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Tierhalter haftet auch dann wenn er seinen Hund zur vorübergehenden Betreuung in eine Hundepension gegeben hat.

Ein Ausschluss der Tierhalterhaftung wegen Handelns auf eigene Gefahr kommt auch dann regelmäßig nicht in Betracht, wenn der Geschädigte einen Hund für mehrere Tage in seiner Hundepension aufgenommen und für diese Zeit die Beaufsichtigung des Tieres übernommen hat.

Darauf hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 25.03.2014 – VI ZR 372/13 – in einem Fall hingewiesen, in dem der Betreiber einer Hundepension von einem Hund, den der Halter ihm vorübergehend zur entgeltlichen Betreuung überlassen hatte, in die Ober- und Unterlippe gebissen worden war, als er das Tier nach einem Spaziergang ableinen wollte.

§ 833 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) begründet eine Gefährdungshaftung des Tierhalters für den Fall, dass ein anderer durch das Tier in einem der in dieser Vorschrift genannten Rechtsgüter verletzt wird. Der Grund für die strenge Tierhalterhaftung liegt in dem unberechenbaren oder aber auch instinktgemäßen selbsttätigen tierischen Verhalten und der dadurch hervorgerufenen Gefährdung von Leben, Gesundheit und Eigentum Dritter, also der verwirklichten Tiergefahr (vgl. BGH, Urteil vom 20.12.2005 – VI ZR 225/04 –). Diese ist dann nicht anzunehmen, wenn keinerlei eigene Energie des Tieres an dem Geschehen beteiligt ist. Verletzungen durch Hundebisse sind danach grundsätzlich der spezifischen Tiergefahr zuzurechnen.

Dass der Betreiber einer Hundepension einen Hund für mehrere Tage in seine Hundepension auf- und für diese Zeit die Beaufsichtigung des Tieres übernimmt, steht – wie der VI. Zivilsenat des BGH ausgeführt hat – der Haftung des Hundehalters nicht entgegen.
Die Haftung des Tierhalters nach § 833 Satz 1 BGB greift nämlich grundsätzlich auch dann ein, wenn ein Tieraufseher im Rahmen seiner Aufsichtsführung durch das betreute Tier verletzt wird.
Der Umstand, dass sich ein Geschädigter der Gefahr selbst ausgesetzt hat, ist regelmäßig erst bei der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile nach § 254 BGB zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 17.03.2009 – VI ZR 166/08 –).
Für Fallgestaltungen, in denen sich Personen der Tiergefahr aus beruflichen Gründen vorübergehend aussetzen, ohne dabei die vollständige Herrschaft über das Tier zu übernehmen, wird ein genereller Ausschluss der Tierhalterhaftung sowohl unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr als auch unter Schutzzweckerwägungen von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgelehnt.
Grundsätzlich nichts anderes kann für den Fall der Inobhutnahme eines Hundes in einer Tierpension gelten. Dass der Inhaber einer Hundepension – im Unterschied z.B. zum Hufschmied oder Tierarzt – sich dem Tier nicht nur zur Vornahme einzelner Verrichtungen nähert, sondern dessen Beaufsichtigung gegebenenfalls für mehrere Tage vollständig übernimmt und während dieser Zeit die alleinige Herrschaft über das Tier innehat, rechtfertigt insoweit keine abweichende rechtliche Beurteilung. 

 

8000 Euro Schmerzensgeld für grob fehlerhaften Befund während der Operation einer Schulterverletzung.

Die operative Versorgung einer Schultereckgelenksprengung ist grob behandlungsfehlerhaft, wenn die Bohrung für die einzubringende Schraube zu nahe am Gelenk liegt und der Operateur diesen Umstand nicht erkennt, weil er die gebotene intraoperative Bildgebung zur Überprüfung der Bohrung unterlässt.

Das hat der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 18.02.2014 – 26 U 152/13 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte sich der seinerzeit 21 Jahre alte Kläger beim Fußballspielen eine Schultereckgelenksprengung Tossy III links zugezogen, die noch am selben Tag im Krankenhaus des beklagten Krankenhausträgers u.a. mit einer Verschraubung des Schlüsselbeins operativ versorgt worden war.
Wenige Wochen später musste die Schraube mit einer Revisionsoperation entfernt werden, weil sie ausgerissen war.
Mit der Begründung, er sei mit einer nicht richtig platzierten Schraube fehlerhaft operiert worden, so dass die Schraube herausgebrochen und deswegen die Revisionsoperation notwendig geworden sei, hat der Kläger vom beklagten Krankenhaus Schadensersatz verlangt, u.a. ein Schmerzensgeld in Höhe von 8.000 Euro.

