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Wer haftet wenn ein angemietetes Bankschließfach aufgebrochen und ausgeraubt wird?

Wird von einem unbekannten Dritten, der unter Vorlage eines gefälschten Passes ein Schließfach bei einer Bank angemietet und deshalb Zugang zum Schließfachraum hatte, dort das angemietete Schließfach eines Bankkunden aufgebrochen und daraus Geld entwendet, ist die Bank,

  • wegen Verletzung der ihr gegenüber dem geschädigten Kunden obliegenden Obhuts- und Aufklärungspflichten verpflichtet, diesem den erlittenen Schaden zu ersetzen, wenn die Bank
    • weder besondere Sicherheitsvorkehrungen zur Minimierung der Risiken eines Schließfachaufbruchs getroffen,
    • noch den Kunden, entgegen der stillschweigenden Erwartungshaltung, dass Bankschließfächer in besonderem Maße gesichert sind, hierauf hingewiesen hatte.

 

Das hat der 26. Zivilsenat des Kammergerichts (KG) in Berlin mit Urteil vom 03.02.2016 – 26 U 18/15 – entschieden.

Begründet hat der Senat seine Entscheidung damit, dass ein Kunde, der ein Schließfach anmietet und dort in der Regel wertvolle Dinge aufbewahrt, erwarten kann, dass

  • die Bank gewisse Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz der Tresore trifft,
  • sie es daher Tätern zumindest in gewissem Umfang erschweren muss, sich unter Täuschung über ihre Identität und über ihre Absichten Zugang zum Schließfachraum zu verschaffen und dort ungehindert Schließfächer auszurauben, indem sie beispielsweise
    • die Echtheit der Ausweispapiere mithilfe des in der betroffenen Filiale vorhandenen Datensystems überprüft,
    • mitgeführte große Tasche vorher oder nachher kontrolliert,
    • im eigentlichen Schließfachraum eine Videokamera zu installiert und den Kunden aus Diskretionsgründen einen nicht überwachten Nebenraum zur Verfügung stellt und/oder
    • eine Alarmanlage, die auf Erschütterungen reagiert, welche durch den Einsatz von Brechwerkzeug hervorgerufen werden, in dem Tresorraum installiert.

 

Zu solchen mit überschaubarem Aufwand zu realisierende Obhutsmaßnahmen, die mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit einen Aufbruch verhindern, ist eine Bank nach Auffassung des Senats gemäß §§ 241 Abs. 2, 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verpflichtet, da

  • Einwirkungsmöglichkeiten des Schließfachkunden dahingehend, den Einbruch zu verhindern, nicht bestehen,
  • Schließfachkunden in einem Bankschließfach üblicherweise Gegenstände lagern, die für sie von besonderem Wert sind und die sie als besonders schützenswert erachten und
  • Bankschließfachkunden typischerweise auch die unausgesprochenen Erwartungen haben, dass Bankschließfächer in besonderem Maße gesichert sind (Quelle: Pressemitteilung des Kammergerichts vom 04.03.2016 – 16/2016 –).

 

Sind bei Wohnraummiete die Kosten der Pflege von Außenanlagen umlagefähige Betriebskosten?

Betriebskosten, die durch Vereinbarung zwischen Vermieter und Mieter auf den Mieter übertragen werden können, sind nach § 556 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Kosten, die dem Eigentümer oder Erbbauberechtigten

  • durch das Eigentum oder das Erbbaurecht am Grundstück oder
  • durch den bestimmungsmäßigen Gebrauch des Gebäudes, der Nebengebäude, Anlagen, Einrichtungen und des Grundstücks

 

laufend entstehen.

Danach gehören zu den umlagefähigen Betriebskosten auch die Kosten die anfallen für die Beseitigung einer Verunreinigung von Garten- oder Rasenflächen (als Kosten der Gartenpflege), wobei es unerheblich ist,

  • ob Verunreinigungen, die der Vermieter im Rahmen der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Grundstücks beseitigen lässt, durch Mieter oder Dritte verursacht worden sind,
  • ob das Verhalten des Mieters oder des Dritten als „rechtswidrige Handlung“ zu qualifizieren ist und
  • ob solche Verunreinigungen nur gelegentlich oder in unregelmäßigen Abständen anfallen,

 

da eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung des Grundstücks eine regelmäßige Pflege der Außenanlagen sowie eine wiederkehrende Beseitigung von Müll voraussetzt und zwar auch von dem, für den Dritte verantwortlich sind (vgl. hierzu auch Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 13.01.2010 – VIII ZR 137/09 –)

Allerdings können die Kosten der Pflege für Garten- oder Parkflächen dann nicht als Betriebskosten den Wohnraummietern angelastet werden, wenn diese  

  • durch bauplanerische Bestimmungen oder
  • durch den Vermieter selbst (was ggf. nach dem Gesamteindruck, aus der Sicht eines verständigen Dritten zu beurteilen ist),

 

für die Nutzung der Öffentlichkeit gewidmet sind.

