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LG München I entscheidet: Kosten für das Fällen und Entsorgen abgestorbener Bäume sind im Mietverhältnis umlagefähig

Mit Urteil vom 19.11.2020 – 31 S 3302/20 – hat die 31. Zivilkammer des Landgerichts (LG) München I in einem Fall, in dem in der Nebenkostenrechnung, die ein Mieter von seinem Vermieter erhalten hatte, auch die Kosten für 

  • das Fällen zweier abgestorbenen Ebereschen, das Fällen einer absterbenden Kirsche und eines Goldregens, 
  • die Totholzentfernung an einer Birke und einer Esche an der Straße in Klettertechnik sowie 
  • das Laden, Abfahren und Entsorgen des Schnittguts 

enthalten waren und die Umlagefähigkeit dieser Kosten vom Mieter bestritten worden war, entschieden, dass das Fällen und Entsorgen von 

  • kranken, morschen oder abgestorbenen 

Bäumen, 

  • unabhängig davon, ob eine Ersatzbepflanzung erfolgt oder nicht, 

zur „Gartenpflege“ i.S.d. § 2 Nr. 10 Betriebskostenverordnung (BetrKV) gehört und diese Kosten im Mietverhältnis deswegen  

  • umlagefähig

sind (anderer Ansicht ist u.a. das LG Krefeld (Urteil vom 17.03.2010 – 2 S 56/09 –), das Baumfällkosten für nicht umlagefähig erachtet).

Begründet hat das LG München I seine Entscheidung damit, dass, 

  • da § 2 BetrKV die Abgrenzung der Betriebskosten von Instandsetzungs- und Instandhaltungskosten bezweckt, 

§ 2 Nr. 10 BetrKV eine 

  • im Regelungsgefüge der BetrKV 

dadurch begründete Sonderregelung darstellt, dass 

  • Pflanzen nicht ohne Weiteres mit technischen bzw. baulichen Gegebenheiten vergleichbar seien

und das Fällen eines kranken bzw. morschen Baumes eine 

  • für die Erhaltung einer gärtnerisch angelegten Fläche 

notwendige Maßnahme sei.

Hinweis:
Vom Bundesgerichtshof (BGH) ist die unter Instanzgerichten umstrittene Frage, ob Baumfällkosten im Mietverhältnis umlagefähig sind, noch nicht entschieden worden. 

Fußballspieler sollten wissen, wann sie bei einem Foul für Verletzungen des Gefoulten haften (können)

Mit Urteil vom 19.11.2020 – 7 U 214/19 – hat der 7. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (OLG) in einem Fall, in dem in einem Kreisklassenpunktspiel zwischen zwei Fußballmannschaften ein Spieler, 

  • als er in Höhe des Mittelkreises einen angenommenen Ball weiterspielen wollte, 

von einem gegnerischen Spieler,

  • ohne dass die Spielsituation einen Anlass dafür bot und 
  • ohne dass eine realistische Möglichkeit zur Eroberung des Ball bestand,

durch ein,

  • vom Schiedsrichter mit einer roten Karte geahndetes 

grobes Foul erheblich verletzt worden war, entschieden, dass der verletzte Spieler von dem Gegenspieler, von dem er gefoult wurde, 

  • die Zahlung von Schmerzensgeld und 
  • Ersatz von zukünftig aufgrund des Fouls entstehender Schäden 

verlangen kann.

Danach bieten bei Fußballverbandsspielen die Fußballregeln des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) einen wichtigen Maßstab dafür, was als ordnungsgemäßes Spielverhalten anzusehen ist, mit der Folge, dass

  • zwar nicht jeder objektive Regelverstoß zwingend zu einer Schadensersatzverpflichtung führt, 
  • sondern hierfür entscheidend ist der Grad des Regelverstoßes sowie das Maß des den Verletzer treffenden Verschuldens und somit      

ein Verbandsfußballspieler sich dann schadensersatzpflichtig macht, wenn er, wie hier,

  • ein grobes Foulspiel im Sinne der Regel 12 der Fußball-Regeln des Deutschen Fußballbundes (DFB) begangen,
  • dabei den gefoulten Gegenspieler schwerwiegend verletzt und
  • dies bedingt vorsätzlich billigend in Kauf genommen hat (Quelle: Pressemitteilung des OLG Schleswig).

