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Was Gesellschafter einer GmbH, die Höchstbetragsbürgschaften für Verbindlichkeiten der GmbH übernehmen, wissen sollten

Übernehmen Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) für eine Verbindlichkeit der Gesellschaft

  • auf der Grundlage einer gemeinsamen Absprache (mit dem Gläubiger) gemeinsam

Bürgschaften bis zu unterschiedlichen Höchstbeträgen,

  • bringen sie damit stillschweigend zum Ausdruck, dass sie auch intern in dem Verhältnis haften wollen, in dem sie eine Haftung nach außen übernahmen,

so dass sich im Falle der Inanspruchnahme eines Mitbürgen durch den Gläubiger die Höhe des Innenausgleichs zwischen den Mitbürgen gemäß § 774 Abs. 2, § 426 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

  • nicht nach dem Verhältnis der Gesellschaftsanteile der Mitbürgen richtet
  • sondern nach dem Verhältnis der mit den Bürgschaften jeweils übernommenen Höchstbeträge.

Da das Ausgleichsverhältnis unter Mitbürgen gemäß § 774 Abs. 2, § 426 BGB bereits mit Begründung des Gesamtschuldverhältnisses entsteht,

  • h. bei Übernahme der Bürgschaften und nicht erst mit der Leistung eines Mitbürgen an den Gläubiger,
  • berührt eine vom Gläubiger vorgenommene Entlassung eines Bürgen aus dem gesamtschuldnerischen Haftungsverband die Ausgleichsverpflichtung grundsätzlich nicht.

Dessen Bürgschaft ist bei der Beurteilung der Höhe des Ausgleichsanspruchs vielmehr nur dann außer Ansatz zu lassen, wenn

  • etwa die übrigen Bürgen mit einer solchen Privilegierung ausdrücklich oder stillschweigend einverstanden gewesen sind oder
  • der entsprechende Gesellschafter von einem ihm bereits zum Zeitpunkt seiner Verbürgung von dem Gläubiger eingeräumten Kündigungsrecht Gebrauch gemacht hat oder
  • in Folge Zeitablaufs (§ 777 BGB) von seiner Bürgenverpflichtung frei geworden ist.

Darauf hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 27.09.2016 – XI ZR 81/15 – hingewiesen.

Was Geschädigte wissen sollten, die nach einem Verkehrsunfall auf Gutachtenbasis abrechnen

Verzichtet ein (vorsteuerabzugsberechtigter) Geschädigter nach einem Verkehrsunfall auf eine Reparatur oder Ersatzbeschaffung und rechnet er den Schaden an seinem PKW gegenüber dem Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung auf Basis eines vorprozessual eingeholten Sachverständigengutachtens ab, also

  • nach den fiktiven Reparaturkosten oder
  • nach den fiktiven Kosten für die Beschaffung einer gleichwertigen Ersatzsache

erhält er

  • nicht die vollen vom Sachverständigen ermittelten Reparaturkosten bzw. den vollen vom Sachverständigen ermittelten Wiederbeschaffungswert,
  • sondern den um die Umsatzsteuer reduzierten Geldbetrag,

weil Umsatzsteuer nach § 249 Abs. 2 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht ersetzt wird, wenn und soweit sie nur fiktiv bleibt (es also zu einer umsatzsteuerpflichtigen Reparatur oder Ersatzbeschaffung nicht kommt (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 02.07.2013 – VI ZR 351/12 –)).

