Wenn die Teilungserklärung Änderungsbeschlüsse zulässt.

Wenn die Teilungserklärung Änderungsbeschlüsse zulässt.

Zu den unentziehbaren, aber verzichtbaren Mitgliedschaftsrechten gehört das

  • sog. Belastungsverbot,

das jeden Wohnungseigentümer vor der Aufbürdung neuer (originärer),

  • sich weder aus dem Gesetz,
  • noch aus der bisherigen Gemeinschaftsordnung ergebender,

Leistungspflichten schützt.

Darauf hat der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 10.10.2014 – V ZR 315/13 – hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall

  • gehörte zum Miteigentumsanteil nebst Sondereigentum der Eigentümerin einer Erdgeschosswohnung das Sondernutzungsrecht an einer im Aufteilungsplan bezeichneten Gartenfläche und
  • war in der Teilungserklärung (TE) bestimmt,
    • dass die Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer obliegt und von dem Verwalter durchzuführen ist (= § 6 Nr. 1 TR) sowie,
    • dass eine Änderung der §§ 3 – 20 TE durch Beschluss nur mit 2/3 Mehrheit möglich ist (= § 4 TE).

Den mit 2/3 Mehrheit gefassten Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft,

  • „dass hinsichtlich der Sondernutzungsfläche der Erdgeschosswohnung, ab dem 01.07.2012 die ordnungsgemäße Instandhaltung in Gestalt von Gartenpflege- und Reinigungsarbeiten den jeweiligen Sondernutzungsberechtigten obliegt und diese auch die dadurch entstehenden Kosten zu tragen hat, was die notwendige Bewässerung mit einschließt,“

hat der V. Zivilsenat des BGH auf die Klage der betroffenen Wohnungseigentümerin aus materiellen Gründen für unwirksam erklärt.

Danach ist ein Änderungsbeschluss auf der Grundlage einer Öffnungsklausel – hier § 4 TE – nicht schon dann rechtmäßig, wenn er die Anforderungen der Ermächtigungsgrundlage erfüllt.

  • Vielmehr sind insbesondere zum Schutz der Minderheit bestimmte fundamentale inhaltliche Schranken zu beachten.
  • Erst bei der Frage, ob die beschlossene Änderung den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Verwaltung entspricht, ist den Wohnungseigentümern aufgrund ihres Selbstorganisationsrechts ein weiter – lediglich durch das Willkürverbot beschränkter – Gestaltungsspielraum eingeräumt (zu Letzterem BGH, Urteil vom 01.04.2011 – V ZR 162/10 –; vgl. auch BGH, Urteil vom 10.06.2011 – V ZR 2/10 –).

Fundamentale Schranken ergeben sich, wie der V. Zivilsenat des BGH ausgeführt hat, zunächst

  • aus den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 134, 138, 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und
  • den zum Kernbereich des Wohnungseigentumsrechts zählenden Vorschriften, wozu u.a. unentziehbare und unverzichtbare Individualrechte gehören.

Denn was selbst durch Vereinbarung nicht geregelt werden könnte, entzieht sich auch einer Regelung im Beschlusswege aufgrund einer Öffnungsklausel; ein gleichwohl gefasster Beschluss ist nichtig.

  • Darüber hinaus wird die durch eine Öffnungsklausel legitimierte Mehrheitsmacht auch durch Individualrechte begrenzt, die zwar ebenfalls zu den unentziehbaren Mitgliedschaftsrechten gehören, die aber verzichtbar sind.

Ein in solche Rechte eingreifender Beschluss ist nur dann wirksam, wenn die hiervon nachteilig betroffenen Wohnungseigentümer zustimmen; bis dahin ist er schwebend unwirksam (vgl. BGH, Beschluss vom 22.01.2004 – V ZB 51/03 –).
Die endgültige Unwirksamkeit des Beschlusses tritt ein, wenn die Zustimmung verweigert wird.
Zu den in diesem Sinne mehrheitsfesten Rechten gehört das dem Verbandsrecht immanente Belastungsverbot (§ 53 Abs. 3 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG), § 179 Abs. 3 u. § 180 Abs. 1 des Aktiengesetzes (AktG); vgl. auch § 35 Abs. 1 BGB), das jeden Wohnungseigentümer vor der Aufbürdung neuer (originärer) – sich weder aus dem Gesetz noch aus der bisherigen Gemeinschaftsordnung ergebender – Leistungspflichten schützt.

