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Mietrecht – Mieterhöhung kann auch zu einem späteren als dem in § 558b Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) bestimmten Zeitpunkt verlangt werden – Auswirkungen auf das Sonderkündigungsrecht des Mieters nach § 561 Abs. 1 BGB?

Mit Urteil vom 25.09.2013 – VIII ZR 280/12 – hat der Bundesgerichtshof (BGH) seine Rechtsprechung bestätigt, dass ein Vermieter von Wohnraum nicht gehindert ist, eine Mieterhöhung erst mit Wirkung zu einem späteren Zeitpunkt als dem sich aus § 558a BGB ergebenden Zeitpunkt geltend zu machen.

§ 558b BGB lautet:
(1) Soweit der Mieter der Mieterhöhung zustimmt, schuldet er die erhöhte Miete mit Beginn des dritten Kalendermonats nach dem Zugang des Erhöhungsverlangens.

(2) Soweit der Mieter der Mieterhöhung nicht bis zum Ablauf des zweiten Kalendermonats nach dem Zugang des Verlangens zustimmt, kann der Vermieter auf Erteilung der Zustimmung klagen. Die Klage muss innerhalb von drei weiteren Monaten erhoben werden.

(…)

(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

In dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Fall wurden die Mieter einer Wohnung vom Vermieter mit Schreiben vom 07.012011 aufgefordert, mit Wirkung zum 01.08.2011 der Erhöhung der bisherigen Nettokaltmiete um 272,78 € zuzustimmen. Die Mieter stimmten nicht zu.

Die vom Vermieter gegen die Mieter erhobene Klage auf Zustimmung zu der begehrten Mieterhöhung hat das Amtsgericht abgewiesen.

Das Landgericht hat der Klage auf die Berufung des Vermieters stattgegeben.

Die vom Bundesgerichtshof zugelassene Revision der Mieter hatte keinen Erfolg.

Nach der Entscheidung des unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständigen VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs werden dadurch, dass ein Vermieter eine Mieterhöhung erst mit Wirkung zu einem späteren Zeitpunkt als dem sich aus § 558a BGB ergebenden Zeitpunkt geltend macht, Rechte des Mieters, insbesondere das dem Mieter bei einer Mieterhöhung zustehende Sonderkündigungsrecht nach § 561 BGB nicht unzulässig beschnitten.

§ 561 BGB lautet:
(1) Macht der Vermieter eine Mieterhöhung nach § 558 oder § 559 geltend, so kann der Mieter bis zum Ablauf des zweiten Monats nach dem Zugang der Erklärung des Vermieters das Mietverhältnis außerordentlich zum Ablauf des übernächsten Monats kündigen. Kündigt der Mieter, so tritt die Mieterhöhung nicht ein.

(2) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

Begehrt der Vermieter eine Mieterhöhung – wie hier – erst zu einem späteren als dem in § 558b BGB genannten Zeitpunkt (hier zum 01.08.2011), ist § 561 BGB nach seinem Sinn und Zweck dahin auszulegen, dass dem Mieter bis unmittelbar vor dem Zeitpunkt des Eintritts der Mieterhöhung (hier bis zum 31.07.2011) die Möglichkeit offen bleibt, sich von dem Mietverhältnis durch außerordentliche Kündigung zum Ende des übernächsten Monats (hier 30.09.2011) zu lösen mit der sich anschließenden Rechtsfolge, dass dem Mieter noch für weitere zwei Monate (hier August und September 2011) die Nutzungsmöglichkeit der Wohnung gegen Zahlung der nicht erhöhten Miete verbleibt (§ 561 Abs. 1 Satz 2 BGB ).
Der Mieter wird durch ein verfrühtes Mieterhöhungsverlangen somit nicht benachteiligt.
Das Mieterhöhungsverlangen des Klägers war daher wirksam und hat zur Folge, dass die Beklagten, die von ihrem Sonderkündigungsrecht aus § 561 Abs. 1 Satz 1 BGB keinen Gebrauch gemacht haben, ab 01.08.2011 die – der Höhe nach unstreitige – erhöhte Miete schulden.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 25.09.2013 – Nr. 157/2013 – mitgeteilt.

 

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.

