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Erbrecht – Wer erbt, wenn der testamentarisch eingesetzte Alleinerbin vorverstorben ist?

Wird bei der Testamentseröffnung festgestellt, dass der Erblasser eine Person zum Alleinerben eingesetzt hat, die zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits vorverstorben war, ist, wenn sich im Testament über die Erbeinsetzung hinaus keine Anhaltspunkte für eine Ersatzerbeneinsetzung finden, zu unterscheiden:

  • Handelt es sich bei dem von dem Erblasser Bedachten um einen Abkömmling von ihm oder um eine mit dem Erblasser nahe verwandte oder verschwägerte Person, ist gemäß § 2069 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) nach dem Willen des Gesetzgebers im Zweifel schon die bloße Einsetzung des Bedachten zugleich als Ausdruck der Ersatzberufung seiner Abkömmlinge zu werten.
  • In allen anderen Fällen kann dagegen die bloße Einsetzung des Bedachten noch nicht zugleich als hinreichender Ausdruck der Ersatzberufung seiner Abkömmlinge oder des Ehegatten gewürdigt werden.

Denn nur in den zuerst genannten Fällen liegt die Möglichkeit nahe, dass der Erblasser die Zuwendung nicht nur der von ihm bezeichneten Person hat machen, sondern diese Person lediglich als die erste ihres Stammes hat einsetzen wollen. Davon unterscheidet sich die Sachlage erheblich, wenn der im Testament Bedachte weder ein Abkömmling, noch sonst durch enge Verwandtschaft, Schwägerschaft oder die Ehe mit dem Erblasser verbunden ist. Ist in einem solchen Fall aus dem Gesamtbild des Testaments selbst keine Willensrichtung des Erblassers erkennbar, die in Richtung einer bestimmten Ersatzerbenberufung geht, ist, nachdem durch eine ergänzende Testamentsauslegung kein Wille in das Testament hineingetragen werden darf, der darin nicht andeutungsweise ausgedrückt ist, anzunehmen, dass der Erblasser den Bedachten nicht lediglich als den ersten seines Stammes, sondern um der engen persönlichen Beziehungen Willen als Erben eingesetzt hat.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) München mit Beschluss vom 19.12.2012 – 31 Wx 372/12 – entschieden.

 

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Ordnungswidrigkeitenverfahren – Korrekte Einstellung einer Parkscheibe.

Ist die Benutzung einer Parkscheibe in einem Bereich, nur für einen bestimmten Zeitraum vorgeschrieben und das Parken außerhalb dieses Zeitraums unbeschränkt erlaubt, muss ein Fahrzeugführer, der seinen Pkw dort, vor Beginn der parkscheibenpflichtigen Zeit abstellt und über deren Beginn hinaus stehen lassen will, die Parkscheibe auf den Zeitpunkt einstellen, zu dem die Parkbeschränkung beginnt.

Darauf, dass diese Auslegung des § 13 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StVO nicht willkürlich ist und sowohl in der Rechtsprechung, als auch in der Literatur, herrschende Meinung ist, hat der Thüringer Verfassungsgerichtshof (ThürVerfGH) mit Beschluss vom 12.07.2012 – VerfGH 16/10 – hingewiesen.

Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) hat hierzu bereits mit Beschluss vom 10.05.1977 – 2 Ob OWi 61/77 – ausgeführt:

„§ 13 Abs 2 Satz 1 Nr 2 StVO besagt zwar nach dem Gesetzeswortlaut, dass der Zeiger der Scheibe auf den Strich der halben Stunde einzustellen ist, „die dem Zeitpunkt des Anhaltens folgt“. Wird aber das Kraftfahrzeug schon vor dem Beginn der parkscheibenpflichtigen Kurzparkzeit angehalten und über diesen hinaus auf dem Parkplatz belassen, dann darf die vorgenannte Vorschrift nicht wörtlich genommen werden. Sie muss vielmehr sinngemäß dahin verstanden werden, dass der Zeiger auf den Strich der halben Stunde nach dem Beginn der Parkbeschränkung einzustellen ist.“

