Tag sittenwidrige Schädigung

Dieselgate: BGH entscheidet unter welchen Voraussetzungen Fahrzeughersteller wegen Einsatzes eines Thermofensters

…. den Fahrzeugkäufern gegenüber schadensersatzpflichtig sind. 

Mit Urteil vom 13.07.2021 – VI ZR 128/20 – hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in einem Fall, in dem ein Käufer einen Mercedes-Benz C 220 CDI BlueEfficiency erworben hatte, bei dem die 

  • Abgasreinigung

über eine Abgasrückführung dadurch erfolgte, dass, was zu einer Verringerung der Stickoxidemissionen führt,

  • ein Teil der Abgase wieder der Verbrennung im Motor zugeführt,
  • diese Abgasrückführung jedoch bei kühleren Außen-/Ladelufttemperaturen reduziert wird („Thermofenster“),  

entschieden, dass dem Fahrzeugkäufer gegen die Daimler AG einen Schadensersatzanspruch 

  • wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung 

aus § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), aufgrund Inverkehrbringens von Fahrzeugen, 

  • die infolge einer unternehmerischen Entscheidung der Daimler AG mit einer solchen temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems (Thermofenster) ausgestattet worden sind,

nur dann erfolgreich geltend machen kann, wenn die Verantwortlichen bei der Daimler AG 

  • bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems 

in dem Bewusstsein handelten, 

  • eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden

sowie 

  • den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen haben

und dass für ein derartiges Vorstellungsbild bei den Verantwortlichen der Daimler AG 

Dieselgate: Käufer eines vom sog. Dieselskandal betroffenen Fahrzeugs können Schadensersatz auch

…. noch nach Verkauf des Fahrzeugs verlangen.

Mit Urteil vom 04.05.2021 – 17 U 31/20 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe entschieden, dass, wenn Automobil- oder Motorhersteller 

  • durch den Einsatz von unzulässigen Abschalteinrichtungen in Dieselfahrzeugen

die Käufer solcher Fahrzeuge 

  • vorsätzlich sittenwidrig 

geschädigt haben und die Fahrzeugkäufer deswegen 

  • aus § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. § 31 BGB analog 

Schadensersatz verlangen können, bei einem 

  • Weiterverkauf des vom sog. Dieselskandal Fahrzeugs 

durch die Fahrzeugkäufer, der ihnen 

  • entstandene Schaden 

nicht wegfällt.

Danach hat in einem solchen Fall, 

  • weil der Schaden des Fahrzeugkäufers im Vertragsschluss über den Erwerb des Fahrzeugs zu sehen ist und 
  • durch dessen Veräußerung im Wege des Vorteilsausgleichs allenfalls zum Teil kompensiert wird,

die Berechnung des Schadensersatzanspruchs in der Weise zu erfolgen, dass der Fahrzeugkäufer von dem Fahrzeug- oder Motorhersteller den 

  • gezahlten Kaufpreis, 

abzüglich 

  • des von ihm zu erstattenden Nutzungsausgleichs für die gefahrenen Kilometer sowie 
  • des erzielten Weiterverkaufserlöses, 

beanspruchen kann.

Für geschädigte Käufer bedeutet das: 
Sie müssen das vom Abgasskandal betroffene Fahrzeug nicht bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Prozesses gegen den Fahrzeughersteller behalten, sondern können es, 

  • ohne den ihnen zustehenden Schadensersatzanspruch dadurch zu verlieren, 

veräußern, wenn sich hierfür eine Gelegenheit bietet.

Eine unter Wert erfolgte Veräußerung wäre dabei allerdings gemäß § 254 BGB als Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht zu berücksichtigen.    

Dieselgate: BGH entscheidet, dass schadensersatzpflichtige Auto- und Motorenhersteller den Fahrzeugkäufern auch

…. die Fahrzeugfinanzierungskosten in voller Höhe ersetzen müssen.