Das Klagebegehren hatte Erfolg.

Nach sachverständiger Begutachtung hat der 26. Zivilsenat des OLG Hamm dem Kläger das geforderte Schmerzensgeld zuerkannt.
Es liege ein grober Befunderhebungsfehler vor. Die bei der ersten Operation eingebrachte Schraube sei falsch positioniert worden, sie habe zu nahe am Gelenk gesessen. Dieser Positionsfehler könne bei der Bohrung zwar auch einem erfahrenen Chirurgen passieren. Er habe aber intraoperativ – durch eine Bildgebung in zwei Ebenen (Röntgenaufnahmen aus verschiedenen Projektionsrichtungen) – erkannt und dann korrigiert werden müssen. So wäre der Positionsfehler noch während der Operation festzustellen und dann durch eine erneute Bohrung oder ein anderes Verfahren zu korrigieren gewesen. Auf die gebotene Bildgebung habe der Operateur verzichtet und sich mit zwei Aufnahmen aus zwei dicht beieinander liegenden Winkeln begnügt, die nicht aussagekräftig gewesen seien.
Wenn er sich dabei nur auf seine eigenen Augen und Erfahrung verlassen habe, sei der Befund grob fehlerhaft erhoben worden.
Aufgrund der hiermit verbundenen Beweislastumkehr gehe die Revisionsoperation zu Lasten des beklagten Krankenhauses. Es sei nicht auszuschließen, dass die zweite Operation bei ordnungsgemäßer Befundung zu vermeiden gewesen wäre.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm am 15.04.2014 mitgeteilt.

 

Wonach bestimmt sich wer Halter eines Kraftfahrzeugs i. S. d. Straßenverkehrsrechts ist?

Halter eines Kraftfahrzeugs i. S. d. § 7 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und des § 31a Abs. 1 Satz 1 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) ist grundsätzlich unabhängig von der Eigentümerstellung derjenige, der das Kraftfahrzeug für eigene Rechnung in Gebrauch hat (d.h. die Nutzungen aus der Verwendung zieht und die Kosten für Unterhaltung und laufenden Betrieb trägt) und die tatsächliche Verfügungsgewalt innehat, die ein solcher Gebrauch voraussetzt (d. h. Anlass, Zeit, Dauer und Ziel der Fahrten selbst bestimmen kann.
Bei dieser wirtschaftlichen Betrachtungsweise kommt es weniger auf die rechtlichen Bezüge des Kraftfahrzeugs, sondern vielmehr auf die Intensität der tatsächlichen Beziehungen zum Fahrzeug an.

Dies schließt es allerdings nicht aus, dass im Einzelfall von ausschlaggebender Bedeutung sein kann, auf wen das Fahrzeug zugelassen ist.
Weil das Straßenverkehrsrecht im weitesten Sinne nahezu alle aus der Zulassung und dem Betrieb folgenden Pflichten dem Halter auferlegt, liegt die Annahme nahe, dass der Fahrzeughalter regelmäßig mit dem Zulassungsinhaber identisch ist. Für diese Deutung sprechen bereits die Vorschriften über das Fahrzeugregister, namentlich § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 StVG, der Daten über denjenigen, dem ein Kennzeichen für das Fahrzeug zugeteilt oder ausgegeben oder an den ein Fahrzeug mit einem amtlichen Kennzeichen veräußert wurde, als „Halterdaten“ legaldefiniert, und § 32 Abs. 2 Nr. 1 StVG, nach welchem im Fahrzeugregister Daten über Personen „in ihrer Eigenschaft als Halter von Fahrzeugen“ gespeichert werden. Nicht zuletzt wegen der Zielrichtung des Verkehrsregisters, schnell und zuverlässig Auskunft über das Fahrzeug und seinen Halter zu geben (§ 32 Abs. 2 StVG), und im Interesse einer einheitlichen Bestimmung des Halterbegriffs im Straßenverkehrsrecht – d. h. im Geltungsbereich des StVG und der auf ihm beruhenden Rechtsverordnungen wie der StVZO –  kommt der Erfassung im Verkehrsregister als objektivem Gesichtspunkt im Außenverhältnis zu anderen Verkehrsteilnehmern und der Allgemeinheit sowie zu Behörden eine ausschlaggebende Rolle zu.
Da gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr (FZV) im Zulassungsverfahren der Name des Halters bei der Zulassung anzugeben und bei einer Änderung der Angaben zum Halter diese unverzüglich der Zulassungsstelle mitzuteilen ist (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FZV), der Verstoß gegen diese Bestimmung gar eine zu ahndende Ordnungswidrigkeit darstellt (vgl. § 48 Nr. 12 FZV), dürfte – rechtstreues Verhalten unterstellt – in aller Regel derjenige, auf den der Pkw (als Halter) zugelassen ist, auch tatsächlich der Halter sein.