Gebrauchtwagen-Garantie – Zur Unwirksamkeit einer Vertragsklausel, die die Garantieansprüche an die Wartung in einer Vertragswerkstatt knüpft.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich im Urteil vom 25.09.2013 – VIII ZR 206/12 – mit der Wirksamkeit einer Klausel in einer Gebrauchtwagen-Garantie befasst, die die Garantieansprüche des Käufers an die Durchführung der Wartungs-, Inspektions- und Pflegearbeiten in der Werkstatt des Verkäufers/Garantiegebers oder eine vom Hersteller anerkannten Vertragswerkstatt knüpft.

In dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Fall, in dem der Kläger gegen die Beklagte Ansprüche aus einer Gebrauchtwagen-Garantie geltend macht, hatte der Kläger von einem Autohaus im November 2009 einen Gebrauchtwagen „inkl. 1 Jahr Gebrauchtwagen-Garantie gemäß Bestimmungen der Car-Garantie“ gekauft.

Die vom Kläger und Verkäufer unterzeichnete Garantievereinbarung lautet:
„Der Käufer erhält vom Verkäufer eine Garantie, deren Inhalt sich aus dieser Garantievereinbarung (…) und aus den beiliegenden (…) Garantiebedingungen ergibt. Diese Garantie ist durch die [Beklagte] versichert“.

In § 4 Buchst. a der maßgeblichen Garantiebedingungen heißt es unter anderem:
„Voraussetzung für jegliche Garantieansprüche ist, dass der Käufer/Garantienehmer (…) an dem Kraftfahrzeug die vom Hersteller vorgeschriebenen oder empfohlenen Wartungs-, Inspektions- und Pflegearbeiten beim Verkäufer/Garantiegeber oder in einer vom Hersteller anerkannten Vertragswerkstatt durchführen lässt (…)“.

Unter § 6 Nr. 3 der Garantiebedingungen ist geregelt:
„Der Käufer/Garantienehmer ist berechtigt, alle Rechte aus der versicherten Garantie im eigenen Namen unmittelbar gegenüber der [Beklagten] geltend zu machen. Im Hinblick darauf verpflichtet sich der Käufer/Garantienehmer, stets vorrangig die [Beklagte] in Anspruch zu nehmen.

Im April 2010 ließ der Kläger den vierten Kundendienst an dem Fahrzeug in einer freien Werkstatt durchführen.
Im Juli 2010 blieb das Fahrzeug infolge eines Defekts der Ölpumpe liegen. Ein vom Kläger eingeholter Kostenvorschlag für eine Fahrzeugreparatur belief sich auf 16.063,03 €. Der Kläger ließ das Fahrzeug zunächst nicht reparieren.

Mit seiner Klage hat der Kläger von der Beklagten zunächst Zahlung von 10.000 € nebst Zinsen und vorgerichtlicher Anwaltskosten begehrt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Beklagte zur Zahlung von 3.279,58 € nebst Zinsen und vorgerichtlicher Anwaltskosten verurteilt, nachdem der Kläger nach erfolgter Reparatur seinen Anspruch nur noch in dieser Höhe verfolgt hat.

Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Regelung in § 4 Buchst. 1 der Garantiebedingungen gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) unwirksam ist.
Die dort geregelte Anspruchsvoraussetzung, nach der Voraussetzung für jegliche Garantieansprüche ist, dass der Käufer/Garantienehmer an dem Kraftfahrzeug die vom Hersteller vorgeschriebenen oder empfohlenen Wartungs-, Inspektions- und Pflegearbeiten beim Verkäufer/Garantiegeber oder in einer vom Hersteller anerkannten Vertragswerkstatt durchführen lässt, ist nicht gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle entzogen.
Denn bei einer Wartungsklausel handelt es sich jedenfalls dann um eine die Leistungsabrede lediglich ergänzende und damit der Inhaltskontrolle unterliegende Regelung, wenn die Garantie – wie vorliegend – nur gegen Zahlung eines dafür zu entrichtenden Entgelts zu erlangen war.

