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Muss das Berufungsgericht einen erstinstanzlich vernommenen Zeugen erneut vernehmen?

Grundsätzlich steht es im Ermessen des Berufungsgerichts, ob es Zeugen, die in der Vorinstanz bereits vernommen worden sind, nach § 398 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erneut vernimmt.

 

So ist eine erneute Vernehmung nach ständiger Rechtsprechung des BGH unter anderem dann geboten,

  • wenn das Berufungsgericht der Aussage eine andere Tragweite, ein anderes Gewicht oder eine vom Wortsinn abweichende Auslegung geben will oder
  • wenn es die protokollierten Angaben des Zeugen für zu vage und präzisierungsbedürftig hält (BGH, Beschluss vom 21.06.2011 – II ZR 103/10 –).

 

Allerdings ist es dem Berufungsgericht nicht grundsätzlich verwehrt, die Aussage eines erstinstanzlich gehörten Zeugen ohne wiederholte Vernehmung entgegen der Würdigung des Erstrichters für die Beweisführung als nicht ausreichend zu erachten.

  • Dies setzt jedoch voraus, dass keine Zweifel über die Vollständigkeit und Richtigkeit der protokollierten Aussage bestehen.
     

Demgegenüber ist eine erneute Vernehmung geboten,

  • wenn das Berufungsgericht die protokollierte Aussage anders verstehen will als die Richter der Vorinstanz, und
    • zwar insbesondere dann, wenn die Aussage des Zeugen widersprüchlich oder mehrdeutig ist und
    • es für die Auffassung des Erstrichters nicht an jedem Anhaltspunkt in der protokollierten Aussage fehlt (BGH, Urteil vom 22.05.2002 – VIII ZR 337/00 –).

 

Beachtet das Berufungsgericht diese Grundsätze nicht verletzt es den Anspruch der Partei auf Gewährung rechtlichen Gehörs (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18.04.2013 – V ZR 231/12 – und vom 14.07.2009 – VIII ZR 3/09 –).

Darauf hat der V. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 22.07.2015 – V ZR 245/14 – hingewiesen. 

 

Wegen Körperverletzung auf dem Oktoberfest in den Knast

Weil ein 24-jähriger, einschlägig vorbestrafter und unter Bewährung stehender Münchner 2014 auf dem Oktoberfest, nach dem Konsum von zwei Maß Bier,

  • einem anderen, nach einem Wortwechsel, mit der Faust mehrmals gegen Kopf und Körper geschlagen sowie mindestens einmal mit dem Fuß gegen den Bauch getreten und ihm dann noch eine Kopfnuss gegeben hatte, wodurch der Geschädigte schmerzhafte Prellungen am Gesichtsschädel, am linken Oberarm sowie an der Lendenwirbelsäule erlitt,
  • verurteilte ihn das Amtsgericht (AG) München am 01.07.2015 – 1026 Ds 458 Js 224035/14 jug – wegen Körperverletzung nach §   Strafgesetzbuch (StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten ohne Bewährung.

 

Bei der Bemessung der Strafe wertete das AG zu Gunsten des Angeklagten, dass er aufgrund des Alkoholkonsums enthemmt war und sich bei seinem Opfer entschuldigt hatte.
Straferschwerend fiel ins Gewicht, dass der Angeklagte im Jahr 2012 schon einmal wegen einer gefährlichen Körperverletzung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe verurteilt worden war, er trotz dieser Vorstrafe nichts unternommen hat, um gegen seine Aggressionen anzugehen und er aus „nichtigem Anlass“ zugeschlagen hatte.

Das hat die Pressestelle des Amtsgerichts München am 05.10.2015 – 63/15 – mitgeteilt.

Hinweis:
Aufgrund dieser Verurteilung wird der 24-Jährige nicht nur die 10 Monate Freiheitsstrafe verbüßen müssen. Er muss darüber hinaus damit rechnen, dass die ihm 2012 bewilligte Bewährung widerrufen wird und er dann auch die Jugendstrafe verbüßen muss, zu der er damals verurteilt worden ist.