Übrigens:
Dazu, wann bei sportlichen Wettkämpfen mit erhöhtem Gefährdungspotenzial eine deliktische Haftung wegen eines Regelverstoßes in Betracht kommt und wann nicht, vgl. auch

und

OLG Nürnberg entscheidet: Radfahrer, die im Alltagsverkehr keinen Helm tragen, trifft bei einem Unfall derzeit kein Mitverschulden

…. an erlittenen Kopfverletzungen. 

Mit Urteil vom 28.08.2020 – 13 U 1187/20 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg in einem Fall, bei einem 

  • von einem Kraftfahrzeugführer verschuldeten 

Verkehrsunfall eine Fahrradfahrerin,

  • die keinen Helm trug,

vom Fahrrad gestürzt sowie auf dem Kopf gefallen war und dabei eine Schädelfraktur erlitten hatte, entschieden, dass die Radfahrerin sich, 

  • wegen Nichttragens eines Helms,

kein 

  • ihren Schadensersatzanspruch gegen den Unfallverursacher minderndes 

Mitverschulden an ihren Kopfverletzungen anrechnen lassen muss.  

Begründet hat das OLG dies damit, dass für Radfahrer 

  • das Tragen eines Schutzhelms 

nicht vorgeschrieben ist und nachdem laut der Erhebungen der Bundesanstalt für Straßenwesen im Jahr 2019 

  • im Alltagsverkehr innerorts nur 18 Prozent sowie außerorts nur 22,8 Prozent der Fahrradfahrer einen Schutzhelm getragen haben, 

derzeit auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass

  • – was für eine Mithaftung gemäß § 254 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hinsichtlich der Kopfverletzungen, die durch das Tragen eines Schutzhelms zwar nicht verhindert, wohl aber hätten gemildert werden können, ausreichen würde – 

eine allgemeine Verkehrsauffassung des Inhalts besteht, dass 

OLG Frankfurt entscheidet: Hat ein bevollmächtigter Ehepartner von einem Versicherungsvertrag des anderen keine Kenntnis,

…. kann eine verspätete Anzeige eines Versicherungsfalles durch ihn unverschuldet und die Versicherung rückwirkend leistungspflichtig sein.

Mit Urteil vom 11.11.2020 – 7 U 36/19 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem Fall, in dem es in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen einer 

  • von einer Frau (im Folgenden: Versicherungsnehmerin) für den Fall der Schwerstpflegebedürftigkeit (Pflegestufe III) abgeschlossenen 

Pflegetagegeldversicherung hinsichtlich der Leistungserbringung u.a. hieß, dass

  • bei Stellung des Antrags nach Ablauf des Monats, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist, der Leistungsanspruch vom Beginn des Monats der Antragstellung gegeben ist und
  • bei einer unverschuldet verspäteten Anzeige des Versicherungsfalls die Leistungen jedoch rückwirkend erbracht werden,

die Versicherungsnehmerin 

  • nach einem schweren Schlaganfall mit halbseitiger Lähmung, vollständigem Verlust der Sprachfähigkeit sowie erheblichen Beeinträchtigung des Erinnerungsvermögens 

die Pflegestufe III erhalten hatte und zwei Jahre später vom Ehemann der Versicherungsnehmerin,

  • der von ihr eine Vorsorgevollmacht hatte, 

der Versicherungsfall gemeldet sowie eine Leistungserbringung für die Versicherungsnehmerin, 

  • ab Erhalt der Pflegestufe III, 

beantragt worden war, entschieden, dass 

  • die verspätete Anzeige des Versicherungsfalles unverschuldet war und deswegen

die Versicherung zur rückwirkenden Leistung verpflichtet ist.

Wie das OLG ausgeführt hat, war die verspätete Anzeige des Versicherungsfalls durch den Ehemann der Versicherungsnehmerin hier deshalb unverschuldet, weil die Versicherungsnehmerin,  

  • die den Versicherungsfall grundsätzlich selbst hätte anzeigen müssen,

aufgrund der gesundheitlichen Folgen ihres Schlaganfalls 

  • weder selbst zu der Anzeige, 
  • noch zu einer Information ihres Ehemanns über die bestehende Versicherung 

in der Lage war, sie auch nicht 

  • im Sinne einer vorausschauenden Verhaltenspflicht 

ihren Ehemann vor dem Eintritt des Versicherungsfalls 

  • über das Bestehen des Versicherungsvertrages 

hatte informieren müssen, von dem bevollmächtigten Ehemann der Versicherungsnehmerin selbst auch nicht 

