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Strafrecht – bedingter Tötungsvorsatz – tatrichterliche Feststellung und revisionsrechtliche Überprüfung.

Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit ihm abfindet.
Da die Schuldformen des bedingten Vorsatzes und der bewussten Fahrlässigkeit im Grenzbereich eng beieinander liegen, müssen vor der Annahme bedingten Vorsatzes beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Willens- als auch das Wissenselement, umfassend geprüft und gegebenenfalls durch tatsächliche Feststellungen belegt werden.
Hierzu bedarf es einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalls, in die die objektive Gefährlichkeit der Gewalthandlung, aber auch die konkrete Angriffsweise des Täters, seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung und seine Motive mit einzubeziehen sind.

Überzeugt sich der Tatrichter auf der Grundlage dieser Gesamtbewertung vom Vorliegen des bedingten Tötungsvorsatzes, so hat dies das Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen; denn die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§ 261 Strafprozessordnung (StPO)).
Es obliegt ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind.
Gleichermaßen ist es Sache des Tatrichters, die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen be- und entlastenden Indizien in der Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses zu bewerten.
Ist diese Bewertung nach den dargestellten rechtlichen Maßstäben vertretbar, so kann das Revisionsgericht nicht auf der Grundlage einer abweichenden Beurteilung der Bedeutung einer Indiztatsache in die Überzeugungsbildung des Tatrichters eingreifen. Vielmehr ist die revisionsgerichtliche Überprüfung darauf beschränkt, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 28.05.2013 – 3 StR 78/13 – hingewiesen.
Vergleiche hierzu auch Blog „Strafrecht – Wann liegt bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen bedingter Tötungsvorsatz vor?“ und BGH, Urteil vom 22.03.2012 – 4 StR 558/11 –.

Gegen die Annahme einen bedingten Tötungsvorsatzes können u. a. folgende Umstände sprechen:
Das jugendliche Alter und die Unreife eines Täters, wenn der Täter die Risikofaktoren seines Tuns verkannt hat und er das Opfer nur bestrafen oder dem Opfer nur einen Denkzettel verpassen wollte, wenn der Täter durch Alkohol oder andere Rauschmittel in seiner Erkenntnis- und Einsichtsfähigkeit beeinträchtigt gewesen ist, wenn es sich um eine einmalige Spontantat in einer emotional aufgeladenen (häufig alkoholbedingten enthemmten) Atmosphäre gehandelt oder sich der Täter in einem affektiven Erregungszustand befunden hat.

Für die Annahme einen bedingten Tötungsvorsatzes können u. a. folgende Umstände sprechen:
Wenn ein Täter sein Opfer überrascht und ihm keine Chance zur Verteidigung gelassen hat, wenn er das Opfer bewusst in hochgradige Lebensgefahr gebracht hat, wenn der Täter wusste, dass nur noch ein glücklicher Zufall den Tod des Opfers verhindern kann oder wenn ein Täter nicht nur einmal, sondern wiederholt äußerst gefährliche Gewalthandlungen vorgenommen hat.

 

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Zulässigkeit der Bildberichterstattung über die Teilnahme eines 11 Jahre alten Kindes, dessen Eltern prominente Personen sind, an einer Sportveranstaltung – Anspruch auf Unterlassung einer erneuten Veröffentlichung?

Die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen und ob ein Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1, Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) i.V.m. §§ 22, 23 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (KUG), Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) auf Unterlassung einer erneuten Veröffentlichung von beanstandeten Bildnissen besteht, ist nach der gefestigten Rechtsprechung des 6. Senats des Bundesgerichtshofs nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen, das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben als auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Einklang steht.

Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Hiervon besteht allerdings gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Diese Ausnahme gilt aber nicht für eine Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).

Die Beurteilung, ob Abbildungen Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte i.S.v. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG sind, erfordert eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits.
Der für die Frage, ob es sich um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, maßgebende Begriff des Zeitgeschehens umfasst alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Dazu können neben politischen und gesellschaftlichen Ereignissen auch Sportveranstaltungen gehören, und zwar auch dann, wenn sie nur regionale Bedeutung haben.
Ein Informationsinteresse besteht allerdings nicht schrankenlos, vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt.
Allerdings bedarf es gerade bei unterhaltenden Inhalten in besonderem Maß einer abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen.
Die Belange der Medien sind dabei in einen möglichst schonenden Ausgleich zum Persönlichkeitsschutz des von einer Berichterstattung Betroffenen zu bringen, insbesondere zum Schutz des Kernbereichs der Privatsphäre, der in Form der Gewährleistung des Rechts am eigenen Bild sowie der Garantie der Privatsphäre teilweise auch verfassungsrechtlich fundiert ist.
Für die Abwägung ist von maßgeblicher Bedeutung, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen oder ob sie – ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis – lediglich die Neugier der Leser oder Zuschauer nach privaten Angelegenheiten prominenter Personen befriedigen.
Der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung ist im Gesamtkontext, in den das Personenbildnis gestellt ist, zu ermitteln, insbesondere unter Berücksichtigung der zugehörigen Textberichterstattung.

