Wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft gegen einen einzelnen Wohnungseigentümer Beitrags- oder Schadensersatzansprüche gerichtlich geltend macht und der Wohnungseigentümergemeinschaft Prozesskosten entstehen – Wer hat diese zu tragen?

Wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft gegen einen einzelnen Wohnungseigentümer Beitrags- oder Schadensersatzansprüche gerichtlich geltend macht und der Wohnungseigentümergemeinschaft Prozesskosten entstehen – Wer hat diese zu tragen?

Macht die Wohnungseigentümergemeinschaft Beitrags- oder Schadensersatzansprüche gegen einen einzelnen Wohnungseigentümer gerichtlich geltend, sind die ihr entstehenden Prozesskosten gemäß § 16 Abs. 2 des Gesetzes über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht (Wohnungseigentumsgesetz – WEG) von allen Wohnungseigentümern zu tragen; eine Freistellung des obsiegenden Wohnungseigentümers gemäß § 16 Abs. 8 WEG kommt nicht in Betracht.

Darauf hat der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 04.04.2014 – V ZR 168/13 – hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war von der Eigentümerversammlung eine Jahresabrechnung beschlossen worden, in der die Kosten einer Klage,

  • die die Wohnungseigentümergemeinschaft wegen Beitragsansprüchen gegen einen einzelnen Wohnungseigentümer erhoben und die das Gericht durch rechtskräftiges Urteil, in dem die Kosten des Rechtsstreits der Wohnungseigentümergemeinschaft auferlegt worden waren, abgewiesen hatte,
  • auf alle Wohnungseigentümer anteilig verteilt worden waren.

Diese anteilige Umlegung der Prozesskosten erfolgte – wie der V. Zivilsenat des BGH entschieden hat – zu Recht.

Die von dem Gericht in dem Rechtsstreit zwischen der Wohnungseigentümergemeinschaft und einem einzelnen Wohnungseigentümer getroffene Kostenentscheidung bezieht sich auf das Verhältnis der Parteien untereinander und regelt nicht, wer im Innenverhältnis die Kosten des unterlegenen Verbands tragen muss.

Die Frage, ob die Kosten eines Rechtsstreits, den die Wohnungseigentümergemeinschaft gegen einen einzelnen Wohnungseigentümer führt, als Kosten der Verwaltung auf alle Wohnungseigentümer umzulegen sind oder ob der beklagte Wohnungseigentümer hiervon auszunehmen ist, wird uneinheitlich beantwortet.
Dabei geht es zum einen um die Aufbringung der Mittel zur Erfüllung eines Kostenerstattungsanspruchs des obsiegenden Wohnungseigentümers.
Zum anderen ist auch die – hier allein relevante – Heranziehung des beklagten Wohnungseigentümers im Hinblick auf die dem Verband selbst entstehenden Prozesskosten umstritten.

  • Insoweit wird vertreten, der beklagte Wohnungseigentümer müsse sich an diesen Kosten nicht beteiligen und sei – auch von etwaigen Vorschusszahlungen – in seiner Einzelabrechnung freizustellen.
    Obsiegt der Verband, ist danach die spätere Kostenerstattung durch den beklagten Wohnungseigentümer nur den übrigen (die Kosten verauslagenden) Wohnungseigentümern gutzuschreiben.
    Obsiegt dagegen der Wohnungseigentümer, bleibt er weiterhin freigestellt.
     
  • Einer anderen Ansicht nach sind zwar die Vorschüsse durch alle Wohnungseigentümer aus dem Verwaltungsvermögen aufzubringen und zunächst von allen Wohnungseigentümern zu tragen.
    Für die endgültige Verteilung der Kosten soll jedoch die gerichtliche Kostenentscheidung maßgeblich sein (so auch Landgericht (LG) Bonn, Urteil vom 17.08.2011 – 5 S 77/11 –).
     
  • Nach überwiegender Ansicht handelt es sich dagegen um Kosten der Verwaltung im Sinne von § 16 Abs. 2 WEG, an denen sich die Wohnungseigentümer ausnahmslos beteiligen müssen.
    Teils wird dies nur dann angenommen, wenn die Kosten aus der Verfolgung von Beitrags- und Schadensersatzansprüchen herrühren.
    Vertreten wird aber auch, dass Kosten der Rechtsverfolgung durch den Verband gegen einzelne Wohnungseigentümer stets § 16 Abs. 2 WEG unterfallen (LG München I, Urteil vom 13.05.2013 – 1 S 10826/12 –).
    Danach kommt eine Freistellung des beklagten Wohnungseigentümers nicht in Betracht.
    Obsiegt der Verband in dem Prozess, wird die von dem Beklagten geschuldete Kostenerstattung allen Wohnungseigentümern – also auch dem Beklagten – gutgeschrieben.
    Obsiegt dagegen der Wohnungseigentümer, hat er zwar einen Anspruch auf Erstattung seiner außergerichtlichen Kosten; seinen Anteil an den Kosten der Wohnungseigentümergemeinschaft hat er jedoch – wie die übrigen Wohnungseigentümer auch – endgültig zu tragen.

