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Was Arbeitnehmer beachten sollten, wenn das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag beendet wird

Mit Urteil vom 15.05.2019 – S 16 AL 238/18 – hat das Sozialgericht (SG) Landshut darauf hingewiesen, dass

  • nicht nur die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses von Seiten des Arbeitnehmers, sondern

auch der Abschluss eines Aufhebungsvertrages nach § 159 Abs. 1 N. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) eine Sperrzeit zur Folge haben kann, für deren Dauer der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht.

So kann die Arbeitsagentur beispielsweise eine Sperrzeit verhängen und erst nach deren Ablauf entsprechende Leistungen gewähren, wenn ein Arbeitnehmer,

  • der keine konkreten Aussichten auf einen nahtlosen Anschlussarbeitsplatz hat,

einer Auflösung des bestehenden Beschäftigungsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag zustimmt, ohne glaubhaft nachweisen zu können, dass ihm,

  • im Fall der Nichtunterzeichnung des Aufhebungsvertrages,

zum selben Zeitpunkt die Kündigung des Arbeitgebers gedroht hätte.

Denn der Arbeitnehmer hat die Arbeitslosigkeit dann grob fahrlässig herbeigeführt.

Nach Auffassung des SG ist deswegen auch gegen einen Arbeitnehmer, von dem der Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit seinem Arbeitgeber, einer Zeitarbeitsfirma,

  • bereits einen Tag nach der Arbeitsaufnahme mit sofortiger Wirkung gegenüber der Agentur für Arbeit,

damit begründet worden war,

  • dass der Entleihbetrieb einen Mitarbeiter benötigt habe, der bundesweit einsetzbar sei,
  • er dies wegen fehlender bzw. eingeschränkter Mobilität nicht leisten könne und
  • das Zeitarbeitsunternehmen zu dem Zeitpunkt auch keine andere Einsatzmöglichkeit für ihn gehabt habe,

zu Recht eine 12-wöchige Sperrzeit verhängt worden,

  • da das Zeitarbeitsunternehmen – wie von diesem angegeben wurde – dem Arbeitnehmer von sich aus nicht gekündigt hätte (Quelle: juris Das Rechtsportal).

Autofahrer sollten wissen, dass, wenn sie mit einem Gerät des Typs TraffiStar S 350 geblitzt worden sind, die

…. Geschwindigkeitsmessung unverwertbar ist vor saarländischen Gerichten bzw. sein kann vor Gerichten anderer Bundesländer, mit der Folge,

  • dass eine Verurteilung wegen Geschwindigkeitsüberschreitung nicht gestützt werden kann lediglich
    • auf das dokumentierte Messergebnis und
    • das Lichtbild des aufgenommenen Kraftfahrzeugs sowie seines Fahrers.

Mit Urteil vom 05.07.2019 – Lv 7/17 – hat der Verfassungsgerichtshof (VerfGH) des Saarlandes in einem Fall, in dem ein Betroffener, nachdem ihm aufgrund einer  Geschwindigkeitsmessung,

  • durchgeführt mit einem durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) zugelassenem Gerät des Typs TraffiStar S 350 der Firma Jenoptik, das
    • die Geschwindigkeit auf der Grundlage von Laserimpuls-Laufzeitmessungen misst, indem der Laserscanner für die sich im Erfassungsbereich der Laserimpulse befindenden Objekte genaue Entfernungs- und Winkelinformationen liefert, die die Berechnung der Entfernungsänderung des Objekts über die Zeit erlauben allerdings
  • die sog. Rohmessdaten – obwohl dies ohne größeren Aufwand technisch möglich wäre – nicht aufzeichnet,

eine Geschwindigkeitsüberschreitung vorgeworfen worden war, das Messergebnis nachträglich durch ein Sachverständigengutachten überprüfen lassen wollte, dies jedoch,

  • wegen der fehlenden Aufzeichnung der Rohmessdaten,

nicht möglich war, entschieden, dass, sofern

  • ein Betroffener, auch ohne einen auf der Hand liegenden Einwand – etwa sich aus dem Lichtbild offenkundig ergebende Unklarheiten – vortragen zu können, beantragt, ein Messergebnis zu überprüfen und
  • Rohmessdaten – mangels Speicherung – für eine solche zuverlässige nachträgliche Kontrolle des konkreten Messergebnisses aber nicht zur Verfügung stehen,
    • wie bei dem Gerät TraffiStar S 350,

eine mit einem solchen Gerät erfolgte Geschwindigkeitsmessung, auch dann, wenn es sich dabei um ein standartisiertes Messverfahren handelt,