  • schuldhaft und 
  • in einer der Versicherungsnehmerin zuzurechnenden Weise 

eine frühere Anzeige des Versicherungsfalls unterlassen worden ist, dieser

  • vielmehr unverschuldet keine Kenntnis vom Bestehen dieses Vertrages hatte und 

aufgrund der ihm bekannten monatlichen Abbuchungen der Versicherungsbeiträge i.H.v. 20 Euro/pM nicht vom Bestehen einer derartigen Versicherung ausgehen musste,

  • zumal sich aus dem Buchungstext nicht die Art der Versicherung ergeben hat, 
  • sondern nur, dass irgendein Versicherungsvertrag bestanden hat (Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt).  

Wichtig zu wissen für gemeinsam sorgeberechtigte, aber getrennt lebende Eltern, wenn sie eine Kindesangelegenheit

…. unterschiedlich regeln wollen. Wer darf dann wann was entscheiden?

Leben Eltern, 

  • denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht,

nicht nur vorüber getrennt, hat der Elternteil, bei dem sich das Kind 

  • mit Einwilligung des anderen Elternteils oder 
  • auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung 

gewöhnlich aufhält, 

  • nach § 1687 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) 

die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in 

  • Angelegenheiten des täglichen Lebens
  • d.h. in solchen Angelegenheiten, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben.

Hält sich das Kind 

  • mit Einwilligung dieses Elternteils oder 
  • auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung 

bei dem 

  • anderen 

Elternteil auf, hat 

  • dieser solange 

die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten der 

  • tatsächlichen Betreuung (§ 1687 Abs. 1 Satz 4 BGB). 

Ist allerdings eine Einzelangelegenheit zu regeln, die für das Kind von 

  • erheblicher Bedeutung 

ist,

  • was beispielsweise der Fall ist, wenn es geht, 
    • um eine Änderung des Familiennamens bei dem gemeinsamen Kind, 
    • um die Durchführung einer Schutzimpfung bei dem gemeinsamen Kind oder
    • um eine Urlaubsreise mit dem gemeinsamen Kind in einen vor Anschlägen nicht sicheren Staat,   

ist hierfür das

  • gegenseitige Einvernehmen der Eltern 

erforderlich (§ 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB). 

Ist bei der Regelung einer Einzelangelegenheit, 

  • die für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, 

eine Entscheidung im gegenseitigen Einvernehmen

  • nicht möglich,
  • können sich die Eltern also nicht einigen, 

kann jeder der Elternteile 

  • beim Familiengericht nach § 1628 Satz 1 BGB 

beantragen, dass ihm die Entscheidung in dieser Angelegenheit übertragen wird. 

Das Familiengericht darf in einem solchen Fall 

  • nicht die Entscheidung anstelle der Eltern treffen,

sondern hat dann den im Rahmen der Sorgerechtsausübung aufgetretenen Konflikt der Eltern dadurch zu lösen, dass es

  • entweder die gegenseitige Blockierung der Eltern durch Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil überträgt
  • oder durch Zurückweisung des Antrags die Angelegenheit beim gegenwärtigen Zustand belässt   

wobei sich die vom Gericht zu treffende Entscheidung gemäß §1697 a BGB nach 

  • dem Kindeswohl 

richtet, 

Übrigens:
In der Zeit der Corona-Pandemie können Entscheidungen, die 

  • vor der Pandemie noch als alltägliche Entscheidungen 

angesehen worden sind, jedenfalls temporär 

  • erhebliche Bedeutung 

gewinnen und somit nunmehr der Zustimmung beider Elternteile bedürfen, wie beispielsweise die Entscheidung 

LG Frankfurt entscheidet, dass eine staatlich angeordnete Corona-bedingte Ladenschließung in der Regel keine Minderung der Ladenmiete rechtfertigt

…. und wann, bei einer staatlich angeordneten Corona-bedingten Ladenschließung, eine Vertragsanpassung und eine Reduzierung der Ladenmiete 

  • wegen einer sog. Störung der Geschäftsgrundlage 

in Betracht kommen kann.