Das Berufungsgericht hat den Kaufvertrag zwischen dem Kläger und dem Verkäufer des Gebrauchtwagens rechtsfehlerfrei dahin ausgelegt, dass der Kläger die Garantie entgeltlich erlangt hat.
Es hat zur Begründung seiner Auslegung auf die Rechnung des Verkäufers verwiesen, nach welcher der Kläger den Gebrauchtwagen „inklusive 1 Jahr Gebrauchtwagen-Garantie“ zum Gesamtpreis von 10.490 € erworben hat. Der Umstand, dass die Rechnung keine Aufschlüsselung des Gesamtpreises nach den Kaufpreisanteilen für das Fahrzeug und die Garantie enthält, nötigt nicht zu einer anderen Beurteilung. Es ist unerheblich, wie hoch das Entgelt für das Fahrzeug einerseits und die Garantie andererseits ist, wenn die Auslegung des Kaufvertrags – wie hier – ergibt, dass sich der Gesamtkaufpreis auf beides bezieht. Denn die Kontrollfähigkeit der Wartungsklausel hängt nur von der Entgeltlichkeit der Garantie, nicht von der Höhe des auf sie entfallenden Entgelts ab.

Wie der Senat bereits entschieden hat, ist eine Klausel in einem vom Garantiegeber formularmäßig verwendeten Gebrauchtwagen-Garantievertrag wegen unangemessener Benachteiligung des Kunden unwirksam (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ), wenn sie die Leistungspflicht des Garantiegebers für den Fall, dass der Garantienehmer die vom Fahrzeughersteller vorgeschriebenen oder empfohlenen Wartungs-, Inspektions- und Pflegearbeiten nicht durchführen lässt, unabhängig davon ausschließt, ob die Säumnis des Garantienehmers mit seiner Wartungsobliegenheit für den eingetretenen Schaden ursächlich geworden ist. Dies trifft auf die hier vorliegende Bestimmung in § 4 Buchst. a der Garantiebedingungen zu.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 25.09.2013 – Nr.156/2013 – mitgeteilt.

 

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Betreuungsrecht – Genehmigung des Betreuungsgerichts bei der Unterbringung eines Betreuten durch seinen Betreuer – Verfahrensfragen.

Während die Einholung eines ärztlichen Zeugnisses gemäß §§ 321 Abs. 2, 312 Nr. 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) für unterbringungsähnliche Maßnahmen im Sinne des § 1906 Abs. 4 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) und gemäß § 331 Satz 1 Nr. 2 FamFG im Verfahren der einstweiligen Anordnung ausreichend ist, verlangt § 321 Abs. 1 S. 1 FamFG für das Hauptsacheverfahren im Hinblick auf den schwerwiegenden Eingriff in die Freiheitsrechte des Betroffenen, dass vor einer Unterbringungsmaßnahme eine förmliche Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme stattzufinden.