Denn liegt eine derartige Widmung zugunsten der Öffentlichkeit vor,

  • so dass jedermann die Nutzung von zu einer Wohnanlage gehörenden Flächen gestattet ist,
  • unabhängig davon, ob er eine Wohnung in der Wohnanlage angemietet hat,

 

fehlt bzw. geht der erforderliche Bezug zur Mietsache, der über das in § 556 Abs. 1 Satz 2 BGB enthaltene Merkmal des bestimmungsgemäßen Gebrauchs für die Umlegung von Betriebskosten vorausgesetzt ist, verloren.

Darauf hat der VIII. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 10.02.2016 – VIII ZR 33/15 – hingewiesen.

 

Folge des Konsums einer Kräutermischung kann Untersagung des Führens von Fahrzeugen sein

Wer eine Kräutermischung konsumiert, in der dem Betäubungsmittelgesetz unterfallende psychoaktiv wirkende Stoffe enthalten sind, muss damit rechnen, dass die Fahrerlaubnisbehörde

  • die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anordnet und
  • ihm, wenn er das Gutachten nicht fristgerecht vorlegt, das Führen von Fahrzeugen (z. B. Mofas und Fahrräder) untersagt wird.

 

Darauf hat das Verwaltungsgericht (VG) Neustadt/Wstr. mit Beschluss vom 21.01.2016 – 3 L 1112/15.NW – hingewiesen.

Wie das VG ausgeführt hat, ist Rechtsgrundlage für die Untersagung des Führens von Fahrzeugen in einem solchen Fall § 6 Abs. 1 Nr.1y des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) i. V. m. § 3 Abs. 1 Satz 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV).
Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde das Führen von Fahrzeugen zu untersagen, zu beschränken oder die erforderlichen Auflagen anzuordnen,

  • wenn sich jemand als ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet hierzu erweist.

 

§ 3 Abs. 2 FeV verweist für den Fall des Bestehens von Eignungszweifeln auf die entsprechende Anordnung der Vorschriften der §§ 11 bis 14 FeV.
Dass diese Vorschriften nur entsprechend anwendbar sind beruht darauf,

  • dass die Regelungen der §§ 11 bis 14 FeV dem Wortlaut nach nur auf die (Erst-)Erteilung oder Verlängerung einer Fahrerlaubnis Anwendung finden und
  • bei fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen eine Erteilung oder Verlängerung einer Fahrerlaubnis nicht erforderlich ist (Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 20.06.2013 – 3 B 102/12 –; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), Beschluss vom 28.12.2010 – 11 CS 10.2095 –).

 

Ist zu klären, ob Jemand, bei dem der Konsum von Betäubungsmitteln im Sinn des Betäubungsmittelgesetzes oder die missbräuchliche Einnahme von psychoaktiv wirkenden Arzneimitteln oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen nachgewiesen worden ist, diese weiterhin einnimmt, ist nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen.

Die Fahrerlaubnisbehörde legt dabei

  • nach § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls sowie unter Beachtung der Anlagen 4 und 5 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV in der Anordnung fest, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen eines (Kraft-)Fahrzeugs zu klären sind und
  • teilt dem Betroffenen mit
    • unter Darlegung der Gründe für die Zweifel an seiner Eignung und unter Angabe der für die Untersuchung in Betracht kommenden Stellen, dass er sich innerhalb einer von ihr festgelegten Frist (die ausschließlich nach der Zeitspanne zu bemessen ist, die eine amtlich anerkannte Begutachtungsstelle für Fahreignung zur Erstattung des Gutachtens voraussichtlich brauchen wird) auf seine Kosten der Untersuchung zu unterziehen und das Gutachten beizubringen hat,
    • er die zu übersendenden Unterlagen einsehen kann (§ 11 Abs. 6 Satz 2 FeV) sowie
    • dass, wenn das geforderte Gutachten nicht beigebracht wird, auf die Nichteignung zum Führen von Fahrzeugen geschlossen werden kann (§ 11 Abs. 8 Satz 2 FeV).

