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Wenn nach dem Tod des Erblassers das Originaltestament nicht mehr auffindbar ist – Hilft eine Kopie des Testaments?

Gemäß §§ 2355, 2356 Abs. 1 Satz 1 BGB ist zum Nachweis eines testamentarischen Erbrechts grundsätzlich die Urschrift der Urkunde vorzulegen, auf die das Erbrecht gestützt wird.
Ist diese Urkunde nicht auffindbar, kommt der allgemein anerkannte Grundsatz zum Tragen, dass es die Wirksamkeit eines Testaments nicht berührt, wenn die Urkunde ohne Willen und Zutun des Erblassers vernichtet worden, verloren gegangen oder sonst nicht auffindbar ist. Errichtung und Inhalt des Testaments können in einem solchen Fall mit allen zulässigen Beweismitteln, auch durch Vorlage einer Kopie, bewiesen werden, wobei an den Nachweis dann allerdings strenge Anforderungen zu stellen sind.

Zu beachten dabei ist:
Wer unter Vorlage der Ablichtung eines Testaments, die ihn als Erben ausweist, beim Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins beantragt, hat, da er für sich ein Erbrecht in Anspruch nimmt, die Last der Nichtfeststellbarkeit der rechtsbegründenden Tatsachen zu tragen. Hierzu gehören vor allem die Existenz und der Inhalt des Testaments, etwa in Abgrenzung zu einem Entwurf. Das Gerichts muss demzufolge nach Durchführung der erforderlichen Ermittlungen zu der Überzeugung gelangen, dass ein Originaltestament mit dem aus der Kopie ersichtlichen Inhalt von dem Erblasser formgültig errichtet worden ist.
Steht das zur Überzeugung des Gerichts fest, dann trägt wiederum der, der beispielsweise behauptet, das Testament sei vom Erblasser vernichtet worden und daraus Rechte für sich herleitet, die Feststellungslast für diese Tatsachen. Die diesbezügliche Nichterweislichkeit ginge also, weil diese Tatsachen ihm zugute kommen würden, zu seinen Lasten. Denn der Umstand allein, dass die Testamentsurkunde im Original nach dem Tode des Erblassers nicht mehr auffindbar ist, begründet noch keine tatsächliche Vermutung für eine Vernichtung durch den Erblasser und damit für einen in diesem Fall zu vermutenden Widerruf (§ 2255 BGB ).

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) des Landes Sachsen-Anhalt mit Beschluss vom 29.03.2012 – 2 Wx 60/11 – entschieden.

 

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.

Strafverfahren – Was Opfer von Straftaten wissen sollten – Möglichkeiten und Rechte!

Welche Möglichkeiten haben durch eine Straftat Verletzte ganz allgemein?
Ganz wichtig ist, dass ein Rechtsanwalt für sie die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen wären, einsehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke besichtigen kann (406e StPO).

Ferner können sie, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen,

  • sich der erhobenen öffentlichen Klage mit der Nebenklage anschließen und beantragen, dass ihnen ein anwaltlicher Beistand bestellt oder für dessen Hinzuziehung Prozesskostenhilfe bewilligt wird (§ 406h Satz 1 Nr. 1 StPO);
  • einen ihnen aus der Straftat erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch im Strafverfahren geltend machen (§ 406h Satz 1 Nr. 2 StPO);
  • nach Maßgabe des Opferentschädigungsgesetzes einen Versorgungsanspruch geltend machen (§ 406h Satz 1 Nr. 3 StPO);
  • nach Maßgabe des Gewaltschutzgesetzes den Erlass von Anordnungen gegen den Beschuldigten beantragen (§ 406h Satz 1 Nr. 4 StPO);
  • Unterstützung und Hilfe durch Opferhilfeeinrichtungen erhalten, etwa in Form einer Beratung oder einer psychosozialen Prozessbegleitung (§ 406h Satz 1 Nr. 5 StPO);
  • verlangen, bei ihrer Vernehmung einer zur Vernehmung erschienenen Person ihres Vertrauens die Anwesenheit zu gestatten (§ 406f Abs. 2 StPO);
  • beantragen, dass ihnen, soweit es sie betrifft, mitgeteilt wird,
    die Einstellung des Verfahrens und der Ausgang des gerichtlichen Verfahrens (§ 406d Abs. 1 StPO);

    • ob dem Verurteilten die Weisung erteilt worden ist, zu dem Verletzten keinen Kontakt aufzunehmen oder mit ihm nicht zu verkehren (406d Abs. 2 Nr. 1 StPO);
    • ob, freiheitsentziehende Maßnahmen gegen den Beschuldigten oder den Verurteilten angeordnet oder beendet oder ob erstmalig Vollzugslockerungen oder Urlaub gewährt werden (406d Abs. 2 Nr. 2 StPO);

Wer kann sich einem Strafverfahren als Nebenkläger anschließen?
Wer durch bestimmte rechtswidrige Taten verletzt ist. Welche Straftaten das sind, ist geregelt

  • in § 395 Abs. 1, 2 und 3 StPO, wenn der Täter zur Tatzeit schon 18 Jahre alt war und
  • in § 80 Abs. 3 JGG, wenn der Täter zur Tatzeit schon 14 Jahre aber noch nicht 18 Jahre alt war (§ 1 Abs. 2 JGG).