  • Nach § 30 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 FamFG ist diese entsprechend der Zivilprozessordnung durchzuführen. Danach bedarf es zwar nicht zwingend eines förmlichen Beweisbeschlusses (vgl. § 358 Zivilprozessordnung (ZPO)). Jedoch ist die Ernennung des Sachverständigen dem Betroffenen vor der Einholung des Gutachtens, wenn nicht förmlich zuzustellen, so doch zumindest formlos mitzuteilen. Dies dient der Gewährung des rechtlichen Gehörs und ermöglicht dem Betroffenen, gegebenenfalls von seinem Ablehnungsrecht nach § 30 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 406 ZPO Gebrauch zu machen. 
  • Das Gericht soll nach § 329 Abs. 2 Satz 2 FamFG bei einer Unterbringung mit einer Gesamtdauer von mehr als vier Jahren keinen Sachverständigen bestellen, der den Betroffenen bisher behandelt hat. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass bei einer kürzeren Unterbringungsdauer der behandelnde Arzt zum Sachverständigen bestellt werden kann.
  • Der Sachverständige hat den Betroffenen gemäß § 321 Abs. 1 Satz 2 FamFG vor Erstattung des Gutachtens persönlich zu untersuchen oder zu befragen. 
  • Dabei muss er schon vor der Untersuchung des Betroffenen zum Sachverständigen bestellt worden sein und ihm vor Beginn der Beginn der Begutachtung seine Funktion sowie den Zweck der Untersuchung bekanntgeben. Andernfalls kann der Betroffene sein Recht, an der Beweisaufnahme teilzunehmen, nicht sinnvoll ausüben. 
  • Schließlich muss das Sachverständigengutachten zwar nicht zwingend schriftlich erfolgen, wenn auch eine schriftliche Begutachtung vielfach in Anbetracht des schwerwiegenden Grundrechtseingriffs durch die beabsichtigte Maßnahme angezeigt erscheint. Jedenfalls aber muss das Gutachten namentlich Art und Ausmaß der Erkrankung im Einzelnen anhand der Vorgeschichte, der Darstellung der durchgeführten Untersuchung und der sonstigen Erkenntnisse sowie der Erläuterung des Behandlungskonzepts wissenschaftlich begründen.
  • Auch ist gemäß § 321 Abs. 1 i.V.m. § 30 Abs. 4 FamFG den Beteiligten Gelegenheit zu geben, zum Ergebnis einer förmlichen Beweisaufnahme Stellung zu nehmen, soweit dies zur Aufklärung des Sachverhalts oder zur Gewährung rechtlichen Gehörs erforderlich ist. § 37 Abs. 2 FamFG stellt in Umsetzung der Verfahrensgarantie des Art. 103 Abs. 1 GG klar, dass ein Gericht seiner Entscheidung nur Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde legen darf, zu denen sich die Beteiligten vorher äußern konnten.
  • Wird im Unterbringungsverfahren nach § 321 Abs. 1 FamFG ein schriftliches Sachverständigengutachten eingeholt, so ist dieses dem Betroffenen und den sonstigen Beteiligten zur Wahrung des rechtlichen Gehörs grundsätzlich vollständig und rechtzeitig vor der Anhörung zu übermitteln, damit er dazu Stellung nehmen kann. Hiervon darf lediglich zum Schutz des Betroffenen vor einer Gesundheitsschädigung bzw. -gefährdung abgesehen werden. 
  • Dem Antrag auf mündliche Erläuterung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens ist auch im Betreuungs- und Unterbringungsverfahren grundsätzlich zu entsprechen.
  • Sofern ausnahmsweise ein mündliches Gutachten eingeholt werden soll, hat der Betroffene im Unterbringungsverfahren im Hinblick auf seine Stellung als Verfahrenssubjekt mit entsprechenden Mitwirkungsrechten grundsätzlich das Recht, an der förmlichen Beweisaufnahme teilzunehmen und, etwa durch Fragen an den Sachverständigen, auf die Beweiserhebung Einfluss zu nehmen. 
  • Das mündliche Gutachten muss ferner in der Art und Weise aktenkundig gemacht werden, die den Anforderungen an ein schriftliches Gutachten entsprechen. 
  • Im Anschluss an die Beweisaufnahme wird sicherzustellen sein, dass dem Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Gutachten gegeben wird, wenn er sich – anders als bei vorheriger Übermittlung eines schriftlichen Gutachtens – nicht ausreichend hierauf vorbereiten konnte.

Hat das Amtsgericht vor Erteilung der Genehmigung für eine Unterbringung eines Betroffenen nach § 1906 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) diesen Anforderungen nicht Rechnung getragen oder ist ein Betroffener nicht entsprechend diesen Anforderungen begutachtet worden, ist die Entscheidung verfahrensfehlerhaft und verletzt den Betroffenen in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und auf ein faires Verfahren.

Diese Verfahrensfehler können im Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht durch die Nachholung einer ordnungsgemäßen Begutachtung geheilt werden.
Im Beschwerdeverfahren findet nämlich nicht nur eine Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung statt. Das Beschwerdegericht tritt vielmehr in vollem Umfang an die Stelle des Erstgerichts (§ 68 Abs. 3 FamFG) und entscheidet unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung über die Sache neu.
Beweiserhebung und –aufnahme können im Beschwerdeverfahren durch einen beauftragten Richter vorgenommen werden. Die Beauftragung eines Kammermitglieds mit der Beweisaufnahme nach § 321 Abs. 1 FamFG scheidet nur dann aus, wenn es wegen der Besonderheiten des Falles für die Entscheidung darauf ankommt, dass sich die gesamte Kammer einen persönlichen Eindruck von dem Ablauf der Beweisaufnahme bzw. dem Zeugen oder Sachverständigen macht.