Mit Urteil vom 13.04.2021 – VI ZR 274/20 – hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden, dass, wenn Fahrzeug- oder Motorenhersteller 

  • Fahrzeugkäufer durch das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung vorsätzlich sittenwidrig geschädigt haben und 
  • der Fahrzeugkauf von den Käufern (teilweise) finanziert worden ist, 
    • beispielsweise durch ein aufgenommenes Bankdarlehen, 

die Fahrzeugkäufer auch Anspruch haben auf Ersatz der Finanzierungskosten,

  • beispielsweise der Darlehenszinsen und der durch den Abschluss einer Kreditausfallversicherung entstandenen Kosten,

in voller Höhe.

Begründet hat der Senat dies damit, dass ein Fahrzeugkäufer, 

  • der von einem Fahrzeug- oder Motorenhersteller vorsätzlich sittenwidrig geschädigt worden ist, 

gemäß §§ 826, 249 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) so zu stellen sind, als wäre es nicht zu dem Fahrzeugerwerb gekommen, 

  • ohne den Fahrzeugerwerb, 

der Käufer den Kaufpreis nicht (teilweise) mit einem Bankdarlehen finanziert hätte und er 

  • durch die Finanzierung 

keinen Vorteil hatte, der im Wege der Vorteilsausgleichung schadensmindernd zu berücksichtigen wäre (Quelle: Pressemitteilung des BGH).

Dieselgate: Wenn nach Bekanntwerden des Dieselskandals ein davon betroffener VW erworben wird und dieser

…. nach Beseitigung der unzulässigen Prüfstandserkennungssoftware eine neue unzulässige Abschaltvorrichtung in Form eines „Thermofensters“ aufweist.

Mit Beschluss vom 09.03.2021 – VI ZR 889/20 – hat der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlungen zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes (BGH) darauf hingewiesen, dass, wenn ein von einem Käufer erst 

  • nach Bekanntwerden des sogenannten Dieselskandals 

erworbener VW mit einem Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattet war, dessen Software erkannte, 

  • ob das Fahrzeug sich auf dem Prüfstand oder der Straße befindet sowie 
  • entsprechend den Betriebsmodus dahingehend veränderte, dass sich auf dem Prüfstand geringere Stickoxid-Emissionswerte als im normalen Fahrbetrieb ergeben,

und mit dem Software-Update der VW AG 

  • zur Beseitigung dieser unzulässigen Abschalteinrichtung 

eine neue unzulässige Abschaltvorrichtung in Form eines „Thermofensters“ implementiert worden ist,

  • die die Abgasrückführung bei Außentemperaturen unter 15 und über 33 Grad Celsius deutlich reduziert,

dies,

  • da die Applikation eines solchen Thermofensters nicht mit der Verwendung der unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abzielenden Prüfstandserkennungssoftware zu vergleichen ist, die die VW AG zunächst eingesetzt hat, 

erst als sittenwidrig zu qualifizieren ist, wenn

  • zu dem Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung 715/2007/EG 

weitere Umstände hinzukommen, die das Verhalten der für die VW AG handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen,

  • wie etwa eine arglistige Täuschung des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) im Zusammenhang mit der Entwicklung und Genehmigung des Software-Updates. 

Fazit der BGH-Entscheidung:
Sollen in Fällen wie dem obigen, Klagen 

  • auf Schadensersatz gegen die VW AG wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung 

Aussicht auf Erfolg haben, müssen konkrete Anhaltspunkte dargelegt werden, die dafür sprechen bzw. den Schluss darauf zulassen, dass bei der 

  • Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems 

Personen, für deren Verhalten die VW AG entsprechend § 31 BGB einzustehen hat, in dem Bewusstsein gehandelt haben, 

  • eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und 
  • den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf zu nehmen (Quelle: Pressemitteilung des BGH).

Dieselgate: Was Käufer eines Audi, die wegen einer unzulässige Abschalteinrichtung in ihrem Fahrzeug

…. Schadensersatz verlangen, wissen sollten.  