Kinder, Eltern, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner von durch eine rechtswidrige Tat Getöteten können sich stets als Nebenkläger dem Strafverfahren anschließen.

Wann wird eine Anschlusserklärung als Nebenkläger wirksam?
Wirksam wird eine Anschlusserklärung als Nebenkläger mit Erhebung der öffentlichen Klage, im Verfahren bei Strafbefehlen, wenn Termin zur Hauptverhandlung anberaumt (§ 408 Abs. 3 Satz 2, § 411 Abs. 1) oder der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls abgelehnt worden ist (§ 396 Abs. 1 StPO).

Hat ein Nebenkläger Anspruch darauf, dass ihm ein Rechtsanwalt als Beistand bestellt wird?
Ja, in den in § 397a Abs. 1 StPO aufgeführten Fällen.

Was ist, wenn die Voraussetzungen für die Bestellung eines Rechtsanwalts als Beistand nach § 397a Abs. 1 StPO nicht vorliegen?
In solchen Fällen ist einem Nebenkläger auf seinen Antrag für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts Prozesskostenhilfe nach denselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zu bewilligen, wenn

  • er seine Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen kann oder
  • ihm dies nicht zuzumuten ist

(§ 397a Abs. 2 Satz 1 StPO).

Welche Rechte hat ein Nebenkläger?
Der Nebenkläger

  • ist, auch wenn er als Zeuge vernommen werden soll, zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung berechtigt (§ 397 Abs. 1 Satz 1 StPO);
  • ist zur Hauptverhandlung zu laden (§ 397 Abs. 1 Satz 2 StPO);
  • kann sich des Beistands eines Rechtsanwalts bedienen oder sich durch einen solchen vertreten lassen (§ 397 Abs. 2 StPO).

Nach § 397 Abs. 1 StPO steht dem Nebenkläger auch zu,

  • die Befugnis zur Ablehnung eines Richters (§§ 24, 31 StPO) oder Sachverständigen (§ 74 StPO),
  • das Fragerecht (§ 240 Absatz 2 StPO),
  • das Recht zur Beanstandung von Anordnungen des Vorsitzenden (§ 238 Absatz 2 StPO) und von Fragen (§ 242 StPO),
  • das Beweisantragsrecht (§ 244 Absatz 3 bis 6 StPO) sowie
  • das Recht zur Abgabe von Erklärungen (§§ 257, 258 StPO).

Welche Möglichkeiten hat ein Nebenklageberechtigter vor der Erhebung der öffentlichen Klage?
Wenn die Voraussetzungen nach § 397a Abs. 1 oder Abs.2 StPO, unter denen einem Nebenkläger ein Rechtsanwalt als Beistand zu bestellen oder ihm für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist, vorliegen, kann ein nach § 395 StPO zum Anschluss mit der Nebenklage Befugter den Antrag auf Bestellung eines Rechtsanwalts bzw. Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts auch schon stellen vor Erhebung der öffentlichen Klage und ohne Erklärung des Anschlusses (§ 406g Abs. 1, Abs. 3 StPO).

Ferner kann in den Fällen des § 397a Abs. 2 StPO auf seinen Antrag einem zum Anschluss als Nebenkläger Berechtigten einstweilen ein Rechtsanwalt als Beistand bestellt werden,

  • wenn dies aus besonderen Gründen geboten ist,
  • die Mitwirkung eines Beistands eilbedürftig ist und
  • die Bewilligung von Prozesskostenhilfe möglich erscheint, eine rechtzeitige Entscheidung hierüber aber nicht zu erwarten ist
    (§ 406g Abs. 4 Satz 1 StPO).

Kann man zivilrechtliche Entschädigungsansprüche auch im Strafverfahren geltend machen?
Einen aus der Straftat erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch, der zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gehört und noch nicht anderweit gerichtlich anhängig gemacht ist, kann der Verletzte oder sein Erbe gegen den Beschuldigten – sofern es sich um keinen Jugendlichen handelt (§ 81 JGG) – im Strafverfahren geltend machen (vgl. §§ 403, 404 JGG).