Bei der Veröffentlichung von Bildern von Kindern ist darüber hinaus anerkannt, dass diese eines besonderen Schutzes bedürfen, weil sie sich zu eigenverantwortlichen Personen erst entwickeln müssen und dass dieses Schutzbedürfnis auch hinsichtlich der Gefahren besteht, die von dem Interesse der Medien und ihrer Nutzer an Abbildungen von Kindern ausgehen, deren Persönlichkeitsentfaltung dadurch empfindlicher gestört werden kann als diejenige von Erwachsenen.
Der Bereich, in dem Kinder sich frei von öffentlicher Beobachtung fühlen und entfalten dürfen, muss deswegen umfassender geschützt sein als derjenige erwachsener Personen. Grundsätzlich fällt auch die spezifisch elterliche Hinwendung zu den Kindern in den Schutzbereich von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Der Schutzgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erfährt dann eine Verstärkung durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG, der den Staat verpflichtet, die Lebensbedingungen des Kindes zu sichern, die für sein gesundes Aufwachsen erforderlich sind und zu denen insbesondere die elterliche Fürsorge gehört. Das Recht jedes Kindes auf Entwicklung zur Persönlichkeit umfasst sowohl die Privatsphäre als auch die kindgemäße Entfaltung in öffentlichen Räumen. Zur Entwicklung der Persönlichkeit gehört es, sich in der Öffentlichkeit angemessen bewegen zu lernen, ohne dadurch das Risiko einer Medienberichterstattung über das eigene Verhalten auszulösen.
Dies gilt auch für Kinder, deren Eltern prominente Personen sind.
Wie sich die Verstärkung des Persönlichkeitsschutzes durch Art. 6 GG im Einzelnen auswirkt, lässt sich aber nicht generell und abstrakt bestimmen.
Zwar kann der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zugunsten spezifischer Eltern-Kind-Beziehungen grundsätzlich auch dann eingreifen, wenn sich Eltern und Kinder in der Öffentlichkeit bewegen. Doch wird es regelmäßig an einem Schutzbedürfnis fehlen, wenn sich Eltern mit ihren Kindern bewusst der Öffentlichkeit zuwenden, etwa gemeinsam an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen oder gar in deren Mittelpunkt stehen; insoweit liefern sie sich den Bedingungen öffentlicher Auftritte aus.
Der erkennende Senat hat deshalb auch in Fällen, in denen es um die Abbildung von Kindern im Rahmen der Presseberichterstattung ging, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem beeinträchtigten Persönlichkeitsrecht und der Meinungs- und Pressefreiheit unter Berücksichtigung des Informationsinteresses nicht für entbehrlich gehalten.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 28.05.2013 – VI ZR 125/12 – hingewiesen.

 

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Vernehmung eines Beschuldigten im Ermittlungsverfahren – Schweige- und Verteidigerkonsultationsrecht sind zu respektieren – Missachtung kann zu Beweisverwertungsverbot führen.

Nach § 136 Abs. 1 S. 2 Strafprozessordnung (StPO) ist ein Beschuldigter zu Beginn seiner Vernehmung über sein Schweigerecht zu belehren und darauf hinzuweisen, dass er jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger befragen kann.
Beide Rechte des Beschuldigten hängen eng zusammen und sichern seine verfahrensmäßige Stellung – als Beteiligter und nicht als Objekt des Verfahrens – in ihren Grundlagen.
Die Verteidigerkonsultation hat dabei insbesondere auch den Zweck, dass sich der Beschuldigte beraten lassen kann, ob er von seinem Schweigerecht Gebrauch machen will oder nicht.
Die Belehrungspflichten des § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO schützen mithin die Selbstbelastungsfreiheit, die im Strafverfahren von überragender Bedeutung ist: Der Grundsatz, dass niemand gezwungen werden darf, sich selbst zu belasten (nemo tenetur se ipsum accusare), zählt zu den Grundprinzipien eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens. Er ist verfassungsrechtlich abgesichert durch die gemäß Art. 1, 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) garantierten Grundrechte auf Achtung der Menschenwürde sowie auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und gehört zum Kernbereich des von Art. 6 Europäische Menschenrechtskonvention (MRK) garantierten Rechts auf ein faires Strafverfahren. Aus diesem Grund wiegt ein Verstoß gegen die Belehrungspflicht schwer.

Einen Verfahrensverstoß stellt es aber auch dar, wenn der Beschuldigte vor seiner ersten Vernehmung zwar nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO belehrt worden ist, ihm die Rechte, die Gegenstand der Belehrung sind, aber verwehrt werden: Entscheidet sich der Beschuldigte, von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen, ist dies von den Ermittlungsbehörden grundsätzlich zu respektieren; stetige Nachfragen ohne zureichenden Grund können das Schweigerecht entwerten.

Gleiches gilt, wenn der Beschuldigte einen Verteidiger zu konsultieren wünscht. Insoweit ist anerkannt, dass die Vernehmung sogleich zu unterbrechen ist, um eine Kontaktaufnahme zu einem Verteidiger zu ermöglichen; der Beschuldigte darf nicht bedrängt werden, weitere Angaben zu machen.