Mit Urteil vom 08.03.2021 – VI ZR 505/19 – hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) darauf hingewiesen, dass, wenn ein 

  • Fahrzeugmodell von Audi 

ausgestattet ist mit einem 

  • von der VW AG hergestellten und gelieferten 

Dieselmotor des Typs EA189, dessen Software erkennt, 

  • ob das Fahrzeug sich auf dem Prüfstand oder der Straße befindet sowie 
  • entsprechend den Betriebsmodus dahingehend verändert, dass sich auf dem Prüfstand geringere Stickoxid-Emissionswerte als im normalen Fahrbetrieb ergeben,

die Käufer dieser Fahrzeuge, die,

  • wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung infolge Inverkehrbringens von Fahrzeugen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung, 

Schadensersatzansprüche aus § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) 

gegen den Fahrzeughersteller, die Audi AG, geltend machen, 

  • substantiiert darlegen müssen,

entweder, dass 

  • nicht nur bei der Muttergesellschaft, der VW AG, sondern auch bei der Audi AG eine auf arglistige Täuschung des Kraftfahrbundesamtes (KBA) und letztlich der Fahrzeugerwerber gerichtete Strategieentscheidung getroffen wurde 

oder, dass

  • an der von der VW AG getroffenen Entscheidung für die Audi AG handelnde Personen, für deren Verhalten sie entsprechend § 31 BGB einzustehen hat,  
    • zumindest beteiligt waren oder 
    • wussten, dass die von der VW AG gelieferten Motoren mit einer auf arglistige Täuschung des KBA abzielenden Prüfstandserkennungssoftware ausgestattet waren, und die von der Audi AG hergestellten Fahrzeuge in Kenntnis dieses Umstandes mit diesem Motor versehen und in den Verkehr gebracht worden sind. 

Mittels 

  • Zurechnung des Wissens von verfassungsgemäßen Vertretern der VW AG entsprechend § 166 BGB 

könne, so der Senat, 

Fazit der BGH-Entscheidung:
In Fällen, wie dem obigen, haben 

  • nicht nur Klagen gegen die VW AG, 
  • sondern auch Klagen gegen die Audi AG 

weiterhin Aussicht auf Erfolg. 

Wenn der im Audi befindliche Motor mit der Schummelsoftware von der 

  • VW AG 

hergestellt wurde, trifft den Kläger bei einer Klage gegen die Audi AG lediglich eine erhöhte Darlegungspflicht, der er nachkommen muss und die bei Erfüllung zu einer 

  • sekundären Darlegungslast der Audi AG 

führen kann.

Dieselgate: BGH äußert sich erstmals zum sogenannten Thermofenster

Mit Beschluss vom 19.01.2020 – VI ZR 433/19 – hat der Bundesgerichtshof (BGH) darauf hingewiesen, dass Autohersteller, die Dieselfahrzeuge in den Verkehr bringen, bei denen aufgrund einer von ihnen getroffenen unternehmerischen Entscheidung die

  • Abgasreinigung

über eine Abgasrückführung erfolgt, bei der ein 

  • Teil der Abgase 

wieder der Verbrennung im Motor zugeführt wird, mit der Folge 

  • einer Verringerung der Stickoxidemissionen und 
  • einer Reduzierung der Abgasrückführung bei kühleren Temperaturen  („Thermofenster“),    

nicht schon allein deshalb 

  • wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) 

den Fahrzeugkäufern gegenüber schadensersatzpflichtig sind.    

Vielmehr ist wegen des Inverkehrbringens von Dieselfahrzeugen mit einer solchen temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems (Thermofenster),

der Vorwurf der Sittenwidrigkeit gegenüber den Fahrzeugkäufern nur gerechtfertigt, wenn zu dem Verstoß 

  • gegen die Verordnung 715/2007/EG 

weitere Umstände hinzutreten, die das Verhalten der für den Fahrzeughersteller handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen, 

  • wie etwa gemachte unzutreffende Angaben über die Arbeitsweise des Abgasrückführungssystems im Typengenehmigungsverfahren.  

Ob in dem der BGH-Entscheidung zugrunde liegendem Fall 

  • solche Umstände vorgelegen haben und 
  • seitens des Fahrzeugherstellers in dem Bewusstsein gehandelt wurde, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf zu nehmen, 

wird nun das Oberlandesgericht (OLG) zu klären haben. 