Auf Antrag ist einem solchen Antragsteller für dieses sogenannte Adhäsionsverfahren auch Prozesskostenhilfe nach denselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zu bewilligen (§ 404 Abs. 5 Satz 1 StPO i. V. m. §§ 114 Satz 1, 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

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Keine Strafbarkeit von Kassenärzten wegen Bestechlichkeit

Kassenärzte, die von einem Pharma-Unternehmen Vorteile als Gegenleistung für die Verordnung von Arzneimitteln dieses Unternehmens entgegennehmen, machen sich nicht wegen Bestechlichkeit nach § 332 Strafgesetbuch (StGB) strafbar. Auch eine Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nach § 299 Abs. 1 StGB scheidet aus. Entsprechend sind auch Mitarbeiter von Pharmaunternehmen, die Ärzten solche Vorteile zuwenden, nicht wegen Bestechung (§ 334 StGB ) oder Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 Abs. 2 StGB ) strafbar. Der niedergelassene, für die vertragsärztliche Versorgung zugelassene Arzt handelt nämlich bei der Wahrnehmung der ihm gemäß § 73 Abs. 2 SGB V übertragenen Aufgaben, insbesondere bei der Verordnung von Arzneimitteln, weder als Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB noch als Beauftragter der gesetzlichen Krankenkassen im Sinne des § 299 StGB.

Das hat der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 29.03.2012 – GSSt 2/11 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Ausgangsverfahren war eine Pharmareferentin, die Kassenärzten Schecks über einen Gesamtbetrag von etwa 18.000 € übergeben hatte, wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Der Übergabe des Schecks hatte ein als „Verordnungsmanagement“ bezeichnetes Prämiensystem des Pharmaunternehmens zugrunde gelegen. Dieses sah vor, dass Ärzte als Prämie für die Verordnung von Arzneimitteln des betreffenden Unternehmens 5 % des Herstellerabgabepreises erhalten sollten.

Die Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen beruht im Wesentlichen auf folgenden Erwägungen:
Die gesetzlichen Krankenkassen sind zwar Stellen öffentlicher Verwaltung im Sinne der Amtsträgerdefinition in § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB. Auch erfüllt das System der gesetzlichen Krankenversicherung als Ganzes eine aus dem Sozialstaatsgrundsatz folgende, in hohem Maße der Allgemeinheit dienende Aufgabe. Die Kassenärzte sind aber nicht dazu bestellt, Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen. Der freiberuflich tätige Kassenarzt ist weder Angestellter noch Funktionsträger einer öffentlichen Behörde. Er wird auf Grund der individuellen, freien Auswahl des gesetzlich Versicherten tätig. Sein Verhältnis zu dem Versicherten, der ihn regelmäßig individuell auswählt, wird – ungeachtet der mit der Zulassung verbundenen Verpflichtung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung – wesentlich von persönlichem Vertrauen und einer Gestaltungsfreiheit gekennzeichnet, die der Bestimmung durch die gesetzlichen Krankenkassen weitgehend entzogen ist. Innerhalb des Behandlungsverhältnisses konkretisiert die Verordnung eines Arzneimittels zwar den gesetzlichen Leistungsanspruch des Versicherten auf Sachleistungen; sie ist aber untrennbarer Bestandteil der ärztlichen Behandlung und vollzieht sich innerhalb des personal geprägten Vertrauensverhältnisses zwischen dem Versicherten und seinem Arzt, der die Verordnung nach seiner aus § 1 BÄO folgenden Verpflichtung auszurichten hat. Die Einbindung des Vertragsarztes in das System öffentlich gelenkter Daseinsfürsorge verleiht der vertragsärztlichen Tätigkeit danach nicht den Charakter hoheitlich gesteuerter Verwaltungsausübung. Dies entspricht auch der zivilrechtlichen Betrachtungsweise.
Dem Kassenarzt fehlt es bei der Verordnung eines Arzneimittels auch an der Beauftragteneigenschaft im Sinne von § 299 Abs. 1 StGB. Gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 SGB V wirken die Leistungserbringer, also auch die Kassenärzte, mit den gesetzlichen Krankenkassen zur Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung zusammen, begegnen sich nach der darin zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung also auf einer Ebene der Gleichordnung. Von wenigen Ausnahmen abgesehen sind unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen den Kassenärzten und den Krankenkassen gesetzlich ausgeschlossen. Dem Begriff des Beauftragten ist aber schon vom Wortsinn her die Übernahme einer Aufgabe im Interesse des Auftraggebers immanent, der sich den Beauftragten frei auswählt und ihn bei der Ausübung seiner Tätigkeit anleitet. Es kommt hinzu, dass die Krankenkasse den vom Versicherten frei gewählten Arzt akzeptieren muss. Dieser wird vom Versicherten als „sein“ Arzt wahrgenommen, den er beauftragt hat und dem er sein Vertrauen schenkt. Eine sachgerechte Bewertung der ärztlichen Verordnung vor dem Hintergrund des sozialrechtlichen Regelungsgefüges führt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass der Kassenarzt kein Beauftragter der Krankenkassen ist. Dass die Verordnung von Medikamenten (und Hilfsmitteln) dabei auch Relevanz für die Krankenkasse hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Der Große Senat für Strafsachen hatte nur zu entscheiden, ob korruptives Verhalten von Kassenärzten und Mitarbeitern von Pharmaunternehmen nach dem geltenden Strafrecht strafbar ist. Das war zu verneinen. Darüber zu befinden, ob die Korruption im Gesundheitswesen strafwürdig ist und durch Schaffung entsprechender Straftatbestände eine effektive strafrechtliche Ahndung ermöglicht werden soll, ist Aufgabe des Gesetzgebers.