 

Ist das Parken daher nur während einer bestimmten Zeitspanne parkscheibenpflichtig, im Übrigen aber allgemein erlaubt, dann ist für ein Parken außerhalb der Zeitspanne beschränkter Parkerlaubnis der Gebrauch einer Parkscheibe nicht erforderlich. Wird trotzdem eine Parkscheibe ausgelegt, dann ist dies ohne rechtliche Bedeutung. Die ausgelegte Scheibe entfaltet ihren Bestimmungszweck erst mit dem Zeitpunkt, von dem ab ihre Benutzung vorgeschrieben ist. Erst mit diesem Zeitpunkt entsteht das Bedürfnis, die Überwachung der Einhaltung der Parkbeschränkung zu ermöglichen. Hieraus folgt, dass die Parkscheibe nicht erkennen lassen muss, wann das Fahrzeug tatsächlich abgestellt worden ist, sondern ab wann dessen Fahrer von der zeitlich beschränkten Parkerlaubnis Gebrauch machen will. Die zweckgerichtete Auslegung des § 13 Abs. 2 StVO führt daher zu dem Ergebnis, dass derjenige, der sein Fahrzeug vor Beginn der Kurzparkzeit anhält und es über diesen hinaus stehenlassen will, den Zeiger (zumindest) auf denjenigen „Strich der halben Stunde“ einstellen muss, der auf den Beginn der Parkbeschränkung folgt.

 

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Erbrecht – Gemeinschaftliches Testament von Ehegatten mit gegenseitiger Erbeinsetzung und sogenannter Pflichtteilsstrafklausel.

Haben sich Ehegatten in einem gemeinschaftlichen eigenhändigen Testament (§§ 2269 Abs. 1, 2267 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB )) oder einem notariellen Erbvertrag (§§ 2274 ff BGB ) zu Alleinerben und die gemeinsamen Abkömmlinge zu Schlusserben eingesetzt und bestimmt, dass ein Abkömmling bei Geltendmachung des Pflichtteils nach dem Erstversterbenden auch nach dem Letztversterbenden nur den Pflichtteil erhalten soll, steht die Erbeinsetzung der gemeinsamen Abkömmlinge unter der (auflösenden) Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB ), dass diese nach dem Tod des erstverstorbenen Elternteils keine Pflichtteilsansprüche gegen den anderen Elternteil geltend gemacht haben.
Denn eine solche Anordnung ist als „Strafklausel“ dahin auszulegen, dass das sanktionierte Verhalten beim Tod des erstversterbenden Elternteils den Verlust des Erbrechts beim Tod des überlebenden Elternteils bewirkt.
Die Abkömmlinge sind Schlusserben nur unter der Bedingung, dass sie das sanktionierte Verhalten unterlassen haben, wobei die Strafklausel in der Regel unter § 2075 BGB fällt. Damit ist die Tatsache des Nichtverlangens des Pflichtteils nach dem erstverstorbenen Elternteil Wirksamkeitsvoraussetzung für die Erbeinsetzung.

Darauf und auf die Möglichkeit, nach dem Tod des Letztversterbenden, bei Beantragung der Berichtigung des Grundbuchs nach Erbfolge (§§ 13, 22 Grundbuchordnung (GBO)), die Erbeinsetzung nicht nur durch Erbschein (§ 35 Abs. 1 GBO), sondern auch durch Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nachzuweisen, hat das Oberlandesgericht (OLG) München mit Beschluss vom 11.12.2012 – 34 Wx 433/12 – hingewiesen.

 

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Erbrecht – Grenzen der Schreibhilfe eines Dritten bei Errichten eines privatschriftlichen Testaments.

Ein privatschriftliches Testament ist nur wirksam, wenn es eigenhändig geschrieben und unterschrieben ist (§ 2247 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB )).
Ist einem Erblasser, aufgrund seines geschwächten Zustandes, bei der Fertigung des Testaments Schreibhilfe gewährt werden, ist das Testament nur gültig, wenn die Grenze der zulässigen Schreibhilfe nicht überschritten worden ist.