In dem vom V. Zivilsenat des BGH entschiedenen Fall verstieß der angegriffene Beschluss

  • gegen das Belastungsverbot.

Denn die der sondernutzungsberechtigten Klägerin auferlegten Leistungspflichten findet im Gesetz keine Grundlage.
Die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums obliegt den Wohnungseigentümern nach § 21 Abs. 1, 5 Nr. 2 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) gemeinschaftlich.

  • Das bedeutet jedoch nicht, dass die einzelnen Wohnungseigentümer kraft Gesetzes verpflichtet sind, Instandhaltungsmaßnahmen selbst vorzunehmen oder vornehmen zu lassen; auch zur sog. tätigen Mithilfe sind sie nicht verpflichtet (BGH, Urteil vom 09.03.2012 – V ZR 161/11 –).
  • Vielmehr sind Instandhaltungsmaßnahmen betreffende Beschlüsse von dem Verwalter umzusetzen (§ 27 Abs. 1 Nr. 1 und 2 WEG). Die Wohnungseigentümer haben lediglich die Kosten hierfür aufzubringen.
  • Nichts anderes folgt aus § 16 Abs. 4 WEG. Denn auch nach dieser Vorschrift können die Wohnungseigentümer lediglich die Verteilung der u.a. für Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen angefallenen Kosten abweichend von § 16 Abs. 2 WEG mit qualifizierter Mehrheit regeln und dies ohnehin nur im Einzelfall.
  • Auch § 6 TE enthält keine hiervon abweichende Regelung, sondern bestimmt in Übereinstimmung mit der Gesetzeslage, dass die Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums der Gemeinschaft obliegt und von dem Verwalter durchzuführen ist.
  • Hierzu gehört auch die Instandhaltung der von dem Sondernutzungsrecht der Klägerin erfassten Gartenfläche, weil das Sondernutzungsrecht die sachenrechtliche Zuordnung des Nutzungsgegenstandes zum Gemeinschaftseigentum unverändert lässt.

Zwar ist es bei Sondernutzungsrechten üblich, dem Sondernutzungsberechtigten die Pflicht zur Instandhaltung auf eigene Kosten aufzuerlegen, weil ein Auseinanderfallen von Nutzungsrecht und Instandhaltungslast als unbefriedigend empfunden wird.

  • Das ändert aber nichts daran, dass eine hiervon abweichende Regelung bereits in der Teilungserklärung / Gemeinschaftsordnung selbst oder im Wege einer späteren Vereinbarung der Wohnungseigentümer hätte getroffen werden müssen.
  • Ist dies – wie hier – nicht geschehen, bleibt die Gemeinschaft zuständig; eine nachträgliche Übertragung der daraus folgenden Pflichten ist nur noch mit Zustimmung des Betroffenen möglich.

Der Verstoß gegen das Belastungsverbot führte unter den gegebenen Umständen zur Unwirksamkeit des Eigentümerbeschlusses. Zwar war der Beschluss zunächst schwebend unwirksam. Da die Klägerin jedoch mit der Erhebung der Beschlussmängelklage zumindest konkludent ihre Zustimmung verweigert hat, ist der Beschluss endgültig unwirksam geworden.

Eine teilweise Aufrechterhaltung des Beschlusses als isolierte Kostentragungsregelung schied nach Auffassung des V. Zivilsenats des BGH aus.
Zwar erlaubt es § 16 Abs. 3 WEG, im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung einen von § 16 Abs. 2 WEG abweichenden Maßstab für die Verteilung der näher bezeichneten Kosten zu beschließen. Ob die Wohnungseigentümer ohne die Ausgangsverpflichtung eine isolierte Kostenregelung getroffen hätten, lies sich nämlich zweifelsfrei nicht sagen.
Deshalb kam es auf die Frage nicht an, ob auf der Grundlage der von der Klägerin behaupteten erheblich eingeschränkten Nutzbarkeit der Fläche (in weiten Teilen starke Hanglage) eine vollständige Aufbürdung der Kosten noch den Anforderungen ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen hätte. 

 


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