 

Wenn Fotos ohne Namensnennung des Fotografen ins Internet gestellt werden

Wer eine Fotografie eines anderen nutzt, indem er sie ins Internet einstellt, muss grundsätzlich auch den Fotografen nennen.

Darauf hat das Amtsgericht (AG) München mit Urteil vom 24.06.2015 – 142 C 11428/15 – in einem Fall hingewiesen, in dem ein Profi-Fotograf für ein Honorar von knapp 1000 Euro von einem Hotel im Auftrag von dessen Geschäftsführer 19 Fotografien gemacht,

  • der Geschäftsführer nachfolgend davon 13 auf der Webseite des Hotels sowie auf sechs Hotelportalseiten im Internet verwendet hatte,
  • ohne den Namen des Fotografen zu nennen und

 

von dem Fotografen daraufhin die Unterlassung sowie Schadensersatz verlangt und nachdem das Hotel lediglich auf seiner Internetseite den Fotografenhinweis ergänzte, aber die Zahlung von Schadensersatz ablehnte, Klage auf Schadensersatz erhoben hatte.

Das AG verurteilte das Hotel zur Zahlung von 655,96 Euro an den Fotografen und begründete die Verurteilung damit, dass das Hotel dadurch, dass es die Fotos auf der eigenen Internetseite öffentlich zugänglich gemacht hatte, gegen das Namensnennungsrecht des Fotografen verstoßen hat.

  • Das Recht zu bestimmen, ob die Fotos mit seiner Namensnennung zu versehen sind oder nicht, steht nämlich nach § 13 des Gesetzes über die Urheberrechte und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz-UrhG) allein dem Fotografen zu und
  • auf dieses Recht hatte der Fotograf bei dem Vertragsschluss mit dem Hotel weder verzichtet, da die Einräumung der „unbeschränkten Nutzungsrechte“ einen solchen Verzicht nicht beinhaltet,
  • noch hatte das Hotel eine abweichende Übung in der Branche von dem Namensnennungsrecht nachweisen können.

 

Daher hätte das Hotel prüfen und sich erkundigen müssen, ob die Bilder ohne Nennung des Fotografen benutzt werden dürfen.

Die Höhe des dem Fotografen durch die Nutzung der Fotografien ohne seine Namensnennung entstandenen Schadens bestimmte das Gericht, indem es von dem vereinbarten Honorar für die Nutzung der 19 Bilder ausging und den davon auf die 13 Bilder entfallenden Teilbetrag ansetzte.

Das hat die Pressestelle des Amtsgerichts München – 62/15 – mitgeteilt.

 

Beschaffenheitsvereinbarung beim Gebrauchtwagenverkauf

Preist der Verkäufer eines gebrauchten Pkws in einer Verkaufsanzeige an, dass das angebotene Fahrzeug über eine Standheizung verfüge und erklärt er auf mehrfache Nachfragen des Käufers, ob die Standheizung funktioniere, dass er die Standheizung vor zwei bis drei Wochen ausprobiert habe, sie da funktioniert habe und das Fahrzeug seitdem nicht mehr bewegt worden sei,

  • ist nicht mehr nur von einer bloßen Wissenserklärung auszugehen,
  • sondern davon, dass die Parteien hinsichtlich der Funktionsfähigkeit der Standheizung eine Beschaffenheitsvereinbarung i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) getroffen haben.

 

Darauf hat das Landgericht (LG) Saarbrücken mit Urteil vom 14.08.2015 – 10 S 174/14 – hingewiesen.