– Pressemitteilung des BGH vom 22.06.2012 –

§ 11 Abs. 1 Nr. 2 c) StGB lautet:
(1) Im Sinne dieses Gesetzes ist
1. …
2. Amtsträger:
wer nach deutschem Recht
a) …
b) …
c) sonst dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform wahrzunehmen;

§ 299 Abs. 1 StGB lautet:
(1) Wer als Angestellter oder Beauftragter eines geschäftlichen Betriebes im geschäftlichen Verkehr einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er einen anderen bei dem Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

 

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Strafverfahren – Wann hat man Anspruch auf einen Pflichtverteidiger?

Wer zum Zeitpunkt der ihm vorgeworfenen Tat Erwachsener, d. h. schon 21 Jahre alt war, hat Anspruch auf die Bestellung eines Pflichtverteidigers,

  • wenn die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht oder dem Landgericht stattfindet (§ 140 Abs. 1 Nr. 1
StPO);
  • wenn ihm ein Verbrechen zur Last gelegt wird (§ 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO);
  • wenn das Verfahren zu einem Berufsverbot (§§ 77, 70a StGB ) führen kann (§ 140 Abs. 1 Nr. 3 StPO)
  • wenn gegen ihn Untersuchungshaft nach den §§ 112, 112a StPO oder einstweilige Unterbringung nach § 126a StPO oder § 275a Abs. 6 StPO vollstreckt wird (§ 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO)
  • wenn er sich mindestens drei Monate auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befunden hat und nicht mindestens zwei Wochen vor Beginn der Hauptverhandlung entlassen wird (§ 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO);
  • wenn zur Vorbereitung eines Gutachtens über seinen psychischen Zustand seine Unterbringung nach § 81 StPO in Frage kommt (§ 140 Abs. 1 Nr. 6 StPO);
  • wenn ein Sicherungsverfahren durchgeführt wird (§ 140 Abs. 1 Nr. 7 StPO);
  • wenn der bisherige Verteidiger durch eine Entscheidung von der Mitwirkung in dem Verfahren ausgeschlossen ist (§ 140 Abs. 1 Nr. 8 StPO);
  • wenn wegen der Schwere der Tat die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint (§ 140 Abs. 2 StPO);
  • wenn wegen der Schwierigkeit der Sachlage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint (§ 140 Abs. 2 StPO);
  • wenn wegen der Schwierigkeit der Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint (§ 140 Abs. 2 StPO);
  • wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann (§ 140 Abs. 2 StPO);
  • wenn dem von ihm Verletzten nach den §§ 397a StPO und 406g Abs. 3 und 4 StPO ein Rechtsanwalt beigeordnet worden ist (§ 140 Abs. 2 StPO);
  • wenn er hör- oder sprachbehindert ist (§ 140 Abs. 2 StPO);
  • wenn gegen ihn ein beschleunigtes Verfahren durchgeführt wird und eine Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten zu erwarten ist (§ 418 Abs. 4 StPO).

Wer zum Zeitpunkt der ihm vorgeworfenen Tat Jugendlicher, d. h. schon 14 Jahre, aber noch nicht 18 Jahre alt war (vgl. § 1 Abs. 2 JGG), hat Anspruch auf die Bestellung eines Pflichtverteidigers,

  • wenn einem Erwachsenen ein Verteidiger zu bestellen wäre (§ 68 Nr. 1 JGG i. V. m. § 140 Abs. 1 Nr. 1- 8 oder Abs.2 StPO; siehe oben);
  • wenn dem Erziehungsberechtigten und dem gesetzlichen Vertreter ihre Rechte nach diesem Gesetz entzogen sind (§ 68 Nr. 2 JGG);
  • wenn der Erziehungsberechtigte und der gesetzliche Vertreter nach § 51 Abs. 2 JGG von der Verhandlung ausgeschlossen worden sind und die Beeinträchtigung in der Wahrnehmung ihrer Rechte durch eine nachträgliche Unterrichtung (§ 51 Abs. 4 Satz 2 JGG) nicht hinreichend ausgeglichen werden kann (§ 68 Nr. 3 JGG);
  • wenn zur Vorbereitung eines Gutachtens über seinen Entwicklungsstand (§ 73 JGG) seine Unterbringung in einer Anstalt in Frage kommt (§ 68 Nr. 4 JGG);
  • wenn gegen ihn Untersuchungshaft oder einstweilige Unterbringung gemäß § 126a StPO vollstreckt wird, solange er das achtzehnte Lebensjahr nicht vollendet hat (§ 68 Nr. 5 JGG).

