Mit Urteil vom 29.06.2023 – 83a OWi 739 Js 4140/23 jug. – hat das Amtsgericht (AG) Lübeck
- einen Mann freigesprochen,
gegen den
- von der zuständigen Behörde,
weil er,
- wie eine Patrouille des Ordnungsamtes bei Annäherung und unter Verwendung einer Taschenlampe hatte feststellen können,
gegen 00:36 Uhr, am Spülsaum der Ostsee,
- mit dem Rücken zum Strand stehend, in Richtung Wasser
uriniert hatte, wegen
- Belästigung der Allgemeinheit nach § 118 Abs. 1 des Gesetzes über Ordmungswidrigkeiten (OWiG)
mit Bußgeldbescheid eine Geldbuße
verhängt worden war.
Den Freispruch begründet hat das AG damit, dass nach
und nachdem
- sich niemand über die Verrichtung des Betroffenen beschwert habe,
- dieser aufgrund der Dunkelheit bzw. im Restlicht der Uferbeleuchtung auch nicht mehr als allenfalls schemenhaft für Dritte sichtbar gewesen sei,
schon keine
- die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und
- die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen,
geeignete
des Betroffenen
habe festgestellt werden können.
Danach ist der Vorgang des Wasserlassens unter freiem Himmel außerhalb von Bedürfnisanstalten
- unter Beachtung üblicher Rücksichtnahmen und
- ohne Hinzutreten besonderer Umstände
keine grob ungehörige Handlung und hat sich vorliegend die grobe Ungehörigkeit auch weder
- aus der Eignung zur Verletzung des Schamgefühls,
noch
- aus belästigenden Verunreinigungen
oder
ergeben.
Was die Eignung des Verhaltens des Betroffenen zur Verletzung des Schamgefühls betreffe, entspreche es, so das AG, nämlich der Üblichkeit, beim Wasserlassen
- außerhalb von Bedürfnisanstalten
sich,
- soweit als es die Umgebung zulässt,
den Blicken anderer zu entziehen,
- zumindest aber abzuwenden und
- diskret zu verhalten,
wie etwa
- bei Wanderungen, bei Arbeiten in Feld und Flur, bei Jägern und Pilzesammlern, Radsportlern und Radtourlern, Badenden an Seen und Flüssen und bei sonstigen naturnahen Beschäftigungen
und dass es am
landschaftlich anders als in Bergen und an Waldrändern keine weiteren Möglichkeiten zum landschaftlichen Rückzug gibt,
- außer der Abkehr und
- sich darüber hinaus dem Schutz der Dunkelheit anzuvertrauen,
könne dem Betroffenen nicht zum Nachteil gereichen.
Vielmehr, so das AG weiter, liege, nachdem es durch das Verhalten des Betroffenen zu keiner
- Verletzung des Schamgefühls Dritter
gekommen sowie
- angesichts der Wassermenge von 21.631 Kubikkilometern Brackwasser in der Ostsee,
auch eine
- belästigende Verschmutzung oder Geruchsbeeinträchtigung
auszuschließen sei, hier eine nach der allgemeinen Handlungsfreiheit
- des Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz (GG)
geschützte und letztendlich wohl auch naturrechtlich verankerte menschliche Willensbetätigung vor.
Schließlich,
- so die abschließende Fazit des AGs,
habe der Mensch unter den Weiten des Himmelszeltes
mindere Rechte als
- das Reh im Wald,
- der Hase auf dem Feld oder
- die Robbe im Spülsaum der Ostsee.
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