Allerdings kann die Vernehmung auch ohne vorherige Konsultation fortgesetzt werden, wenn der Beschuldigte dem in freier Entscheidung zustimmt, wobei eine solche Zustimmung auch durch schlüssiges Verhalten erklärt werden kann. Dieses kann grundsätzlich etwa darin zu sehen sein, dass sich der Beschuldigte von sich aus spontan zur Sache äußert, obwohl eine Verteidigerkonsultation noch nicht möglich war.
Bei der Prüfung, ob in Spontanäußerungen des Beschuldigten zugleich die eigenverantwortliche und von einem freien Willensentschluss getragene Zustimmung zu einer solchen Fortsetzung der Vernehmung zu sehen ist, muss aber der enge Zusammenhang zwischen dem Schweigerecht und dem Recht auf Verteidigerkonsultation in den Blick genommen werden.

Dient die Ermöglichung der Beratung durch einen Verteidiger gerade dazu, eine sachgerechte Entscheidung des Beschuldigten über den Umgang mit seinem Schweigerecht zu ermöglichen, sind an das Vorliegen einer – noch dazu konkludent erklärten – Zustimmung zur Fortsetzung der Vernehmung hohe Anforderungen zu stellen.
Insoweit ist die bloße Entgegennahme spontaner Äußerungen regelmäßig unbedenklich; diese und die spätere Verwertung solcher Angaben sind auch bei einem nicht über seine Rechte belehrten Beschuldigten zulässig, wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Belehrungspflicht des § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO – und damit letztlich die dadurch geschützten Beschuldigtenrechte – gezielt umgangen werden sollten, um den Betroffenen zu einer Selbstbelastung zu verleiten.

Der hohe Rang der Selbstbelastungsfreiheit gebietet es indes, dass auch Spontanäußerungen – zumal zum Randgeschehen – nicht zum Anlass für sachaufklärende Nachfragen genommen werden, wenn der Beschuldigte nach Belehrung über seine Rechte nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO die Konsultation durch einen benannten Verteidiger begehrt und erklärt, von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen.

Erweist sich das Vorgehen des Ermittlungsbeamten bzw. –richters bei einer Beschuldigtenvernehmung nach diesen Maßgaben als verfahrensfehlerhaft, weil es über die bloße Entgegennahme von Äußerungen des Beschuldigten hinausging und damit einen unzulässigen Eingriff in die Selbstbelastungsfreiheit des Beschuldigten darstellte, führt dies zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich der Angaben des Beschuldigten anlässlich dieser Vernehmung führen.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 27.06.2013 – 3 StR 435/12 – hingewiesen.

 

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Erbrecht – Anfechtung eines Erbvertrages durch den Erblasser – Umfang des Beurkundungserfordernisses – Beweisregel für Begebung der Willenserklärung.

Die Anfechtung des Erbvertrages nach § 2281 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) durch den Erblasser ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, für die § 130 BGB gilt. Sie erfordert neben der Erklärung der Anfechtung deren Abgabe und Zugang.
Geht die abgegebene Erklärung nicht zu, so wird sie nicht wirksam.

Die Abgabe der Willenserklärung ist der entscheidende Moment, auch wenn für das Wirksamwerden der Zugang notwendig ist und die Wirksamkeit erst im Zeitpunkt des Zugangs eintritt.
Abgegeben ist die Erklärung, wenn der Erklärende seinen rechtsgeschäftlichen Willen erkennbar so geäußert hat, dass an der Endgültigkeit der Äußerung kein Zweifel möglich ist.
Bei einer empfangsbedürftigen schriftlichen Willenserklärung muss zu ihrer Wirksamkeit die Begebung hinzukommen, d.h. sie muss mit dem Willen des Erklärenden in den Verkehr gebracht worden sein.

Dem Beurkundungszwang unterliegt nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 2282 Abs. 3 BGB nur die gemäß § 2282 Abs. 1 Satz 1 BGB höchstpersönliche Erklärung der Anfechtung, d.h. die Abgabe der Willenserklärung, nicht hingegen deren Begebung.
Begebung und Zugang von Willenserklärungen sind tatsächliche willensgetragene Vorgänge, auf die sich die mit der Beurkundung verbundenen Zwecke zuverlässige und sachkundige Beratung, eindeutige Feststellung des erklärten Willens, Warnfunktion vor übereilten Entscheidungen nicht erstrecken.

Nach der gesetzlichen Beweisregel des § 416 Zivilprozessordnung (ZPO) begründet eine von dem Aussteller unterschriebene Privaturkunde vollen Beweis dafür, dass die in ihr enthaltenen Erklärungen von dem Aussteller abgegeben worden sind. Der vierte Senat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat die Beweisregel des § 416 ZPO auf die Begebung einer schriftlichen Willenserklärung erstreckt.
Die in § 416 ZPO angeordnete, das Gericht bindende Beweiswirkung hängt nicht von Umständen der Erklärung, ihrer Begebung oder des Zugangs ab, sondern allein von der in den Verkehr gelangten echten Urkunde. Diese Wirkung tritt mit Erfüllung des Tatbestands der Norm des § 416 ZPO ein. Für eine richterliche Überzeugungsbildung ist im Umfang der gesetzlichen Beweisregel kein Raum. Durch Vorlage einer die Anfechtungserklärung enthaltenden notariellen Urkunde ist damit bewiesen, dass die Erklärung vom Erblasser gemäß § 2282 Abs. 1 BGB persönlich abgegeben und
von ihm begeben wurde.