Übrigens:
Die Thematik des sog. Thermofensters ist mit der Fallkonstellation, 

deswegen nicht vergleichbar, weil 

  • die eingesetzte temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung (Thermofenster) nicht danach unterscheidet, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im normalen Fahrbetrieb befindet und 
  • sie keine Funktion aufweist, die bei erkanntem Prüfstandsbetrieb eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert und den Stickoxidausstoß gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert, sondern in beiden Fahrsituationen im Grundsatz in gleicher Weise arbeitet (Quelle: Pressemitteilung des BGH).

Dieselgate: OLG Oldenburg entscheidet, dass die VW AG auch haftet für von Audi hergestellte Motoren im VW Touareg

…. und dass die VW AG sich gegen den Vorwurf durch das Inverkehrbringen dieser Fahrzeuge die Fahrzeugkäufer vorsätzlich sittenwidrig geschädigt zu haben, nicht damit verteidigen kann, nicht Hersteller und Entwickler des Motors zu sein. 

Mit Urteil vom 16.10.2020 – 11 U 2/20 – hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg entschieden, dass die VW AG dem Käufer eines vom amtlichen Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamtes betroffenen

  • VW Touareg V6 mit der Schadstoffklasse Euro 6 W

auch dann 

  • wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung

auf Schadensersatz haftet, wenn in dem Fahrzeug ein 

  • samt Software von Audi entwickelter und hergestellter Dieselmotor (EA 897) 

verbaut ist.

Begründet hat der Senat dies damit, dass bei diesen Fahrzeugen,

  • aufgrund der durch Audi erfolgten Programmierung der Motorsteuerung des Motors EA 897,

eine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt, das 

  • Inverkehrbringen

von hiermit versehenden Fahrzeugen eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung darstellt und die VW AG deshalb (auch) selbst schadensersatzpflichtig ist, weil sie 

  • in Bezug auf die Entwicklung und Verwendung des Motors EA 897 und dessen Software 

die grundlegenden strategischen Entscheidungen mitgetroffen sowie die entsprechenden Entscheidungen der Tochtergesellschaften Audi abgesegnet hat (Quelle: Pressemitteilung des OLG Oldenburg).

Dieselgate: BGH hat Termin anberaumt zur Verhandlung darüber, ob die dreijährige Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche

…. von Fahrzeugkäufern gegen die VW AG bereits mit Schluss des Jahres 2015 begonnen hat.  

Am 14.12.2020 – VI ZR 739/20 – wird der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlungen zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) über einen Fall verhandeln, in dem von einem Käufer, der im April 2013 einen 

  • mit einem Dieselmotor vom Typ EA189 und 
  • einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten 

VW Touran erworben und nachfolgend im April 2015 Kenntnis erlangt hatte, 

  • von dem damals aufgedeckten sogenannten Dieselskandal sowie 
  • dass sein Fahrzeug hiervon betroffen war, 

im Jahr 2019 Klage gegen die VW AG

  • auf Schadensersatz aus § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) 
  • wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung  

eingereicht und von der VW AG 

  • die Einrede der Verjährung 

erhoben worden war.

Entscheiden muss der BGH, ob die Einrede der Verjährung nach § 214 Abs. 1 BGB durchgreift, also ob 

  • die dreijährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB)   

für den Schadensersatzanspruch des Fahrzeugkäufers gegen die VW AG 

  • bereits mit Schluss des Jahres 2015 begonnen hatte und Verjährung somit mit Ablauf des Jahres 2018 eingetreten ist oder 
  • ob das nicht der Fall war. 

Diese Entscheidung wird,

  • da nach § 199 BGB die dreijährige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem
    • der Anspruch entstanden ist und
    • der Fahrzeugkäufer von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste,

davon abhängen, ob schon im Jahr 2015 für den Fahrzeugkäufer, 

  • aufgrund der ihm damals bekannten Umstände

eine hinreichend aussichtsreiche Klageerhebung gegen die VW AG zumutbar war (Quelle: Pressemitteilung des BGH).   

Übrigens:
Ob bereits mit Schluss des Jahres 2015 die dreijährige Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche von Fahrzeugkäufern gegen die VW AG begonnen hat, wird von den Gerichten bisher unterschiedlich beurteilt.  