 

Die Regelung, dass, falls sich ein Betroffener weigert, sich untersuchen zu lassen, oder er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt, sie bei ihrer Entscheidung gemäß § 11 Abs. 8 FeV – auch bei fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen – auf die Nichteignung des Betroffenen schließen darf, hat ihren wesentlichen Grund in der Mitwirkungspflicht desjenigen, der durch sein Verhalten Anlass zu Bedenken an seiner Fahreignung gegeben hat. Er muss den notwendigen Teil zur Klärung von berechtigten Eignungszweifeln beitragen.

  • Kommt er dieser Mitwirkungs- und Verfahrensförderungspflicht nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig nach, so darf der Eignungsmangel, der Gegenstand der Ermittlungsmaßnahme war, als erwiesen angesehen werden.

 

Diese Schlussfolgerung ist Ausfluss eines auch im Prozessrecht geläufigen allgemeinen Rechtsgedankens (vgl. § 444 Zivilprozessordnung (ZPO)), wonach im Rahmen der freien Beweiswürdigung der zu beweisende Umstand als erwiesen angesehen werden kann, wenn die Beweisführung vereitelt wird.

Allerdings darf die Schlussfolgerung aus der Nichtbeibringung oder nicht fristgerechten Vorlage eines geforderten Gutachtens auf die fehlende Fahreignung des Betroffenen zum Führen von Fahrzeugen nur dann gezogen werden, wenn die formellen Anforderungen an die Rechtmäßigkeit der Aufforderung zur Gutachtensbeibringung erfüllt sind und die Beibringung eines Gutachtens zu Recht angeordnet wurde.

Stellt sich die Untersagung des Führens von Fahrzeugen danach als rechtmäßig dar, ist für die Wiedererlangung der Fahreignung der Nachweis einer einjährigen Drogenabstinenz erforderlich (vgl. Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV).

 

Dialyse bei blinden Patienten

Da im seltenen Fall einer Dislokation (Lageveränderung) der Dialysenadel während einer Dialysebehandlung,

  • wenn Patienten nicht rechtzeitig Alarm auslösen, es zu einem tödlichen Blutverlust kommen kann und
  • man bei blinden Patienten, da diese aufgrund ihrer Erblindung eine Dislokation voraussichtlich nicht bemerken, sich nicht darauf verlassen kann, dass sie rechtzeitig Alarm auslösen,

 

müssen blinde Patienten vor Beginn einer Dialysehandlung über dieses Risiko sowie darüber aufgeklärt werden, dass diese Gefahr durch eine Fixierung des mit der Dialysenadel versehenen Arms nahezu ausgeschlossen werden kann (Sicherheitsaufklärung),

  • damit sie im Rahmen ihres Selbstbestimmungsrechts entscheiden können, ob sie in die gebotene Fixierung des mit der Dialysenadel versehenen Arms einwilligen.

 

Darauf hat der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 16.02.2016 – 26 U 18/15 – hingewiesen und in einem Fall,

  • in dem ein aufgrund einer Diabeteserkrankung erblindeter Dialysepatient verstorben war,
  • weil sich bei einer durchgeführten Dialysebehandlung eine der im linken Oberarm befestigte Dialysenadel gelöst hatte und es zu einer Blutung des Patienten gekommen war,

 

die die Dialysepraxis betreibenden Ärzte zur Zahlung von 5.000 Euro Schmerzensgeld und ca. 2.700 Euro Beerdigungskosten an die Erben des Patienten verurteilt.

Die Entscheidung hat der Senat damit begründet, dass die Dialysebehandlung der Ärzte fehlerhaft gewesen sei, weil

  • Bewegungen eines Patienten auch eine ordnungsgemäß befestigte Dialysenadel abrutschen lassen können,
  • eine derartige Dislokation der Nadel zwar eine seltene Komplikation sei, aber in kürzester Zeit zum Tod eines Patienten führen könne und
  • da man sich aufgrund der Erblindung des Patienten nicht habe darauf verlassen können, dass er bei einem Blutverlust rechtzeitig Alarm auslöst, es zur Verhinderung einer Dislokation der Dialysenadel bei dem Patienten geboten gewesen wäre, seinen linken Arm während der Dialysebehandlung zu fixieren.

