Die Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen

Die Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen

Nach § 31a Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) kann die Verwaltungsbehörde einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge das Führen eines Fahrtenbuches auferlegen, wenn die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war.

Ausreichend zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Unmöglichkeit der Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers ist es, dass die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 25.06.1987 – 7 B 139.87 – und Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg, Urteil vom 16.04.1999 – 10 S 114/99 –).
Für die Beurteilung der Angemessenheit der Aufklärungsmaßnahmen kommt es dabei wesentlich darauf an, ob die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können.
Dabei können sich Art und Umfang der Tätigkeit der Behörde, den Fahrzeugführer zu ermitteln, an der Erklärung des betreffenden Fahrzeughalters ausrichten.
Lehnt dieser die sachdienliche Mitwirkung an der Aufklärung des Verstoßes ab, so ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende und kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben (VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 21.07.2014 – 10 S 1256/13 –, vom 04.12.2013 – 10 S 1162/13 – und vom 15.04.2009 – 10 S 584/09 –).

Grundsätzlich gehört zu einem angemessenen Ermittlungsaufwand (auch) die unverzügliche, d.h. regelmäßig innerhalb von zwei Wochen erfolgte Benachrichtigung des Fahrzeughalters von der mit seinem Fahrzeug begangenen Zuwiderhandlung.
Bei dieser Frist handelt es sich jedoch weder um eine starre Grenze noch um ein formales Tatbestandskriterium der gesetzlichen Regelung. Sie beruht vielmehr auf dem Erfahrungssatz, wonach eine Person sich an Vorgänge nur für einen begrenzten Zeitraum zu erinnern vermag oder noch in der Lage ist, diese zu rekonstruieren.
Deshalb ist die Nichteinhaltung der Zweiwochenfrist in den Fällen unschädlich, in denen wegen vom Regelfall abweichender Fallgestaltung auch eine spätere Anhörung zur effektiven Rechtsverteidigung genügt oder die Überschreitung des Zeitrahmens nicht ursächlich gewesen sein konnte für die Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers (vgl. Verwaltungsgericht (VG) Koblenz, Urteil vom 13.01.2015 – 4 K 215/14.KO –).
Verzögerungen bei der Anhörung des Halters stehen damit der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage nicht grundsätzlich entgegen.
Das gilt insbesondere für diejenigen Fälle, in denen erkennbar ist, dass auch eine frühere Unterrichtung nicht zu einem Ermittlungserfolg geführt hätte, weil der Halter ohnehin nicht bereit war, an der erforderlichen Aufklärung hinreichend mitzuwirken. Die verspätete Anhörung ist in solchen Fällen für die Erfolglosigkeit der Ermittlungen der Bußgeldbehörde nicht ursächlich.

Maßstab für die Ursächlichkeit einer verspäteten Anhörung in diesem Sinne ist ein auskunftswilliger Fahrzeughalter.
Sieht sich der Betreffende – etwa wegen Erinnerungslücken oder bei einer unzureichenden Fotodokumentation – beim besten Willen zur Identifizierung der für den Verkehrsverstoß verantwortlichen Person außerstande, erschöpfen sich die Mitwirkungsobliegenheiten nicht in dieser Feststellung. Vielmehr besteht weiterhin die Obliegenheit, jeden gleichwohl noch möglichen und zumutbaren Aufklärungsbeitrag zu leisten. Das bedeutet regelmäßig, zumindest den Kreis der potentiellen Tatzeitfahrer mitzuteilen und insbesondere konkrete Angaben dazu anzugeben, an welche Personen aus dem familiären oder sonstigen Umfeld das Fahrzeug üblicherweise oder auch nur vereinzelt verliehen wird. Denn auch durch die Benennung dieses Personenkreises können die behördlichen Ermittlungen noch wesentlich gefördert werden.
Verletzt der Halter diese Obliegenheiten, ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, von sich aus wahllos zeitraubende und kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben (vgl. VG Berlin, Urteil vom 14.11.2014 – 14 K 25.14 –).

Unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit setzt die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage einen Verkehrsverstoß von einigem Gewicht voraus. Dabei ist ein wesentlicher Verkehrsverstoß nach ständiger Rechtsprechung regelmäßig bereits dann anzunehmen, wenn er zu einer Eintragung mit mindestens einem Punkt im Verkehrszentralregister führt.

Maßgeblich dafür, für wie lange die Führung eines Fahrtenbuchs angeordnet wird, ist zum einen die Schwere des in Rede stehenden Verkehrsverstoßes und zum anderen, ob es sich um einen erstmaligen unaufgeklärten Verstoß mit einem Fahrzeug des Betroffenen oder um einen Wiederholungsfall handelt.
Die Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, ist gerade keine Bestrafung, sondern dient der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs und stellt eine Maßnahme der vorbeugenden Gefahrabwehr dar. Sie soll auf die dem Fahrzeughalter mögliche und zumutbare Mitwirkung bei der Feststellung des Führers des Kraftfahrzeugs hinwirken, mit dem ein Verkehrsverstoß begangen wurde, und den Fahrzeughalter zur Erfüllung seiner Aufsichtspflichten anhalten, soweit verschiedenen Fahrern die Benutzung des Fahrzeugs gestattet ist. Um dies effektiv zu erreichen, ist eine gewisse Mindestdauer der Führung der Fahrtenbuchs erforderlich.
Kann ein gravierender Verkehrsverstoß mangels Mitwirkung des für das Fahrzeug verantwortlichen Halters nicht aufgeklärt werden, ist die Führung eines Fahrtenbuches für ein Jahr zumutbar und auch nicht unverhältnismäßig (so bereits VG Sigmaringen, Beschluss vom 10.04.2015 – 5 K 734/15 –).

Darauf hat das VG Sigmaringen mit Beschluss vom 16.6.2015 – 5 K 1730/15 – hingewiesen.

Für die Rechtmäßigkeit einer Fahrtenbuchauflage kann allerdings auch der zwischen der Begehung der Verkehrsordnungswidrigkeit und der Anordnung der Fahrtenbuchauflage verstrichene Zeitraum relevant und eine Fahrtenbuchauflage als Mittel der Gefahrenabwehr nach Ablauf eines erheblichen Zeitraums als unverhältnismäßig anzusehen sein (Niedersächsisches OVG, Urteil vom 08.07.2014 – 12 LB 76/14 –).
Welche Fristen hierfür in Erwägung zu ziehen sind, ist nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beantworten. Da bei der Berechnung des Zeitraums diejenigen Zeiten außer Acht zu bleiben haben, in denen der Fahrzeughalter etwa die sich aus dem Ordnungswidrigkeitenrecht ergebenden Rechtsschutzmöglichkeiten ausschöpft und dadurch selbst Anlass zu einer Verzögerung des Erlasses der Fahrtenbuchauflage bietet, ist maßgeblich auf den Zeitpunkt der Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens abzustellen.
Ein Zeitraum von mehr als 21 Monate, der nach Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens bis zum Erlass einer Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuchs (Fahrtenbuchauflage) vergangen ist, übersteigt aber jedenfalls die Zeitspanne, bei der die Fahrtenbuchauflage als noch verhältnismäßig angesehen werden kann, wenn keine besonderen Umstände des Einzelfalls eine andere Beurteilung gebieten.

Darauf hat das VG Freiburg mit Beschluss vom 10.6.2015 – 4 K 1025/15 – hingewiesen.

 


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