Bloße Ermöglichung der eigenverantwortlich gewollten Selbstgefährdung eines anderen ist nicht strafbar

Bloße Ermöglichung der eigenverantwortlich gewollten Selbstgefährdung eines anderen ist nicht strafbar

Die eigenverantwortlich gewollte und verwirklichte Selbstgefährdung einer Person unterfällt,

  • wenn sich das mit der Gefährdung bewusst eingegangene Risiko realisiert, die Person sich also dabei verletzt oder zu Tode kommt,

 

grundsätzlich nicht den Tatbeständen eines Körperverletzungs- oder Tötungsdelikts.

Deshalb kann auch der, der eine Selbstgefährdung eines anderen

  • veranlasst,
  • ermöglicht oder
  • fördert,

 

nicht wegen eines Körperverletzungs- oder Tötungsdelikts verurteilt werden.

Denn er nimmt an einem Geschehen teil, welches – soweit es um die Strafbarkeit wegen Tötung oder Körperverletzung geht – kein tatbestandsmäßiger und damit strafbarer Vorgang ist (siehe nur Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 28.01.2014 – 1 StR 494/13 –).
Diese Grundsätze gelten sowohl für die vorsätzliche als auch die fahrlässige Veranlassung, Ermöglichung oder Förderung einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung oder Selbstverletzung.

Allerdings entfällt bei dem, der durch sein Verhalten zunächst lediglich eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung

  • einer Person ermöglicht, für deren Rechtsgut bzw. Rechtsgüter er als Garant rechtlich im Sinne von § 13 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) einzustehen hat,
  • die Erfolgsabwendungspflicht nicht (im Ergebnis auch BGH, Urteil vom 21.12.2011 – 2 StR 295/11 –).

 

Denn die Straflosigkeit des auf die Herbeiführung des Risikos gerichteten Verhaltens ändert nichts daran,

  • dass Garantenpflichten in dem Zeitpunkt bestehen,
  • in dem aus dem allgemeinen Risiko eine besondere Gefahrenlage (für Gesundheit oder Leben des anderen) erwächst.
  • Mit dem Eintritt einer solchen Gefahrenlage ist der Garant verpflichtet, den drohenden Erfolg (der Gesundheitsverletzung bzw. des Todes) abzuwenden.

 

An diesen Grundsätzen ist jedenfalls dann festzuhalten,

  • wenn das Selbstgefährdungsverhalten eines ums Leben Gekommenen sich in Bezug auf das Rechtsgut Leben in einer (möglichen) eigenverantwortlichen Selbstgefährdung erschöpft.
  • Dann ist zwar
    • jegliche Beteiligung an der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung selbst für einen Garanten straffrei,
    • bei Realisierung des von dem betroffenen Rechtsgutsinhaber eingegangenen Risikos (für seine Gesundheit bzw. sein Leben) aber eine strafbewehrte Erfolgsabwendungspflicht aus § 13 Abs. 1 StGB gegeben.

 

Anders als in den Selbsttötungsfällen erschöpft sich im Fall der (bloßen) Selbstgefährdung

 

Eine Hinnahme des als möglich erkannten Erfolgseintritts, d.h. der Gesundheitsverletzung bzw. des Todes, bei Realisierung des eingegangenen Risikos ist mit der Vornahme der Selbstgefährdung dann gerade nicht notwendig verbunden.

  • Entwickelt sich das allein auf Selbstgefährdung angelegte Geschehen erwartungswidrig in Richtung auf den Verlust des Rechtsguts Lebens,
  • umfasst die ursprüngliche Entscheidung des Rechtsgutsinhabers für die (bloße) Gefährdung seines Rechtsguts Leben nicht zugleich den Verzicht auf Maßnahmen zum Erhalt des nunmehr in einen Zustand konkreter Gefahr geratenen Rechtsguts Leben.

 

Eine Person,

  • die nach den allgemeinen Grundsätzen des § 13 Abs. 1 StGB Garant für das bedrohte Rechtsgut ist,
  • trifft dann im Rahmen des tatsächlich Möglichen und ihr rechtlich Zumutbaren die Pflicht, den Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs abzuwenden.

 

Darauf hat der 1. Strafsenat des BGH mit Beschluss vom 05.08.2015 – 1 StR 328/15 – hingewiesen und in einem Fall die Verurteilung eines Angeklagten wegen Totschlags durch Unterlassen nach §§ 212 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB bestätigt, weil er

  • durch sein Verhalten ermöglicht hatte, dass ein anderer unverdünntes hochgradig gesundheits- und lebensgefährliches Gammabutyrolacton (GBL) als Drogenersatz konsumieren konnte und
  • keine ärztliche Hilfe herbeigerufen hatte, obwohl er davon ausging, dass der andere, was auch der Fall war, eine tödlich wirkende Menge von dem GBL konsumiert hatte, an der er dann auch verstorben war.

 

Ob im Fall eines eigenverantwortlichen Suizids des später Verstorbenen

  • nach Verlust der Handlungsherrschaft des den Selbstmord Anstrebenden etwas anderes gilt (vgl. BGH, Urteil vom 21.12.2011 – 2 StR 295/11 –),
  • hat der Strafsenat offen gelassen, weil in dem von ihm entschiedenen Fall ein Selbsttötungswille des Verstorbenen nicht vorgelegen hatte.

 


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