Art. 7 Abs. 2 lit. c) der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (FluggastrechteVO) kann im Falle einer Verspätung des ursprünglich geplanten Fluges von mehr als drei und weniger als vier Stunden entsprechende Anwendung finden.
Das hat das Amtsgericht (AG) Frankfurt mit Urteil vom 21.10.2014 – 31 C 1623/14 – entschieden.
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall, in dem die Parteien um Ausgleichszahlungen wegen einer Flugverspätung stritten, hatten die Kläger einen Flug gebucht, den die beklagte Fluggesellschaft unter der Flug-Nr. …. planmäßig am 24.09.2013 ausführen und der um 14:05 Uhr in Frankfurt am Main starten und um 18:35 Uhr Ortszeit in Cancun landen sollte.
Tatsächlich war Abflugzeit in Frankfurt am Main erst um 18:40 Uhr Ortszeit und Ankunftszeit in Cancun 22:16 Uhr Ortszeit – zu diesem Zeitpunkt wurde dort eine der Flugzeugtüren geöffnet –, so dass der Flug mit einer Verspätung von mehr als drei und weniger als vier Stunden am Endziel im Sinne von Art. 2 lit. h) FluggastrechteVO angekommen war.
Da die Art. 5 bis 7 FluggastrechteVO nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH, Urteil vom 19.11.2009 – C-402/07 –) sowie des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom 18.02.2010 – Xa ZR 95/06 –) dahingehend auszulegen sind,
- dass Fluggäste in analoger Anwendung des Art. 7 FluggastrechteVO Ausgleichzahlungen gegen das ausführende Flugunternehmen im Sinne von Art. 2 lit. b) FluggastrechteVO geltend machen können, wenn sie wegen des verspäteten Fluges einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden,
lagen in diesem Fall die Anspruchsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 S. 1 lit. c) FluggastrechteVO vor, so dass die Kläger,
- weil die Entfernung von Frankfurt am Main nach Cancun nach der Methode der Großkreisentfernung mehr als 3.500 km beträgt,
- nach dieser Vorschrift eigentlich Anspruch auf eine Ausgleichszahlung in Höhe von 600 € hätten.
Das AG Frankfurt hat jedoch entschieden, dass die Fluggesellschaft hier die Ausgleichsansprüche gemäß Art. 7 Abs. 2 lit. c) FluggastrechteVO analog um 50% kürzen kann.
Nach dieser Vorschrift kann das ausführende Luftfahrtunternehmen die Ausgleichszahlung nach Abs. 1 um 50% kürzen, wenn Fluggästen gemäß Art. 8 FluggastrechteVO eine anderweitige Beförderung zu ihrem Endziel mit einem Alternativflug angeboten wird, dessen Ankunftszeit nicht später als vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit des ursprünglich gebuchten Fluges liegt.
Zwar scheide, wie das AG Frankfurt ausgeführt hat, eine unmittelbare Anwendung des Art. 7 Abs. 2 lit. c) FluggastrechteVO auf den vorliegenden Fall bereits deswegen aus, da der streitgegenständliche Flug mit der Flug-Nr. … nicht annulliert worden sei.
Denn ein Flug könne nach der Rechtsprechung des EuGH dann nicht als annulliert qualifiziert werden, wenn er entsprechend der ursprünglichen Flugplanung, wenn auch mit Verspätung, stattfindet bzw. stattgefunden hat (vgl. EuGH, Urteil vom 19.11.2009 – C-402/07 –).
Allerdings sei Art. 7 Abs. 2 lit. c) FluggastrechteVO auf den vorliegenden Fall analog anzuwenden (anderer Ansicht AG Rüsselsheim, Urteil vom 03.04.2013 – 3 C 3301/12 –).
Denn es bestehe dieselbe Interessenlage, wie in dem Fall, den der Verordnungsgeber mit Art. 7 Abs. 2 lit. c) FluggastrechteVO zu regeln beabsichtigte. Nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift sei es dem Verordnungsgeber darum gegangen, dem ausführenden Flugunternehmen einen dahingehenden Anreiz zu setzen, dass, wenn es die tatsächliche Verspätung bei Annullierung des ursprünglichen Fluges geringer als vier Stunden hält, es die Ausgleichszahlung um 50% reduzieren könne. Dieser Sinn und Zweck lasse sich entsprechend auf den Fall der Flugverspätung von mehr als drei aber weniger als vier Stunden übertragen. Zumal es aus Sicht des Fluggastes, für den mit der FluggastrechteVO ein hohes Schutzniveau sichergestellt werden soll, keinerlei Unterschied mache, ob er mit einem anderen als dem ursprünglich geplanten oder dem gemäß der ursprünglichen Flugplanung ausgeführten Flug eine Verspätung von mehr als drei und weniger als vier Stunden erleidet.
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