 

Dadurch, dass eine Fixierung gegen den Willen des Patienten nicht hätte erfolgen können, war die Schadensersatzpflicht im vorliegenden Fall deshalb nicht ausgeschlossen, da, wie der Senat weiter ausgeführt hat,

  • es versäumt worden sei, dem Patienten vor Behandlungsbeginn, die bei eingeschränkten, insbesondere blinden Patienten, zwingend erforderliche Sicherheitsaufklärung darüber zu erteilen, dass es im seltenen Fall einer Dislokation der Dialysenadel zu einem tödlichen Blutverlust kommen und dieses Risiko durch eine Fixierung des mit der Dialysenadel versehenen Arms von vorneherein verhindert werden könne,
  • so dass der Patient im Rahmen seines Selbstbestimmungsrechts nicht über seine Einwilligung in die Fixierung habe entscheiden können.

 

Festgestellt hat der Senat aber auch, dass

  • von einer Dialysepraxis eine dauerhafte Überwachung eingeschränkter Patienten aufgrund des damit verbundenen personellen und finanziellen Aufwandes nicht gefordert werden könne,
  • auch bei Patienten, die nicht selbst Alarm auslösen können, in der Regel eine stündliche Kontrolle genüge und
  • nur bei kreislaufinstabilen Patienten eine häufigere Kontrolle stattfinden müsse.

 

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm am 02.03.2016 mitgeteilt.

 

Elternunterhalt – Wenn Kinder ihren Eltern Unterhalt zahlen sollen

Nach § 1601 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sind Verwandte in gerader Linie verpflichtet einander Unterhalt zu gewähren.
Danach schulden auch Kinder ihren Eltern Unterhalt,

  • wenn diese außerstande sind sich selbst zu unterhalten (§ 1602 Abs. 1 BGB),
  • wobei sich das Maß des einem Elternteil geschuldeten Unterhalts gemäß § 1610 Abs. 1 BGB nach dessen Lebensstellung richtet, die sich in erster Linie von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen ableitet.

 

Ist ein Elternteil in einem Heim untergebracht deckt sich sein Unterhaltsbedarf regelmäßig mit den dort anfallenden Kosten (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 21.11.2012 – XII ZR 150/10 –). Ein an der früheren besseren Lebensstellung des Elternteils orientierter höherer Standard ist dann grundsätzlich nicht mehr angemessen im Sinne von § 1610 Abs. 1 BGB. Denn der angemessene Lebensbedarf der Eltern richtet sich nach deren konkreter (aktueller) Lebenssituation (BGH, Beschluss vom 07.10.2015 – XII ZB 26/12 –).

Unterhaltspflichtig ist ein Kind allerdings gemäß § 1603 Abs. 1 BGB nur insoweit,

  • als es bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen imstande ist,
  • ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren ( vgl. u.a. BGH, Urteil vom 28.07.2010 – XII ZR 140/07 – zur Ermittlung der Leistungsfähigkeit zur Zahlung von Elternunterhalt).

 

Nach § 1605 Abs. 1 BGB sind Kinder auch verpflichtet ihren Eltern auf Verlangen über ihre Einkünfte und ihr Vermögen

  • Auskunft zu erteilen,
  • soweit dies zur Feststellung des Bestehens eines Unterhaltsanspruchs oder einer Unterhaltsverpflichtung erforderlich ist sowie
  • über die Höhe ihrer Einkünfte Belege, insbesondere Bescheinigungen des Arbeitgebers, vorzulegen.

 

Allerdings muss ein leistungsfähiges Kind einem bedürftigen Elternteil nach § 1611 Abs. 1 Satz 1 BGB nur einen Beitrag zum Unterhalt in der Höhe zu leisten, die der Billigkeit entspricht, wenn

  • der bedürftige Elternteil durch sein sittliches Verschulden bedürftig geworden ist,
  • er seine eigene Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltspflichtigen gröblich vernachlässigt oder
  • sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen oder einen nahen Angehörigen des Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht hat

 

und nach § 1611 Abs. 1 Satz 2 BGB gar keinen Unterhalt leisten, wenn

  • die Inanspruchnahme des Verpflichteten grob unbillig wäre.

 

Eine schwere Verfehlung gemäß § 1611 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 BGB kann regelmäßig nur bei einer tiefgreifenden Beeinträchtigung schutzwürdiger wirtschaftlicher Interessen oder persönlicher Belange des Pflichtigen,

  • begangen durch aktives Tun des Berechtigten oder
  • durch Unterlassen, wenn der Berechtigte dadurch eine Rechtspflicht zum Handeln verletzt hat, wie beispielsweise eine – durch Unterlassen herbeigeführte – Verletzung elterlicher Pflichten, wie etwa der Pflicht zu Beistand und Rücksicht im Sinne von § 1618 a BGB (Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 15.09.2010 – XII ZR 148/09 – und vom 19.05.2004 – XII ZR 304/02 –),

 

angenommen werden.