Ist der Betroffene zudem Versicherungsnehmer, kann dies als (weiteres) Indiz für seine Haltereigenschaft gewertet werden.

Die sich aus diesen Umständen grundsätzlich ergebende und für seine Haltereigenschaft sprechende Indizwirkung kann allerdings widerlegt werden.

Darauf hat der 12. Senat des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Lüneburg mit Beschluss vom 30.01.2014 – 12 ME 243/13 – hingewiesen.

 

Kein Schadensersatzanspruch gegen gerichtlich bestellten Sachverständigen wenn dessen Gutachten unverwertbar, aber nicht unrichtig ist.

Das allein wegen Befangenheit unverwertbare Gutachten begründet keine gesetzliche Schadensersatzpflicht des Sachverständigen.

Darauf hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Beschluss vom 14.01.2014 – 9 U 231/13 – hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall begehrte der Kläger Feststellung der Einstandspflicht des Beklagten, der in einem von dem Kläger eingeleiteten Beweissicherungsverfahren vom Gericht zum Sachverständigen bestellt worden war, für ihm aus der Unverwertbarkeit der Gutachten entstehende Schäden.
Der Beklagte, der Mängel an einer vom Kläger erworbenen Immobilie zu beurteilen hatte, war in dem Beweissicherungsverfahren nach Erstellung von zwei schriftlichen Gutachten auf Antrag eines der Antragsgegner für befangen erklärt worden, weil er in seinen Gutachten über den Gutachtensauftrag hinausgehende zusätzliche Feststellungen getroffen hatte. Ein neuer Sachverständiger wurde deshalb beauftragt.
Seine Klage begründete der Kläger damit, dass ihm der Nachweis von Mängeln am Kaufobjekt durch die befangenheitsbedingte Verzögerung der Begutachtung erschwert worden sei und der Beklagte deswegen gemäß § 839a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) oder in entsprechender Anwendung dieser Norm Schadensersatz schulde. Im Vertrauen auf die erfolgte Begutachtung habe er Renovierungsarbeiten veranlasst, nach deren Durchführung der Nachweis von Mängeln bei der nunmehr gebotenen erneuten Begutachtung erschwert sei.

Die Klage ist erfolglos geblieben.

In seinem Beschluss hat der 9. Zivilsenat des OLG Hamm ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Haftung des Beklagten nach der in Betracht kommenden deliktsrechtlichen Vorschrift des § 839a BGB nicht erfüllt seien.
Gemäß § 839a Abs. 1 BGB sei ein gerichtlicher Sachverständiger, der vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten erstatte, demjenigen Verfahrensbeteiligten zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der diesem durch eine gerichtliche Entscheidung entstehe, die auf dem Gutachten beruhe.
Die vom Beklagten im selbständigen Beweisverfahren erstatteten Gutachten seien aber nicht unrichtig. Sie seien lediglich unverwertbar, weil der Beklagte seinen Gutachterauftrag überschritten habe. Dies berühre die inhaltliche Korrektheit seiner Ausführungen in den Gutachten nicht.
Der vom Kläger geltend gemachte Schaden falle auch nicht in den Kreis der von § 839a BGB erfassten Vermögensschäden.
Der Sache nach gehe es vorliegend nicht um den von § 839a BGB erfassten Schaden, der aus einer auf dem Gutachten beruhenden unrichtigen Entscheidung eines Gerichts resultiert, sondern vielmehr allein um Dispositionen eines Verfahrensbeteiligten, die im nicht schützenswerten Vertrauen auf einen bestimmten Verfahrensgang und -ablauf getroffen wurden. Diese Entscheidung des Klägers sei der Sache nach auch schon deshalb nicht schützenswert, weil er vor Abschluss des Beweissicherungsverfahrens damit habe rechnen müssen, dass Einwendungen Nachbegutachtungen nach sich ziehen könnten.

Eine entsprechende Anwendung des § 839a BGB komme bei der vorliegenden Konstellation der Unverwertbarkeit eines gerichtlichen Gutachtens wegen Befangenheit des gerichtlichen Sachverständigen nicht in Betracht. Denn es fehlt an einer planwidrigen Regelungslücke.
Mit § 839a BGB habe der Gesetzgeber nur den Fall eines unrichtigen Gutachtens, nicht aber den eines aus anderen Gründen unverwertbaren Gutachtens mit einer Schadensersatzpflicht sanktionieren wollen.