  • wegen Verletzung des grundrechtlich geschützten Rechts auf effektive Verteidigung,
    • zu der auch gehört, eigenverantwortlich nachforschen zu können,
    • ob es bislang nicht bekannte Zweifel an der Tragfähigkeit eines Vorwurfes gibt,

unverwertbar ist.

Was beachtet werden muss:
Gebunden an diese Entscheidung des VerfGH Saarbrücken sind nur die Gerichte des Saarlandes im konkreten Fall, vorbehaltlich einer abweichenden späteren Entscheidung eines Bundesgerichts oder des Bundesverfassungsgerichts.
Hingewiesen hat der VerfGH Saarbrücken allerdings, dass er in gleich gelagerten Fällen abweichende Entscheidungen saarländischer Gerichte korrigieren wird.

Staat ist, wenn er das Eigentum von Bürgern verwahrt, verpflichtet, dieses zu schützen gegen Zerstörung, Beschädigung

…. sowie Verlust und bei schuldhafter Verletzung dieser Pflicht schadensersatzpflichtig.

Mit Urteil vom 29.05.2019 – 11 U1/19 – hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Braunschweig in einem Fall, in dem

  • von einer ehemaligen Sportschützin bei ihrem Austritt aus dem Schießsportverein ihre Sportpistole ordnungsgemäß bei der Stadt abgegeben worden war, um sie später zu verkaufen und
  • sich aufgrund unsachgemäßer Lagerung der Waffe an dieser Rostanhaftungen gebildet hatten,

entschieden, dass,

  • als Ersatz des dadurch der ehemaligen Sportschützin entstandenen Schadens,

ihr die Stadt 800 Euro zahlen muss.

Begründet hat der Senat dies damit, dass durch die Übernahme der Waffe,

  • mit der die Stadt ihre Pflicht, die „übergroße Mehrheit der waffenlosen Bürger hinsichtlich der körperlichen Unversehrtheit“ zu schützen, ausgeübt habe,

ein sogenanntes öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis zwischen der Sportschützin und der Stadt zustande gekommen sei, die Stadt ihre sich aus einem solchen öffentlich-rechtlichen Verwahrungsverhältnis ergebende Verpflichtung, das ihr in Obhut Gegebene gegen Zerstörung, Beschädigung und Verlust zu schützen,

  • durch die unsachgemäße Lagerung der Waffe

verletzt habe und dies der Stadt,

  • da vom Inhaber einer Waffenkammer erwartet werden könne, dass er weiß, wie eine Waffe zu lagern ist,

auch vorzuwerfen sei (Quelle: Pressemitteilung des OLG Braunschweig).

BGH entscheidet: Kaufen Verbraucher im Internet eine Matratze, steht ihnen auch nach Entfernung der Schutzfolie

…. noch das Recht zu, den Kaufvertrag nach §§ 312g Abs. 1, 355 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu widerrufen.

Mit Urteil vom 03.07.2019 – VIII ZR 194/16 – hat der u.a. für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in einem Fall, in dem ein Verbraucher (§ 13 BGB) bei einer u.a. Matratzen vertreibenden Online-Händlerin, über deren Website eine Matratze zu einem Kaufpreis von 1.094,52 € bestellt hatte,

  • die ihm mit einer versiegelten Schutzfolie geliefert und
  • von ihm nach Erhalt worden war,

entschieden, dass

  • dem Verbraucher auch noch nach Entfernung der Schutzfolie das Recht zusteht, seine auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung gemäß § 312g Abs. 1 BGB zu widerrufen.