Gegen die Beweiswirkung des § 416 ZPO kann der Beweis angetreten werden, dass die Urkunde nicht willentlich begeben worden ist. Erforderlich dafür ist der Gegenteilsbeweis. Im Anwendungsbereich gesetzlicher Beweisregeln wie § 416 ZPO ist nach § 286 Abs. 2 ZPO die freie Beweiswürdigung ausgeschlossen, sodass Umstände innerhalb und außerhalb der Urkunde diese nicht erschüttern können.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 10.07.2013 – IV ZR 224/12 – hingewiesen.

 

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Gesetzgeber stärkt die Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs.

Mit Gesetz vom 26.06.2013 (StORMG) hat der Bundestag die Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs gestärkt. Die für die Opfer wesentlichsten Neuerungen sind:

Zivilrechtliche Schadensersatzansprüche, die auf der vorsätzlichen Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung beruhen, verjähren gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 1 Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB ) n.F. jetzt erst in 30 Jahren. Diese dreißigjährige Verjährungsfrist gilt für alle am 30.06.2013 bestehenden und noch nicht verjährten Schadensersatzansprüche (§ 31 des Art. 229 Einführungsgesetz BGB ).

Die strafrechtliche Verfolgungsverjährungsfrist (§ 78 Strafgesetzbuch (StGB )) ruht jetzt gemäß § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB bei Straftaten nach §§ 174 (Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen), 174a (Sexueller Missbrauch von Gefangenen), 174 b (Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung einer Amtsstellung), 174c Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses), 176 (Sexueller Missbrauch von Kindern), 176a (Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern), 176b (Sexueller Missbrauch von Kindern mit Todesfolge), 177 (Sexuelle Nötigung; Vergewaltigung), 178 (Sexuelle Nötigung und Vergewaltigung mit Todesfolge), 179 (Sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen) und 225 (Misshandlung von Schutzbefohlenen) sowie nach den §§ 224 (Gefährliche Körperverletzung) und 226 (Schwere Körperverletzung), bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres des Opfers und nicht mehr nur bis zur Vollendung des achtzehnten Lebensjahres.

Ab 01.09.2013 ist gemäß § 397a Abs. 1 Nr. 4 Strafprozessordnung (StPO) n. F. dem Nebenkläger bzw. gemäß § 406g StPO dem nebenklageberechtigten Verletzten auf seinen Antrag auf Staatskosten ein Rechtsanwalt als Beistand (Opferanwalt) zu bestellen, wenn er durch eine rechtswidrige Tat nach den §§ 174 (Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen), 174a (Sexueller Missbrauch von Gefangenen), 174 b (Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung einer Amtsstellung), 174c Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses), 176 (Sexueller Missbrauch von Kindern), 176a (Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern), 176b (Sexueller Missbrauch von Kindern mit Todesfolge), 177 (Sexuelle Nötigung; Vergewaltigung), 178 (Sexuelle Nötigung und Vergewaltigung mit Todesfolge), 179 (Sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen), 180 (Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger), 180a (Ausbeutung von Prostituierten), 181a (Zuhälterei) bis 182 (Sexueller Missbrauch von Jugendlichen) und 225 (Misshandlung von Schutzbefohlenen) verletzt ist und er zur Zeit der Tat das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte oder seine Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen kann.
Bisher bezog sich die Altersgrenze von 18 Jahren auf den Zeitpunkt der Antragstellung und nicht wie nunmehr auf die Zeit der Tat.

Künftig können Opfer gerichtliche Entscheidungen über die Bestellung eines Opferanwalts oder die Gewährung von Prozesskostenhilfe im laufenden Verfahren auch anfechten, was bisher ausgeschlossen war.

§ 69 Abs. 2 StPO in der ab 01.09.2013 geltenden Fassung schreibt jetzt vor, dass Zeugen, die durch die Straftat verletzt sind, bei ihrer Vernehmung zur Sache in der Hauptverhandlung insbesondere Gelegenheit zu geben ist, sich zu den Auswirkungen, die die Tat auf sie hatte, zu äußern.

§ 406d StPO in der ab 01.09.2013 geltenden Fassung wurde dahingehend ergänzt, dass der Verletzte auf seinen Antrag künftig nicht mehr nur über dem Verurteilten gewährte erstmalige Vollzugslockerungen oder Urlaub zu informieren ist, sondern ihm gemäß Nr. 3 dieser Vorschrift n. F. auch mitzuteilen ist, ob dem Verurteilten erneut Vollzugslockerung oder Urlaub gewährt wird, wenn dafür ein berechtigtes Interesse dargelegt oder ersichtlich ist und kein überwiegendes schutzwürdiges Interesse des Verurteilten am Ausschluss der Mitteilung vorliegt.

Um Mehrfachvernehmungen zu vermeiden, sind durch die Neufassung des § 58a Abs. 1 S. 2 StPO sowie eine Ergänzung in § 255a StPO die Möglichkeiten des Einsatzes von Videovernehmungen und durch eine Ergänzung in § 24 Abs. 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) sowie eine Änderung des § 26 GVG die Möglichkeit Anklage beim Landgericht zu erheben, erweitert worden.