Mit Urteil vom 05.10.2020 – 2-15 O 23/20 – hat das Landgericht (LG) Frankfurt am Main in einem Fall, in dem der Inhaber eines Einzelhandelsgeschäfts sein 

  • in angemieteten Geschäftsräumen betriebenes 

Geschäft 

  • im Zuge der Corona-Pandemie aufgrund Anordnung des Landes Hessen vom 18.03.2020 bis zum 20.04.2020 

hatte schließen müssen, entschieden, dass eine solche staatlich angeordnete Geschäftsschließung keinen 

  • eine Mietminderung nach § 536 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) rechtfertigenden Mietmangel

darstellt 

  • (so auch LG Heidelberg, Urteil vom 30.07.2020 – 5 O 66/20 –; anderer Ansicht ist das LG München (Urteil vom 22.09.2020 – 3 O 4495/20 –), nach dessen Auffassung durch die Corona-bedingte Geschäftsschließung ein eine Mietminderung rechtfertigender Mietmangel i.S.d. § 536 BGB entstanden ist) 

und der Mieter der Geschäftsräume,

  • jedenfalls solange er durch die angeordnete Geschäftsschließung nicht ausnahmsweise in ihrer Existenz bedroht ist, 

von seinem Vermieter auch nicht 

  • wegen einer sog. Störung der Geschäftsgrundlage 

eine Vertragsanpassung und eine Reduzierung der Miete verlangen kann.

Begründet hat das LG Franfurt das damit, dass öffentlich-rechtliche Einschränkungen oder Verbote bei der Vermietung von Gewerberäumen nur dann, 

  • wenn die Ursache der staatlichen Nutzungsuntersagung in dem Mietobjekt selbst oder seiner Beziehung zur Umwelt begründet ist, 

einen Mietmangel darstellen können, dies jedoch bei Betriebsschließungen aufgrund der Corona-Pandemie,

  • die zum Schutz der Bevölkerung vor allgemeinen gesundheitlichen Gefahren erfolgen und 
  • nicht unmittelbar an die Beschaffenheit der Mietsache anknüpfen, sondern allgemein an deren Nutzungsart sowie dem Umstand, dass in den Flächen Publikumsverkehr stattfindet und dadurch Infektionen begünstigt werden,

nicht der Fall sei und bei unvorhersehbaren Ereignissen eine Mietpartei zwar 

  • wegen einer sog. Störung der Geschäftsgrundlage

grundsätzlich eine Änderung der vereinbarten Mietzahlungen dann einfordern könne, wenn 

  • dies zur Vermeidung eines untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden Ergebnisses unabweislich erscheint, 

jedoch ein solcher extremer Ausnahmefall nur bei existenziell bedeutsamen Folgen gegeben ist und hierfür Liquiditätsengpässe (insbesondere dann) nicht ausreichen, wenn Mieter 

  • durch eine kurzfristige Gesetzesänderung vor einer Kündigung wegen Corona-bedingter Zahlungsschwierigkeiten geschützt worden sind (vgl. Art. 240 § 2 Abs. 1 EGBGB) und
  • durch die Nutzung von Kurzarbeit beträchtliche Einsparungen bei ihren Personalausgaben verbuchen können (Quelle: Pressemitteilung des LG Frankfurt am Main).

Was, wer eine private Unfallversicherung mit Anspruch auf Tagegeld bei Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit abgeschlossen hat,

…. wissen sollte.

Mit Urteil vom 04.11.2020 – IV ZR 19/19 – hat der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in einem Fall, in dem ein Versicherungsnehmer eine Unfallversicherung abgeschlossen hatte, in deren Versicherungsbedingungen u.a. bestimmt war, dass der versicherten Person, die unfallbedingt 

  • in der Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt und 
  • in ärztlicher Behandlung 

ist, Tagegeld

  • für die Dauer der ärztlichen Behandlung, längstens für ein Jahr, vom Unfalltag an gerechnet, 

gezahlt wird, entschieden, dass die 

  • für den Anspruch auf Tagegeld maßgebliche 

Dauer der ärztlichen Behandlung

  • nicht stets mit der letzten Vorstellung beim Arzt endet, 

sondern 

  • regelmäßig auch die Dauer der von dem Arzt angeordneten Behandlungsmaßnahmen umfasst.

Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wird, so der Senat, nämlich den Wortlaut, nach dem das Tagegeld für die Dauer der ärztlichen Behandlung gezahlt wird, dahingehend verstehen, dass 

  • es zwar in erster Linie auf das Handeln des Arztes ankommt, 
  • aber im Regelfall auch etwaige von dem Arzt angeordnete Behandlungsmaßnahmen, wie die Einnahme eines verschriebenen Medikaments oder die Durchführung einer verordneten Therapie, einzubeziehen sind

und auch nach dem für ihn erkennbaren Zweck des Tagegeldes, 

  • das bei Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit und ärztlicher Behandlung das unfallbedingt erlittene Einkommensverluste ausgleichen soll, 

Medikamente oder Therapien, die nach dem ärztlichen Behandlungsplan einzunehmen bzw. durchzuführen sind, 

  • regelmäßig als der Wiederherstellung oder Besserung der Arbeitsfähigkeit dienlich und daher 

vom Zweck des Tagegeldes umfasst ansehen.

Für Versicherungsnehmer bedeutet die Entscheidung, dass, wenn sie,

  • wegen eines bedingungsgemäßen Unfalls, 

ärztlich behandelt werden müssen und ihnen bei ihrem 

  • letzten

Besuch beim Arzt 

  • beispielsweise wegen andauernder unfallbedingter Defizite 10 x Krankengymnastik 

verschrieben wird, der Anspruch auf Tagegeld auch noch den 

  • Zeitraum

umfasst, in dem sie sich – nach dem letzten Arztbesuch – der 

  • verordneten Krankengymnastik 

unterziehen.

Autofahrer sollten wissen, dass in Verkehrsordnungswidrigkeitsverfahren zur Fahreridentifizierung

…. den Bußgeldstellen von den Personalausweisbehörden Ausweisfotos (zum Abgleich mit dem Messfoto) übermittelt werden dürfen. 

Mit Beschluss vom 02.10.2020 – 3 OWi 6 SsBs 258/20 – hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz in einem Fall, in dem ein Kraftfahrzeug mit überhöhter Geschwindigkeit gemessen und 

  • nachdem der Halter sich in dem ihm zugeschickten Anhörungsbogen zu dem Vorwurf des Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nicht geäußert hatte,     

der Bußgeldstelle, auf deren Bitte hin, von der Einwohnermeldebehörde ein Vergleichsfoto des Fahrzeughalters zum Zwecke der Fahreridentifizierung übersandt worden war, entschieden, dass die Beiziehung des 

  • beim zuständigen Einwohnermeldeamt hinterlegten 

Personalausweisfotos eines Betroffenen 

  • zur Fahreridentifizierung in Verkehrsordnungswidrigkeitsverfahren 

durch die Bußgeldbehörde 

  • zulässig ist und 
  • keinen Verstoß gegen das Personalausweisgesetz (PauswG) darstellt.

Begründet hat der Senat dies u.a. damit, dass § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Personalausweisgesetz (PAuswG), 

  • der vorsieht, dass Personalausweisbehörden anderen Behörden auf deren Ersuchen Daten aus dem Personalausweisregister übermitteln dürfen, wenn die ersuchende Behörde ohne Kenntnis der Daten nicht in der Lage wäre, eine ihr obliegende Aufgabe zu erfüllen,

im Lichte von § 22 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 PAuswG und des insoweit spezielleren § 25 Abs. 2 Satz 1 PAuswG auszulegen ist, wonach die Übermittlung von Lichtbildern durch die Passbehörden an die Ordnungsbehörden 

  • im Rahmen der Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten 

ausdrücklich ermöglicht werden sollte.

Was ist eigentlich, wenn die Wirksamkeit einer erteilten Vorsorgevollmacht von Dritten in Zweifel gezogen wird?

…. Muss dann ein Betreuer bestellt werden?

Liegt eine Vorsorgevollmacht vor, ist 

  • gemäß § 1896 Abs. 2 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) 

eine Betreuung grundsätzlich nicht erforderlich. 

Das gilt auch, wenn Zweifel an der Wirksamkeit der Erteilung der Vorsorgevollmacht bestehen.

  • Kann die Unwirksamkeit einer Vorsorgevollmacht vom Betreuungsgericht nicht positiv festgestellt werden, bleibt es somit bei der wirksamen Bevollmächtigung. 

Ob eine bestehende Vollmacht 

  • dann, wenn sie in Zweifel gezogen wird, 

dem Bevollmächtigten ermöglicht, 

  • die Angelegenheiten des Betroffenen ebenso gut wie durch einen Betreuer zu besorgen, 

ist eine nachgeordnete Frage, die sich erst stellt, wenn 

  • die Frage der Wirksamkeit der Vollmacht ausermittelt ist und 

nicht positiv festgestellt werden kann, ob sie 

  • wirksam oder 
  • unwirksam

ist. 

