin, Urteil vom 24.11.2014 – 121 Ss 155/14 –).
  • Vielmehr beseitigt, wie der 4. Strafsenat des BGH ausgeführt hat, eine bei steigender Blutalkoholkonzentration möglicherweise eintretende Selbstüberschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit nicht die Kenntnis, eine große Menge Alkohol im Blut zu haben und nach den geltenden Regeln deshalb nicht mehr fahren zu dürfen.

Dass bei Blutalkoholkonzentrationen von mehr als 2 ‰ die Steuerungsfähigkeit bzw. das Hemmungsvermögen erheblich herabgesetzt sein kann, ändert daher regelmäßig nichts an der für den Vorsatz allein maßgeblichen Einsicht, dass das Fahren im öffentlichen Verkehr in diesem Zustand verboten ist. Dass der Fahruntüchtige möglicherweise hofft, die vorgesehene Fahrstrecke unfallfrei bewältigen zu können, lässt den Vorsatz unberührt. Erst wenn durch den Grad der Trunkenheit die Einsichtsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt ist, kommt ein Vorsatzausschluss in Betracht. 

 


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