Eigenhändigkeit setzt zwingend voraus, dass der Erblasser die Niederschrift selbst angefertigt hat. Durch Dritte hergestellte Niederschriften sind immer unwirksam, selbst wenn sie in Anwesenheit des Erblassers nach dessen Willen und Weisungen angefertigt und vom Erblasser eigenhändig unterschrieben worden sind. Die zwingende Eigenhändigkeit kann nicht dadurch ersetzt werden, dass der Erblasser sich eines Dritten als Werkzeug bedient oder diesen ermächtigt, die letztwillige Verfügung niederzuschreiben.
Eigenhändigkeit ist nicht gegeben, wenn dem Erblasser die Hand geführt wird und dadurch die Schriftzüge von einem Dritten geformt werden. Daher gilt nicht als vom Erblasser „eigenhändig“ geschrieben, was er unter der Herrschaft und Leitung eines anderen abgefasst hat; folgt er lediglich einem fremden Willen, so liegt Eigenhändigkeit nicht vor. Er muss die Gestaltung der Schriftzüge selbst bestimmen.
Zulässig ist dagegen eine unterstützende Schreibhilfe (Abstützen des Armes, Halten der zitternden oder geschwächten Hand), solange der Erblasser die Formung der Schriftzeichen vom eigenen Willen getragen selbst bestimmt.
Die Niederschrift und die Unterschrift müssen vom Willen des Erblassers abhängen; sie dürfen nicht von einem anderen durch Führen der Hand des Testierenden ohne dessen Willen hergestellt werden.
Wenn es sich um eine zulässige Unterstützung handelt, bleibt es ohne Bedeutung, ob der Erblasser seine gewöhnlichen Schriftzüge zustande bringt oder seine Unterschrift lesbar ist. Kann der Erblasser bei der Abfassung des Testamentes überhaupt nicht mehr aktiv mitwirken, ist er nicht mehr schreibfähig. Von einer Eigenhändigkeit kann in einem solchen Fall nicht mehr die Rede sein.

Bleibt unklar, ob die Schreibleistung des Erblassers ohne relevante Fremdeinwirkung war, geht dies zu Lasten desjenigen, der sein Erbrecht auf dieses Testament stützt. Denn dieser trägt die materielle Feststellungslast für die Einhaltung der gesetzlichen Form bei der Errichtung des privatschriftlichen Testaments.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm mit Beschluss vom 11.09.2001 – 15 W 224/01 – sowie Beschluss vom 02.10.2012 – 15 W 231/12 – hingewiesen.

 

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Strafverfahrensrecht – Wann kann das Gericht nach § 46 a Strafgesetzbuch (StGB) von Strafe absehen?

Das Gericht kann eine Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen, wenn der Täter

  • in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
  • in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt hat.

§ 46 a Nr. 1 StGB, der sich vor allem auf den Ausgleich von immateriellen Folgen einer Straftat bezieht, aber auch bei Vermögensdelikten in Betracht kommt, setzt voraus, dass ein kommunikativer Prozess zwischen Täter und Opfer stattgefunden hat, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein muss. Das Verhalten des Täters muss Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein, die erfolgten Leistungen des Täters müssen nach einem objektivierenden Maßstab als so erheblich anzusehen sein, dass damit das Unrecht der Tat als ausgeglichen erachtet werden kann.

§ 46 a Nr. 2 StGB setzt voraus, dass der Täter das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt und dies erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat. Auch hier müssen die Leistungen Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein. Insoweit genügt nach allgemeiner Auffassung die reine Schadenswiedergutmachung im Sinne einer rein rechnerischen Kompensation nicht, da die Vorschrift des § 46 a Nr. 2 StGB nicht als Instrument zur einseitigen Privilegierung reuiger Täter („Freikauf“) missverstanden werden darf.

