Mit Beschluss vom 02.11.2022 – 3 StR 162/22 – hat der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) die Revision eines
- Facharztes für Innere Medizin
gegen ein Urteil verworfen, mit dem dieser u.a. wegen
- Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB)) in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
verurteilt worden war, weil er bei
- einer 20-Jährigen sowie
- einer 42-Jährigen,
die mit ihrem körperlichen Erscheinungsbild nicht zufrieden waren,
in seiner Praxis, die er als „Zentrum der ästhetischen Medizin“ bewarb und in der er ausschließlich kosmetische Operationen für selbstzahlende Patienten anbot,
- wie insbesondere einen Fetttransfer in der Weise, dass Körperfett in das Gesäß eingebracht und dort so modelliert wird, dass das Gesäß eine Form erhält, die einem durch Medien transportierten – vermeintlichen – Schönheitsideal („Brazilian Butt“) entspricht,
ambulant
- medizinisch nicht indizierte
sog. Eigenfetttransferbehandlungen vorgenommen hatte, bei denen Körperfett
von dem Bauch, der Taille und dem Rücken der Frauen entnommen (Liposuktion) und ein Teil der entnommenen Fettzellen anschließend wieder in andere Körperregionen
- – Brüste, Gesäß oder Teile des Gesichts –
appliziert (Lipotransfer),
- vor der Vornahme dieser Eingriffe
die Frauen aber von dem Arzt nicht bzw. jedenfalls nicht ausreichend über die
- mit dem Eingriff verbundenen
Risiken und risikomindernde Alternativen aufgeklärt und die Frauen an einem Kreislaufversagen, infolge eines massiven Blutverlusts,
- der seine primäre Ursache – Verletzung der Gefäße – in dem vorgenommenen Eingriff hatte
und zu dem als weitere Ursachen
- die Verminderung der Atmungsfunktion und
- der zu einer erheblichen Kreislaufbelastung führende Flüssigkeitsverlust
hinzukamen, verstorben waren.
Bei den vorgenommenen Eingriffen bestanden
- nach den Feststellungen des verurteilenden Gerichts
typische Risiken
- über die die Patientinnen hätten aufgeklärt werden müssen,
dadurch,
- dass der Operateur mit der Kanüle in andere, stärker durchblutete Gewebestrukturen eindringt, die an das in der Entnahme- oder Zielregion lagernde Fettgewebe angrenzen,
- dass, wenn dort mit der Kanüle Gefäße verletzt werden, es zu starken und je nach Umfang der Verletzung kaum noch zu kontrollierenden inneren Blutungen kommen kann,
- dass diese Gefahr bei der Zuführung von Fettzellen in das Gesäß besonders groß ist,
- dass anders als in der Bauchregion, wo Fett- und Muskelgewebe im Regelfall in verschiedenen Schichten getrennt voneinander verlaufen, sich jedenfalls in den tieferen Regionen der Gesäßhälften die Areale mit Fettgewebe nicht ohne Weiteres von Arealen mit wesentlich stärker durchblutetem Muskelgewebe abgrenzen lassen,
- dass bei der Einführung der Fettzellen zudem die Gefahr besteht, dass Fettbestandteile in die Nähe größerer Gefäßwände oder verletzter Gefäße und so über den Blutkreislauf in die Lunge gelangen, wo sie – als Fettembolie – die Kapillargefäße verstopfen und den Gasaustausch behindern,
- dass diese Risiken sowohl mit der Menge des jeweils bei einem Eingriff entnommenen als auch mit der Menge des zugeführten Fettes erheblich steigen,
- dass bei einer Entnahme von mehr als fünf Litern Gewebe darüber hinaus ein signifikantes – indes nicht im Sinne einer Skalierung quantifizierbares – Risiko für das Versagen der Kreislaufregulation besteht,
- dass in Kombination mit einer betäubenden, dämpfenden oder schmerzausschaltenden Anästhesie sich diese Belastung mit der Folge, dass das Risiko eines Kreislaufversagens deutlich steigt, verstärkt,
- dass ein solcher Effekt auch nicht kurzfristig durch eine Flüssigkeitszufuhr von außen neutralisiert werden kann, weil eine gezielte Flüssigkeitszufuhr in Körperregionen, aus denen zuvor Zellen entfernt wurden, lediglich zu Wassereinlagerungen, nicht jedoch zu einer natürlichen Flüssigkeitsverteilung führen würde
sowie, dass das mit der Entnahme großer Gewebemengen verbundene Risiko sich ohne Beeinträchtigung des Behandlungsergebnisses deutlich reduzieren lässt,
- indem die Entnahme auf mehrere Eingriffe verteilt wird, zwischen denen sich der Patient erholen kann und
- dass bei der Zuführung größerer Fettmengen das Risiko einer Embolie durch eine zeitlich gestreckte Verteilung auf mehrere Eingriffe auch sinkt.
Übrigens:
Schuldig der Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 Abs. 1 StGB) in zwei Fällen hat der Arzt,
- ohne dass es darauf ankommt, ob die Eingriffe nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt wurden und zu dem von den Patientinnen gewünschten Erfolg geführt haben,
sich deswegen gemacht, weil, wenn Patienten über
- den Verlauf eines Eingriffs, seine Erfolgsaussichten, Risiken und mögliche Behandlungsalternativen
nicht ausreichend gemäß § 630e Abs. 1 bis 4 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
werden, ihre
zu dem mit einer Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) verbundenen Eingriff nicht
- wirksam (§ 630d Abs. 2 BGB)
und damit die mit dem Eingriff verbundene Körperverletzung
ist (Quellen: Pressemitteilung des BGH und Urteil des Landgerichts (LG) Düsseldorf vom 16.11.2021 – 1 K 24/20 –).
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