Begründet hat der Senat dies damit, dass die Ausnahmeregelung des § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB,

  • nach der das Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen nicht besteht
    • bei Verträgen zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind,
    • wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde,

nur dann eingreift, wenn nach der Entfernung der Versiegelung der Verpackung die darin enthaltene Ware aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene

  • endgültig

nicht mehr verkehrsfähig ist,

  • weil der Unternehmer Maßnahmen, die sie unter Wahrung des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene wieder verkehrsfähig machen, nicht oder nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten ergreifen könnte

und dass hiervon bei einer Matratze nicht ausgegangen werden kann, da diese,

  • wie auch ein Kleidungsstück, das ebenfalls mit dem menschlichen Körper direkt in Kontakt kommen kann,

nach Rücksendung von dem Unternehmer mittels einer Behandlung, wie einer Reinigung oder einer Desinfektion, für eine Wiederverwendung durch einen Dritten und damit für ein erneutes Inverkehrbringen geeignet gemacht werden kann (Quelle: Pressemitteilung des BGH).

Beachten sollten Verbraucher allerdings, dass sie, wenn

  • sie die Matratze in einem größeren Maß nutzten, als zur Feststellung ihrer Beschaffenheit, ihrer Eigenschaften und ihrer Funktionsweise nötig,

zwar das Widerrufsrecht nicht verlieren, aber für einen etwaigen Wertverlust der Ware haften können (vgl. Amtsgericht (AG) Bremen, Urteil vom 15.04.2016 – 7 C 273/15 – zum Umfang des zulässigen Matratzentests).

Übrigens:
Die Entscheidung des BGH folgt im Ergebnis und in der Begründung dem, was die Sechste Kammer des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) mit Urteil vom 27.03.2019 in der Rechtssache C-681/17 vorgegeben hat, da § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB auf die gleichlautende europarechtliche Vorschrift des Art. 16 Buchst. e der Verbraucherrechterichtlinie zurück geht, die der deutsche Gesetzgeber vollständig in deutsches Recht umsetzen wollte.

ArbG Gießen entscheidet: Arbeitgeber die zur Entfernung unliebsamer Betriebsratsmitglieder Kündigungsgründe fingieren

…. machen sich entschädigungspflichtig.

Mit Urteil vom 10.05.2019 – 3 Ca 433/17 – hat die 3. Kammer des Arbeitsgerichts (ArbG) Gießen entschieden, dass Betriebsratsmitglieder,

  • wenn Arbeitgeber, um sie loszuwerden, Kündigungsgründe fingieren,

Anspruch auf Entschädigung haben und in einem Fall,

  • in dem ein Arbeitgeber gemeinsam mit seinem Rechtsvertreter ein Strategiekonzept zur Entfernung eines unliebsamen Betriebsratsmitglieds entwickelt hatte,
  • nach dem eingeschleuste Lockspitzel das Betriebsratsmitglied in Verruf bringen sowie Kündigungsgründe provozieren oder erfinden sollte,

den Arbeitgeber und seinen Rechtsvertreter

  • wegen schwerer Persönlichkeitsverletzung(§§ 823 Abs. 1, 830 Abs. 1, 840 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V. m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG))

gesamtschuldnerisch zur Zahlung von 20.000 Euro an das Betriebsratsmitglied verurteilt.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall war dem Betriebsratsmitgliedzur Rechtfertigung einer fristlosen Kündigung

  • nicht nur ein Verstoß gegen das betriebliche Alkoholverbot,
  • sondern auch ein Tätlichkeit unterschoben werden, indem
    • das Betriebsratsmitglied von zwei als Lockspitzel eingeschleusten Detektiven durch Beschimpfen und Bespucken zu Tätlichkeiten provoziert werden sollte und
    • als das Betriebsratsmitglied nicht zuschlug, einer der Detektive den anderen verletzte und das Betriebsratsmitglied dieser Tat bezichtigte (Quelle: Pressemitteilung des ArbG Gießen).

Unterstützung von Selbsttötungen sowie Unterlassen von Maßnahmen zur Rettung der bewusstlosen Suizidenten

…. sind – jedenfalls bei nicht geschäftsmäßigem Handeln – dann nicht strafbar, wenn der Suizid

  • auf einem freiverantwortlich gebildeten Selbsttötungswillen beruht und
  • sich als Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts des Sterbewilligen darstellt.