Das und dass die von dem Beklagten in dem selbständigen Beweisverfahren erstatteten Sachverständigengutachten nicht vergütet worden sind, hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm am 14.04.2014 mitgeteilt.

 

Wann ist eine Geldschuld geleistet? – Worauf ist bei der Rechtzeitigkeit der Leistung abzustellen?

Die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 03.04.2008 – C- 306/06 –) erfordert eine richtlinienkonforme Auslegung des § 270 Abs. 4 Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) dahin, dass für die Rechtzeitigkeit der Leistung generell, also auch außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2000/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Juni 2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr, nicht mehr auf die Erbringung der Leistungshandlung, sondern auf den Erhalt der Leistung abzustellen ist.

Das hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe mit Urteil vom 09.04.2014 – 7 U 177/13 – entschieden, nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) diese Frage offen gelassen hat (BGH, Urteil vom 13.07.2010 – VIII ZR 129/09 –)

Auch im Rechtsverkehr zwischen Privaten und für den Rechtsverfolgungsschaden soll gelten, dass eine durch Banküberweisung zulässige Leistung des Schuldners erst mit der Buchung der Gutschrift auf dem Konto des Gläubigers erfolgt ist.

Somit kommt es nach dieser Rechtsprechung

  • erstens nicht auf die Absendung des Geldes an,
  • zweitens nicht auf den Eingang des Geldes bei der Empfängerbank,
  • drittens nicht auf den mit dem Eingang bei der Empfängerbank taggleichen (§ 675t Abs. 1 Satz 2 BGB) Wertstellungszeitpunkt (so aber Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 11.05.2011 – 2 U 1000/10 –),
  • sondern auf den Akt, mit dem der Zeitpunkt des Eingangs der Zahlung auf dem Gläubigerkonto dokumentiert wird, somit die Buchung der Gutschrift selbst.

Die Verantwortung des Schuldners für von ihm nicht beeinflussbare ungewöhnliche Verzögerungen soll über das verzugsimmanente Verschuldenserfordernis begrenzt werden, so dass eine über § 675t BGB hinausgehende Verzögerung bei der Gutschrift zu Lasten des Gläubigers geht.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der von ihm entschiedenen Frage hat der 7. Zivilsenat des OLG Karlsruhe die Revision gegen seine Entscheidung zugelassen.

 

Zur Hinweispflicht des Strafrichters vor Verständigung auf eine Bewährungsstrafe.

Der Grundsatz des fairen Verfahrens (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG), Art. 6 Abs. 1 S. 1 Europäische Menschenrechtskonvention (MRK)) gebietet es, den Angeklagten vor einer Verständigung gemäß § 257c Strafprozessordnung (StPO), deren Gegenstand die Verhängung einer zur Bewährung auszusetzenden Freiheitsstrafe ist, auf konkret in Betracht kommende Bewährungsauflagen hinzuweisen, die nach § 56b Abs. 1 S. 1 Strafgesetzbuch (StGB) der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen und deren Erteilung Voraussetzung für die in Aussicht gestellte Strafaussetzung ist.

Darauf hat der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 29.01.2014 – 4 StR 254/13 – hingewiesen.

Die Verständigung im Strafverfahren ist nur dann mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens zu vereinbaren, wenn durch eine vorherige Belehrung sichergestellt ist, dass der Angeklagte vollumfänglich über die Tragweite seiner Mitwirkung informiert ist. Nur in diesem Fall ist gewährleistet, dass er autonom darüber entscheiden kann, ob er von seiner Freiheit, die Aussage zu verweigern, Gebrauch macht oder sich auf eine Verständigung einlässt. Diese Grundsätze erfordern es, dass das Gericht vor einer Verständigung offenlegt, dass es die Verhängung einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe allein nicht für ausreichend hält, sondern zur Verwirklichung der Genugtuungsfunktion des Strafverfahrens Bewährungsauflagen in Betracht zieht. Denn nur wenn der Angeklagte über den gesamten Umfang der Rechtsfolgenerwartung bei der Verständigung informiert ist, kann er autonom eine Entscheidung über seine Mitwirkung treffen.
Bewährungsauflagen sind Bestandteil dieser Rechtsfolgenerwartung. Sie dienen gemäß § 56b Abs. 1 S. 1 StGB der Genugtuung für das begangene Unrecht und stellen damit eine strafähnliche Sanktion dar. Erst die Kenntnis des Umstandes, dass ihm neben der zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe weitere Maßnahmen mit Vergeltungscharakter drohen, die – wie im Fall von Zahlungs- oder Arbeitsauflagen, die in Zahlungsauflagen umgewandelt werden können – eine erhebliche Belastung darstellen können, versetzt den Angeklagten in die Lage, von seiner Entscheidungsfreiheit, ob er auf das Angebot des Gerichts eingehen möchte, auf einer hinreichenden tatsächlichen Grundlage Gebrauch zu machen. 