Wie das LG Saarbrücken weiter ausgeführt hat, muss, wenn, wie im obigen Fall hinsichtlich der Standheizung eine Beschaffenheitsvereinbarung vorliegt, der Verkäufer für Fehler der Standheizung auch dann einstehen, wenn der Kaufvertrag einen pauschalen Haftungsausschluss enthält.
Denn ist eine bestimmte Beschaffenheit gem. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB und daneben ein pauschaler Haftungsausschluss für Sachmängel vereinbart, ist letzterer regelmäßig dahin auszulegen, dass der Haftungsausschluss nicht für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB), sondern nur für solche Mängel gelten soll, die darin bestehen, dass die Sache sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB) bzw. sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet und keine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann, § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB (Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 29.11.2006 – VIII ZR 92/06 – und vom 19.12.2012 – VIII ZR 117/12 –).

Vereinbart ist eine Beschaffenheit übrigens, wenn der Inhalt des Kaufvertrags von vornherein oder nachträglich die Pflicht des Verkäufers bestimmt, die gekaufte Sache in dem Zustand zu übereignen und zu übergeben, wie ihre Beschaffenheit im Vertrag festgelegt ist. Hierbei genügt – im Gegensatz zu der gem. § 459 Abs. 2 BGB a.F. erforderlichen Zusicherung – eine vom Vertragsinhalt erfasste Beschreibung der Beschaffenheit der Sache.

  • Es ist daher möglich, dass eine Beschaffenheitsvereinbarung schon durch konkludentes Handeln zustande kommt, z.B. aus den Anforderungen des Käufers an den Gegenstand, denen der Verkäufer zustimmt (BGH, Urteil vom 19.12.2012 – VIII ZR 96/12 –).
  • Nicht ausreichend hingegen ist eine einseitig gebliebene Vorstellung des Käufers, auch wenn sie dem Verkäufer bekannt ist.
  • Erforderlich ist eine zustimmende Reaktion des Verkäufers (BGH, Urteil vom 20.05.2009 – VIII ZR 191/07 –).

 

Bewilligung von Zahlungserleichterungen bei Geldstrafe auch noch nach Beginn der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe?

Ist ein Angeklagter rechtskräftig zur Zahlung einer Geldstrafe verurteilt und nachfolgend von der Staatsanwaltschaft die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe angeordnet worden, ist die Bewilligung von Zahlungserleichterungen (Ratenzahlung) durch die Vollstreckungsbehörde

  • auch nach Beginn der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe jedenfalls dann (noch) möglich,
  • wenn bereits zuvor die Vollstreckungsbehörde eine solche von Amts wegen hätte vornehmen müssen.

 

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe mit Beschluss vom 30.9.2015 – 2 Ws 472/15 – entschieden und in einem Fall,

  • in dem ein Angeklagter rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 60 EUR verurteilt,
  • nachfolgend von der Staatsanwaltschaft, weil die beim zuständigen Vollstreckungsgericht eingeholte Auskunft ergeben hatte, dass der Verurteilte ein Vermögensverzeichnis abgegeben hatte, lediglich Arbeitslosengeld II in Höhe von 652 EUR monatlich bezog sowie kein nennenswertes Vermögen besaß, die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe angeordnet worden war und
  • der Verurteilte während der Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafe bei der Staatsanwaltschaft, unter Hinweis darauf, dass er Grundsicherung beziehe, die Bewilligung von Ratenzahlung in Höhe von 50 EUR monatlich sowie die Aussetzung des Vollzugs der Ersatzfreiheitsstrafe beantragt hatte,

 

dem Verurteilten gestattet, die Geldstrafe in monatlichen Raten von 50 EUR zu zahlen und nachdem mit der Bewilligung dieser Zahlungserleichterung die Voraussetzungen für eine Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe – hier Uneinbringlichkeit der Geldforderung (§§ 459c Abs. 2, 459e Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO)) – nicht mehr vorlagen, gleichzeitig auch dessen sofortige Freilassung angeordnet.