Mit Urteil vom 03.07.2019 – 5 StR 132/18 und 5 StR 393/18 – hat der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in einem Fall,

  • in dem ein Arzt auf Verlangen und ausdrücklichem Wunsch von zwei 85 und 81 Jahre alten, an mehreren nicht lebensbedrohlichen, aber ihre Lebensqualität und persönlichen Handlungsmöglichkeiten zunehmend einschränkenden Krankheiten leidenden, suizidwilligen Frauen mit dabei war,
    • als diese tödlich wirkende Medikamente einnahmen und
    • das Einleiten von Rettungsmaßnahmen nach Eintritt ihrer Bewusstlosigkeit unterlassen hatte

sowie in einem zweiten Fall,

  • in dem ein Hausarzt seiner, an einer nicht lebensbedrohlichen, aber starke krampfartige Schmerzen verursachenden Erkrankung leidende, suizidwilligen 44-jährigen Patientin auf deren ausdrücklichen Wunsch
    • Zugang zu einem in hoher Dosierung tödlich wirkenden Medikament verschafft,
    • die nach Einnahme des Medikaments bewusstlose Frau – wie von ihr zuvor gewünscht – während ihres zweieinhalb Tage dauernden Sterbens betreut und
    • keine Hilfe zur Rettung ihres Lebens geleistet hatte,

die beiden Ärzte von den Vorwürfen

  • des Totschlags durch Unterlassen nach §§ 212 Abs. 1, 13 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) und
  • der unterlassenen Hilfeleistung nach § 323c Abs. 1 StGB

freigesprochen,

  • ohne allerdings – da der Straftatbestand des § 217 StGB in den obigen beiden Fällen noch nicht in Kraft war – zu prüfen, ob danach eine Strafbarkeit wegen geschäftsmäßiger Förderung der Selbsttötung vorgelegen hat.

Begründet hat der Senat die Freisprüche damit,

  • dass die Sterbewünsche der Frauen jeweils auf einem freiverantwortlich gebildeten Selbsttötungswillen beruhten und nicht Ergebnis von psychischen Störungen waren, so dass
    • die im Vorfeld geleisteten Beiträge dazu, also die Beihilfen zu den (nicht strafbaren) Suiziden der Frauen (ebenfalls) straffrei sind,
  • dass in solchen Fällen nach Eintritt der Bewusstlosigkeit von Suizidenten dann keine Verpflichtung zur Lebensrettung besteht, wenn,
    • wie im obigen Fall 1, eine Sterbebegleitung vereinbart war oder,
    • wie im Fall 2, eine Person, die auf Grund ihrer Stellung, wie ein behandelnder Hausarzt, zur Rettung des Lebens seiner Patienten verpflichtet ist, von dieser Pflicht durch die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts der Suizidentin entbunden wurde

und

  • dass bei Suiziden, die sich als Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts der sterbewilligen Personen darstellen, Rettungsmaßnahmen entgegen deren Willen nicht geboten sind, so dass
    • auch eine Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung nach § 323c StGB ausscheidet (Quelle: Pressemittelung des BGH).

Arbeitnehmer sollten wissen, dass auch nach Verlassen des direkten Arbeitsweges Unfallversicherungsschutz

…. dann vorliegt, wenn dies der versicherten Beschäftigung zuzurechnen ist.

Mit Urteil vom 16.05.2019 – S 19 U 123/18 – hat das Sozialgericht (SG) Osnabrück in einem Fall, in dem eine bei einem Juwelier Angestellte, die regelmäßig kurz vor dem Juweliergeschäft zu einem ca. 180 m entfernten Parkhaus abbog,

  • um sich dort mit ihrer Kollegin, der ihr gegenüber weisungsbefugten Geschäftsführerin und Besitzerin des Schlüssels für das Juweliergeschäft, zu treffen,
  • aus Sicherheitsgründen dann den Weg vom Parkhaus zum Juweliergeschäft gemeinsam zurückzulegen und
  • auch gemeinsam das Juweliergeschäft aufzuschließen,

auf dem Weg zum Parkhaus verunfallt war, entschieden, dass

  • es sich hierbei um einen unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehenden Wegeunfall gehandelt hat.