Der V. Zivilsenat des BGH teilt die zuletzt genannte Auffassung jedenfalls insoweit, als die Kosten darauf beruhen, dass der Verband gemeinschaftliche Beitrags- oder Schadensersatzansprüche geltend macht; dies entspricht seiner Rechtsprechung zu § 16 Abs. 2 und 5 WEG in der bis zum 30.06.2007 geltenden Fassung (BGH, Beschluss vom 15.03.2007 – V ZB 1/06 –). Die Neufassung von § 16 Abs. 5 WEG – nunmehr in § 16 Abs. 8 WEG – gibt keinen Anlass, hiervon abzurücken.

Gegen die Einordnung solcher Prozesskosten als Kosten der Verwaltung im Sinne von § 16 Abs. 2 WEG spricht allerdings der Wortlaut des § 16 Abs. 8 WEG. Danach sind die Kosten eines Rechtsstreits gemäß § 43 WEG nur insoweit Kosten der Verwaltung gemäß § 16 Abs. 2 WEG, als sie die durch eine Streitwertvereinbarung verursachten Mehrkosten betreffen. Die Norm bedarf jedoch einer teleologischen Reduktion, weil ihr Anwendungsbereich unbeabsichtigt zu weit gefasst worden ist.
Dass die Kosten aller in § 43 WEG aufgeführten Rechtsstreitigkeiten nicht zu den Kosten der Verwaltung zählen sollten, ist auszuschließen.
§ 43 Nr. 5 WEG erfasst nämlich auch Außenstreitigkeiten, bei denen der Verband durch Dritte verklagt wird; insoweit ist kein Grund dafür ersichtlich, die Kosten nicht als solche der Verwaltung anzusehen.
Auch die in § 43 Nr. 2 WEG aufgeführten Streitigkeiten über Rechte und Pflichten zwischen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und Wohnungseigentümern unterfallen jedenfalls dann nicht § 16 Abs. 8 WEG, wenn der Verband gemeinschaftliche Beitrags- oder Schadensersatzansprüche geltend macht.

Die Gesetzesbegründung steht dieser Auslegung nicht entgegen. Dort wird lediglich ausgeführt, dass die Neufassung des § 16 Abs. 8 WEG nur hinsichtlich der durch eine Streitwertvereinbarung verursachten Mehrkosten eine Änderung gegenüber dem zuvor geltenden Recht herbeiführen sollte. Dass auch unter der Geltung von § 16 Abs. 5 WEG aF die bei der Verfolgung von gemeinschaftlichen Beitrags- und Schadensersatzansprüchen anfallenden Prozesskosten von allen Wohnungseigentümern zu tragen waren, entsprach jedoch schon vor der – zeitlich nach der Gesetzesbegründung ergangenen – Entscheidung des Senats vom 15.03.2007 – V ZB 1/06 – der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur (Bayerisches Oberstes Landesgericht (BayObLG), Beschluss vom 29.04.2004 – 2Z BR 4/04 – für Wohngeldverfahren).
Nach Sinn und Zweck erfasst § 16 Abs. 8 WEG jedenfalls nicht Prozesskosten der genannten Art. Denn die Finanzierungsverantwortung für die Gemeinschaft obliegt den Wohnungseigentümern als gemeinschaftliche Aufgabe; insoweit dürfen sie sich des Verwaltungsvermögens bedienen.
Dagegen bezieht sich § 16 Abs. 8 WEG in erster Linie auf Streitigkeiten, bei denen die Wohnungseigentümer teils auf der Kläger- und teils auf der Beklagtenseite stehen. Die Norm soll – wie zuvor § 16 Abs. 5 WEG aF – verhindern, dass Konflikte innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft auf Kosten aller Wohnungseigentümer ausgetragen werden (so zu § 16 Abs. 5 WEG aF BGH, Beschluss vom 15.03.2007 – V ZB 1/06 –); sie soll aber nicht dazu führen, dass die mit der gerichtlichen Verfolgung von Beitragsansprüchen verbundenen Risiken nur einzelne Wohnungseigentümer zu tragen haben.

Ob die Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft allgemein zur Folge hat, dass deren Prozesskosten von den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich aufgebracht werden müssen und ob der obsiegende Wohnungseigentümer aufgrund der Kostenentscheidung des Gerichts von der Finanzierung seines Anspruchs auf Erstattung außergerichtlicher Kosten ausgenommen werden muss (zu § 16 Abs. 5 WEG aF BGH, Beschluss vom 15.03.2007 – V ZB 1/06 –) hat der V. Zivilsenat des BGH offen gelassen.

 


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