Geändert worden sind mit Wirkung ab 01.09.2013 auch die Vorschriften zum Ausschluss der Öffentlichkeit in § 171b GVG, insbesondere auch im Hinblick auf die besonderen Belastungen, die für Kinder und Jugendliche als Zeugen in einer öffentlichen Verhandlung verbunden sind.

 

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Privatversicherungsrecht – Herbeiführung des Versicherungsfalls durch ein eigenes grob fahrlässiges Verhalten – Folgen für den Versicherungsnehmer.

§ 81 Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz ( VVG) berechtigt den Versicherer bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles die Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen.

Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gröblich, in hohem Grade außer Acht lässt, wer nicht beachtet, was unter den gegebenen Umständen jedem einleuchten musste, beispielsweise einfachste Überlegungen nicht angestellt und keine Maßnahmen ergriffen hat, die jedermann einleuchten müssten.
Dabei ist das Verhalten des Versicherungsnehmers in seiner Gesamtheit zu betrachten, so dass das Zusammentreffen von – für sich genommen – tolerierbaren Umständen den qualifizierten Vorwurf begründen kann.
Der Umfang der Leistungsfreiheit bei grober Fahrlässigkeit bestimmt sich nach der Schwere des Verschuldens. Die im Gesetz vorgesehene Quotelung bedeutet, dass die an sich geschuldete Leistung um den Prozentsatz gekürzt werden kann, der für das Maß des Verschuldens auf einer Skala von 0 – 100 zu veranschlagen ist. Sie ist einer der zentralen Punkte der Reform des bisherigen Rechts, das vom „Alles- oder-Nichts“-Prinzip ausging, wenn man einmal die Begrenzung durch das Ausmaß der Kausalität bei Verletzung nach dem Eintritt des Versicherungsfalles zur Erfüllung der Obliegenheiten außer Acht lässt.

Gesichtspunkte der groben Fahrlässigkeit bzw. Kriterien hierfür sind die potenzielle Gefährlichkeit des Verhaltens des Versicherungsnehmers im Hinblick auf die Folgen, deren Eintritt die Obliegenheit verhindern soll; Kriterium kann auch die Dauer der Verletzung sein, sowie ob es sich um eine naheliegende, elementare Verhaltensnorm handelt oder nicht.

Neben dem Grad der objektiv groben Fahrlässigkeit spielt auch das Ausmaß der subjektiven Unentschuldbarkeit eine Rolle, da grobe Fahrlässigkeit auch subjektive Unentschuldbarkeit voraussetzt.

Treffen mehrere Obliegenheitsverletzungen zusammen oder hat der Versicherungsnehmer daneben den Versicherungsfall nach § 81 Abs. 2 VVG herbeigeführt, ist eine einheitliche Quote unter Berücksichtigung aller Verstöße zu bilden.

Wie die Quote zu bilden ist, ist umstritten.
Zum Teil wird vorgeschlagen, die Quote ausschließlich nach dem schwersten Verstoß zu bestimmen, d. h. alle sonstigen Verstöße dahinter zurücktreten zu lassen;
des Weiteren wird vorgeschlagen, die Quote des schwersten Verstoßes in einem angemessenen Maß zu erhöhen oder was auf dasselbe hinauslaufen dürfte, zu einer wertenden Gesamtbetrachtung zu greifen.
Teilweise wird auch eine Addition der einzelnen Quoten erwogen.
Eine andere Ansicht befürwortet ein Stufenmodell. Danach wird bei zwei Obliegenheitsverletzungen, die für sich allein betrachtet jeweils zu einer Kürzung von 50% führen würden, die Quote wie folgt gebildet: Nach der ersten Kürzung um 50% wird von dieser Summe nochmals die Hälfte abgezogen, so dass im Ergebnis dem Versicherungsnehmer 25% verbleiben. Nach diesem Stufenmodell ist aber nur dann vorzugehen, wenn es sich um mehrere Verstöße gegen Vorschriften mit unterschiedlichen Schutzrichtungen handelt, so etwa wenn § 81 Abs. 2 WG mit der Verletzung einer Anzeige oder Aufklärungsobliegenheit zusammentrifft.

Ein Verschulden „Dritter“ wird dem Versicherungsnehmer nur zugerechnet, wenn der „Dritte“ als Repräsentant des Versicherungsnehmers anzusehen ist. Repräsentant ist derjenige, der bei der „Verwaltung des versicherten Risikos in vollem Umfang an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist“, was die alleinige Obhut über die versicherte Sache für eine gewisse Dauer voraussetzt.
Um eine Repräsentantenhaftung zu begründen, dazu reicht beispielsweise im Rahmen einer Kfz-Kaskoversicherung das Überlassen der Obhut an dem Fahrzeug allein noch nicht aus. Gleiches gilt für die Stellung als Ehegatte.

Darauf hat das Landgericht (LG) Hechingen mit Urteil vom 03.12.2012 – 1 O 124/12 – hingewiesen.

 

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Erbrecht – gemeinschaftliches Testament von Ehegatten – Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen auch gegenüber testierunfähig gewordenen Ehegatten noch möglich.

Letztwillige Verfügungen, die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament (§ 2265 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB )) getroffen haben, sind gemäß § 2270 Abs. 1 BGB wechselbezüglich, wenn anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre, wenn also jede der beiden Verfügungen mit Rücksicht auf die andere getroffen worden ist und nach dem Willen der gemeinschaftlich Testierenden die eine mit der anderen Verfügung stehen oder fallen soll.