Dass der Weg zum Parkhaus

  • der versicherten Beschäftigung der verunfallten Angestellten zuzurechnen und somit auch

als versicherter Weg nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) anzusehen ist, hat das SG damit begründet, dass

  • der unmittelbare Weg von der Angestellten nicht aus eigenwirtschaftlichen Gründen verlassen wurde, sondern

für das Verlassen des unmittelbaren Weges ein objektiv sinnvoller, aus Sicherheitsaspekten dem Unternehmen dienender Grund,

  • nämlich durch die Begleitung der Schlüsselträgerin der Gefahr eines Überfalls zu begegnen,

vorgelegen hat (Quelle: Pressemitteilung des SG Osnabrück).

Was Fluggäste wissen sollten, wenn ihr gebuchter (Rück)Flug annulliert worden ist und der neue Flug

…. (erst) am Folgetag durchgeführt werden soll.

Ist die Anwendbarkeit der Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004 – FluggastrechteVO) nach Art. 3 FluggastrechteVO eröffnet, haben Fluggäste bei Annullierung ihres gebuchten Fluges, wenn

  • der neue Flug erst am Folgetag durchgeführt werden soll und
  • das Flugunternehmen seiner Verpflichtung gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. b) i.V.m. Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004 – FluggastrechteVO) nicht nachkommt, unentgeltlich anzubieten,
    • Mahlzeiten und Getränke,
    • eine Hotelunterbringung und die Beförderung zum Hotel sowie
    • die Führung von zwei Telefongesprächen oder die Versendung zweier Telexe oder Telefaxe oder E-Mails,

Anspruch (auch) auf

  • Erstattung der zunächst von ihnen selbst für diese verpflichtenden Betreuungsleistungen übernommenen Kosten.

Darauf hat das Amtsgericht (AG) Düsseldorf mit Urteil vom 23.05.2019 – 27 C 257/18 – hingewiesen und in einem solchen Fall,

  • weil ihr gebuchter Rückflug von Göteborg nach Düsseldorf etwa zwei Stunden vor dem planmäßigen Abflug um 20.45 Uhr annulliert worden war und
  • der neue Flug erst am Folgetag stattfinden sollte,

entschieden, dass zwei Fluggästen von dem Flugunternehmen,

  • neben der Ausgleichsleistung nach Art. 5 Abs. 1 lit. c) i.V.m. Art. 7 Abs. 1 FluggastrechteVO,

die Erstattung der von ihnen zunächst selbst übernommenen Kosten

  • für eine weitere Hotelübernachtung in Göteborg i.H.v. insgesamt umgerechnet 286,50 € und
  • für einen Restaurantbesuch i.H.v. insgesamt umgerechnet 243,09 €, darunter
    • verschiedene Speisen für insgesamt umgerechnet 157,33 €,
    • Bier und Wein für insgesamt umgerechnet 40,79 € sowie
    • Champagnercocktails und Dessertwein für insgesamt umgerechnet 44,97 €

verlangen können.

Übrigens:
Dass

  • nicht nur die von den Fluggästen geltend gemachten Kosten für die Hotelunterbringung sowie für die Speisen, das Bier und den Wein,
  • sondern auch die Kosten für die Champagnercocktails und den Dessertwein,

erstattungsfähig sind, hat das AG damit begründet, dass es für das AG Düsseldorf allgemein bekannt ist,

  • dass zu einem gelungenen Essen nicht nur der Verzehr begleitender Biere und/oder Weine gehört,
  • sondern darüber hinaus auch der Genuss von Champagner und Dessertwein,

so dass,

  • zumal bei der Beurteilung der Angemessenheit insoweit insbesondere zu berücksichtigen ist, dass gerade im Champagnersegment auch deutlich hochpreisigere Produkte angeboten werden,

sich auch diese Kosten als zumutbar erweisen, um den Ausfall der Betreuung des Fluggastes durch das Luftfahrtunternehmen auszugleichen.

Arbeitnehmer könnten mehr Urlaub haben als gedacht und sollten deshalb prüfen, ob sie noch Ansprüche haben

…. auf

  • erworbenen und nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub aus vergangenen Jahren
  • wegen der zwischenzeitlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Abgeltung dieses Urlaubs nach § 7 Abs. 4 Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer (BUrlG).