 

Zum Geltungsbereich der kurzen Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 BGB und zur Hemmung der Verjährung durch Klageerhebung.

Die kurze Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) gilt auch für die Ansprüche des Vermieters auf Erfüllung der vom Mieter vertraglich übernommenen Instandsetzungs- und Instandhaltungspflicht und auf Schadensersatz wegen deren Nichterfüllung.
Denn die Regelung des § 548 Abs. 1 BGB soll zwischen den Parteien des Mietvertrags eine rasche Auseinandersetzung gewährleisten und eine beschleunigte Klarstellung der Ansprüche wegen des Zustands der überlassenen Sache bei Rückgabe erreichen. Die Rechtsprechung hat den Anwendungsbereich des § 548 BGB weit ausgedehnt.
So unterfallen unter anderem Ansprüche auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands der Mietsache ebenso der kurzen Verjährung des § 548 BGB wie Ansprüche wegen einer vertraglich übernommenen Instandsetzungs- und Instandhaltungspflicht. Ferner erfasst § 548 Abs. 1 BGB sämtliche Schadensersatzansprüche des Vermieters, die ihren Grund darin haben, dass der Mieter die Mietsache als solche zwar zurückgeben kann, diese sich aber nicht in dem bei der Rückgabe vertraglich geschuldeten Zustand befindet.

Die Verjährungsfrist eines wegen Nichterfüllung der vertraglich übernommenen Instandsetzungs- und Instandhaltungspflicht auf §§ 280 Abs. 1 und 3, 281 Abs. 1 BGB gestützten Schadensersatzanspruchs beginnt gemäß § 548 Abs. 1 S. 2 BGB bereits mit Rückgabe der Mietsache zu laufen, ohne dass es darauf ankommt, ob der Anspruch zu diesem Zeitpunkt bereits entstanden ist.
Denn mit § 548 Abs. 1 S. 2 BGB ist im Sinn des § 200 S. 1 BGB ein anderer Verjährungsbeginn als der der Entstehung des Anspruchs bestimmt. Daher kann der Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung der vom Mieter vertraglich übernommenen Instandsetzungs- und Instandhaltungspflicht bereits verjährt sein, bevor die gemäß § 281 Abs. 1 S. 1 BGB erforderliche Fristsetzung durch den Vermieter erfolgt ist.

Eine wirksame Klageerhebung hemmt die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB auch dann, wenn zum Zeitpunkt der Klageerhebung – von der Sachbefugnis abgesehen – noch nicht alle Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, etwa eine für einen Schadensersatzanspruch nach § 281 Abs. 1 S. 1 BGB erforderliche Fristsetzung noch fehlt.
Nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 BGB wird die Verjährung durch die Erhebung einer Leistungsklage gehemmt. Dem liegt der Rechtsgedanke zugrunde, dass der Gläubiger durch aktives Betreiben seines Anspruchs seinen Rechtsverfolgungswillen so deutlich macht, dass der Schuldner gewarnt wird und sich auf eine Erfüllung auch nach Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist einstellen muss.
Dabei ist zwar nur die wirksam erhobene Leistungsklage geeignet, die Verjährung zu hemmen, weil die unwirksame Klage, die insbesondere den Mindestanforderungen des § 253 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) nicht entspricht, nicht als Klage im Sinne des Gesetzes angesehen werden kann.
Im Gegensatz dazu löst aber eine wirksame, wenn auch mit Fehlern behaftete Klageschrift die Hemmung aus, gleich ob sie unzulässig oder unbegründet ist. Denn auch sie macht für den Schuldner den Rechtsverfolgungswillen des Gläubigers deutlich.
Nach ständiger Rechtsprechung entfaltet die wirksame Klageerhebung ihre verjährungshemmende Wirkung daher auch dann, wenn zum Zeitpunkt der Klageerhebung – von der Sachbefugnis abgesehen – noch nicht alle Anspruchsvoraussetzungen vorliegen (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 12.04.2007 – VII ZR 236/05 – zum Mahnbescheidsantrag).

Unschädlich für die verjährungshemmende Wirkung einer Klage ist die Gestaltung als Haupt- oder Hilfsantrag.