Liegen die Voraussetzungen nach § 46 a Nr. 1 oder Nr. 2 StGB vor, muss das Gericht erst noch im Rahmen einer Gesamtbewertung darüber befinden, ob der Strafrahmen nach § 49 Abs. 1 StGB zu mildern ist.
Nur wenn dies der Fall ist, ist eine weitere Prüfung im Hinblick auf ein Absehen von Strafe veranlasst. Hierzu muss zunächst in einem weiteren Schritt eine (fiktive) Strafzumessung zur Bestimmung einer konkret verwirkten Strafe durchgeführt werden. Liegt diese unter 1 Jahr Freiheitsstrafe bzw. 360 Tagessätzen Geldstrafe, so kann in einem letzten Schritt entschieden werden, ob von Strafe abgesehen werden soll.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) mit Urteil vom 04.12.2012 – 2 Ss 101/12 – hingewiesen.

 

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Strafrecht – Mordmerkmal Heimtücke.

Mörder ist nach § 211 Abs. 2 Strafgesetzbuch (StGB ), wer vorsätzlich

  • aus Mordlust,
  • zur Befriedigung des Geschlechtstriebs,
  • aus Habgier oder
  • sonst aus niedrigen Beweggründen,
     
  • heimtückisch oder
  • grausam oder
  • mit gemeingefährlichen Mitteln oder
  • um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,

einen Menschen tötet.

Totschläger ist nach § 212 Abs. 1 StGB, wer vorsätzlich einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, d. h. also nicht aus Mordlust, nicht zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, nicht aus Habgier, nicht sonst aus niedrigen Beweggründen, nicht heimtückisch, nicht grausam, nicht mit gemeingefährlichen Mitteln und auch nicht um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken handelt.

Wann handelt ein Täter heimtückisch?
Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg-und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzt; wesentlich ist, dass der Mörder sein keinen Angriff erwartendes, mithin argloses Opfer in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren, wobei für die Beurteilung die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs maßgebend ist.

Arg- und Wehrlosigkeit können aber auch dann gegeben sein, wenn der Tat eine feindselige Auseinandersetzung vorausgeht, das Opfer aber gleichwohl nicht mit einer Tätlichkeit rechnet.
Voraussetzung heimtückischer Begehungsweise ist weiter, dass der Täter die von ihm erkannte Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tatbegehung ausnutzt. Dafür genügt es, wenn er die die Heimtücke begründenden Umstände nicht nur in einer äußerlichen Weise wahrgenommen, sondern in dem Sinne in ihrer Bedeutung für die Tatbegehung erfasst hat, dass ihm bewusst geworden ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber dem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 11.12.2012 – 5 StR 438/12 – hingewiesen.

 

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Wenn das Eigentum Dritter von in einer städtischen Kindertagesstätte untergebrachten Kindern beschädigt wird – Haftung der Stadt nach Amtshaftungsgrundsätzen.

Spielt beispielsweise eine Kindergruppe einer städtischen Tagesstätte im Freigelände und wirft eines der Kinder, das sich von der Gruppe entfernt hat, Kieselsteine auf ein in der Nähe parkendes Auto, haftet die Stadt, als Träger der Tagesstätte, gemäß § 839 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) i. V. m. Art. 34 Grundgesetz (GG) für den an dem Auto entstandenen Schaden, wenn eine für den Schaden ursächliche Aufsichtspflichtverletzung der Erzieherinnen der Kindertagesstätte vorliegt.