Seine Entscheidung begründet hat das OLG Karlsruhe damit, 

  • dass Entscheidungen über Zahlungserleichterungen nach § 42 Strafgesetzbuch (StGB) nach Rechtskraft der Grundentscheidung von der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde von Amts wegen zu treffen sind (§ 459a Abs. 1 StPO) und keinen Antrag des Verurteilten voraussetzen,
  • die Staatsanwaltschaft folglich hier aufgrund des ihr vorliegenden Vermögensverzeichnisses des Verurteilten vor Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe die Bewilligung von Zahlungserleichterungen hätte prüfen müssen und
  • wenn dies fälschlicherweise unterblieben ist, die eingeleitete Vollstreckung nicht zur Folge haben kann, dass die Entscheidung über die Bewilligung von Zahlungserleichterungen nicht mehr nachgeholt werden kann.

 

Wer haftet, wenn bei einer Treibjagd einem Dritten ein Schaden entsteht?

Die Veranstalter einer Treibjagd sind dafür verantwortlich, dass Dritte nicht durch jagdtypische Gefahren zu Schaden kommen.

  • Sie müssen sich vor Beginn der Treibjagd darüber vergewissern, ob sich in dem zu durchjagenden Bereich Nutztiere befinden, die durch Schüsse oder durchstöbernde Hunde gefährdet werden könnten.
  • Zumindest sind sie verpflichtet, die betroffenen Landwirte von der Treibjagd zu unterrichten, damit diese Vorkehrungen zum Schutz der Tiere treffen können.

 

Unterlassen Veranstalter einer Treibjagd solche Sicherungsmaßnahmen, hafteten sie auch für die Schäden, die durch das Einfangen flüchtender Nutztiere entstehen.

Darauf hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg mit Urteil vom 05.12.2013 – 14 U 80/13 – hingewiesen und in einem Fall,

  • in dem während einer Treibjagd in unmittelbarer Nähe des landwirtschaftlichen Anwesens des Klägers, ein von einem an der Treibjagd teilnehmenden Jagdgast geführter Jagdhund auf die Weide des Landwirts gelaufen war, drei dort grasende Rinder derart in Panik versetzt hatte, dass sie den Zaun durchbrochen hatten und
  • der Landwirt beim Wiedereinfangen der Rinder gestürzt war und sich dabei einen komplizierten Bruch der rechten Hand zugezogen hatte,

 

die Schadensersatzansprüche des Landwirts gegen die Veranstalter der Treibjagd für gerechtfertigt erklärt.

Das, sowie dass diese Entscheidung des OLG Oldenburg vom 6. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 18.08.2015 – VI ZR 4/14 – bestätigt worden ist und das Landgericht (LG) Osnabrück nunmehr noch über die Höhe des dem Landwirt zustehenden Schmerzensgeldes und Schadensersatzes zu entscheiden hat, hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Oldenburg am 05.10.2015 mitgeteilt.

 

Sturz wegen gefrorenen Waschwassers nach Autowäsche auf Selbstbedienungswaschplatz

Da allgemein bekannt ist, dass es beim winterlichen Betrieb eines Selbstbedienungswaschplatzes durch betriebsbedingt verspritztes Wasser zu einer – mit vertretbarem Aufwand – nicht zu verhindernden Glättebildung kommen kann, müssen Kunden auf diese Gefahr nicht hingewiesen werden.

Das hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 22.05.2015 – 9 U 171/14 – entschieden und die Klage einer Pkw-Fahrerin abgewiesen,

  • die im Winter bei Temperaturen im Bereich des Gefrierpunktes eine Selbstbedienungs-Autowaschanlage aufgesucht hatte, dort nach dem Reinigen ihres Fahrzeugs mit der Waschbürste auf dem Weg zu einem Mülleimer, weil beim Autowaschen verlaufenes Waschwasser zwischenzeitlich an einzelnen Stellen gefroren war, gestürzt war, sich dabei erheblich verletzt hatte und
  • wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vom dem von ihr verklagten Betreiber der Waschanlage ca. 4.500 Euro Schadensersatz sowie Schmerzensgeld in der Größenordnung von 15.000 Euro verlangt hatte.