Handelt es sich bei der Klage um eine „verdeckte Teilklage“, d.h. eine Klage, bei der weder für die Beklagtenseite noch für das Gericht erkennbar ist, dass die bezifferte Forderung nicht den Gesamtschaden abdeckt, erstreckt sich die Hemmung nur auf den geltend gemachten Anspruch im beantragten Umfang.
Etwas anderes gilt für die Anwendung des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB auf Schadensersatzansprüche aber, wenn mit der Klage von Anfang an ein bestimmter Anspruch in vollem Umfang geltend gemacht wird und sich dann Umfang und Ausprägung des Klageanspruchs ändern, nicht aber der Anspruchsgrund.
Der Schadensersatzkläger klagt dann nicht eine Geldsumme, sondern den Schaden ein und unterbricht damit die Verjährung der Ersatzforderung in ihrem betragsmäßig wechselnden Bestand.
Für die endgültige Bemessung des Schadens ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgebend, aufgrund derer das Urteil ergeht, so dass dem Umfang der Verjährungswirkung daher durch den ursprünglich bezifferten Leistungsantrag keine Grenzen gezogen werden (BGH, Urteil vom 02.05.2002 – III ZR 135/01 –).

Darauf hat der BGH mit Urteil vom 08.01.2014 – XII ZR 12/13 – hingewiesen.

 

Unfall im Kreisverkehr – Wann spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine Vorfahrtsverletzung des in einen Kreisverkehr einfahrenden Verkehrsteilnehmers?

Ist an der Einmündung in einen Kreisverkehr Zeichen 215 (Kreisverkehr) unter dem Zeichen 205 (Vorfahrt gewähren) – Nr. 2 und 8 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 Straßenverkehrsordnung (StVO) – angeordnet, hat der Verkehr auf der Kreisfahrbahn Vorfahrt (§ 8 Abs. 1a StVO).

  • Kollidiert ein in einen so beschilderten Kreisverkehr Einfahrender im Einmündungsverkehr mit einem auf der Kreisfahrbahn fahrenden Verkehrsteilnehmer, dessen Vorfahrtsberechtigung feststeht, weil er zuerst in den Kreisverkehr eingefahren ist,

spricht der Beweis des ersten Anscheins für einen Vorfahrtsverstoß des in einen Kreisverkehr Einfahrenden.

  • Steht umgekehrt fest, dass der Einfahrende im Zeitpunkt des Einfahrens in den Kreisverkehr gegenüber einem später einfahrenden Unfallgegner noch nicht wartepflichtig war,

liegt von vornherein kein Vorfahrtsverstoß vor, weil der Unfallgegner nicht vorfahrtsberechtigt war.

  • Ist offen, welcher Unfallbeteiligte zuerst in den Kreisverkehr eingefahren ist,

so spricht der Beweis des ersten Anscheins für einen Vorfahrtsverstoß desjenigen, in dessen Einmündungsbereich sich der Unfall ereignet hat (anderer Ansicht LG Detmold, Urteil vom 22.12.2004 – 2 S 110/04 –).
Denn es besteht ein Erfahrungssatz der allgemeinen Lebenserfahrung dafür, dass er gegenüber dem Unfallgegner wartepflichtig war. Dieser Erfahrungssatz hat seinen Grund darin, dass sich der Unfall im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Einfahrt des einbiegenden Verkehrsteilnehmers ereignet, wohingegen der andere, um die Kollisionsstelle zu erreichen, zusätzlich eine gewisse Strecke zurückgelegt und den Kreisverkehr schon während einer gewissen Dauer durchfahren haben muss. Da ein Kreisverkehr wegen seiner Krümmung und der mit der Zusammenführung mehrerer Straßen verbundenen Gefahren typischerweise nur mit mäßiger Geschwindigkeit durchfahren werden kann, spricht die Lebenserfahrung dann nach den zu erwartenden Bewegungsabläufen dafür, dass der von der ersten Einmündung her einfahrende Verkehrsteilnehmer den Kreisverkehr zuerst erreicht hat.

  • Unanwendbar kann der Anscheinsbeweis in einem solchen Fall allerdings beim Vorliegen besonderer Umstände sein,

etwa, wenn die Einmündungen, von denen aus die Unfallbeteiligten in den Kreisverkehr eingefahren sind, so eng beieinander liegen, dass der von der ersten Einmündung Einfahrende nur eine ganz geringe zusätzliche Strecke zurücklegen muss und es deshalb ernsthaft in Betracht kommt, dass er diese Strecke aufgrund einer höheren Relativgeschwindigkeit so schnell zurücklegt, dass es zur Kollision kommt, obwohl er noch nicht Teil des vorfahrtsberechtigten Verkehrs geworden war, als der Unfallgegner an der zweiten Einmündung in den Kreisverkehr eingefahren ist.
In ähnlicher Weise werden etwa auch eng beieinander liegende Einmündungen an sonstigen Straßen behandelt.
So ist im Grundsatz zwar anerkannt, dass das Vorfahrtsrecht auch denjenigen schützt, der erst wenige Meter vor einer Einmündung in die vorfahrtsberechtigte Straße eingefahren ist.
Wenn aber mehrere Einmündungen so eng beieinander liegen, dass sie gewissermaßen einen einheitlichen Einmündungsbereich bilden und sich der aus der untergeordneten Straße einmündende Verkehr im Zeitpunkt der Kollision noch nicht in den vorfahrtsberechtigten Verkehr eingeordnet hatte, besteht noch keine Vorfahrt des einen gegenüber dem anderen.
Das kann auch im Kreisverkehr ernsthaft in Betracht kommen, wenn die Unfallbeteiligten aus eng beieinander liegenden Einmündungen in den Kreisverkehr einfahren.