Mit Urteil vom 09.04.2019 – 4 Sa 242/18 – hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts (LArbG) Köln nämlich entschieden, dass der Verfall von Urlaub gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG in der Regel nur eintreten kann, wenn

  • der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor konkret aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen, sowie
  • ihn klar und rechtzeitig darauf hingewiesen hat, dass der Urlaub anderenfalls mit Ablauf des Urlaubsjahres oder Übertragungszeitraums erlischt

und

  • dass diese Initiativlast des Arbeitgebers nicht auf den originären Urlaubsanspruch im jeweiligen Kalenderjahr beschränkt ist, sondern sich auch auf Urlaub aus vorangegangenen Kalenderjahren bezieht.

Übrigens:
Diese Entscheidung des LArbG entspricht

Auch vom Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist mit Urteil vom 19.02.2019 – 9 AZR 541/15 – darauf hingewiesen worden, dass

  • von Arbeitnehmern bis zum Jahresende noch nicht genommener Urlaub in der Regel nur dann verfällt, wenn
    • der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zuvor sowohl konkret zum Nehmen des (Rest)Urlaubs aufgefordert,
    • als auch klar und rechtzeitig darauf hingewiesen worden ist, dass der Urlaub anderenfalls mit Ablauf des Urlaubsjahres oder Übertragungszeitraums erlischt und
    • der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat,

dass,

  • falls ein Arbeitgeber diesen Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten nicht nachgekommen ist (was er beweisen muss), der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub am Ende des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums in der Regel auch dann nicht erloschen ist, wenn
    • von ihm kein Antrag auf Gewährung des Urlaubs gestellt worden ist

und in solchen Fällen,

  • sofern weder Verjährung eingetreten ist,
  • noch arbeitsvertragliche Ausschlussfristen greifen,

Ansprüche

  • auf Urlaub auch noch aus Vorjahren
  • falls das Arbeitsverhältnis beendet ist, auf Abgeltung des nicht genommenen Urlaubs

bestehen können.

Reisende sollten wissen, welche Minderungen des Reisepreises bei Reisemängeln gegebenenfalls

…. in Betracht kommen können.

Das Landgericht (LG) Frankfurt am Main hat beispielsweise entschieden,

mit Urteil vom 27.02.2019 – 2-24 S 32/18 – in einem Fall, in dem ein Reisender über ein Onlineportal eine Unterkunft in einem „Fährhaus“ auf Sylt gebucht,

  • die Reisebestätigung des beklagten Reiseveranstalters die Angabe „Fährhaus“ und den Zusatz „Norddeich“ enthalten,
  • das „Fährhaus“ sich tatsächlich aber, entgegen der Erwartung des Reisenden nicht auf Sylt, sondern in dem Stadtteil „Norddeich“ der Stadt Norden in Ostfriesland befunden

hatte, dass der Reisende

  • Anspruch auf Minderung des vollen Reisepreises hat, weil
    • der Reisende, aufgrund der als Reisebestätigung erhaltenen Antwort, die aus Sicht eines objektiven Empfängers auszulegen ist, davon ausgehen konnte,
      • dass der Zusatz „Norddeich“ lediglich die örtliche Lage des Hotels beschreibt, nämlich gelegen „am“ Norddeich von Sylt und
      • er, entsprechend seinem Buchungswunsch, ein Hotelzimmer auf Sylt erhalten hat,

mit Urteil vom 03.04.2019 – 2-24 S 162/18 – in einem Fall, in dem ein Reisender in einem Reisebüro für einen Strandurlaub in einem Hotel eine Juniorsuite gebucht hatte, die

  • entgegen dem von dem Reisenden gegenüber geäußerten Wunsch, dass er eine Trennung von Wohn- und Schlafraum möchte und
  • ohne, dass er von dem Reiseveranstalter darauf hingewiesen worden war, dass dieser Sonderwunsch nicht erfüllt werden könne,

über keine separate Wohn- bzw. Schlafräume verfügte, dass

  • aufgrund dessen ein Reisemangel vorliegt,
  • der eine Reisepreisminderung von 15% rechtfertigt,

mit Urteil vom 22.05.2019 – 2-24 O 106/17 – in einem Fall, in dem ein Reisender einen Hotelaufenthalt gebucht hatte und