Wer zum Zeitpunkt der ihm vorgeworfenen Tat Heranwachsender, d. h. schon 18 Jahre, aber noch nicht 21 Jahre alt war (vgl. § 1 Abs. 2 JGG), hat Anspruch auf die Bestellung eines Pflichtverteidigers,

  • wenn einem Erwachsenen ein Verteidiger zu bestellen wäre (§§ 109 Abs. 1 Satz 1, 68 Nr. 1 JGG i. V. m. § 140 Abs. 1 Nr. 1- 8 oder Abs.2 StPO; siehe oben);
  • wenn zur Vorbereitung eines Gutachtens über seinen Entwicklungsstand (§ 73 JGG) seine Unterbringung in einer Anstalt in Frage kommt (§§ 109 Abs. 1 Satz 1, 68 Nr. 4 JGG).

Ein Anspruch auf einen Pflichtverteidiger besteht jedoch nicht wenn Sie bereits einen Wahlverteidiger beauftragt haben. Dieser kann das Mandat jedoch niederlegen und beantragen selbst zum Pflichtverteidiger bestellt zu werden.

 

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Das Missgeschick mit dem Einkaufswagen – Mögliche strafrechtliche und zivilrechtliche Folgen.

Ein ganz alltäglicher Fall:
Auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz eines Einkaufszentrums belädt ein Kunde seinen Pkw. Dabei macht sich der von ihm benutzte Einkaufswagen selbständig, rollt weg und beschädigt ein parkendes Fahrzeug.

Strafrechtliche Frage:
Kann sich der Kunde in einem solchen Fall strafbar machen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort?

Antwort:
Ja, wenn er erkannt bzw. zumindest billigend in Kauf genommen hat, dass an dem Fahrzeug ein Schaden entstanden ist.
Denn die Kollision eines Einkaufswagens mit einem parkenden Fahrzeug auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz ist ein „Unfall im Straßenverkehr“ im Sinne des § 142 Abs. 1 StGB. Das entspricht der herrschenden Auffassung in der Rechtsprechung (vgl. u. a. OLG Nürnberg, Beschluss vom 26.10.2010 – 2 St OLG Ss 147/10 –), der sich auch das OLG Düsseldorf im Urteil vom 07.11.2011 – 1 RVs 62/11 – angeschlossen hat.

Zivilrechtliche Frage:
Ist ein solcher durch einen Einkaufswagen verursachter Fremdschaden von der Privathaftpflichtversicherung oder der Kfz-Haftpflichtversicherung gedeckt?

Antwort:
Die Beantwortung dieser Frage hängt davon ab, ob der vorliegende, beim Beladen des Pkw eingetretene Schaden, dem „Gebrauch des Kraftfahrzeugs“ zuzurechnen, also „durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeugs“ entstanden ist (dann: Kfz-Haftpflichtversicherung, vgl. A.1.1.1 AKB 2008) oder nicht (dann: Privathaftpflichtversicherung). Hierzu werden in der Rechtsprechung unterschiedliche Meinungen vertreten.

 

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Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids – Ist der geltend gemachte Anspruch nicht ausreichend individualisiert wird die Verjährung nicht gehemmt!

Die Zustellung eines Mahnbescheids hemmt die Verjährung eines geltend gemachten Anspruchs gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB nur dann, wenn der Antrag auf Erlass des Mahnbescheids in einer den Anforderungen des § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO entsprechender Weise hinreichend individualisiert worden ist.
Dazu ist erforderlich, dass der Anspruch durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt wird, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitels sein kann und dem Schuldner die Beurteilung ermöglicht, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will. Wann diese Anforderungen erfüllt sind, kann nicht allgemein und abstrakt festgelegt werden; vielmehr hängen Art und Umfang der erforderlichen Angaben im Einzelfall von dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnissen und der Art des Anspruchs ab. Für den Antragsgegner muss aus dem Mahnbescheid jedenfalls erkennbar sein, welche konkreten Ansprüche mit dem Mahnbescheid geltend gemacht werden, wobei zur Bezeichnung auf Rechnungen oder andere Unterlagen Bezug genommen werden kann und ein dem Antragsgegner bereits bekanntes solches Schriftstück dem Mahnbescheid nicht in Abschrift beigefügt werden braucht.
Wird mit dem Mahnbescheid ein Gesamtbetrag geltend gemacht, besteht das Erfordernis diesen bereits im Mahnbescheid hinreichend aufzuschlüsseln, nur dann, wenn eine Mehrzahl von Einzelforderungen geltend gemacht wird und nicht wenn eine einheitliche Schadensersatzforderung verfolgt wird, die sich lediglich aus mehreren unselbständigen Rechnungsposten zusammensetzt.

