BayObLG entscheidet, dass durch die Ablehnung eines Antrags auf Beiziehung der Rohmessdaten einer Geschwindigkeitsmessung

BayObLG entscheidet, dass durch die Ablehnung eines Antrags auf Beiziehung der Rohmessdaten einer Geschwindigkeitsmessung

…. zur Bußgeldakte, das Recht eines Betroffenen auf ein 

  • faires Verfahren 

verletzt sein kann und erweitert dadurch die Verteidigungsmöglichkeiten von Betroffenen im Bußgeldverfahren.

Mit Beschluss vom 04.01.2021 – 202 ObOWi 1532/20 – hat das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) München in einem Bußgeldverfahren, in dem 

  • dem Betroffenen eine Geschwindigkeitsüberschreitung vorgeworfen wurde und 

der Verteidiger des Betroffenen, um von einem von ihm zu beauftragenden Sachverständigen die Richtigkeit der Messung,

  • die von der Polizei mit einem gültig geeichten digitalen Geschwindigkeitsüberwachungsgerät des Typs ‚PoliScanSpeed M1 erfolgt war,

überprüfen zu lassen, beantragt hatte, ihm die 

  • sog. Rohmessdaten der konkreten Einzelmessung

zu Verfügung zu stellen, entschieden, dass aus dem 

  • Recht auf ein faires Verfahren 

sich ein Anspruch des Betroffenen auf Zugang 

  • zu nicht bei der Bußgeldakte befindlichen, 
  • aber bei der Verfolgungsbehörde vorhandener und zum Zwecke der Ermittlungen entstandener bestimmter Informationen, 
    • hier der sog. Rohmessdaten einer Geschwindigkeitsmessung im Straßenverkehr, 

ergibt, wenn 

  • der Betroffene rechtzeitig geltend macht, er wolle sich selbst und eigenständig Gewissheit darüber verschaffen, dass sich aus den dem Gericht nicht vorgelegten Inhalten keine seiner Entlastung dienenden Tatsachen ergeben 

und 

  • die begehrten Informationen 
    • zum einen in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Ordnungswidrigkeitenvorwurf stehen und 
    • zum anderen erkennbar eine Relevanz für die Verteidigung aufweisen.

Das BayObLG folgt damit dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG), das mit 

entschieden hat, dass im Bußgeldverfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung Betroffene bzw. ihre Verteidiger,

  • zur Ermöglichung einer eigenständigen Überprüfung des Messvorgangs, um – ggf. – bei Anhaltspunkten für die Fehlerhaftigkeit des Messergebnisses die Annahme des standardisierten Messverfahrens erschüttern zu können,

 ein Recht auf Zugang zu Informationen, unter anderem 

  • der Lebensakte des verwendeten Messgeräts, 
  • dem Eichschein und 
  • den sogenannten Rohmessdaten in unverschlüsselter Form, 

auch dann haben, 

  • wenn diese nicht Teil der Bußgeldakte sind, 

der Betroffene bzw. sein Verteidiger 

  • sie aber verständiger Weise für die Beurteilung des Ordnungswidrigkeitenvorwurfs für bedeutsam halten darf und 
  • der Zugang zu diesen Informationen im Bußgeldverfahren rechtzeitig gegenüber der Bußgeldstelle und ggf. mit Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) geltend gemacht wird.

Für Betroffene bzw. ihre Verteidiger bedeutet das:
Sie können, sollte das Amtsgericht (AG) ihren rechtzeitig gestellten Antrag, die Rohmessdaten der erfolgten Geschwindigkeitsmessung zur Überprüfung der Richtigkeit der Messung zur Verfügung zu stellen, ablehnen, 

  • im Falle einer Verurteilung Rechtbeschwerde gegen das Urteil einlegen und mit der Verfahrensrüge beanstanden, dass 
    • durch die Ablehnung des Antrags gegen das Recht auf ein faires Verfahren verstoßen und
    • die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt im Sinne von § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 338 Nr. 8 Strafprozessordnung (StPO) durch den Beschluss des AG unzulässig beschränkt wurde,
      • mit der Folge, dass das Urteil aufgehoben und die Sache nur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das AG zurückverwiesen wird,

bzw., wenn die Rohmessdaten zur Verfügung gestellt werden, 

  • das Messergebnis eigenständig überprüfen lassen und 
  • sollten sich dabei Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Messung ergeben, 
    • diese ermittelten Anhaltspunkte dem AG darlegen und so, 
    • die ansonsten bei standardisierten Messverfahren ohne konkrete Anhaltspunkte für Messfehler im Regelfall nicht gegebene Amtsermittlungspflicht des AG auslösen,
      • mit der Folge, dass das AG die Richtigkeit der Messung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens überprüfen bzw. einen darauf gerichteten Beweisantrag nachkommen muss.  

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