  • Voraussetzung der Genehmigung der Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) ist ferner, dass für den Betroffenen ein Betreuer gem. §§ 1896 ff. BGB bestellt und diesem die Kompetenz eingeräumt ist, im Namen des Betroffenen die Einwilligung in die Freiheitsentziehung zu erklären. Denn der Betreuer ist es, der auf Grund einer ihm zustehenden Befugnis zur Aufenthaltsbestimmung die Unterbringung vornimmt, während das Gericht das Handeln des Betreuers nur präventiv überprüft und gegebenenfalls genehmigt.
  • Die Kompetenz zur Einwilligung in die Unterbringung muss dem Betreuer bei Umschreibung seines Aufgabenkreises ausdrücklich eingeräumt werden; im Fall des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB müssen etwa die Aufgabenkreise „Befugnis zur Unterbringung“ oder „Aufenthaltsbestimmungsrecht“ einerseits und „Gesundheitsfürsorge“ andererseits zu- gewiesen sein.
  • Die Unterbringung eines Betroffenen durch einen Betreuer darf nicht über den Zeitpunkt hinaus genehmigt werden, für den dem Betreuer die dafür erforderlichen Aufgabenkreise zugewiesen sind. Denn mit dem Wegfall der für eine Unterbringung erforderlichen Aufgabenkreise entfällt auch eine der wesentlichen Tatbestandsvoraussetzungen für eine Genehmigung der Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 BGB. 
  • Im Rahmen der nach § 1906 Abs. 1 BGB zu treffenden Prognoseentscheidung hat das Gericht nicht nur zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Unterbringung im Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung vorliegen. Vielmehr darf es die Unterbringung durch den Betreuer nur für den Zeitraum genehmigen, in dem voraussichtlich die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sein werden. Denn die Unterbringung als freiheitsentziehende Maßnahme ist nur dann gerechtfertigt, wenn und solange die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen. Aus der Verpflichtung des Gerichts nach § 330 FamFG, die Genehmigung der Unterbringung von Amts wegen unverzüglich aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen wegfallen, folgt, dass eine Genehmigung nicht für einen längeren Zeitraum erteilt werden kann, wenn absehbar ist, dass sie bereits wenige Tage später wegen eines Wegfalls der Unterbringungsvoraussetzungen von Amts wegen wieder aufgehoben werden müsste.

Hat sich eine angefochtene Genehmigung für eine Unterbringungsmaßahme während des laufenden Verfahrens durch die Entlassung des Betroffenen in der Hauptsache erledigt, kann ein Betroffener gemäß § 62 Abs. 1 FamFG beantragen, aussprechen, dass die Entscheidung des Gerichts ihn in seinen Rechten verletzt hat. Diese Vorschrift ist im Rechtsbeschwerdeverfahren entsprechend anzuwenden. Die Feststellung, dass der Betroffene durch die angefochtene Entscheidung in seinen Rechten verletzt ist, kann grundsätzlich auch auf einer Verletzung des Verfahrensrechts beruhen. Das Feststellungsinteresse ist nach § 62 Abs. 2 Nr. 1 FamFG in der Regel anzunehmen, wenn ein schwerwiegender Grundrechtseingriff vorliegt. Die gerichtliche Genehmigung einer freiheitsentziehenden Maßnahme bedeutet stets einen solchen Eingriff.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 14.08.2013 – XII ZB 614/11 – hingewiesen.

 

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Annullierung oder Verspätung eines Fluges wegen Vogelschlags – Besteht Anspruch auf Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung?

Mit Urteilen jeweils vom 24.09.2013 – X ZR 160/12 und X ZR 129/12 – hat der für das Reise- und Personenbeförderungsrecht zuständige X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in zwei Fällen, in denen ein Flug aufgrund eines durch Vogelschlag verursachen Turbinenschadens erheblich verspätet war oder annulliert worden ist, über Ausgleichsansprüche von Flugreisenden nach der Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004) entschieden.

Art 5 dieser Verordnung [Annullierung] lautet (auszugsweise):

(1) Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen……………..

(c) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Art. 7 eingeräumt.

(3) Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen ist nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Art. 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen getroffen worden wäre.