Der Widerruf gemeinschaftlicher wechselbezüglicher Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament zu Lebzeiten der Ehegatten hat gemäß § 2271 Abs. 1 BGB nach der für den Rücktritt vom Erbvertrag geltenden Vorschrift des § 2296 BGB erfolgen. Dies setzt eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung des Ehegatten gegenüber dem anderen Ehegatten, die der notariellen Beurkundung bedarf und dem anderen Ehegatten zugehen muss (§ 2296 Abs. 2, § 2271 Abs. 1 BGB ), voraus.

Dass der andere Ehegatte zum Zeitpunkt des Widerrufs nicht mehr geschäfts- bzw. testierfähig ist, steht der Wirksamkeit eines Widerrufs nicht entgegen, wenn für ihn ein Betreuer mit dem Aufgabenkreis „Vermögenssorge“ bestellt ist und diesem die Widerrufserklärung als dessen gesetzlicher Vertreter (§ 1902 BGB ) zugeht (§ 131 Abs. 1 BGB ).

Die Bestellung eines Betreuers wenigstens für die Vermögenssorge genügt, weil der Widerruf des gemeinschaftlichen Testaments eine Verfügung von Todes wegen darstellt, die vom Aufgabenkreis der Vermögenssorge umfasst wird, da mit ihr der Übergang des aktiven und passiven Vermögens für den Todesfall geregelt wird.

Da die Entgegennahme einer Widerrufserklärung (ebenso wie eine Rücktrittserklärung) keine rechtsgeschäftliche Handlung ist, kann ein Betreuer von der Entgegennahme auch nicht nach § 181, § 1795 Abs. 1 Nr. 1, § 1908i Abs. 1 BGB ausgeschlossen sein.

Der wirksame Widerruf einer wechselbezüglichen Verfügung eines Ehegatten bewirkt nicht nur nach § 2270 Abs. 1 BGB, dass auch die entsprechenden Verfügungen des anderen Ehegatten unwirksam werden, sondern hat, wenn der andere Ehegatte zu diesem Zeitpunkt (beispielsweise infolge Demenz) testierunfähig ist, zur Folge, dass dieser hierauf nicht mehr mit einer neuen letztwilligen Verfügung reagieren kann.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg mit Beschluss vom 06.06.2013 – 15 W 764/13 – hingewiesen.

 

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Ordnungswidrigkeitenverfahren – Warum ein Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid mitunter wohl überlegt sein sollte.

Verschuldet ein Autofahrer einen harmlosen Unfall, bei dem ein anderer lediglich leicht verletzt wird, kann, wenn die Staatsanwaltschaft das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung wegen der fahrlässiger Körperverletzung nach § 229 Strafgesetzbuch (StGB ) verneint (vgl. §§ 230, 376, 374 Abs. 1 Nr. 4 Strafprozessordnung (StPO ) und sie gegen den Autofahrer keine Anklage wegen fahrlässiger Körperverletzung erhebt, sondern gegen den Autofahrer nur ein Bußgeldbescheid wegen fahrlässig begangenen Verstoßes gegen Vorschriften der Straßenverkehrsordnung erlassen wird, der Autofahrer letztlich doch schnell zum Angeklagten werden.

Hat der bei dem Unfall Verletzte nämlich form- und fristgerecht Strafantrag wegen fahrlässiger Körperverletzung gestellt, wird, wenn der Autofahrer Einspruch gegen den Bußgeldbescheid einlegt und diesen nicht rechtzeitig wieder zurücknimmt, das Bußgeldverfahren in ein Strafverfahren übergeleitet.

Dies erfolgt durch den gerichtlichen Hinweis nach § 81 Abs. 2 S. 1 i. V. m. Abs. 1 S. 2 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG), dass auch eine Verurteilung „auf Grund eines Strafgesetzes“ in Betracht komme. Mit diesem gerichtlichen Hinweis wird das Bußgeldverfahren endgültig, d.h. unanfechtbar und unwiderruflich in das Strafverfahren übergleitet; zugleich erhält der (bislang) „Betroffene“ gemäß § 81 Abs. 2 Satz 2 OWiG „die Rechtsstellung des Angeklagten“.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg mit Beschluss vom 24.06.2013 – 3 Ss OWi 824/13 – hingewiesen.

Die Überleitung in das Strafverfahren hat für den Autofahrer die nachteiligen Folgen, dass er seinen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid nicht mehr zurücknehmen kann (Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 08.07.1980 – 5 StR 686/79 –) und er, im Falle eines Schuldspruchs mit der Verhängung einer Strafe wegen fahrlässiger Körperverletzung rechnen muss.

 

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Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 Zivilprozessordnung (ZPO).

Eine Partei darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass im Bundesgebiet werktags aufgegebene Postsendungen am folgenden Werktag ausgeliefert werden. Geht eine Sendung verloren oder wird sie verspätet ausgeliefert, darf dies der Partei nicht als Verschulden angerechnet werden. Weitere Vorkehrungen muss die Partei nicht ergreifen. Insbesondere ist sie nicht gehalten, Schriftsätze zusätzlich zu der rechtzeitigen Aufgabe zur Post auch per Telefax an das Gericht zu übersenden.