Eine „schwere Verfehlung“ im vorgenannten Sinn ist nicht auf einzelne, schwerwiegende Übergriffe gegen den Unterhaltspflichtigen oder dessen nahe Angehörige beschränkt.
Vielmehr kann die Unterhaltspflicht in Fällen, in denen der Bedürftige durch unwürdiges Verhalten das Familienband zerrissen hat, auch ganz wegfallen.

  • Ein solches Verhalten kann sich zum einen in einzelnen besonders schwerwiegenden Verfehlungen zeigen;
  • eine schwere Verfehlung im Sinne des § 1611 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 BGB kann sich zum anderen aber auch aus einer Gesamtschau des Verhaltens des Unterhaltsberechtigten ergeben.

 

Selbst wenn die einzelnen Verfehlungen dabei nicht besonders schwer wiegen, kommt es maßgeblich darauf an, ob sie zusammengenommen zeigen, dass sich der Unterhaltsberechtigte in besonders vorzuwerfender Weise aus der familiären Solidarität gelöst und damit letztlich bezogen auf seine familiären Verpflichtungen eine schwere Verfehlung begangen hat.

  • Eine vom Unterhaltsberechtigten ausgehende Kontaktverweigerung kann dagegen, wenn nicht weitere Umstände hinzutreten, nur in ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen eine Verwirkung des Unterhalts gemäß § 1611 Abs. 1 BGB begründen.

 

Jedoch kann eine Verwirkung des Elternunterhaltsanspruchs dann gerechtfertigt sein,

  • wenn der Elternteil sein Kind, das er später auf Elternunterhalt in Anspruch nimmt, schon im Kleinkindalter bei den Großeltern zurückgelassen und sich in der Folgezeit nicht mehr in nennenswertem Umfang um es gekümmert hat.
    Dann offenbart das Unterlassen des Elternteils einen so groben Mangel an elterlicher Verantwortung und menschlicher Rücksichtnahme, dass nach Abwägung aller Umstände von einer schweren Verfehlung ausgegangen werden kann (BGH, Urteile vom 19.05.2004 – XII ZR 304/02 – und vom 15.09.2010 – XII ZR 148/09 – sowie Beschluss vom 12.02.2014 – XII ZR 607/12 –).

 

Wird ein Elternteil, der einen Unterhaltsanspruch gegen ein Kind hat, sozialhilfebedürftig und erhält er Sozialleistungen,

  • geht sein Unterhaltsanspruch gegen das Kind nach § 94 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs XII (SGB XII) bis zur Höhe der geleisteten Sozialleistungen zusammen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch auf den Träger der Sozialhilfe über, außer
    • der Unterhaltsanspruch wird durch laufende Zahlung erfüllt oder
    • der Übergang des Anspruchs würde gemäß § 94 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII eine unbillige Härte bedeuten.

 

Die Frage, ob der Anspruchsübergang nach § 94 SGB XII eine unbillige Härte bedeuten würde, richtet sich nach öffentlichem Recht.
Deshalb genügt eine zivilrechtlich einzuordnende Störung familiärer Beziehungen im Sinne des § 1611 BGB grundsätzlich nicht, um eine unbillige Härte im Sinne des § 94 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII zu begründen und damit einen Anspruchsübergang auf den Träger der Sozialhilfe auszuschließen. Vielmehr umfasst § 1611 BGB für die Prüfung einer etwaigen Verwirkung nur die für das zivilrechtlich zu beurteilende Familienverhältnis in Frage kommenden Tatbestandsmerkmale.
Sind die Voraussetzungen für eine Verwirkung erfüllt, kommt § 94 SGB XII ohnehin nicht zum Tragen, weil es an einem Unterhaltsanspruch fehlt, der auf den Träger der Sozialhilfe übergehen könnte. Aber auch eine an sich unter § 1611 Abs. 1 BGB fallende Sachverhaltskonstellation, die jedoch nicht alle Tatbestandsmerkmale dieser Norm – wie etwa das Verschulden – erfüllt und deshalb nicht zu einer Verwirkung des Unterhaltsanspruchs führt, ist grundsätzlich nicht unter § 94 SGB XII zu subsumieren.
Etwas anderes gilt nur dann, wenn der nach § 1611 BGB zu beurteilende Lebenssachverhalt aus Sicht des Sozialhilferechts auch soziale Belange erfasst, die einen Übergang des Anspruches nach öffentlich-rechtlichen Kriterien ausschließen (BGH, Urteil vom 15.09.2010 – XII ZR 148/09 –).