Ist der geltend gemachte Anspruch ausreichend individualisiert, wirkt die durch die Zustellung des Mahnbescheids gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB eintretende Hemmung der Verjährung des geltend gemachten Anspruchs nach § 167 ZPO zurück auf den Zeitpunkt der Einreichung des Mahnbescheids beim Mahngericht, wenn die Zustellung des Mahnbescheids „demnächst“ erfolgt.
Im Bereich des Mahnverfahrens ist eine binnen eines Monats erfolgende Zustellung im Hinblick auf die Wertung des § 691 Abs. 2 ZPO stets als „demnächst“ im Sinne von § 167 ZPO anzusehen.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) im Urteil vom 17.11.2010 – VIII ZR 211/09 – hingewiesen.

 

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Zwangsvollstreckung aus rechtskräftigem Urteil – Schuldner wehrt sich mit der Behauptung, die Forderung sei bereits bezahlt.

Wendet sich ein Schuldner gegen die Zwangsvollstreckung aus einem rechtskräftigen Urteil mit dem Einwand, die dem Urteil zugrunde liegende Forderung sei bereits bezahlt, ist dieser Einwand der Erfüllung, weil er den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betrifft, grundsätzlich nach § 767 Abs. 1 ZPO mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend zu machen.
Nach § 767 Abs. 2 ZPO können Einwendungen im Wege der Vollstreckungsgegenklage aber nur insoweit erhoben werden, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungen nach den gesetzlichen Vorschriften spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können.
Die Vollstreckungsabwehrklage hat demzufolge nur dann Erfolg, wenn die Forderung durch Zahlung nach der mündlichen Verhandlung, in der das Urteil ergangen ist, erfüllt wurde.
Erfüllt ein Schuldner vor der mündlichen Verhandlung den mit der Klage geltend gemachten Anspruch, muss er den Einwand der Erfüllung in der mündlichen Verhandlung erheben (§ 282 Abs. 1 ZPO ) und dadurch eine Verurteilung verhindern. Erhebt der Schuldner den Einwand in einem solchen Fall nicht und kommt es, aus welchen Gründen auch immer, zu einem rechtskräftigen Zahlungsurteil, ist die Einwendung für das Verfahren nach § 767 Abs. 1 ZPO präkludiert. Der Schuldner kann diese Einwendung im Verfahren nach § 767 Abs. 1 ZPO nicht mehr erheben.

In Betracht käme für einen Schuldner in einem derartigen Fall dann nur noch eine Klage nach § 826 BGB. Danach kann ein Gläubiger in besonders schwerwiegenden, eng begrenzten Ausnahmefällen zur Unterlassung der Zwangsvollstreckung aus einem rechtskräftigen, aber materiell unrichtigen Titel verpflichtet sein, wenn es mit dem Gerechtigkeitsgedanken schlechthin unvereinbar wäre, dass der Titelgläubiger seine formelle Rechtsstellung unter Missachtung der materiellen Rechtslage zulasten des Schuldners ausnutzt. Dies setzt neben der materiellen Unrichtigkeit des Vollstreckungstitels und der Kenntnis des Gläubigers hiervon aber zusätzliche besondere Umstände voraus, welche die Erlangung des Vollstreckungstitels oder seine Ausnutzung als sittenwidrig und es geboten erscheinen lassen, dass der Gläubiger die ihm unverdient zugefallene Rechtsposition aufgibt.
Solche besonderen, zur Unrichtigkeit des Vollstreckungstitels hinzutretende Umstände liegen aber beispielsweise dann nicht vor, wenn ein Gläubiger aus einem rechtskräftigen Versäumnisurteil vollstreckt und ihm zu dem Zeitpunkt, als er den Erlass des Versäumnisurteils beantragt hat, die Zahlung des Schuldners (noch) nicht bekannt war.

Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 01.12.2011 – IX ZR 56/11 – entschieden.

Der Schuldner könnte in solchen Fällen demzufolge nur die Rückforderung des bereits gezahlten Betrages wegen Zweckverfehlung nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen verlangen.

 

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Wohnwertverbesserung durch Modernisierungsmaßnahme?

Ob eine vom Vermieter beabsichtigte Modernisierungsmaßnahme eine Verbesserung der Mietsache darstellt, ist grundsätzlich nach dem gegenwärtigen Zustand der Wohnung einschließlich der vom Mieter vorgenommenen Verbesserungsmaßnahmen zu beurteilen; unberücksichtigt bleiben lediglich etwaige vom (gegenwärtigen) Mieter vertragswidrig vorgenommene bauliche Veränderungen.

Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 20.06.2012 – VIII ZR 110/11 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall begehrte die Vermieterin von den beklagten Mietern gemäß § 554 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) die Duldung des Anschlusses der Mietwohnung an die im Haus befindliche Gaszentralheizung. Die Wohnung der Beklagten verfügte über eine von der Vormieterin mit Zustimmung des früheren Vermieters und Rechtsvorgängers der Klägerin eingebaute Gasetagenheizung, für welche die Beklagten der Vormieterin eine Ablösesumme gezahlt haben. Zuvor war die Wohnung mit Kohleöfen beheizt worden.
Im Mai 2008 kündigte die Klägerin den Beklagten an, deren Wohnung durch eine Modernisierungsmaßnahme gemäß § 554 Abs. 2 BGB zum Zwecke der Energieeinsparung und der Wohnwerterhöhung an die im Haus vorhandene Gaszentralheizung anschließen zu wollen. Die hierdurch entstehenden Kosten bezifferte die Klägerin mit 2.145 €, die von den Beklagten insoweit zu tragende monatliche Umlage mit 19,66 €. Die Beklagten stimmten der Modernisierung nicht zu.

Das Amtsgericht hat die auf Duldung des Anschlusses an die Gaszentralheizung gerichtete Klage abgewiesen.

Das Landgericht hat auf die Berufung der Klägerin die Beklagten antragsgemäß verurteilt und dies damit begründet, dass der Einbau einer Gaszentralheizung im Vergleich zu der vom Vermieter bereitgestellten Ofenheizung eine Wohnwertverbesserung darstelle. Maßgebend für die Beurteilung einer Verbesserung des Gebrauchswerts sei grundsätzlich der vom Vermieter zur Verfügung gestellte, nicht der vom Mieter – sei es auch mit Genehmigung des Vermieters – geschaffene Zustand; dies sei hier die Ausstattung der Wohnung mit Kohleöfen.

Die dagegen gerichtete Revision der beklagten Mieter hatte Erfolg.

Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH hat entschieden, dass bei der Frage, ob die vom Vermieter beabsichtigte Maßnahme eine Verbesserung der Mietsache darstellt, grundsätzlich auf den gegenwärtigen Zustand der Wohnung abzustellen ist; unberücksichtigt bleiben lediglich etwaige vom (gegenwärtigen) Mieter vertragswidrig vorgenommene bauliche Veränderungen. Der Vermieter verhielte sich widersprüchlich, wenn er einerseits dem Mieter erlaube, die Mietsache auf eigene Kosten zu modernisieren und andererseits bei einer späteren eigenen Modernisierung den auf diese Weise vom Mieter geschaffenen rechtmäßigen Zustand unberücksichtigt lassen wollte.
Eine solche Sichtweise schränkt die Dispositionsbefugnis des Vermieters nicht unangemessen ein. Denn der Mieter hat grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass der Vermieter ihm gestattet, selbst bauliche Veränderungen an der Wohnung mit dem Ziel einer Modernisierung oder Erhöhung des Wohnkomforts vorzunehmen. Erteilt der Vermieter die Zustimmung zu baulichen Maßnahmen des Mieters, hat er es zudem in der Hand, diese an Bedingungen zu knüpfen und so sicherzustellen, dass die vom Mieter vorgenommenen Maßnahmen sich mit den von ihm beabsichtigten Investitionen in Übereinstimmung bringen lassen und – falls vom Vermieter gewünscht – dauerhaft in der Wohnung verbleiben.

Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden, damit Feststellungen dazu getroffen werden können, ob in der Ersetzung der älteren Gasetagenheizung durch eine moderne Gaszentralheizung jedenfalls eine Maßnahme zur Energieeinsparung gemäß § 554 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB zu sehen ist und aus diesem Grund ein Duldungsanspruch der Mieter besteht.

– Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 20.06.2012 –

 

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Betreuung – Wenn der Betroffene der Einrichtung der Betreuung nicht zustimmt.

