Verletzung der mit Verständigungsgesprächen einhergehenden Mitteilungspflichten – Wann liegt sie vor?

Verletzung der mit Verständigungsgesprächen einhergehenden Mitteilungspflichten – Wann liegt sie vor?

Nach § 243 Abs. 4 Satz 1 Strafprozessordnung (StPO) teilt der Vorsitzende nach Verlesung des Anklagesatzes mit, ob Erörterungen nach den §§ 202a, 212 StPO stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c StPO) gewesen ist, und wenn ja, deren wesentlicher Inhalt.
Diese Mitteilungspflicht greift bei sämtlichen Vorgesprächen ein, die auf eine Verständigung abzielen (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 13.02.2014 – 1 StR 423/13 –).
Sie ist gemäß § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO weiter zu beachten, wenn Erörterungen erst nach Beginn der Hauptverhandlung stattgefunden haben.
Das Gesetz will erreichen, dass derartige Erörterungen stets in der Hauptverhandlung zur Sprache kommen und dies auch inhaltlich dokumentiert wird. Gespräche außerhalb der Hauptverhandlung dürfen kein informelles und unkontrollierbares Verfahren eröffnen (vgl. BGH, Beschluss vom 03.12.2013 – 2 StR 410/13 –). Die Bestimmung des § 243 Abs. 4 StPO verlangt deshalb, dass in der Hauptverhandlung über den wesentlichen Inhalt erfolgter Erörterungen zu informieren ist.
Hierzu gehört auch dann, wenn keine Verständigung zustande gekommen ist,

Gemessen hieran ist der Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO dann nicht in hinreichendem Umfang entsprochen,

  • wenn der Vorsitzende zwar über die Tatsache informiert hat, dass außerhalb der Hauptverhandlung im Ergebnis erfolglose Verständigungsgespräche stattgefunden haben,
  • der Vorsitzende aber nicht mitteilt welcher Verfahrensbeteiligte jeweils welchen Verständigungsvorschlag gemacht hat.

Wird nämlich vom Vorsitzenden nicht mitgeteilt, von wem die ursprüngliche Initiative zu Verständigungsgesprächen ausgegangen ist und welchen Inhalt die erörterten Verständigungsvorschläge hatten, bleibt letztlich offen, aus welchen Gründen es nicht zu einer Verständigung gekommen ist.

Bei Verstößen gegen die Mitteilungspflichten aus § 243 Abs. 4 StPO ist regelmäßig davon auszugehen bzw. jedenfalls nicht auszuschließen, dass das Urteil auf dem Verstoß beruht; lediglich in Ausnahmefällen ist Abweichendes vertretbar (vgl. BGH, Urteil vom 13.02.2014 – 1 StR 423/13 –).
Wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 19.03.2013 im Einzelnen dargelegt hat, hält der Gesetzgeber eine Verständigung nur bei Wahrung der umfassenden Transparenz- und Dokumentationspflichten für zulässig, weshalb das gesetzliche Regelungskonzept eine untrennbare Einheit aus Zulassung und Beschränkung von Verständigungen bei gleichzeitiger Einhegung durch die Mitteilungs-, Belehrungs- und Dokumentationspflichten darstellt (BVerfG, Urteil vom 19.03.2013 – 2 BvR 2628/10 –, – 2 BvR 2883/10 – und – 2 BvR 2155/11 –).
Die Mitteilung des Inhalts sämtlicher auf eine Verständigung abzielender Gespräche dient dabei nicht nur der notwendigen Information der Öffentlichkeit, sondern auch der des Angeklagten, der bei derartigen Gesprächen außerhalb der Hauptverhandlung in der Regel nicht anwesend ist. Für die Willensbildung im Rahmen einer Verständigung ist für den Angeklagten auch von Bedeutung, dass er durch das Gericht umfassend über sämtliche vor und außerhalb der Hauptverhandlung mit den übrigen Verfahrensbeteiligten geführten Verständigungsgespräche informiert wird (BGH, Urteil vom 13.02.2014 – 1 StR 423/13 –).

Auch wenn im Hauptverhandlungsprotokoll vermerkt ist, dass keine Verständigung stattgefunden habe, kann das Urteils auf dem Verstoß gegen die Mitteilungspflichten aus § 243 Abs. 4 StPO beruhen.
Denn auch im Falle einer im Ergebnis nicht zustande gekommenen Verständigung kann das Prozessverhalten eines Angeklagten durch die vorangegangenen Verständigungsgespräche beeinflusst worden sein.

Darauf hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 09.04.2014 – 1 StR 612/13 – hingewiesen.

 


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