 

In einem Internetbewertungsportal negativ bewertete Betroffene sind nicht wehrlos

Derjenige, der unter einer Internetadresse ein Portal zur Suche und Bewertung von Ärzten betreibt, in dem u.a. registrierten Nutzern die Möglichkeit geboten wird, ohne Angabe ihres Klarnamens die Tätigkeit von Ärzten zu bewerten, haftet für von Nutzern seines Portals abgegebene negative Bewertungen, wenn betroffene Ärzte wegen der Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts die Entfernung der Bewertungen verlangen,

  • da es sich um keine eigenen Behauptungen handelt,
  • nur dann, wenn er zumutbare Prüfungspflichten verletzt hat, wobei
    • sich deren Umfang nach den Umständen des Einzelfalles richtet,
    • dabei maßgebliche Bedeutung dem Gewicht der beanstandeten Rechtsverletzung, den Erkenntnismöglichkeiten des Providers sowie der Funktion des vom Provider betriebenen Dienstes zukommt und
    • hierbei einem Diensteanbieter keine Prüfungspflicht auferlegt werden darf, die sein Geschäftsmodell wirtschaftlich gefährdet oder seine Tätigkeit unverhältnismäßig erschwert.

 

Nachdem

  • der Betrieb eines Bewertungsportals im Vergleich zu anderen Portalen von vornherein ein gesteigertes Risiko von Persönlichkeitsrechtsverletzungen in sich trägt,
  • diese Gefahr durch die Möglichkeit, Bewertungen anonym oder pseudonym abzugeben, verstärkt wird und
  • derart verdeckt abgegebene Bewertungen es einem betroffenen Arzt zudem erschweren, gegen den Bewertenden direkt vorzugehen,

 

muss der Betreiber eines solchen Portals, wenn von betroffenen Ärzten eine für sie nachteilige Behandlungsbewertung beanstandet wird,

  • die Beanstandung des betroffenen Arztes dem Bewertenden übersenden,
  • ihn dazu anhalten, ihm den angeblichen Behandlungskontakt möglichst genau zu beschreiben und
  • ihn auffordern, ihm den Behandlungskontakt belegende Unterlagen, wie etwa Bonushefte, Rezepte oder sonstige Indizien, möglichst umfassend vorzulegen.

 

Diejenigen Informationen und Unterlagen, zu deren Weiterleitung der Portalbetreiber ohne Verstoß gegen § 12 Abs. 1 Telemediengesetz (TMG) in der Lage gewesen ist, muss er anschließend an den Arzt weiterleiten.

Ansonsten liegt eine Verletzung der dem Portalbetreiber obliegenden Prüfpflichten vor.

Darauf hat der für das Allgemeine Persönlichkeitsrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 01.03.2016 – VI ZR 34/15 – in einem Fall hingewiesen, in dem ein Zahnarzt, der in einem Ärztebewertungsportal von einem anonymen Nutzer u. a. in den Kategorien „Behandlung“, „Aufklärung“ und „Vertrauensverhältnis“ jeweils mit der Note „6“ bewertetet worden war,

  • von dem Portalbetreiber, mit der Begründung den Bewertenden nicht behandelt zu haben, verlangt hatte, es zu unterlassen, die dargestellte Bewertung zu verbreiten oder verbreiten zu lassen und
  • der Portalbetreiber die Beanstandung zwar dem Nutzer zu-, dessen Antwort aber unter Hinweis auf datenschutzrechtliche Bedenken nicht an den Zahnarzt weitergeleitet und die Bewertung im Portal belassen hatte (Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 01.03.2016 – Nr. 49/2016 –).

 

Wenn Werkleistungen mangelhaft sind

Ist das vom Werkunternehmer erstellte Gewerk mangelhaft,

  • steht dem Werkunternehmer grundsätzlich gemäß § 635 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB („… kann der Unternehmer nach seiner Wahl den Mangel beseitigen oder ein neues Werk herstellen …“) ein Recht zur Selbstvornahme der Nacherfüllung zu,
  • woraus eine entsprechende Obliegenheit des Auftraggebers folgt, dem Werkunternehmer die Ausübung dieses Rechts auch rechtzeitig und hinreichend zu ermöglichen.