  • Ist hingegen offen, ob der Unfallgegner überhaupt von einer in unmittelbarer Nähe gelegenen Einmündung in den Kreisverkehr eingefahren ist,

verbleibt es grundsätzlich bei der Anwendung des Anscheinsbeweises.
Allein der Umstand, dass zwei Straßen in unmittelbarer Nähe zueinander in den Kreisverkehr einmünden, begründet für sich allein noch nicht die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs.

Darauf hat die 13. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Saarbrücken mit Urteil vom 28.03.2014 – 13 S 196/13 – hingewiesen.

 

Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs nach § 46 a Nr. 1 Strafgesetzbuch (StGB).

Das Gericht kann, wenn die Voraussetzungen des § 46 a Nr. 1 StGB (Täter-Opfer-Ausgleich) oder des § 46 a Nr. 2 StGB (Schadenswiedergutmachung) vorliegen, die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

Die Bestimmung des § 46a Nr. 1 Strafgesetzbuch (StGB) verlangt, dass der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat „ganz oder zum überwiegenden Teil“ wiedergutgemacht hat, wobei es aber auch ausreichend sein kann, dass der Täter dieses Ziel ernsthaft erstrebt.

Das Bemühen des Täters setzt grundsätzlich einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus,

  • der auf einen umfassenden, friedensstiftenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen angelegt und
  • „Ausdruck der Übernahme von Verantwortung“

sein muss.

Zwar ist die Anerkennung eines Täter-Opfer-Ausgleichs im Sinne der genannten Bestimmung nicht von vornherein ausgeschlossen, wenn der Täter einzelne Umstände der Tat beschönigt (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 25.06.2008 – 2 StR 217/08 –).
Stellt ein Täter allerdings eine ihm zur Last gelegte gravierende Gewalttat als Verteidigungshandlung gegen einen rechtswidrigen Angriff des Tatopfers hin und bestreitet er somit schon die Opfer-Rolle des Geschädigten, kann hierin eine Übernahme von Verantwortung nicht gesehen werden.
Auch stellt es die erforderliche, in einem ernsten Bestreben um Wiedergutmachung zum Ausdruck kommende Verantwortungsübernahme in Frage, wenn ein Täter beispielsweise in einem Entschuldigungsschreiben an das Opfer eines arbeitsteilig geplanten und unter Würgen sowie Einsatz eines Messers durchgeführten Raubüberfalls ausführt, die Sache „sei dumm gelaufen“ und es sei nur Zufall gewesen, dass es gerade dieses Opfer getroffen habe.

Darauf hat der BGH mit Urteil vom 23.05.2013 – 4 StR 109/13 – sowie mit Beschluss vom 11.03.2014 – 5 StR 19/14 – hingewiesen.
Vergleiche hierzu auch Bernd Rösch, Das Urteil in Straf- und Bußgeldsachen, 2. Aufl., S. 128 f.
Dazu, wann das Gericht nach § 46 a StGB von Strafe absehen kann, siehe Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Bamberg vom 04.12.2012 – 2 Ss 101/12 –.

 

Zu den Verpflichtungen eines Schuldners im eröffneten Insolvenzverfahren wenn die selbständige Tätigkeit vom Insolvenzverwalter freigegeben ist und zu den Ansprüchen des Insolvenzverwalters in einem solchen Fall.

Zu den vom Schuldner nach einer Freigabe gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 Insolvenzordnung (InsO) zu beachtenden Pflichten gehört es, dass er die nach § 295 Abs. 2 InsO maßgeblichen Beträge schon im Laufe des Insolvenzverfahrens an den Insolvenzverwalter abführt. Hierbei handelt es sich nicht lediglich um eine Obliegenheit, die eine Versagung der Restschuldbefreiung zur Folge haben kann, sondern um eine eigenständige Abführungspflicht, auf deren Einhaltung der Insolvenzverwalter einen unmittelbaren Anspruch hat (Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 13.06.2013 – IX ZB 38/10 –).
Sie gebietet im Regelfall eine jährliche Zahlung (vgl. BGH, Beschluss vom 19.07.2012 – IX ZB 188/09 –; vom 13.06.2013 – IX ZB 38/10 –).