Wählt ein Geschädigter die Schadensabrechnung nach den fiktiven Kosten für die Beschaffung einer gleichwertigen Ersatzsache

  • bemisst sich die vom Brutto-Wiederbeschaffungswert in Abzug zu bringende Umsatzsteuer

aus dem fiktiven Ersatzbeschaffungsgeschäft,

  • (d.h. die Höhe des abzuziehenden Umsatzsteueranteils richtet sich danach, ob solche Fahrzeuge bei (hypothetischer) Ersatzbeschaffung nach überwiegender Wahrscheinlichkeit auf dem Gebrauchtwagenmarkt nach § 10 Umsatzsteuergesetz (UStG) regelbesteuert oder nach § 25a UStG differenzbesteuert oder von Privat und damit umsatzsteuerfrei angeboten werden (BGH, Urteil vom 09.05.2006 – VI ZR 225/05 –)

und

  • nicht aus dem Erwerb eines Ersatzfahrzeugs,
  • wenn der Geschädigte nachfolgend einen regelumsatzbesteuerten Gebrauchtwagen als Ersatzfahrzeug erwirbt.

Die im Rahmen einer solchen nachfolgenden tatsächlichen Ersatzbeschaffung angefallene Umsatzsteuer kann der Geschädigte, wenn er,

  • weil die konkreten Kosten der Ersatzbeschaffung unter Einbeziehung der geltend gemachten Nebenkosten den ihm aufgrund der fiktiven Schadensabrechnung zustehenden Betrag nicht übersteigen,

die für ihn günstigere Möglichkeit einer fiktiven Schadensabrechnung auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens gewählt hat (vgl. BGH, Urteil vom 17.10.2006 – VI ZR 249/05 –),

  • nicht vom Schädiger bzw. von dessen Haftpflichtversicherung ersetzt verlangen,

da eine Kombination von fiktiver und konkreter Schadensabrechnung unzulässig ist.

Darauf hat der VI. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 13.09.2016 – VI ZR 654/15 – hingewiesen.

Wann kommt, wenn Kunden in einem Geschäft stürzen, eine Haftung des Inhabers wegen Verkehrssicherungspflichtverletzung in Betracht?

Die Sicherheitsvorkehrungen, die ein Geschäftsinhaber zum Schutz seiner Kunden vor Stürzen in seinem Geschäft treffen muss, hängen u.a. auch ab vom Zuschnitt, der Größe und dem Warensortiment des Geschäfts.

So kann es bei einem großen und schwer überschaubaren Ladenlokal,

  • etwa in den Fällen einer großen Lebensmittelabteilung eines Kaufhauses im Zentrum einer Großstadt,
  • eines Einkaufsmarkts mit mehreren tausend Quadratmetern Verkaufsfläche auf mehreren Ebenen oder
  • in Nahrungsmittelgeschäften, in denen die Gefahr besteht, dass beispielsweise in der Gemüseabteilung Salatblätter etc. auf den Boden fallen, auf denen Kunden ausrutschen können,

erforderlich sein,

  • entweder einzelne Mitarbeiter mit einer Überprüfung des gesamten Objekts in bestimmten, kurzen Zeitabständen zu beauftragen oder
  • jeweils einem Mitarbeiter die Verantwortung für die Sauberkeit seiner Abteilung zu übertragen.

Geringere Verkehrssicherungspflichten als bei Kaufhäusern oder sonstigen Einrichtungen mit großem Publikumsandrang treffen dagegen den Inhaber einer Apotheke, weil

  • in Apotheken regelmäßig kein Publikumsandrang herrscht, der die Einsehbarkeit des Bodenbereichs für Kunden signifikant einschränkt,
  • von den Auslagen einer Apotheke keine besonderen Ablenkungswirkungen ausgehen und
  • das Warensortiment einer Apotheke regelmäßig keine erhebliche Sturzgefahr für Kunden hervorruft,

was Apotheken wertungsmäßig von Geschäften, deren Betrieb als solches bereits erhöhte Gefahren für Kunden bewirkt, unterscheidet.

Inhaber von Apotheken genügen im Regelfall der ihnen obliegenden Verkehrssicherungspflicht,

  • wenn sie zum Schutz von Kunden vor Stürzen dafür Sorge tragen, dass Feuchtigkeit und Verunreinigungen nach Möglichkeit nicht in den Innenraum der Apotheke gelangen bzw. hereingetragen und
  • wenn doch umgehend beseitigt werden und

der Boden dadurch nicht zur Gefahrenstelle für Kunden wird.