 

Dem Auftraggeber obliegt es deshalb, sofern kein Fall des § 636 BGB vorliegt, vom Werkunternehmer mit Fristsetzung hinsichtlich der vorhandenen Mängel bzw. Mängelerscheinungen (bzw. -ursachen) Nacherfüllung zu verlangen, wobei der Auftraggeber sich bei dem Nacherfüllungsverlangen grundsätzlich darauf beschränken darf, (lediglich) die Mangelsymptome zu benennen und keine Mangelursachen benennen muss.

Erhebt der Auftraggeber gegen den Werkunternehmer eine Kostenerstattungsklage nachdem Mängel – ohne die notwendige wirksame Fristsetzung, d.h. unter Missachtung des o.a. Rechts des Werkunternehmers zur eigenen Nacherfüllung (§ 635 BGB) – beseitigt worden sind,

  • trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast, dass das Nacherfüllungsverlangen entbehrlich gewesen wäre.

 

Dafür muss der Auftraggeber darlegen und beweisen, dass der Unternehmer im Zeitpunkt der Mängelbeseitigung durch ein Drittunternehmen – auch bei einem unterstellten vorherigen Nacherfüllungsverlangen – endgültig nicht mehr bereit gewesen wäre, den Mangel zu beseitigen (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 20.01.2009 – X ZR 45/07 –).

Das spätere Prozessverhalten des Unternehmers (insbesondere ein Bestreiten des Mangels oder seiner Verantwortlichkeit dafür) entfaltet in solchen Fällen regelmäßig keine Indizwirkung, wenn zuvor gemeinsam Mängelbeseitigungsversuche unternommen worden sind bzw. der Mangel – ohne hinreichendes Nacherfüllungsverlangen des Auftraggebers gegenüber dem Unternehmer – im Wege einer unberechtigten Ersatzvornahme beseitigt worden ist, da sich das spätere Bestreiten des Unternehmers dann als (bloßes) prozesstaktisches Bestreiten darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 21.12.2005 – VIII ZR 49/05 –).
Dann lassen die Umstände keine (im Sinne eines Beweisindizes tauglichen) Rückschlüsse auf ein hypothetisches früheres Verhalten des Unternehmers zu.

  • Folge der Obliegenheitsverletzung des Auftraggebers durch Missachtung des Nacherfüllungsrechts des Werkunternehmers ist der vollständige Ausschluss jeglicher Ansprüche auf Schadensersatz bzw. Erstattung der Kosten der unberechtigten Ersatzvornahme.

 

Darauf hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf mit Urteil vom 18.12.2015 – 22 U 84/15 – hingewiesen.

 

Rücktritt vom Kaufvertrag nach teilweiser Nachbesserung?

Hat ein Verkäufer die nach dem Kaufvertrag geschuldete Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt – beispielsweise weil die Kaufsache nicht frei von Sachmängeln war -, so kann der Käufer vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn

  • die Pflichtverletzung unerheblich ist (vgl. § 323 Abs. 5 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)),

 

wobei bei der Bewertung, ob eine Pflichtverletzung

  • erheblich oder
  • unerheblich ist,

 

vor Abgabe der Rücktrittserklärung behobene Mängel im Allgemeinen außer Betracht zu lassen sind.

Darauf hat der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 04.02.2016 – IX ZR 133/15 – hingewiesen.

Begründet hat der Senat dies damit, dass

  • bei der im Rahmen der gemäß § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung des Käufers abzustellen ist (BGH, Urteil vom 28.05.2014 – VIII ZR 94/13 –) und
  • daraus im Gegenschluss folgt, dass vor Abgabe der Rücktrittserklärung behobene Mängel im Allgemeinen außer Betracht bleiben.

 

Betriebskosten in der Wohnraummiete – Wie können sie auf den Mieter übertragen werden?

In der Wohnraummiete genügt zur Übertragung der Betriebskosten auf den Mieter die – auch formularmäßige – Vereinbarung,

  • dass dieser „die Betriebskosten“ zu tragen hat.
  • Auch ohne Beifügung des Betriebskostenkatalogs oder ausdrückliche Bezugnahme auf § 556 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und die Betriebskostenverordnung vom 25.11.2003 (BGBl. I. S. 2347) ist damit die Umlage der in § 556 Abs. 1 Satz 2 BGB definierten und in der Betriebskostenverordnung erläuterten Betriebskosten vereinbart.

 

Darauf hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 10.02.2016 – VIII ZR 137/15 – hingewiesen.