  • sein Zimmer rund 15m Luftlinie von einer Großbaustelle entfernt war, auf der Baufahrzeuge und Baumaschinen eingesetzt wurden (u.a. Bagger, Raupen, Presslufthämmer und Kipplader) und mit Ausnahme der Sonntage die Arbeiten ab 6:30/7:00 Uhr begannen und nicht vor 22:00 Uhr endeten sowie
  • während der ersten vier Reisetage wegen eines Wasserrohrbruchs im Hotel das Leitungswasser verunreinigt und nicht nutzbar war,

dass der Reisende einen Anspruch hat

  • auf eine Minderung von 50% des Reisepreises
    • wegen des Baulärms,
  • auf weitere Minderungen
    • von 5%
      • wegen des teilweise verunreinigten Leitungswassers
    • sowie von 10%,
      • weil der Reisende von dem Reiseveranstalter nicht über die Großbaustelle informiert und dieser deswegen nicht hatte entscheiden können, ob er unter den gegebenen Umständen die Reise antreten will oder nicht und
    • auf eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit,
      • nachdem infolge des massiven Baulärms die Reise, für welche der Reisende seine Urlaubszeit aufgewendet hatte, erheblich beeinträchtigt war,

mit Urteil vom 22.05.2019 – 2-24 O 149/18 – in einem Fall, in dem ein Reisender eine Pauschalreise auf den Malediven in einem „5-Sterne-Luxus-Resort“ gebucht hatte und

  • auf dem Strandabschnitt vor der von ihm bewohnten Strandvilla zwischen 6:00 Uhr und 17:00/18:00 Uhr Wasserflugzeuge, mit den Hotelgäste zur Hotelanlage befördert wurden, starteten und landeten,
  • der betreffende Strandabschnitt deswegen nicht zum Baden und Verweilen genutzt werden konnte sowie
  • das WLAN, dessen freier Zugang in der Hotelbeschreibung angepriesen worden war, nicht durchgehend funktionierte, sondern Verbindungen bereits nach wenigen Minuten endeten, E-Mails nicht heruntergeladen und Internetseiten nicht aufgebaut werden konnten,

dass der Reisende einen Anspruch hat

  • auf eine Minderung von 50% des Reisepreises,
    • wegen der Lärmemissionen durch die Wasserflugzeuge, weil, auch wenn ein Luxus-Resort laut Hotelbeschreibung mit Wasserflugzeugen erreichbar ist,
      • weder damit gerechnet werden müsse, dass der dadurch verursachten Lärm eine Ruhe und Erholung und ein schlafen länger als 6.00 Uhr unmöglich mache,
      • noch, dass der Strandabschnitt vor seiner Strandvilla nicht nutzbar sein würde,
    • auf eine weitere Minderung von 15% des Reisepreises
      • wegen der eingeschränkten WLAN-Nutzung, weil in einer als besonders hochwertig beschriebenen Hotelkategorie erwartet werden könne, zumindest solchen Internetaktivitäten nachgehen zu können, die im Urlaub typisch seien (Aufrufen von Internetseiten, uneingeschränktem E-Mail-Zugang, Nutzung von Messengerdiensten etc.) sowie
    • auf eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit

und dass,

  • falls der Reiseveranstalter auf eine entsprechende Rüge hin, dem Reisenden anheimstellt, sich eine alternative Unterkunft zu suchen, aber nur gegen eine Stornogebühr von 100% und
  • der Reisende sich daraufhin selbst eine andere Unterkunft organisiert,

darüber hinaus ein Anspruch besteht,

  • auf die Mehrkosten für die von ihm selbst organisierte Alternativunterbringung und
  • auf eine 100%ige Minderung des Reisepreises für den Tag des Umzuges in die andere Unterkunft,

sowie mit Urteil vom 19.06.2019 – 2-24 O 20/19 – in einem Fall, in dem einer Reisenden am Zielort der von ihr gebuchten Rundreise ein Koffer,

  • in dem u.a. Teile ihrer Fotoausrüstung, insbesondere das Ladegerät für die Akkus sowie Ersatzakkus waren,

fehlte und den sie erst nach sechs Tagen erhalten hatte, dass der Reisenden

  • ein Anspruch auf Minderung von 25% des Reisepreises
    • für die Tage ohne Koffer zusteht
    • und zwar unabhängig davon, dass sich in dem Koffer Teile der Fotoausrüstung befanden (Quelle: Pressemitteilung des LG Frankfurt vom 01.07.2019).