…. haben Betroffene deswegen einen Anspruch auf Schadensersatz und/oder Schmerzensgeld gegen den Schädiger des Angehörigen?
Seelische Erschütterungen wie Trauer oder seelischer Schmerz eines Betroffenen,
die
- auf das Miterleben des Todes oder einer schweren Verletzung eines Angehörigen,
- auf die Übermittlung der Nachricht vom Tod oder einer schweren Verletzung eines Angehörigen,
oder
- das Miterleben bzw. die Kenntniserlangung von einer zum Nachteil eines nahen Angehörigen begangenen vorsätzlichen Straftat (wie etwa dem sexuellen Missbrauch des Kindes u.a.),
zurückzuführen sind, können eine Gesundheitsverletzung
- im Sinne des § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
darstellen und damit einen
- Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch nach § 253 Abs. 2 BGB
begründen, wenn die psychischen Beeinträchtigungen (was bei der Geltendmachung als Primärverletzungen nach § 286 Zivilprozessordnung (ZPO) erwiesen sein muss)
- pathologisch fassbar sind,
- also Krankheitswert haben,
ohne dass darüber hinaus erforderlich ist, dass die Störung über die
- gesundheitlichen Beeinträchtigungen
hinausgeht, denen Betroffene bei der Verletzung eines Rechtsgutes eines nahen Angehörigen in der Regel ausgesetzt sind.
Ein Schadensersatz- bzw. Schmerzensgeldanspruch besteht,
- mangels haftungsrechtlichem Schutzzweckzusammenhangs
allerdings dann beispielsweise nicht,
- wenn sich eine Gefahr realisiert hat, die dem allgemeinen Lebensrisiko und damit dem Risikobereich des Betroffenen zuzurechnen ist, die – nach wertender Betrachtung – der Betroffene in seinem Leben also auch sonst üblicherweise zu gewärtigen hat,
- wenn der Dritte, auf dessen Verletzung die psychischen Beeinträchtigungen des Betroffenen zurückgehen, diesem nicht persönlich nahesteht, weil auch insoweit sich allein ein – dem Schädiger des Dritten nicht zurechenbares – allgemeines Lebensrisiko verwirklicht,
- wenn ein Betroffener das schadensauslösende Ereignis in neurotischem Streben nach Versorgung und Sicherheit lediglich zum Anlass nimmt, den Schwierigkeiten und Belastungen des Erwerbslebens auszuweichen
oder
- wenn das schädigende Ereignis ganz geringfügig ist (Bagatelle), nicht gerade speziell eine Schadensanlage des Betroffenen trifft und die psychische Reaktion deshalb im konkreten Fall schlechterdings nicht mehr verständlich ist, weil sie in grobem Missverhältnis zum Anlass steht.
Grundsätzlich scheitert die Zurechnung psychischer Schäden aber nicht daran, dass der Betroffene infolge
- körperlicher oder seelischer
Dispositionen besonders schadensanfällig ist, weil der Schädiger keinen Anspruch darauf hat, so gestellt zu werden, als habe er einen
Gesunden verletzt.
Übrigens:
Anders als bei der
- haftungsbegründenden Zurechnung
ist eine
- bereits vorhandene Schadensanfälligkeit des Betroffenen
jedoch bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ein
Umstand.
Hinweis:
Bisher höchstrichterlich noch ungeklärt ist, ob es aus ähnlichen Erwägungen, die zu
der Ersatzpflicht für „Schockschäden“
- unterhalb eines bestimmten Schweregrades
führen, geboten sein kann, den Anspruch zu versagen, wenn ein Betroffener auf Ereignisse
- besonders empfindlich und „schockartig“
reagiert, die das
nicht rechtfertigen und die im Allgemeinen ohne
- nachhaltige und tiefe seelische
Erschütterungen toleriert zu werden pflegen (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 06.12.2022 – VI ZR 168/21 –).
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