Im Rahmen eines Antrags auf Wiedereinsetzung muss die Partei gemäß § 236 Abs. 2 S. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen vortragen und glaubhaft machen. Hierzu gehört eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe, aus denen sich ergibt, auf welchen konkreten Umständen die Fristversäumnis beruht. Alle Tatsachen, die für die Wiedereinsetzung von Bedeutung sein können, müssen grundsätzlich innerhalb der Antragsfrist vorgetragen werden (§ 234 Abs. 1, § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Nur erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben kann und muss das Gericht auch nach Fristablauf gemäß § 139 ZPO aufklären.

Glaubhaft gemacht ist eine Behauptung schon dann, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sie zutrifft

Den Verlust eines Schriftstücks auf dem Postweg kann eine Partei nicht anders glaubhaft machen als durch die Glaubhaftmachung der rechtzeitigen Aufgabe zur Post.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 19.06.2013 – V ZB 226/12 – hingewiesen.

 

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Wohnungseigentumsgesetz (WEG) – Beschluss über den Einbau und den Betrieb einer Videoanlage zur Überwachung des Eingangsbereichs der Wohnanlage?

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Herstellung von Filmaufzeichnungen einer Person mit einer Videokamera, auch in der Öffentlichkeit zugänglichen Bereichen, etwa auf einem öffentlichen Weg, einen unzulässigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen darstellen, selbst wenn keine Verbreitungsabsicht besteht. Ob ein derartiger rechtswidriger Eingriff anzunehmen ist, ergeben eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und eine die (verfassungs-)rechtlich geschützten Positionen der Beteiligten berücksichtigende Güter- und Interessenabwägung.

Da der Einzelne grundsätzlich selbst entscheiden darf, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden und wann und unter welchen Voraussetzungen seine persönlichen Daten preisgegeben und verwendet werden sollen, muss bei der Installation von Anlagen der Videoüberwachung auf einem Privatgrundstück sichergestellt sein, dass weder der angrenzende öffentliche Bereich noch benachbarte Privatgrundstücke oder der gemeinsame Zugang zu diesen von den Kameras erfasst werden, sofern nicht ein das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen überwiegendes Interesse des Betreibers der Anlage im Rahmen der Abwägung bejaht werden kann.

Diese Rechtsprechung hat der 5. Senat des Bundesgerichtshofs (BGH) auf das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander übertragen. 
Danach darf der Wohnungseigentümer sein Sondereigentum überwachen, wenn sich die Überwachung hierauf beschränkt und benachbartes Sondereigentum oder öffentliche Flächen nicht erfasst. 
Sollen unter der Regie und Aufsicht der Gemeinschaft Teile des Gemeinschaftseigentums mittels einer Videoanlage überwacht und das Geschehen aufgezeichnet werden, ist eine solche Videoüberwachung zulässig,

  • wenn das Überwachungsinteresse der Gemeinschaft das Interesse des einzelnen Wohnungseigentümers und von Dritten, deren Verhalten mitüberwacht wird, überwiegt und
  • wenn die Ausgestaltung der Überwachung unter Berücksichtigung von § 6 b Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) inhaltlich und formell dem Schutzbedürfnis des Einzelnen ausreichend Rechnung trägt.

Da die Videoüberwachung von Teilen des Gemeinschaftseigentums in erster Linie eine Maßnahme zur Verwaltung des Gemeinschaftseigentums ist, nämlich zum Schutz der Wohnanlage und ihrer Bewohner, muss

  • die Überwachung nach § 21 Abs. 4 WEG den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen und
  • der Einbau der entsprechenden technischen Anlagen als bauliche Maßnahme die für solche Maßnahmen geltenden Anforderungen des § 22 Abs. 1 WEG erfüllen.

Der Einbau einer Videoüberwachungsanlage ist danach nur zulässig, wenn alle Wohnungseigentümer zustimmen, die von dieser baulichen Maßnahme über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden. 
Bei der Prüfung, ob eine solche Beeinträchtigung vorliegt, ist einerseits zu berücksichtigen, dass die technischen Anlagen zur Videoüberwachung keinem eigenständigen baulichen oder ästhetischen Zweck dienen, sondern allein der Überwachung. Eine über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinausgehende Beeinträchtigung liegt deshalb vor, wenn die Überwachung selbst dem Maßstab ordnungsmäßiger Verwaltung und in diesem Rahmen den Vorgaben des § 6b BDSG nicht entspricht.
Daraus folgt aber nicht, dass eine solche Beeinträchtigung stets fehlt, wenn die Überwachung an sich den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht und mehrheitlich beschlossen werden kann. Denn der Einbau der für die Videoüberwachung vorgesehenen technischen Anlagen kann – unabhängig von der mit ihm ermöglichten Videoüberwachung – als bauliche Maßnahme Nachteile haben, die über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinausgehen und dazu führen, dass ihm alle Wohnungseigentümer zustimmen müssen. Diese können nämlich auch in einer erheblichen optischen Veränderung des Gebäudes bestehen. Dann scheitert eine an sich zulässige Videoüberwachung an den optisch-baulichen Wirkungen der vorgesehenen Geräte, wenn nicht alle Wohnungseigentümer zustimmen.

