Gerichtliche Hinweispflichten nach § 139 Zivilprozessordnung (ZPO)
Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) garantiert den Verfahrensbeteiligten, dass sie Gelegenheit erhalten, sich vor Erlass einer gerichtlichen Entscheidung zu dem dieser zugrunde liegenden Sachverhalt zu. Ein Gericht verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG und das Gebot eines fairen Verfahrens, äußern. wenn es ohne vorherigen Hinweis
- Anforderungen an den Sachvortrag stellt oder
- auf rechtliche Gesichtspunkte abstellt,
mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15.02.2005 – XI ZR 144/03 – und vom 15.03.2006 – IV ZR 32/05 –).
Die grundrechtliche Gewährleistung des rechtlichen Gehörs vor Gericht schützt auch das Vertrauen der in erster Instanz siegreichen Partei darauf,
- vom Berufungsgericht rechtzeitig einen Hinweis zu erhalten,
wenn
- dieses in einem entscheidungserheblichen Punkt der Vorinstanz nicht folgen will und
- aufgrund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Sachvortrags erforderlich sein kann (BGH, Beschlüsse vom 15.03.2006 – IV ZR 32/05 – und vom 26.06.2008 – V ZR 225/07 –).
Außer zur Hinweiserteilung ist das Berufungsgericht auch verpflichtet, der betroffenen Partei Gelegenheit zu geben, auf den Hinweis zu reagieren und ihren Tatsachenvortrag zu ergänzen (vgl. BGH, Beschluss vom 15.02.2005 – XI ZR 144/03 –).
- Stellt die durch den Hinweis belastete Partei einen Antrag auf Schriftsatznachlass, hat das Berufungsgericht ihr eine Erklärungsfrist einzuräumen, innerhalb derer sie zu dem Hinweis Stellung nehmen und ihren Vortrag gegebenenfalls ergänzen oder klarstellen kann.
Darauf hat der IX. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 05.02.2015 – IX ZR 211/13 – hingewiesen.
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