Damit dass insbesondere im Winter der Fußboden eine gewisse Feuchtigkeit aufweist, müssen Kunden aber hinnehmen und sich darauf einstellen, weil auch durch häufiges Aufwischen bei Publikumsverkehr eine Feuchtigkeit des Fußbodens nie ganz beseitigt werden kann.

Darauf hat das Amtsgericht (AG) München mit Urteil vom 24.06.2016 – 274 C 17475/15 – hingewiesen und die Klage der Besucherin einer Apotheke abgewiesen,

  • die, als draußen winterliche Witterung herrschte, die Wege mit Schnee und Schneematsch bedeckt waren und in der Apotheke eine Reinigungskraft gerade den Boden reinigte,

aufgrund des feuchten Bodens ausgerutscht, gestürzt, sich dabei verletzt und

Was Arbeitnehmer und Arbeitnehmer wissen sollten, wenn Lohn verspätet gezahlt wird

Erhält ein Arbeitnehmer den Arbeitslohn vom Arbeitgeber

  • verspätet oder
  • unvollständig

ausbezahlt hat er nach § 288 Abs. 5 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Anspruch auf 40 € Pauschal-Schadensersatz.

Das hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts (LAG) Köln mit Urteil vom 22.11.2016 – 12 Sa 524/16 – entschieden.

Begründet hat die Kammer dies damit, dass es sich bei der 40-Euro-Pauschale,

  • die der Schuldner einer Entgeltforderung nach dem 2014 neu eingefügten § 288 Abs. 5 BGB bei Verzug des Schuldners neben dem Ersatz des durch den Verzug entstehenden konkreten Schadens verlangen kann und die auf den Schadensersatz anzurechnen ist, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist,

um eine Erweiterung der gesetzlichen Regelungen zum Verzugszins handle, der,

  • weil durch diese Regelung der Druck auf den Schuldner, Zahlungen pünktlich und vollständig zu erbringen, erhöht werden sollte,

auch auf Arbeitsentgeltansprüche zu zahlen sei.

Da umstritten ist, ob § 288 Abs. 5 BGB im Arbeitsrecht, nachdem es hier – anders als im allgemeinen Zivilrecht – keinen Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten gibt, anwendbar ist, hat die Kammer die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassen. Wie dieser entscheiden wird bleibt abzuwarten (Quelle: Presseservice der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 25.11.2016).

Was Inhaber eines Internetanschlusses mit WLAN-Funktion wissen sollten

Inhaber eines Internetanschlusses mit WLAN-Funktion sind zur Prüfung verpflichtet,

  • ob der eingesetzte Router
  • über die im Zeitpunkt des Kaufs für den privaten Bereich marktüblichen Sicherungen verfügt,
    • also einen aktuellen Verschlüsselungsstandard sowie
    • ein individuelles, ausreichend langes und sicheres Passwort.

Behält ein Internetanschlussinhaber ein vom Hersteller voreingestelltes WLAN-Passworts bei, kann dies,

  • wenn es sich nicht um ein für jedes Gerät individuell,
  • sondern für eine Mehrzahl von Geräten verwendetes Passwort handelt,

eine Verletzung der Prüfungspflicht darstellen.

Allerdings muss ein Urheberrechtsinhaber, der den Inhaber eines Internetanschlusses mit WLAN-Funktion wegen Verletzung seiner Prüfungspflichten als Störer in Anspruch nehmen will,

  • weil sein Urheberrecht über den Internetanschluss des Inhabers von einem unbekannten Dritten verletzt worden ist,
  • der sich unberechtigten Zugang zum WLAN des Internetanschlussinhabers verschafft hat,

beweisen, dass das vom Hersteller voreingestellte und beibehaltene WLAN-Passwort für eine Mehrzahl von Geräten vergeben worden ist,

  • wenn der Anschlussinhaber durch Benennung des Routertyps, des Passworts sowie durch die Angabe, es habe sich um ein nur einmal vergebenes Passwort gehandelt,
  • seiner insoweit obliegenden sekundären Darlegungslast genügt hat.