Nach § 1896 Abs. 1a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) darf gegen den freien Willen eines Volljährigen ein Betreuer nicht bestellt werden.
Stimmt ein Betroffener der Einrichtung einer Betreuung nicht zu, ist neben der Notwendigkeit einer Betreuung stets zu prüfen, ob die Ablehnung durch den Betroffenen auf einem freien Willen beruht. Das fachärztlich beratene Gericht hat daher festzustellen, ob der Betroffene trotz seiner Erkrankung bzw. Behinderung noch zu einer freien Willensbestimmung fähig ist.
Dabei ist der Begriff der freien Willensbestimmung im Sinne des § 1896 Abs. 1 a BGB und des § 104 Nr. 2 BGB im Kern deckungsgleich. Die beiden entscheidenden Kriterien sind dabei die Einsichtsfähigkeit des Betroffenen und dessen Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln. Fehlt es an einem dieser beiden Elemente, liegt kein freier, sondern nur ein natürlicher Wille vor.
Einsichtsfähigkeit setzt die Fähigkeit des Betroffenen voraus, im Grundsatz die für und wider eine Betreuerbestellung sprechenden Gesichtspunkte zu erkennen und gegeneinander abzuwägen. Dabei dürfen jedoch keine überspannten Anforderungen an die Auffassungsgabe des Betroffenen gestellt werden. Auch der an einem Gebrechen im Sinne des § 1896 Abs. 1 BGB leidende Betroffene kann in der Lage sein, einen freien Willen zu bilden und ihn zu äußern. Abzustellen ist jeweils auf das Krankheitsbild des Betroffenen. So vermag ein an einer Psychose erkrankter Betroffener das Wesen und die Bedeutung einer Betreuung im Detail eher zu begreifen als der an einer Demenz leidende Betroffene. Wichtig ist das Verständnis, dass ein gesetzlicher Vertreter (§ 1902 BGB ) bestellt wird, der eigenständige Entscheidungen in den ihm übertragenen Aufgabenbereichen treffen kann. Der Betroffene muss Grund, Bedeutung und Tragweite einer Betreuung intellektuell erfassen können.
Die Einsichtsfähigkeit in den Grund der Betreuung setzt dabei denknotwendig voraus, dass der Betroffene seine Defizite wenigstens im Wesentlichen zutreffend einschätzen kann. Nur dann ist es ihm nämlich möglich, die für und gegen eine Betreuung sprechenden Umstände gegeneinander abzuwägen.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) im Beschluss vom 14.03.2012 – XII ZB 502/11 – hingewiesen.

 

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FAQ Familienrecht – Antworten auf häufige Fragen im Familienrecht

Antworten auf die häufigsten Fragen im Bereich des Familienrechts

1. Ehescheidung
Trennungsjahr:
Die Ehegatten müssen in der Regel mindestens 12 Monate dauerhaft getrennt leben. Die Trennung kann auch innerhalb der Wohnung vollzogen werden. Es ist zu beachten, dass dann keine Betreuungsleistungen (z.B. Einkaufen, Kochen, Waschen etc.) gegenseitig mehr erbracht werden

Scheidungsantrag:
Der Scheidungsantrag muss von einem Rechtsanwalt zum Amtsgericht, Abteilung für Familiensachen, eingereicht werden. Bei einer einverständlichen Scheidung ist es in der Regel ausreichend, wenn sich der antragstellende Ehegatte von einem Anwalt vertreten lässt. Der andere Ehegatte braucht der Scheidung nur noch zuzustimmen.

Versorgungsausgleich:
Das Gericht führt in der Regel den sog. Versorgungsausgleich (= Ausgleich der erworbenen Rentenanwartschaften während der Ehezeit) von Amts wegen durch, so dass keinem der Ehegatten durch die Ehe Nachteile entstehen.
Ausnahme: Der Versorgungsausgleich findet bei einer Ehezeit von bis zu drei Jahren (einschließlich Trennungsjahr) kraft Gesetzes nicht statt, sofern ein Ehegatte dies nicht ausdrücklich beantragt.

2. Unterhalt
Kindesunterhalt:
Verwandte in gerade Linie sind gesetzlich verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren, § 1601 BGB. Bei minderjährigen Kindern erfüllt derjenige Elternteil bei dem das Kind wohnt, seine Unterhaltspflicht grundsätzlich durch Pflege und Erziehung. Der andere Elternteil ist zur Zahlung von Barunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle verpflichtet. Die Höhe richtet sich nach dem Alter des Kindes und dem Einkommen des Unterhaltsverpflichteten

Trennungsunterhalt:
Grundsatz: Leben die Ehegatten getrennt, kann grundsätzlich ein Ehegatte von dem anderen Trennungsunterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen verlangen.

Nachehelicher Unterhalt:
Grundsatz der Eigenverantwortung: Nach Ablauf des Trennungsjahres, spätestens nach der Scheidung, ist jeder Ehegatte grundsätzlich verpflichtet für seinen Lebensunterhalt selbst zu sorgen. Unter bestimmten Voraussetzungen besteht auch nach der Scheidung ein Anspruch auf Unterhalt (Hauptanwendungsfall: Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres).

3. Elterliche Sorge / Umgangsrecht

  • In der Regel üben die Eltern das Sorgerecht gemeinsam aus
  • Das Kindeswohl steht im Vordergrund
  • Jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt; das Kind hat ein Recht auf Umgang mit jedem Elternteil

4. Eheliches Güterrecht

  • Grundsatz: Die Ehegatten leben im Güterstand der Zugewinngemeinschaft
  • Es besteht die Möglichkeit durch Ehevertrag einen anderen Güterstand (z. B. Gütertrennung oder Gütergemeinschaft) zu vereinbaren
  • Im Rahmen der Zugewinngemeinschaft ist derjenige Ehegatte ausgleichspflichtig, der während der Ehe den höheren Zugewinn erzielt hat (Vergleich von Anfangs- und Endvermögen)

 

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