Eine angestrebte Überwachung entspricht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung,

  • wenn sie die für eine Überwachung bestehenden gesetzlichen Vorgaben einhält und
  • wenn sie nicht nur dem Interesse der Mehrheit an der Effizienz der Verwaltung entspricht, sondern auch dem mit § 14 Nr. 1 WEG einfachrechtlich und durch Art. 2 Grundgesetz (GG) auch verfassungsrechtlich geschützten Interesse des einzelnen Wohnungseigentümers und betroffener Dritter an dem Schutz ihrer Privatsphäre Rechnung trägt.

Das gilt auch dann, wenn die Wohnungseigentümer die Videoüberwachung einstimmig beschließen. Denn von einem solchen Beschluss werden nicht nur die gegenwärtigen Wohnungseigentümer, sondern nach § 10 Abs. 4 Satz 1 WEG auch ihre Rechtsnachfolger und an der Beschlussfassung nicht beteiligte Personen betroffen, die sich als Besucher, Lieferanten usw. in der Anlage aufhalten.

Für den Betrieb einer Videoüberwachung müssen deshalb das Gemeinschaftsinteresse an der Überwachung mit den Interessen des einzelnen Wohnungseigentümers und mitbetroffener Dritter gegeneinander abgewogen werden. Die dabei zu beachtenden Vorgaben sind durch § 6 b BDSG gesetzlich festgelegt, wenn öffentlich zugängliche Teile des Gemeinschaftseigentums überwacht werden sollen. Dazu kann zum Beispiel der Eingangsbereich einer Wohnanlage gehören.

Die Wertungen dieser Vorschrift sind aber auch dann zu beachten, wenn sie nicht unmittelbar einschlägig ist. 
Auf sie hat der fünfte Senat des Bundesgerichtshofs schon für die Bestimmung des im Zusammenhang mit der baulichen Veränderung des Gemeinschaftseigentums festzustellenden Nachteils des einzelnen Wohnungseigentümers zurückgegriffen.
Für die Interessenabwägung bei dem Beschluss über die Einführung und den Betrieb einer Videoüberwachung gilt nichts anderes. 
Der einzelne Wohnungseigentümer, der mit einer Überwachung nicht einverstanden ist, müsste sich, wenn die Videoüberwachung mehrheitlich beschlossen werden kann, der Mehrheit beugen. Das kann ihm – bei dem hier in Rede stehenden Eingriff in seine Privatsphäre – nur zugemutet werden, wenn seine Interessen angemessen berücksichtigt werden. Die dabei zu beachtenden Gesichtspunkte beschreibt § 6 b BDSG in einer auch für die Wohnungseigentümergemeinschaft sachgerechten Weise.

In Anlehnung an § 6 b BDSG ist die Videoüberwachung in einer Wohnungseigentumsanlage unter der Regie und Aufsicht der Gemeinschaft mit einer Aufzeichnung des Geschehens zulässig, wenn ein berechtigtes – konkret und verbindlich festzulegendes – Gemeinschaftsinteresse das Interesse des Einzelnen überwiegt. Das kann etwa der Fall sein, wenn die Gemeinschaft Straftaten gegen das Gemeinschaftseigentum und gegen die Bewohner der Anlage abwehren möchte. Nicht zulässig wäre dagegen eine Videoüberwachung, die allein dazu diente, die Durchsetzung von Ansprüchen gegen einzelne Wohnungseigentümer nach § 15 Abs. 3 WEG wegen einer von § 14 Nr. 1 WEG nicht gedeckten Nutzung ihrer Wohnungen zu erleichtern.

Auch wenn die Gemeinschaft einen Zweck verfolgt, der eine Videoüberwachung an sich rechtfertigt, berechtigt sie dieser Zweck nicht dazu, die Videoüberwachung in beliebigem Umfang und zu beliebigen Bedingungen durchzuführen. Vielmehr muss auch dann der Umfang auf das Notwendige beschränkt werden. So kann eine Überwachung des Eingangsbereichs zur Vermeidung von Straftaten zulässig sein, eine Überwachung des gesamten Treppenhauses einschließlich der Wohnungstüren aber nicht.
Entsprechende Beschränkungen gelten für den Umfang der Aufzeichnungen, die Dauer ihrer Aufbewahrung und den Zugriff hierauf. So kann in dem erwähnten Beispiel einer Überwachung des Eingangsbereichs eine Aufzeichnung mit Zugriff nur für Strafverfolgungsbehörden zulässig sein, eine Überwachung mit Zugriff auch der einzelnen Wohnungseigentümer auf die Aufzeichnungen dagegen nicht. 
Schließlich müssen die Regeln für den Betrieb der Überwachung durch Beschluss der Wohnungseigentümer verbindlich festgelegt werden, damit der Umfang der Überwachung und ihre Bedingungen für jeden transparent und jederzeit verifizierbar sind.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 24.05.2013 – V ZR 220/12 – hingewiesen, das sich ausführlich auch mit der Thematik beschäftigt, unter welchen Voraussetzungen, nach einem bestandskräftigen Beschluss über den Einbau und den Betrieb einer Videoanlage, von einem Wohnungseigentümer die Stilllegung der Anlage verlangen werden kann.

 

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