Zivilrechtliche Unterbringung von Alkoholkranken zum Schutz vor Selbstgefährdung?

Zivilrechtliche Unterbringung von Alkoholkranken zum Schutz vor Selbstgefährdung?

Gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist eine Unterbringung eines Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, nur zulässig, so lange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist,

  • weil aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten
  • die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt.

Alkoholismus für sich gesehen ist keine psychische Krankheit bzw. geistige oder seelische Behinderung im Sinne von § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB, so dass allein darauf die Genehmigung der Unterbringung nicht gestützt werden kann.
Ebenso wenig vermag die bloße Rückfallgefahr eine Anordnung der zivilrechtlichen Unterbringung zu rechtfertigen.

Etwas anderes gilt, wenn der Alkoholismus

  • entweder im ursächlichen Zusammenhang mit einem geistigen Gebrechen steht,
    • insbesondere einer psychischen Erkrankung,

oder

Die Grundrechte eines psychisch Kranken schließen einen staatlichen Eingriff nicht aus, der ausschließlich den Zweck verfolgt, ihn vor sich selbst in Schutz zu nehmen und ihn zu seinem eigenen Wohl in einer geschlossenen Anstalt unterzubringen.
Die zivilrechtliche Unterbringung ist – wie das Betreuungsrecht insgesamt – ein Institut des Erwachsenenschutzes als Ausdruck der staatlichen Wohlfahrtspflege, deren Anlass und Grundlage das öffentliche Interesse an der Fürsorge für den schutzbedürftigen Einzelnen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28.01.2015 – XII ZB 520/14 –).

Deshalb kann die geschlossene Unterbringung

  • zur Vermeidung einer lebensbedrohenden Selbstgefährdung,
    • beispielsweise wenn ein Betroffener außerhalb einer Unterbringung umgehend (binnen weniger als einer Woche) alkoholrückfällig werden und innerhalb kurzer Zeit (binnen weiterer vier bis acht Wochen) in ein lebensbedrohliches Delirium tremens fallen würde, das bei nicht sofort gegebener intensivmedizinischer Behandlung zum Tode führt,

auch dann genehmigt werden,

  • wenn eine gezielte Therapiemöglichkeit nicht besteht.

Zwar steht es nach der Verfassung in der Regel jedermann frei, Hilfe zurückzuweisen, sofern dadurch nicht Rechtsgüter anderer oder der Allgemeinheit in Mitleidenschaft gezogen werden.
Das Gewicht, das dem Freiheitsanspruch gegenüber dem Gemeinwohl zukommt, darf aber nicht losgelöst von den tatsächlichen Möglichkeiten des Betroffenen bestimmt werden, sich frei zu entschließen.

  • Mithin setzt eine Unterbringung zur Verhinderung einer Selbstschädigung infolge einer psychischen Erkrankung voraus, dass der Betroffene aufgrund der Krankheit seinen Willen nicht frei bestimmen kann (BGH, Beschluss vom 17.08.2011 – XII ZB 241/11 –).

Dadurch, dass sich bei einem Betroffenen eine Einsichtsfähigkeit in die Krankheit und damit Behandlungsbedürftigkeit nicht erreichen lässt, sondern allenfalls ein sog. Gewöhnungseffekt (Gewöhnung daran, keinen Alkohol mehr zu trinken) erzielen lassen wird, ist eine Unterbringung nicht ausgeschlossen.

  • Denn die Frage der Therapiefähigkeit ist für eine nicht zur Heilbehandlung, sondern gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB zum Selbstschutz erfolgte Unterbringung nicht maßgeblich.

Darauf hat der XII. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 25.03.2015 – XII ZA 12/15 – hingewiesen.

 


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