Das hat der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 24.11.2016 – I ZR 220/15 – entschieden (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 24.11.2016 – Nr. 212/2016 –).

Was sog. Strohmann-Geschäftsführer einer GmbH über ihre strafrechtliche Verantwortung wissen sollten

Auch wenn eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)

  • nicht von ihrem formellen Geschäftsführer,

sondern von einer Person geführt wird, die aufgrund der ihr erteilten weitreichenden Handlungskompetenzen als faktischer Geschäftsführer anzusehen ist (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 28.05.2002 – 5 StR 16/02 –),

  • bleibt der mit Gesellschafterbeschluss bestellte und eingetragene Geschäftsführer gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 Strafgesetzbuch (StGB) strafrechtlich verantwortliches Organ der GmbH.

Schon allein die Stellung als formeller Geschäftsführer begründet nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB

  • dessen Verantwortlichkeit als Organ der Gesellschaft nach außen,
  • was insbesondere auch die Einstandspflicht für die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten einschließt
    • wie beispielsweise das Abführen von Sozialversicherungsbeiträgen.

Diese Verantwortlichkeit des formellen Geschäftsführers entfällt auch dann nicht, wenn ihm – als sog. „Strohmann“ – rechtsgeschäftlich im Innenverhältnis keine bedeutsamen Kompetenzen übertragen wurden, um auf die rechtliche und wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft Einfluss zu nehmen.

Insbesondere trifft es nicht zu, dass der formelle Geschäftsführer in diesem Fall nur mit dem sich aus der Bestellung ergebenden Rechtsschein ausgestattet wäre.

  • Ein Geschäftsführer, der formal wirksam bestellt ist, hat von Gesetzes wegen nämlich stets alle rechtlichen und damit auch tatsächlichen Handlungsmöglichkeiten.

Dementsprechend knüpft § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB die Verantwortlichkeit

  • an die Organstellung und
  • nicht – auch – an das regelmäßig zugleich bestehende dienstvertragliche Anstellungsverhältnis.

Auch kann sich ein „Strohmann“- Geschäftsführer nicht darauf berufen, dass ihm die gebotene Abführung der Sozialversicherungsbeiträge mangels Kompetenzen tatsächlich unmöglich gewesen sei.
Denn stehen die tatsächlichen Verhältnisse hinter seinen rechtlichen Befugnissen zurück, so kann und muss der Geschäftsführer gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen, um seinen Einfluss geltend zu machen, anderenfalls er gehalten ist, sein Amt niederzulegen.

Darauf hat der 3. Strafsenat des BGH mit Beschluss vom 13.10.2016 – 3 StR 352/16 – hingewiesen.

Wird für ein einjähriges Kind kein Betreuungsplatz zur Verfügung gestellt können Eltern Schadensersatz verlangen

§ 24 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) räumt einem Kind,

  • welches das erste Lebensjahr vollendet hat,
  • bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres

einen Anspruch auf frühkindliche Förderung

  • in einer Tageseinrichtung (§ 22 Abs. Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) oder
  • in Kindertagespflege (§ 22 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII) ein.

Hieraus erwächst für den örtlich (§ 86 SGB VIII) und sachlich (§ 85 Abs. 1 SGB VIII) zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe (§ 3 Abs. 2 Satz 2, § 69 Abs. 1 SGB VIII i.V.m. dem jeweiligen Landesrecht) die (Amts-)Pflicht, im Rahmen seiner die Planungsverantwortung umfassenden Gesamtverantwortung (§ 79 Abs. 1 und 2 Nr. 1, § 80 SGB VIII) sicherzustellen, dass für jedes anspruchsberechtigte Kind, für das ein entsprechender Bedarf rechtzeitig angemeldet worden ist (§ 24 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII), ein Betreuungsplatz zur Verfügung steht.