Diesen Anspruch gegen den Schuldner muss der Insolvenzverwalter gegebenenfalls im Klageweg verfolgen.
Zuständig für die Entscheidung, ob und in welcher Höhe sich ein Anspruch des Verwalters gegen den Schuldner aus der gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO entsprechenden Anwendung des § 295 Abs. 2 InsO ergibt, ist das Prozessgericht.

Verpflichtet, nach § 35 Abs. 2 Satz 2, § 295 Abs. 2 InsO etwas an die Insolvenzmasse abzuführen, ist der Schuldner nur dann, wenn er tatsächlich einen Gewinn aus der selbständigen Tätigkeit erzielt hat, der den unpfändbaren Betrag bei unselbständiger Tätigkeit übersteigt.
Die Abführungspflicht ist zudem nach dem Maßstab des § 295 Abs. 2 InsO der Höhe nach beschränkt auf den pfändbaren Betrag, den er bei unselbständiger Tätigkeit erzielen würde.

Den Schuldner trifft im laufenden Insolvenzverfahren nach derzeit geltendem Recht nicht die Pflicht, ein abhängiges Dienstverhältnis oder eine selbständige Tätigkeit auszuüben, weil seine Arbeitskraft nicht in die Masse fällt (BGH, Urteil vom 11.05.2006 – IX ZR 247/03 –; Beschluss vom 18.12.2008 – IX ZB 249/07 –; vom 13.06.2013 – IX ZB 38/10 –).
Übt er eine unselbständige Tätigkeit aus, fällt gleichwohl der pfändbare Teil seines Arbeitseinkommens als Neuerwerb gemäß § 35 Abs. 1 InsO in die Masse.
Geht er einer selbständigen Tätigkeit nach, werden alle Einkünfte aus dieser Tätigkeit vom Insolvenzbeschlag erfasst (BGH, Beschluss vom 09.06.2011 – IX ZB 175/10 –).

Ist die selbständige Tätigkeit vom Insolvenzverwalter jedoch gemäß § 35 Abs. 2 InsO freigegeben, besteht gegenüber der Masse lediglich die Abführungspflicht entsprechend § 295 Abs. 2 InsO.
Maßstab für die Höhe der Abführungspflicht ist das nach § 295 Abs. 2 InsO zu bestimmende pfändbare fiktive Nettoeinkommen (BGH, Beschluss vom 13.06.2013 – IX ZB 38/10 –).

Der Schuldner ist dem Insolvenzverwalter gegenüber umfassend auskunftspflichtig hinsichtlich der Umstände, die für die Ermittlung des fiktiven Maßstabs erforderlich sind, aus denen sich die ihm mögliche abhängige Tätigkeit und das anzunehmende fiktive (Netto-)Einkommen ableiten lassen (BGH, Beschluss vom 14.05.2009 – IX ZB 116/08 –; vom 26.02.2013 – IX ZB 165/11 –; vom 13.06.2013 – IX ZB 38/10 –).

Im Prozess hat der Insolvenzverwalter für seine Leistungsanträge die hierfür erforderlichen Voraussetzungen, insbesondere die dem Schuldner mögliche Tätigkeit in abhängiger Stellung, darzulegen und zu beweisen.
Das schließt auch die Frage ein, ob entsprechende Stellen auf dem Arbeitsmarkt verfügbar sind.
Hinsichtlich seiner Qualifikation und Leistungsfähigkeit trifft den Schuldner jedoch im Umfang seiner im Insolvenzverfahren bestehenden Auskunftspflicht eine sekundäre Darlegungslast.

Liegt der tatsächliche Gewinn aus der selbständigen Tätigkeit im fraglichen Zeitraum unterhalb des pfändbaren Betrages bei abhängiger Tätigkeit, besteht, wie dargelegt, keine Abführungspflicht.
Außerhalb des Rechtsstreits ist der Schuldner in diesem Falle hinsichtlich seiner Gewinnermittlung dem Verwalter umfassend auskunftspflichtig (BGH, Beschluss vom 13.06.2013 – IX ZB 38/10 –).
Im Streitverfahren trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast, dass sein Gewinn unterhalb des ermittelten pfändbaren Betrages bei abhängiger Tätigkeit bleibt und er deshalb von der Abführungspflicht entsprechend § 295 Abs. 2 InsO befreit ist.

Darauf hat der IX. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 13.03.2014 – IX ZR 43/12 – hingewiesen.