In dem dem Verfahren X ZR 160/12 zu Grunde liegenden Fall hatte der Kläger bei dem beklagten Luftverkehrsunternehmen eine Flugreise von Frankfurt am Main über Brüssel nach Banjul (Gambia) und zurück gebucht.
Der Rückflug von Banjul nach Brüssel sollte am 18.01.2010 um 21.00 Uhr Ortszeit starten und mit der Maschine durchgeführt werden, die an diesem Tag aus Brüssel ankam.
Diese Maschine erlitt jedoch während des Landeanflugs in Banjul einen Vogelschlag, wodurch es zu einer Beschädigung an einem Triebwerk kam. Die Maschine konnte nicht rechtzeitig repariert werden. Die Beklagte musste ein Ersatzflugzeug aus Brüssel einfliegen, das am Abend des 19.01.2010 in Banjul landete.
Mit diesem Flugzeug trat der Kläger am selben Abend den Rückflug an und landete am nächsten Tag in Frankfurt am Main.

In dem dem Verfahren X ZR 129/12 zu Grunde liegenden Fall hatten die Kläger bei dem beklagten Luftverkehrsunternehmen einen Flug von Fuerteventura nach Hannover gebucht. Der Start wurde abgebrochen, weil Vögel in das Triebwerk geraten waren.
Die Kläger wurden am Tag darauf von einer anderen Fluggesellschaft weiterbefördert und trafen ca. 24 Stunden später als geplant in Hannover ein.

In beiden Fällen haben die Vorinstanzen die Klage abgewiesen.
Mit den von den Berufungsgerichten zugelassenen Revisionen verfolgen die Kläger die Ausgleichsansprüche weiter.

Im ersten Fall hat der Bundesgerichtshof die Revision zurückgewiesen.
Vogelschlag ist ein Ereignis, das außergewöhnliche Umstände im Sinne von Art 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung begründen kann.
Vogelschlag wirkt von außen auf den Flugverkehr ein, er ist für das Luftverkehrsunternehmen nicht vorhersehbar und auch nicht beherrschbar; etwa mögliche Vogelvergrämungsmaßnahmen fallen nicht in den Verantwortungsbereich des Luftverkehrsunternehmens, sondern des Flughafenbetreibers.
Die infolge des Vogelschlags eingetretene Verspätung oder Annullierung hätte sich auch bei Ergreifung aller zumutbaren Maßnahmen nicht vermeiden lassen, da das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat, dass die Beklagte auf dem Flughafen Banjul keine Ersatzmaschine vorhalten musste.

Im zweiten Fall hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Da das Berufungsgericht hierzu keine Feststellungen getroffen hat, konnte der Bundesgerichtshof nicht beurteilen, ob die Beklagte alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um zu verhindern, dass infolge des Vogelschlags der Flug annulliert werden musste.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 24.09.2013 – Nr. 155/2013 – mitgeteilt.

 

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Strafrecht – Zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 Strafgesetzbuch (StGB).

§ 64 StGB lautet:
„Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen“.

Für einen Hang im Sinne dieser Vorschrift ist nach ständiger Rechtsprechung ausreichend eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss.
Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betroffene auf Grund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint.
Nicht erforderlich ist, dass beim Täter bereits eine Persönlichkeitsdepravation eingetreten ist.

Dem Umstand, dass durch den Rauschmittelkonsum die Gesundheit sowie die Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betroffenen beeinträchtigt sind, kommt nur eine indizielle Bedeutung zu. Das Fehlen solcher Beeinträchtigungen schließt nicht notwendigerweise die Bejahung eines Hangs aus.
Dass bei einem Betroffenen die Voraussetzungen des § 21 StGB zur Tatzeit nicht vorgelegen haben, steht einer Maßregelanordnung nach § 64 StGB nicht entgegen.

Nicht erforderlich ist, dass der Hang die alleinige Ursache für die Anlasstat ist bzw. war. Vielmehr ist ein symptomatischer Zusammenhang auch dann zu bejahen, wenn der Hang neben anderen Umständen mit dazu beigetragen hat, dass der Angeklagte eine erhebliche rechtswidrige Tat begangen hat, und dies bei unverändertem Suchtverhalten auch für die Zukunft zu besorgen ist.

Darauf hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 30.07.2013 – 2 StR 174/13 – hingewiesen.

Ist gegen ein Urteil nur vom Angeklagten Revision eingelegt worden, wird das angefochtene Urteil, auch wenn die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht angeordnet worden ist, im Rahmen der Sachrüge trotzdem vom Revisionsgericht daraufhin überprüft, ob von der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB zu Recht abgesehen worden ist. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 3 Strafprozessordnung (StPO )).
Verhindern kann dies der Beschwerdeführer dadurch, dass er die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht vom Rechtsmittelangriff ausnimmt.