So ist der Schadensersatzanspruch in obiger Sache 

  • in I. Instanz vom Landgericht (LG) Stuttgart für nicht verjährt, 
  • in II. Instanz vom Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart aber für verjährt

erachtet worden und das OLG Oldenburg hat mit Urteil vom 30.01.2020 – 1 U 131/19, 1 U 137/19 – entschieden, dass die dreijährige Verjährungsfrist 

  • für Schadensersatzansprüche von Käufern von vom Abgas-Skandal betroffenen Dieselfahrzeugen gegen die VW AG 

erst mit Ablauf des Jahres 2016 begonnen hat, da die Fahrzeugkäufer Kenntnis erlangt haben 

  • von der Mangelhaftigkeit ihrer Fahrzeuge zwar schon im Jahr 2015, nachdem 
    • von VW im September 2015 mitgeteilt worden war, dass es bei dem Motor EA 189 „eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb“ gebe,
  • von den Umständen, aufgrund derer eine hinreichend aussichtsreiche Klageerhebung wegen vorsätzlicher sittenwidrigen Schädigung zumutbar war, jedoch erst im Jahr 2016, weil
    • der Konzern bestritten habe, dass der VW-Vorstand oder andere Personen in verantwortlicher Stellung davon gewusst hätten und
    • der Umfang des Gesamtkomplexes erst im Laufe des Jahre 2016 durch die Medien, Staatsanwaltschaften und Rechtsanwälte aufgeklärt worden sei,

somit also Schadensersatzansprüche erst mit Ablauf des Jahres 2019 verjährt sind. 

Dieselgate: OLG Hamm verurteilt (auch) die Audi AG wegen Einsatzes illegaler Software zum Schadensersatz

Mit rechtskräftigem Urteil vom 14.08.2020 – 45 U 22/19 – hat der 45. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm in einem Fall, in dem ein Käufer im Februar 2014 bei einem Autohaus zu einem Kaufpreis von 16.385 Euro einen gebrauchten Audi A 1, 1.6 TDI, 

  • der mit einem von der VW AG entwickelten und vom sog. Abgasskandal betroffenen Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattet war,

erworben hatte und bei dem im März 2017 ein Software-Update, 

  • das dafür sorgen sollte, dass das Fahrzeug im Normalbetrieb die öffentlich-rechtlichen Abgasgrenzwerte einhält, 

durchgeführt werden musste, entschieden, dass, 

  • gesamtschuldnerisch neben der VW AG, 

auch die Audi AG

  • wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) 

dem Fahrzeugkäufer

  • als Schadensersatz 

den Kaufpreis, 

  • unter Abzug einer Nutzungsentschädigung sowie 
  • gegen Rückgabe des Fahrzeugs, 

erstatten muss.

Dass neben der VW AG auch die Audi AG zum Nachteil des Fahrzeugkäufers eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung begangen hat, ist vom Senat u.a. damit begründet worden, dass, 

  • nachdem das bei der Audi AG vorhandene Compliance-Systems vorsieht, dass für jedes Detail eines zu produzierenden Pkw das Einverständnis zumindest eines Vorstandsmitglieds eingeholt werden müsse,

es nicht vorstellbar sei, 

  • dass kein Vorstandsmitglied der Audi AG von dem Einsatz der illegalen Software gewusst habe 

und es der Audi AG auch nicht gelungen sei, Umstände darzulegen, 

Dieselgate: Wie Käufer eines Dieselfahrzeugs den Geldbetrag errechnen können, den sie sich für die Fahrzeugnutzung anrechnen

…. lassen müssen, wenn sie vom Fahrzeughersteller, wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aufgrund Einsatzes einer unzulässigen Abschalteinrichtung, Erstattung des Kaufpreises,

  • gegen Zurverfügungstellung des Fahrzeugs, 

verlangen können und worauf sie in einem solchen Fall achten sollten.