Diese Amtspflicht,

  • die nicht nur im Rahmen der vorhandenen Kapazität besteht,
  • sondern nach der der gesamtverantwortliche Jugendhilfeträger gehalten ist, eine ausreichende Zahl von Betreuungsplätzen selbst zu schaffen oder durch geeignete Dritte – freie Träger der Jugendhilfe oder Tagespflegepersonen – bereitzustellen,

kann der zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe dadurch erfüllen, dass

  • er einen (zumutbaren) Platz
  • entweder in einer Tageseinrichtung oder im Rahmen der Kindertagespflege zuweist.

Stellt der Träger der öffentlichen Jugendhilfe, trotz rechtzeitiger Anmeldung des Bedarfs für ein anspruchsberechtigtes Kind keinen zumutbaren Betreuungsplatz zur Verfügung verletzt er seine Amtspflicht zur Erfüllung des Förderanspruchs aus § 24 Abs. 2 SGB VIII, wobei

  • in der Nichterfüllung dieses Anspruchs zugleich eine Amtspflichtverletzung liegt,
  • die personenberechtigten Eltern in den Schutzbereich dieser Amtspflicht einbezogen sind und
  • auch ein eventueller Verdienstausfallschaden, den ein Elternteil infolge der Nichtbereitstellung eines Betreuungsplatzes erleidet, grundsätzlich vom Schutzbereich der verletzten Amtspflicht mitumfasst wird.

Dafür, dass im Falle der Nichterfüllung des Anspruchs auf einen Betreuungsplatz die Bediensteten des Jugendhilfeträgers ihre Amtspflicht schuldhaft verletzt haben, spricht der Beweis des ersten Anscheins.
Es ist daher Sache des zuständigen Jugendhilfeträgers, den gegen ihn streitenden Anscheinsbeweis zu erschüttern,

  • wobei er sich auf allgemeine finanzielle Engpässe nicht mit Erfolg berufen kann,
  • weil der zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach der gesetzgeberischen Entscheidung für eine ausreichende Anzahl an Betreuungsplätzen grundsätzlich uneingeschränkt – insbesondere: ohne „Kapazitätsvorbehalt“ – einstehen muss.

Soweit der Träger der Jugendhilfeträger einen zur Erschütterung des Anscheinsbeweises geeigneten Vortrag hält, muss er diesen im Bestreitensfalle beweisen.

  • Gelingt die Erschütterung des Anscheinsbeweises, so ist es Aufgabe des den Anspruch geltend machenden Elternteils – unter Berücksichtigung einer sekundären Darlegungslast des Jugendhilfeträgers in Bezug auf Vorgänge aus seiner Sphäre – zum Verschulden des Jugendhilfeträgers vorzutragen und diesen Vortrag gegebenenfalls nachzuweisen.

Darauf und dass bei Nichterfüllung des Anspruchs auf einen Betreuungsplatz einem für das Kind personensorgeberechtigten Elternteil

  • ein Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung nach § 839 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. Art. 34 Grundgesetz (GG) zustehen kann,
  • der geschädigte Elternteil allerdings auch nach § 254 BGB gehalten ist, den Schaden möglichst gering zu halten,

hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in drei Urteilen vom 20.10.2016 – III ZR 302/15 –, – III ZR 303/15 – sowie III ZR 278/15 – hingewiesen.

Dieselgate: Rechtsprechung zum Rücktrittsrecht des PKW-Käufers nach wie vor uneinheitlich

Ist der Dieselmotor eines PKWs mit einer sog. Abschaltsoftware ausgestattet,

  • die erkennt, wenn sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befindet und dann den Ausstoß von Stickoxiden reduziert,
  • während im Straßenbetrieb der Ausstoß von Stickstoffoxiden höher ist als im Prüfstand und insbesondere höher als die vom Hersteller öffentlich angegebenen Stickstoffemissionen,

weist das Fahrzeug einen Sachmangel i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf.
Nach § 437 Nr. 1 BGB kann der Käufer eines solchen Fahrzeugs deshalb Nacherfüllung verlangen.