 

Erfolglos geblieben ist die Klage, weil, wie der 9. Zivilsenat des OLG Hamm ausgeführt hat,

  • zwar anerkannt ist, dass jeder, der für Dritte Gefahrenquellen schafft, die notwendigen Vorkehrungen zum Schutze dieser Dritten treffen muss, damit sich die möglichen Gefahren nicht realisieren können, der, der eine erhöhte Gefahrenquelle im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit schafft, erst recht dafür sorgen muss, dass das von ihm angelockte Publikum in seinen Räumlichkeiten bzw. auf seinem Gewerbegrundstück nicht zu Schaden kommt und deshalb auch den Betreiber einer automatisierten Waschanlage grundsätzlich eine Verkehrssicherungspflicht in Hinblick auf betriebsbedingte Gefahrenquellen trifft, an deren Erfüllung insbesondere im Winter erhöhte Anforderungen zu stellen sind,
  • jedoch die Verkehrssicherungspflicht des Betreibers eines Selbstbedienungswaschplatzes, dann, wenn nicht Niederschläge, wie Regen oder Schnee, zu einer Glatteisbildung geführt haben, sondern diese vielmehr durch überfrierendes Waschwasser entstanden ist, nicht so weit geht, dass er bei fortlaufender Nutzung des Waschplatzes und winterlichen Temperaturen während oder nach jeder SB-Wäsche Maßnahmen zur Verhinderung stellenweiser Blitzeisbildung zu treffen hat, wobei dahinstehen mag, ob solche jedenfalls in Form von Streumaßnahmen bei fortlaufendem Waschbetrieb überhaupt erfolgversprechend gewesen wären.

 

Da, wie der Senat weiter ausgeführt hat, Kunden eines Selbstbedienungswaschplatzes, die sich bei winterlichen Temperaturen entscheiden, ihren Pkw dort gegen Zahlung eines relativ geringen Entgelts selbst zu reinigen, wissen,

  • dass vom Betreiber lediglich die Waschplatznutzung, aber gerade kein darüber hinausgehendes Service geboten wird und aus wirtschaftlichen Gründen auch nicht geboten werden kann,
  • dass deswegen dort auch insbesondere nicht mit der Anwesenheit von Personal zu rechnen ist,
  • dass beim SB-Waschen Wasser im Bereich der Waschboxen verspritzt, dieses Wasser bei niedrigen Temperaturen gefrieren kann und
  • angesichts dessen die Gefahr überfrierenden Waschwassers im Bereich der Waschbox bei Nutzung derselben bei winterlichen Temperaturen auf der Hand liegt,

 

müssen Kunden vom Betreiber auch nicht darauf hingewiesen werden, dass im Bereich des Waschplatzes auch dann Glatteis vorhanden sein kann, wenn das übrige Gelände eisfrei ist und auch die Witterung kein Glatteis erwarten lässt.
Denn die Verkehrssicherungspflicht geht nicht so weit, dass einem Teilnehmer am Verkehr jede eigene Überlegung und Beobachtung abgenommen werden müsste; warnen muss der Verkehrssicherungspflichtige lediglich vor solchen Gefahren, die für den Benutzer nicht erkennbar sind und mit denen er auch nicht zu rechnen braucht.

 

Wann handelt es sich bei einem Unfall um einen Arbeitsunfall?

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2 , 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).
Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Abs. 1 Satz 2).
Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich,

  • dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls (bzw. kurz davor) der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang),
  • diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt hat (Unfallkausalität) und
  • dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität).

 

Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente (Bundessozialgericht (BSG), Urteile vom 30.01.2007 – B 2 U 23/05 R – vom 17.02.2009 – B 2 U 18/07 R – und vom 15.05.2012 – B 2 U 16/11 R –).

Beweisrechtlich ist zu beachten, dass

  • das Unfallereignis selbst sowie
  • die versicherte Tätigkeit als auch
  • der Gesundheitsschaden

 

mit dem sog. Vollbeweis nachgewiesen sein müssen.
Eine Tatsache ist danach bewiesen, wenn sie in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen.