Mit Urteil vom 30.07.2020 – VI ZR 354/19 – hat der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlungen zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) darauf hingewiesen, dass

  • der Wert der Nutzungsvorteile, die sich Fahrzeugkäufer auf ihren Schadensersatzanspruch, also auf ihren Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises, anrechnen lassen müssen, 

errechnet werden kann nach der Formel 

  • „Bruttokaufpreis“ mal „gefahrene Strecke seit Erwerb“ geteilt durch „erwartete Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt“,

wobei als „erwartete Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt“ anzusetzen ist,

  • die durchschnittliche Gesamtlaufleistungserwartung eines Fahrzeugs der gekauften Art, 
    • die von den Gerichten teilweise mit 250.000 Kilometer und teilweise mit 300.000 Kilometer angenommen wird,  
  • abzüglich der Kilometer, die das Fahrzeug zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses bereits auf dem Tacho hatte.

Abhängig ist die Höhe des Anrechnungsbetrages damit, einerseits davon, 

  • ob ein Fahrzeugkäufer mit dem Fahrzeug viel oder nur wenig gefahren ist,

andererseits aber auch davon,

  • ob bei dem Fahrzeug eine Gesamtlaufleistungserwartung angenommen wird,
    • von 250.000 Kilometern oder 
    • von 300.000 Kilometern.

Bei Zugrundelegung einer durchschnittlichen Gesamtlaufleistungserwartung 

  • von 250.000 Kilometern 

fällt der Anrechnungsbetrag höher aus als bei Zugrundelegung einer durchschnittlichen Gesamtlaufleistungserwartung

  • von 300.000 Kilometern.   

Hinwirken sollten Fahrzeugkäufer somit darauf, dass bei ihrem Fahrzeug von einer Gesamtlaufleistungserwartung

  • von mindestens 300.000 Kilometern 

ausgegangen wird, die bei Dieselmotoren auch realistisch ist.

Dazu ein (Vergleichs)Berechnungsbeispiel:
Wenn beispielsweise

  • der Bruttokaufpreis für das gebrauchte Fahrzeug 25.400 Euro betragen hat,
  • das Fahrzeug beim Kauf bereits 59.000 Kilometer am Tacho hatte,
  • der Käufer nach dem Kauf mit dem Fahrzeug (bis es dem Fahrzeughersteller zur Verfügung gestellt wurde) 44.000 Kilometer gefahren ist und
  • bei dem Fahrzeug von einer Gesamtlaufleistungserwartung von 300.000 Kilometern ausgegangen wird,

ergäbe das einen anzurechnenden Betrag von 4637,34 Euro, durch den somit der Kaufpreiserstattungsanspruch

  • von 25.400 Euro 

auf 20.762,66 Euro verringern würde.

  • Rechengang dazu:
    25.400 Euro (Bruttokaufpreis) multipliziert mit 44.000 (vom Käufer gefahrene) Kilometer = 1117600000
    und 
    1117600000 dividiert durch 241000 (= 300.000 Kilometer minus 59.000 Kilometer (= Tachostand beim Kauf) = 4637,34 Euro 

Würde in dem obigen Beispielsfall statt einer Gesamtlaufleistungserwartung von 300.000 Kilometern, eine Gesamtlaufleistungserwartung von 250.000 Kilometern angenommen, ergäbe das einen anzurechnenden Betrag von 5.851,31 Euro, der somit den Kaufpreiserstattungsanspruch von 25.400 Euro, abzüglich der 5.851,31 Euro, auf somit 19.548,69 Euro verringern würde.

  • Rechengang dazu:
    25.400 Euro (Bruttokaufpreis) multipliziert mit 44.000 (vom Käufer gefahrene) Kilometer = 1117600000
    und 
    1117600000 dividiert durch 191000 (= 250.000 Kilometer minus 59.000 Kilometer (= Tachostand beim Kauf) = 5.851,31 Euro 

Fazit:
Der Beispielsfall zeigt, dass der Fahrzeugkäufer sich anrechnen lassen muss, 

  • bei Zugrundelegung einer Gesamtlaufleistungserwartung von 250.000 Kilometern für das Fahrzeug 
    • 5.851,31 Euro

dagegen

  • bei Zugrundelegung einer Gesamtlaufleistungserwartung von 300.000 Kilometern nur 
    • 4637,34 Euro.