Mit Beschluss vom 09.12.2024 – 14 W 87/24 (Wx) – hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe in einem Fall, in dem
- Ehegatten und Eltern von 2 gemeinsamen Kindern
nach
- §§ 2265, 2267 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
ein
- gemeinschaftliches eigenhändiges Testament
errichtet, sich darin
- gegenseitig zu befreiten Vorerben
und
- als Nacherben auf das Erbe des Letztverstorbenen die beiden gemeinsamen Kinder zu je ½
eingesetzt sowie bestimmt hatten, dass
- die Nacherbfolge beim Tode des Letztversterbenden eintreten soll,
ihr gemeinschaftliches Testament dahingehend ausgelegt, dass von den Ehegatten damit neben
- einer Vor- und Nacherbschaft nach dem Erstversterbenden,
zugleich auch, wie sich den Worten
- „auf das Erbe des Letztverstorbenen“
entnehmen lässt,
- die Einsetzung der gemeinsamen Kinder zu gleichberechtigten Vollerben nach dem Letztversterbenden
angeordnet worden ist.
Danach handelte es sich bei der
- Erbeinsetzung der gemeinschaftlichen Abkömmlinge
um eine
- im Verhältnis zur Einsetzung des anderen Ehegatten als befreiten Vorerben
wechselbezügliche Verfügung
- im Sinne des § 2270 Abs. 1 BGB,
mit der Rechtsfolge, dass mit dem
- Tod des erstverstorbenen Ehegatten
die in § 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB angeordnete erbrechtliche Bindung des überlebenden Erblassers
- an die wechselbezügliche letztwillige Verfügung zugunsten der gemeinsamen Söhne
eingetreten war, die ihn hinderte,
- diese noch wirksam zu widerrufen oder
- abweichend von ihr wirksam letztwillig zu verfügen.
Zum Verständnis:
1.) Ehegatten können ein wirksames
- gemeinschaftliches eigenhändiges Testament
errichten, indem
- einer von ihnen die gemeinsame Testamentserklärung eigenhändig schreibt sowie
- unterschreibt und
- der andere Ehegatte die gemeinschaftliche Erklärung eigenhändig mitunterzeichnet, unter Angabe zu welcher Zeit (Tag, Monat und Jahr) und an welchem Orte er seine Unterschrift beigefügt hat (vgl. §§ 2265, 2267, 2247 BGB).
2.) Setzen sich Ehegatten in einem von ihnen errichteten gemeinschaftlichen Testament
gegenseitig als
ein und regeln sie in ihrem gemeinschaftlichen Testament die Erbfolge
- nach dem Ableben des überlebenden Ehegatten
nicht, fällt dem Überlebenden
- der Nachlass des Erstversterbenden zu und
- kann dieser über das Gesamtvermögen – auch von Todes wegen – frei verfügen.
Errichtet der Überlebende nach dem Tod des Erstverstorbenen in diesem Fall keine letztwillige Verfügung, tritt
gesetzliche Erbfolge ein, d.h. das gesamte dann noch vorhandene Vermögen fließt (nur) den
- gesetzlichen Erben des letztversterbenden Ehegatten
zu.
3.) Ehegatten, die sich in einem gemeinschaftlichen Testament
als Erben einsetzen und
- mit erbrechtlicher Bindung des längerlebenden Ehegatten gemäß § 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB,
- d.h. mit der Rechtsfolge, dass dieser dann in seiner Testierfreiheit eingeschränkt ist und jede seiner anderweitigen Verfügungen von Todes wegen nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten unwirksam ist,
möchten, dass nach dem Tod des zuletzt versterbenden Ehegatten
- ein Kind oder bestimmte Kinder der Ehegatten oder eines Ehegatten
Erbe(n) werden soll(en), haben zwei Möglichkeiten:
Die Ehegatten können in dem gemeinschaftlichen Testament bestimmen,
a) entweder, dass
- nach dem Tod des Erstversterbenden
- der Längerlebende befreiter oder nicht befreiter Vorerbe (vgl. § 2136 BGB) des erstversterbenden Ehegatten
und
- nach dem Tod des Zweitversterbenden
- das Kind bzw. die Kinder zu gleichen Teilen
- Nacherben (vgl. § 2100 BGB) des Erstversterbenden sowie
- Vollerben des Letztversterbenden
b) oder, dass
- nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten
- der längerlebende Vollerbe des erstversterbenden Ehegatten
und
- nach dem Tod des Zweitversterbenden
- das Kind bzw. die Kinder zu gleichen Teilen Schlusserben des gesamten Nachlasses der Ehegatten
werden sollen.
4.) Im Fall 3a), in dem der längerlebende Ehegatte
- befreiter oder nicht befreiter Vorerbe des Vermögens des erstverstorbenen Ehegatten
und
- nach dem Tod des Zweitversterbenden
- ein Kind
- Nacherbe (vgl. § 2100 BGB) des Erstversterbenden sowie
- Vollerbe des Letztversterbenden
wird,
- hängt es, auch wenn der längerlebende Ehegatte dann als Vorerbe gewissen Verfügungsbeschränkungen unterliegt, von dessen Verhalten ab, ob und inwieweit als Nacherben eingesetzte Kinder vom Vermögen des Erstversterbenden noch profitieren werden
und
- kann ein als Nacherbe eingesetztes Kind, wenn es ein Abkömmling des Erstverstorbenen ist, die Nacherbschaft ausschlagen und den Pflichtteil von dem längerlebenden Ehegatten verlangen (vgl. § 2306 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 Fall 1, Abs. 2 BGB).
Im Fall 3b), in dem
- der längerlebende Ehegatte
und ein als Schlusserbe
- des gesamten Nachlasses der Ehegatten
eingesetztes Kind
- ein Abkömmling des erstversterbenden Elternteils
ist, kann
- der längerlebende Ehegatte, abgesehen von, den eingesetzten Schlusserben beeinträchtigenden Schenkungen im Sinne des § 2287 Abs. 1 BGB, unter Lebenden völlig frei über den Nachlass verfügen
und
- das Kind, weil es in diesem Fall Erbe erst nach dem Längerlebenden wird, also nach dem erstverstorbenen Elternteil von der Erbfolge ausgeschlossen ist, nach § 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB den Pflichtteil von dem längerlebenden Ehegatten verlangen.
Um in diesem Fall 3b) pflichtteilsberechtigte Kinder zu veranlassen, auf die
- Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs gegen den überlebenden Ehegatten
zu verzichten, kann in das gemeinschaftliche Testament eine
- sog. Pflichtteilsstrafklausel
aufgenommen, d.h. in dem gemeinschaftlichen Testament bestimmt werden, dass,
- wenn ein als Schlusserbe eingesetztes Kind nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils seinen Pflichtteilsanspruch geltend machen sollte, es auch nach dem Tod des Längerlebenden nur den Pflichtteil erhalten soll.
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