Ob der Käufer,

  • wenn er dem Verkäufer eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat und
  • die Frist fruchtlos verstrichen ist,

auch nach §§ 433, 437, 440, 323, 434 BGB

  • von dem Kaufvertrag durch Erklärung gegenüber dem Verkäufer zurücktreten und von diesem die Rückzahlung des Kaufpreises, abzüglich eines Nutzungsersatzes für den Gebrauch des Fahrzeugs gemäß §§ 346 Abs. 1, 2, 323 Abs. 1, 100 BGB (vgl. hierzu Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 09.04.2014 – VIII ZR 215/13 –), Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des PKWs verlangen sowie
  • im Streitfall bei Gericht die Feststellung beantragen kann, dass sich der Verkäufer mit der Annahme des PKWs in Annahmeverzug befindet,

hängt davon ab, ob es sich bei diesem Mangel

  • um einen erheblichen Mangel handelt oder
  • nur um eine unerhebliche Pflichtverletzung, bei dem ein Rücktritt vom Kaufvertrag nach § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ausgeschlossen ist

und dazu ist die Rechtsprechung nach wie vor uneinheitlich.

So sehen beispielsweise

Was Unfallbeteiligte bei einer Kollision zwischen einem fahrenden PKW und der geöffneten Tür eines geparkten Fahrzeugs wissen sollten

Nach § 14 Abs. 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) muss, wer aus- oder einsteigt, sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.
Damit verlangt § 14 Abs. 1 StVO das höchste Maß an Vorsicht für das Ein- oder Aussteigen.

Diese Sorgfaltsanforderung gilt für die gesamte Dauer eines Ein- oder Aussteigevorgangs,

  • also für alle Vorgänge, die in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang damit stehen,
  • folglich auch für Situationen, in denen der Insasse eines Kraftfahrzeugs sich im unmittelbaren Zusammenhang mit einem Ein- oder Aussteigevorgang bei geöffneter Tür in das Kraftfahrzeug beugt, um beispielsweise Gegenstände ein- oder auszuladen oder einem Kind beim Ein- oder Aussteigen zu helfen, wobei

Wird bei einem Einsteige – oder Aussteigevorgang ein anderer Verkehrsteilnehmer geschädigt, spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung des Ein- oder Aussteigenden.

Steht fest, dass ein anderer Verkehrsteilnehmer bei einem Einsteige – oder Aussteigevorgang geschädigt worden ist, muss somit der, gegen den der Anscheinsbeweis spricht,

  • den Beweises des ersten Anscheins durch den Nachweis einer ernsthaften Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs entweder erschüttern oder
  • den Vollbeweis eines anderen Geschehensablaufs erbringen.

Gelingt ihm dies nicht, fällt ihm im Rahmen der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge, von der der Haftungsumfang der Unfallbeteiligten abhängt, ein Verstoß gegen § 14 Abs. 1 StVO zur Last.

Andererseits kann aber auch dem Fahrer eines Fahrzeugs, der beim Vorbeifahren an einem rechts auf dem Parkstreifen geparkten PKW mit der geöffneten Fahrertür dieses PKWs kollidiert ist,

  • wenn er nachweislich keinen ausreichenden Sicherheitsabstand eingehalten hat,

im Rahmen der beim Haftungsumfang vorzunehmenden Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO zu Last fallen.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main mit Urteil vom 25.10.2016 – 16 U 167/15 – hingewiesen.