Begründet hat der Senat dies damit, dass der Begriff der Betriebskosten seit langem gesetzlich definiert und durch die Aufzählung der einzelnen Betriebskostenarten in einer hierzu ergangenen Verordnung und dem darin enthaltenen Betriebskostenkatalog erläutert ist.
Zudem ist es auch – sowohl im preisfreien als auch im preisgebundenen Wohnraum – seit Jahrzehnten allgemein üblich, in Mietverträgen die Umlage sämtlicher Betriebskosten zu vereinbaren und abzurechnen, die nach den genannten Definitionen umlagefähig sind.
Angesichts dessen bedarf der Begriff der „Betriebskosten“ in der Wohnraummiete grundsätzlich keiner Erläuterung oder Aufschlüsselung, da er als bekannt vorausgesetzt werden kann und für den durchschnittlichen Mieter hinreichend klar und verständlich (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) ist.

Nach Auffassung des Senats

  • erscheint die Möglichkeit, dass der Verwender sich ungerechtfertigte Beurteilungsspielräume verschaffen könnte, angesichts der gesetzlichen Definition und Aufzählung der einzelnen Betriebskostenarten im Betriebskostenkatalog ausgeschlossen und
  • käme eine andere Beurteilung allenfalls dann in Betracht, falls durch Zusätze oder weitere Bestimmungen im Mietvertrag unklar würde, ob „die Betriebskosten“ im Sinne sämtlicher umlegbarer Betriebskosten oder nur einzelner Betriebskostenarten gemeint sind.

 

Rechtsstaatswidrige polizeiliche Tatprovokation

Eine das Recht eines Angeklagten auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG), Art. 6 Abs. 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK)) verletzende polizeiliche Tatprovokation, die zu einer Strafmilderung, aber auch zu einer Verfahrenseinstellung aufgrund eines Verfahrenshindernisses führen kann (vgl. Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 23.10.2014 – Individualbeschwerde Nr. 54648/09 – und Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 10.06.2015 – 2 StR 97/14 –), liegt vor, wenn sich die Ermittlungsperson nicht mehr auf eine „weitgehend passive“ Strafermittlung beschränkt hat.

Dies ist der Fall, wenn eine

  • unverdächtige und
  • zunächst nicht tatgeneigte

 

Person, d.h. eine Person, bei der es objektive Anhaltspunkte für den Verdacht nicht gab, dass sie an kriminellen Aktivitäten beteiligt oder tatgeneigt ist,

  • durch eine von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson in einer dem Staat zurechenbaren Weise zu einer Straftat verleitet worden ist und
  • dies zu einem Strafverfahren geführt hat (vgl. BGH, Urteil vom 10.06.2015 – 2 StR 97/14 –; Beschluss vom 19.05.2015 –1StR128/15 –; Urteil vom 30.05.2001 – 1 StR 42/01 –; Urteil vom 18.11.1999 – 1 StR 221/99 –).

 

Ein in diesem Sinne tatprovozierendes Verhalten ist gegeben, wenn

  • eine polizeiliche Vertrauensperson in Richtung auf das Wecken der Tatbereitschaft oder
  • eine Intensivierung der Tatplanung

 

mit einiger Erheblichkeit stimulierend auf den Täter einwirkt.

Auch

  • bei anfänglich bereits bestehendem Anfangsverdacht kann eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation vorliegen,

 

soweit die Einwirkung im Verhältnis zum Anfangsverdacht (beispielsweise bei Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz) „unvertretbar übergewichtig“ ist (vgl. BGH, Urteil vom 10.06.2015 – 2 StR 97/14 –; Beschluss vom 19.05.2015 – 1 StR 128/15 –; Urteil vom 11.12.2013 – 5 StR 240/13 –).

  • Spricht eine polizeiliche Vertrauensperson eine betroffene Person dagegen lediglich ohne sonstige Einwirkung darauf an, ob diese Betäubungsmittel beschaffen könne, handelt es sich nicht um eine Tatprovokation.
  • Ebenso fehlt es an einer Provokation, wenn die Vertrauensperson nur die offen erkennbare Bereitschaft zur Begehung oder Fortsetzung von Straftaten ausnutzt (BGH, Beschluss vom 19.05.2015 – 1 StR 128/15 –; Urteil vom 30.05.2001 – 1 StR 42/01 –; Urteil vom 18.11.1999 – 1 StR 221/99 –).

 

Darauf hat der 4. Strafsenat des BGH mit Beschluss vom 19.01.2016 – 4 StR 252/15 – hingewiesen.