BGH entscheidet die bisher streitige Rechtsfrage, wie Autofahrer sich beim Vorbeifahren an einem erkennbar im Einsatz befindlichen Müllfahrzeug 

BGH entscheidet die bisher streitige Rechtsfrage, wie Autofahrer sich beim Vorbeifahren an einem erkennbar im Einsatz befindlichen Müllfahrzeug 

…. verhalten müssen.  

Mit Urteil vom 12.12.2023 – VI ZR 77/23 – hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in einem Fall, in dem eine 

  • aus der Gegenrichtung kommende

Autofahrerin mit ihrem Pkw 

  • – mit einer Geschwindigkeit von 13 km/h sowie unter Einhaltung eines Seitenabstandes von maximal 50 cm –

an einem

  • mit laufendem Motor, laufender Trommel/Schüttung und eingeschalteten gelben Rundumleuchten sowie Warnblinkanlage 

in der Straße stehenden Müllabfuhrfahrzeug des Zweckverbandes vorbeigefahren, dabei mit einem 

  • von einem Müllwerker hinter dem Müllabfuhrfahrzeug quer über die Straße geschobenen    

Müllcontainer kollidiert und ihr Pkw dadurch beschädigt worden war, darauf hingewiesen, dass 

  • die Gefahr, die von einer gerade entleerten Mülltonne auf der Straße für andere Verkehrsteilnehmer ausgeht, dem Betrieb des Müllabfuhrfahrzeugs gemäß § 7 Straßenverkehrsgesetz (StVG) zuzurechnen ist, also der Pkw bei dem Betrieb des Müllabfuhrfahrzeugs beschädigt worden ist   

und dass bei der Entscheidung über die Haftungsverteilung 

  • im Rahmen des § 17 Abs. 2 StVG 

zu berücksichtigen ist, dass sowohl 

  • den Müllwerker 

als auch 

  • der Autofahrerin 

jeweils ein

  • (die Betriebsgefahr des Müllabfuhrfahrzeugs sowie des Autos erhöhender) 

Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung (StVO) vorzuwerfen ist.

Der Müllwerker hat danach schuldhaft gegen § 1 Abs. 2 StVO verstoßen, weil er den Müllcontainer 

  • hinter

dem Müllabfuhrfahrzeug, ohne auf den Verkehr und das Fahrzeug der Autofahrerin zu achten,

  • das für ihn – hätte er den Müllcontainer nicht vor sich hergeschoben – erkennbar gewesen wäre,  

quer über die Straße geschoben hat und die beschränkte Privilegierung von Fahrzeugen der Müllabfuhr 

  • durch die Einräumung von Sonderrechten in § 35 Abs. 6 Satz 1 StVO 

nicht von der Einhaltung der übrigen Vorschriften der StVO befreit.

Die Autofahrerin wiederum hätte, da das Müllabfuhrfahrzeug erkennbar im Einsatz war,

  • nicht uneingeschränkt auf ein verkehrsgerechtes Verhalten der Müllwerker vertrauen dürfen, sondern     

damit, dass Müllwerker 

  • plötzlich vor oder hinter dem Müllabfuhrfahrzeug hervortreten und unachtsam einige Schritte weiter in den Verkehrsraum tun, bevor sie sich über den Verkehr vergewissern,

rechnen, ihr Fahrverhalten beim Vorbeifahren auf diese 

  • typischerweise mit dem Einsatz von Müllabfuhrfahrzeugen verbundenen Gefahren 

einrichten und dazu,

  • sofern sich ein ausreichender Seitenabstand zum Müllabfuhrfahrzeug, durch den die Gefährdung eines plötzlich vor oder hinter dem Müllabfuhrfahrzeug hervortretenden Müllwerkers vermieden werden kann, nicht einhalten ließ,

die Geschwindigkeit 

  • gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 2 StVO 

so weit drosseln müssen, dass sie ihr Fahrzeug notfalls 

  • sofort

zum Stehen bringen kann, was 

  • bei einer Geschwindigkeit von 13 km/h 

nicht möglich war.  

Dass es,

  •  um Müllwerker nicht zu gefährden, 

gerechtfertigt ist von Autofahrern 

  • beim Vorbeifahren an erkennbar im Einsatz befindlichen Müllabfuhrfahrzeug

besondere Vorsicht in der genannten Art und Weise 

  • gemäß § 1 StVO

zu verlangen, ist vom Senat damit begründet worden, dass das Hauptaugenmerk von 

  • mit dem Holen, Entleeren und Zurückbringen von Müllcontainern befassten 

Müllwerker auf ihre Arbeit gerichtet ist, die sie überwiegend auf der Straße und effizient, 

  • das heißt in möglichst kurzer Zeit und auf möglichst kurzen Wegen, 

zu erledigen haben (Quelle: Pressemitteilung des BGH).

Übrigens:
Der Senat hat das in dieser Sache vorausgegangene Berufungsurteil des Oberlandesgerichts (OLG) Celle 

  • vom 15.02.2023 – 14 U 111/22 –,  

das bei der Haftungsverteilung zu Unrecht davon ausgegangen war, dass 

  • der Autofahrerin kein Verkehrsverstoß vorzuwerfen sei und 
  • sie sich lediglich die Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs anrechnen lassen müsse,

aufgehoben und die Sache zur diesbezüglichen neuen Entscheidung an das OLG zurückverwiesen.