Was Käufer eines neuen PKWs wissen sollten wenn der Kraftstoffverbrauch höher als angegeben ist

Weicht der Kraftstoffverbrauch eines gekauften Neufahrzeugs

  • von den Herstellerangaben bzw. den im Verkaufsprospekt angegebenen (kombinierten) Verbrauchswerten
  • um 10 % oder mehr ab,

liegt ein erheblicher Fahrzeugmangel vor (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 08.05.2007 – VIII ZR 19/05 – und Oberlandesgericht (OLG) Hamm, Urteil vom 07.02.2013 – I-28 U 94/12 –)

  • der den Käufer gemäß §§ 433, 434, 437 Nr. 2, 440, 323 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) berechtigt vom Kaufvertrag zurückzutreten und vom Verkäufer gemäß § 346 Abs. 1 BGB die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs zu fordern,
  • wenn der Verkäufer zuvor auf Verlangen des Käufers erfolglos versucht hat, den Verbrauch zu senken.

Wissen muss man allerdings, dass,

  • wenn laut Hinweis im Verkaufsprospekt die angegebenen Kraftstoffverbrauchswerte nach der Richtlinie 80/1268/EWG ermittelt worden sind,

es nach dieser Richtlinie möglich ist, den Kraftstoffverbrauch auf einem Fahrleistungsprüfstand zu messen,

  • sowohl dadurch, dass der Prüfstand eingestellt wird auf die Rollwiderstandswerte des konkreten Fahrzeugs,
  • als auch dadurch, dass unabhängig von den Rollwiderstandswerten des konkreten Fahrzeugs, die Bremse des Prüfstandes nach bestimmten vorgegebenen Tabellenwerten eingestellt wird.

Da beide Verfahren nach der Richtlinie 80/1268/EWG zugelassen sind und die Richtlinie keinem dieser Verfahren den Vorzug gibt, kann demzufolge ein Fahrzeugkäufer auch nur erwarten, dass die im Prospekt angegebenen Verbrauchswerte, nach der einen oder der anderen Methode ermittelt, eingehalten werden.

Das bedeutet, ein erheblicher Fahrzeugmangel liegt nicht schon dann vor,

  • wenn bei Einstellung des Fahrleistungsprüfstandes auf den tatsächlichen Rollwiderstand des konkreten Fahrzeugs, der so gemessene Verbrauchswert die Prospektangaben um 10% oder mehr übersteigt,
  • sondern nur, wenn sich auch bei der Ermittlung des Verbrauchswertes nach der anderen in der Richtlinie erlaubten Prüfungsmethode ein die Prospektangaben übersteigender Spritverbrauch von 10 % oder mehr ergibt.

Darauf hat der 2. Zivilsenat des OLG Hamm mit Urteil vom 08.06.2015 – 2 U 163/14 – hingewiesen und in einem Fall, in dem von dem Käufer eines Neuwagens die Rückabwicklung des Kaufvertrags wegen überhöhten Kraftstoffverbrauchs des Fahrzeugs verlangt worden war, die Klage abgewiesen, weil eine Überprüfung durch einen Sachverständigen ergeben hatte, dass zwar bei einer der beiden, nach der Richtlinie 80/1268/EWG möglichen Verbrauchsermittlungen, die Verbrauchswerte um mehr als 12%     über den Prospektangaben lagen, bei der anderen der Mehrverbrauch aber bei allen Einsatzvarianten (innerorts, außerorts und kombiniert) unter den Prospektwerten lag, die obergerichtliche Grenze des 10%-igen Mehrverbrauchs, bei der ein Mehrverbrauch einen erheblichen Fahrzeugmangel darstellt, damit nicht überschritten war und ein Mehrverbrauch von weniger als 10% lediglich eine unwesentliche Abweichung im Sinne von § 323 Abs. 5 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist, die kein Rücktrittsrecht begründet.

Hinweis:
Kann ein Käufer wegen einer nachgewiesenen Kraftstoffverbrauchsüberschreitung um10% oder mehr vom Kaufvertrag zurücktreten, muss er für die bisherige Fahrzeugnutzung dem Verkäufer eine Entschädigung leisten, deren Höhe bemessen wird nach folgender Formel: Kaufpreis x vom Käufer gefahrene Kilometer : durch geschätzte mutmaßliche Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs (OLG Hamm, Urteil vom 07.02.2013 – I-28 U 94/12 –).