Bleiben Bedenken, kommt es darauf an, ob die 

  • Akzeptanz der Vollmacht im Rechtsverkehr 

eingeschränkt ist, 

  • entweder weil Dritte die Vollmacht unter Berufung auf diese Bedenken zurückgewiesen haben 
  • oder weil entsprechendes konkret zu besorgen ist.

Unabhängig davon kann 

  • trotz erteilter Vorsorgevollmacht 

eine Betreuung dann erforderlich sein, wenn der Bevollmächtigte 

  • ungeeignet ist, 

die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen, insbesondere weil 

Übrigens:
Infos nicht nur über die Vorsorgevollmacht, sondern auch über die Patientenverfügung findet man hier

Wer wird, wenn nicht genügend Intensivbetten für alle intensiv behandlungsbedürftigen Patienten zur Verfügung stehen,

…. (weiter) behandelt? 

Der Gesetzgeber hat dies bisher (noch) nicht geregelt. 
Sollten wegen begrenzter Ressourcen tatsächlich nicht mehr alle 

  • kritisch erkrankten und 
  • gleich dringlich medizinisch behandlungsbedürftigen Personen 

auf eine Intensivstation aufgenommen bzw. behandelt werden können, sind deshalb Ärzte gezwungen eine 

  • Auswahlentscheidung („Triage“) 

zu treffen, wer 

  • behandelt und 
  • wer nicht behandelt wird.  

Zu einer solchen Auswahlentscheidung, die 

  • für den einen Behandlungsbedürftigen Leben und 
  • für den anderen Tod 

bedeuten kann, sind Ärzte,

  • weil die Rechtsordnung Unmögliches nicht von ihnen verlangen darf bzw.kann,  

immer dann berechtigt, wenn es ihnen tatsächlich nur möglich ist, 

  • einen oder einige der Behandlungsbedürftigen zu behandeln,
  • nicht aber alle (Fall der rechtfertigenden Pflichtenkollision).   

Solche Auswahlbehandlungsentscheidungen müssen Ärzte auch schon heute in bestimmten (Krisen)Situationen treffen. 

  • Man denke beispielsweise nur an einen Notarzt, der an einer Unfallstelle zwei Schwerstverletzte vorfindet, die er nicht gleichzeitig versorgen kann.

Wer in Fällen der Überlastung des Gesundheitssystems 

  • (weiter) akut- oder intensivmedizinisch bzw. mit einem Beatmungsgerät behandelt wird und
  • wer nicht (mehr), 

sollen Ärzte nach den klinisch-ethischen Empfehlungen verschiedener Fachgesellschaften, aus Gerechtigkeitsüberlegungen,

  • nach dem Kriterium der medizinischen Erfolgsaussichten,
  • also der Wahrscheinlichkeit eines Behandlungserfolges, 

unter Berücksichtigung 

  • des allgemeinen Gesundheitszustandes der Behandlungsbedürftigen und 
  • dem Schweregrad ihrer Erkrankung

entscheiden.

Das bedeutet, wer höhere Überlebenschancen hat 

  • soll (weiter) behandelt werden, 

wer weniger gute Behandlungschancen hat, 

  • nicht.

Ärzte, die diesem Kriterium entsprechend, 

  • weil bereits alle Intensivbetten belegt sind, 

eine der bereits begonnenen Intensivbehandlungen 

  • zugunsten eines weiteren hinzukommenden Behandlungsbedürftigen mit höheren Überlebenschancen

beenden, müssen allerdings, wenn der Patient, dessen Behandlung sie,

  • ohne dass dies seinem tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen entsprochen hat, 

 abgebrochen haben, verstirbt, 

  • damit rechnen, dass die Staatsanwaltschaft sie wegen Totschlags (durch aktives Tun) anklagt und 
  • darauf vertrauen, dass der Bundesgerichtshof ihre Handlung angesichts der Umstände für gerechtfertigt oder jedenfalls entschuldigt ansieht und sie freispricht. 

Sind Ärzte nicht bereit dieses Risiko einzugehen, dann haben Patienten, deren Behandlung bereits begonnen hat, 

  • die besseren 

und die Patienten, die erst hinzukommen, wenn bereits alle Intensivbetten und Beatmungsgeräte belegt sind, 

  • die schlechteren Karten.