Nur für die Kausalbeziehungen zwischen dem unfallbringenden Verhalten und der Krankheit genügt nach herrschender Meinung

  • der Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit,
    • der dann gegeben ist, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht bzw. wenn bei der Berücksichtigung aller Umstände die für den Ursachenzusammenhang sprechenden Umstände so stark überwiegen, dass die Entscheidung darauf gegründet werden kann,
    • wobei die bloße Möglichkeit allerdings nicht ausreicht.

 

Darauf hat der 9. Senat des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) in Darmstadt mit Urteil vom 20.07.2015 – L 9 U 69/14 – hingewiesen und entschieden, dass für Aktivitäten, die im Rahmen einer vom Arbeitgeber organisierten (Führungskräfte-)Tagung einem abgrenzbaren, freiwilligen Freizeitprogrammteil zuzuordnen ist, kein Versicherungsschutz besteht.
In dem dieser Entscheidung zugrunde liegendem Fall war der Kläger, der bei seinem Arbeitgeber die Funktion des Leiters Zentrale Kundenbearbeitung bekleidete, bei einer Skiabfahrt, während einer von seinem Arbeitgeber organisierten Tagung für Führungskräfte gestürzt und hatte sich hierbei eine Verrenkung der Schulter und einen Bruch des Oberarmkopfes links zugezogen.
Nach der Entscheidung des 9. Senats des Hessischen LSG stellte sich der Skiunfall des Klägers, unter Berücksichtigung der obigen Grundsätze, deshalb nicht als Arbeitsunfall dar, weil das Skifahren, bei dem sich der Sturz ereignete, in keinem inneren oder sachlichen Zusammenhang mit der nach § 2 Abs. 1 SGB VII versicherten Tätigkeit des Klägers als Leiter der Zentralen Kundenbearbeitung stand.

 

Wenn Staatsanwaltschaft ein Verfahren nach § 153 Abs. 1 StPO einstellt oder den Anzeigeerstatter auf den Privatklageweg verweist

Stellt die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren

  • nach § 153 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) oder
  • mangels Vorliegens des öffentlichen Interesses i.S.d. § 376 StPO unter Verweisung auf den Privatklageweg nach § 170 Abs. 2 StPO ein,

sind diese Entscheidungen für den möglichen Verletzten – abgesehen von Gegenvorstellung und Dienstaufsichtsbeschwerde – grundsätzlich nicht anfechtbar (vgl. §§ 172 Abs. 2 Satz 3, 153 Abs. 2 Satz 4 StPO).

 

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe mit Beschluss vom 24.08.2015 – 2 VAs 19-21/15 – hingewiesen. 

 

Wenn einem Unterhaltspflichtigen ein Geschäftswagen zur Nutzung auch für private Zwecke überlassen ist

Bei der Ermittlung des Einkommens des gemäß §§ 1601, 1602 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Unterhaltspflichtigen ist

  • der Wert des Sachbezugs durch die Überlassung eines Firmenfahrzeugs auch für private Zwecke
  • gemäß § 287 ZPO zu schätzen.

 

Der Vorteil des Firmenfahrzeugs wird durch die steuerliche Bewertung erfasst

Allerdings kann dann eine Korrektur des steuerlichen Ansatzes geboten sein, wenn sich der Unterhaltspflichtige aufgrund seiner angespannten wirtschaftlichen Situation (hier: Verbraucherinsolvenz, 4 Unterhaltsberechtigte) privat ein weniger teures Fahrzeug anschaffen würde.
Dann ist es gerechtfertigt, dem Einkommen

  • nur den Nutzungsvorteil
  • eines seinem Einkommen, seinen Unterhaltspflichten und seinen Verbindlichkeiten entsprechenden Fahrzeugs zuzurechnen.

 

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe mit Beschluss vom 27.08.2015 – 2 UF 69/15 – hingewiesen.