Die Haftung der Stadt beurteilt sich in diesem Fall nach Amtshaftungsgrundsätzen, da die Erzieherinnen einer in öffentlicher Trägerschaft stehenden Kindertagesstätte in Ausübung eines öffentlichen Amtes tätig sind.
Für Umfang und Inhalt der den Erzieherinnen der Tagesstätte – auch zum Schutz Dritter – obliegenden Aufsichtspflichten sind maßgeblich dabei stets die Umstände des Einzelfalls, insbesondere Alter, Eigenart und Charakter der Aufsichtsbedürftigen, das örtliche Umfeld, das Ausmaß der drohenden Gefahren, die Voraussehbarkeit des schädigenden Verhaltens sowie die Zumutbarkeit der Aufsichtsmaßnahme für den Aufsichtspflichtigen.
Erscheint es beispielsweise aufgrund der Lage des Außengeländes der Tagesstätte und der konkreten Tätigkeit der Kinder dieser Gruppe nicht ausgeschlossen, dass die Kinder selbst oder Dritte in Folge kindlichen Spiels und gruppendynamischer Prozesse gefährdet werden können, sind die Kinder von der Aufsichtsperson zwar nicht „auf Schritt und Tritt“, aber doch in kurzen Abständen regelmäßig zu kontrollieren.

Bleibt ungeklärt, welche Kontrollmaßnahmen in welchen zeitlichen Abständen die für die Kinderbetreuung verantwortlichen Erzieherinnen ergriffen haben oder bestehen zumindest Restzweifel, ob und inwieweit die für die Kinderbetreuung verantwortlichen Erzieherinnen ihrer Aufsichtspflicht nachgekommen sind oder kann nicht festgestellt werden, ob eine – unterstellte – Aufsichtspflichtverletzung ursächlich für den Schaden war, findet die in § 832 BGB bestimmte Beweislastregelung, auch im Rahmen der Amtshaftung, Anwendung. Das bedeutet, weil nach dieser Vorschrift eine Aufsichtspflichtverletzung der Erzieherinnen vermutet wird, es der Stadt obliegt, den Entlastungsbeweis nach § 832 Abs. 1 S. 2 BGB zu erbringen.

Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 13.12.2012 – III ZR 226/12 – entschieden und damit seine frühere Rechtsprechung aufgegeben.

In dieser Entscheidung hat der BGH u. a. auf Folgendes hingewiesen:
Die den Bediensteten einer Kindertagesstätte obliegende Aufsichtspflicht über die ihnen anvertrauten Kinder ist, soweit sie der Vermeidung von Schäden Dritter dient, eine besondere Ausprägung der Verkehrssicherungspflichten, wie sie allgemein von der Grundnorm des § 823 BGB erfasst werden. Im Bereich der privatrechtlichen Haftung ist sie in § 832 BGB geregelt, der im Rahmen der §§ 823 ff BGB einen eigenständigen Haftungstatbestand bildet. Zwar ist für eine unmittelbare Anwendung der deliktischen Haftungstatbestände der §§ 823 ff BGB im Fall von Amtspflichtverletzungen grundsätzlich kein Raum, weil § 839 BGB insofern einen Sondertatbestand darstellt. Dies bedeutet indes nicht, dass die besonderen Beweislastregeln der §§ 832, 833 S. 2 und § 836 BGB im Rahmen der Amtshaftung keine Anwendung finden können. Verdrängt werden durch den Sondertatbestande des § 839 BGB lediglich die Haftungstatbestände der §§ 823 ff BGB als solche, nicht hingegen die in ihnen enthaltenen besonderen Beweislastregeln.

 

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Strafverfahren – Voraussetzung für Pflichtverteidigerbestellung wegen der Schwere der Tat.

Nach § 140 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) bestellt der Vorsitzende einen Verteidiger, wenn

  • wegen der Schwere der Tat oder der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder
  • ein Beschuldigter sich nicht selbst verteidigen kann.

Bei der Frage, ob die Schwere der Tat die Mitwirkung eines Verteidigers als geboten erscheinen lässt, ist im Ausgangspunkt auf die – im Falle einer Verurteilung – zu erwartende Rechtsfolgenentscheidung abzustellen. Bei einer Straferwartung von mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe ist dabei stets die Schwere der Tat anzunehmen, auch wenn die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird.

Besteht im konkreten Verfahren eine Straferwartung von lediglich unter einem Jahr, sind daneben auch sonstige schwerwiegende Nachteile zu berücksichtigen, die ein Beschuldigter in Folge einer Verurteilung zu gewärtigen hat. So kann eine Tat auch dann im Einzelfall als schwer angesehen werden, wenn aufgrund der Verurteilung mit einem Bewährungswiderruf in anderer Sache zu rechnen ist und die zu erwartende Strafe für die nunmehr abzuurteilende Tat unter Hinzurechnung der zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe ein Jahr übersteigt.

Darauf hat das Landgericht (LG) Magdeburg mit Beschluss vom 12.12.2012 – 21 Qs 94/12 – hingewiesen.

 

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Ordnungswidrigkeitenverfahren – Probleme bei Abstandsverstößen.

Das von der Polizei in Bayern zur Abstandsmessung eingesetzte sog. Brücken-Abstandsmessverfahren (VAMA) erfüllt alle Kriterien für die Einordnung als standardisiertes Messverfahren.
Als „standardisiert“ ist damit nicht nur der mit Hilfe der Messanlage erfolgende Messvorgang selbst, sondern auch die anschließende, regelmäßig auf einer Dienststelle der Polizei stattfindende Auswertung der Messaufnahmen zu qualifizieren. Denn die Art und Weise der Auswertung, insbesondere die Berücksichtigung der Toleranzen ist Bestandteil der Innerstaatlichen Bauartzulassung der PTB. Unerheblich ist hierbei, ob diese Auswertung automatisiert unter Verwendung eines Software-Programms oder konventionell von Tabellen oder auf sonstige Weise stattfindet.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg mit Beschluss vom 12.12.2012 – 3 Ss OWi 450/12 – hingewiesen.

Wendet sich ein Betroffener mit der Rechtsbeschwerde gegen seine Verurteilung wegen fahrlässigen oder vorsätzlichen Nichteinhaltens des erforderlichen Abstandes zu einem vorausfahrenden Fahrzeug nach §§ 4 Abs. 1, 49 Abs. 1 Nr. 4 oder §§ 4 Abs. 3, 49 Abs. 1 Nr. 4 Straßenverkehrsordnung (StVO) und wird von ihm keine Verfahrens-, sondern ausschließlich die Sachrüge erhoben, reicht zum Nachweis der in der Sachverhaltsschilderung wiedergegebenen Geschwindigkeits- und Abstandswerte, im Rahmen der Beweiswürdigung die Feststellung des Richters aus, dass die Messwerte mit Hilfe des Brücken-Abstandsmessverfahrens (VAMA) ermittelt und die zu Gunsten des Betroffenen vorzunehmenden Toleranzen in Abzug gebracht worden sind.
Der Wert der von der Innerstaatlichen Bauartzulassung der PTB geforderten systemimmanenten Toleranzen ist damit hinreichend dargetan und auch der Wiedergabe der Zeitwerte, die auf den in der Regel in den Akten befindlichen Videoprints eingeblendet sind, bedarf es nicht mehr.

 

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Prozesskostenhilfe – Maßgeblicher Zeitpunkt der Erfolgsprüfung.

Einer Partei steht Prozesskostenhilfe zu, wenn

  • die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in dem für die Erfolgsprüfung maßgeblichen Zeitpunkt weder mutwillig noch ohne hinreichende Aussicht auf Erfolg erscheint und
  • auch die von § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) geforderten wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe erfüllt sind.

Maßgeblicher Zeitpunkt der Erfolgsprüfung ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs.
Entscheidungsreife ist regelmäßig anzunehmen, wenn

  • die vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen durch den Antragsteller vorgelegt worden sind und
  • der Gegner Gelegenheit gehabt hat, sich innerhalb einer angemessenen Frist zu äußern.

Die Sach- und Rechtslage zu diesem Zeitpunkt ist demzufolge auch dann bei der Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung zugrunde zu legen, wenn das Gericht erst zu einem späteren Zeitpunkt über den Prozesskostenhilfeantrag entscheidet.

Darauf hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Saarlouis mit Beschluss vom 12.12.2012 – 3 D 322/12 – hingewiesen.

 

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