 

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Betreuungsrecht – Zum Umfang und zur Dauer der Vergütung eines Berufsbetreuers.

Einem bestellten Berufsbetreuer steht für die Dauer der Betreuung gemäß §§ 1 Abs. 2, 4, 5 des Gesetzes über die Vergütung von Vormündern und Betreuern (Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz – VBVG) i.V.m. §§ 1908 i, 1836 Abs. 1 S. 2 und 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) ein Vergütungsanspruch in dem pauschal festgelegten Umfang zu, ohne dass der Rechtspfleger zu überprüfen hat, ob und in welchem Umfang der Betreuer tätig geworden ist und ob eine Aufhebung der Betreuung früher hätte erfolgen müssen.

Mit der Einführung der Pauschalierung der Betreuervergütung durch das Zweite Betreuungsrechtsänderungsgesetz, deren Ziel es ist, Betreuer und Rechtspfleger von den zeitaufwändigen Abrechnungen zu entlasten, ist ein vom tatsächlichen Aufwand im konkreten Fall unabhängiges Vergütungssystem geschaffen worden.
Die in § 5 VBVG anhand einer Mischkalkulation zwischen aufwändigen und weniger aufwändigen Fällen festgelegten Stundenansätze stehen von Beginn des Betreuungsverfahrens an fest.
Die Ausübung einer konkreten Betreuungstätigkeit wird bei der pauschalen Vergütung typisierend unterstellt; nicht erforderlich ist, dass der Betreuer in dem zu vergütenden Zeitraum auch tatsächlich für den Betreuten in dem vom Gesetz pauschalierend unterstellten Umfang tätig geworden ist.
Der Vergütungsanspruch besteht in dem durch § 5 VBVG pauschal festgelegten Umfang für den gesamten Zeitraum der Betreuung. Diese endet gemäß § 1908 d BGB erst durch ausdrückliche gerichtliche Entscheidung.
Die Regelung dient der Klarheit der Rechtsverhältnisse. Denn es ist vielfach zweifelhaft und erst durch gerichtliche Ermittlungen zu klären, ob die Voraussetzungen für eine Betreuung nicht mehr vorliegen. Deshalb ist es hinzunehmen, dass zwischen dem Ende der Notwendigkeit der Betreuung und der Aufhebung der Betreuung eine gewisse noch mit dem pauschalen Stundenansatz nach § 5 VBVG zu vergütende Zeitspanne liegt, die auf gerichts- oder behördeninterne Abläufe und auf die Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Aufhebung der Betreuung tatsächlich vorliegen, zurückzuführen ist.

Dem Rechtspfleger ist im Vergütungsfestsetzungsverfahren lediglich die Prüfung übertragen, ob und wann die gemäß § 1908 d Abs. 1 BGB i.V.m. § 23 c Abs. 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG), § 19 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 Rechtspflegergesetz (RPflG) dem Richter vorbehaltene Aufhebung der Betreuung erfolgt ist, nicht aber, ob die Aufhebung früher hätte erfolgen können.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 07.08.2013 – XII ZB 233/12 – hingewiesen.

 

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Klage auf Zuweisung eines Kitaplatzes abgewiesen – Halbe Stunde Fahrzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur angebotenen Einrichtung ist zumutbar.

Die 18. Kammer des Bayerischen Verwaltungsgerichts München hat mit Urteil vom 18.09.2013 – M 18 K 13.2256 – die Klage eines knapp 13 Monate alten Kindes auf Zuweisung eines Platzes in einer städtischen bzw. freigemeinnützigen Kindertageseinrichtung abgewiesen.

In dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Fall hatte die beklagte Landeshauptstadt München für das Kind Betreuungsplätze in freigemeinnützigen Kindertagesstätten angeboten, die dieselben Gebühren wie die städtischen Kindertagesstätten erheben.
Diese Einrichtungen sind von der elterlichen Wohnung mit öffentlichen Verkehrsmitteln jeweils in ca. einer halben Stunde erreichbar. Der Weg von diesen Tagesstätten bis zum Arbeitsplatz der Eltern, die beide in Vollzeit arbeiten, beträgt ebenso ca. eine halbe Stunde mit öffentlichen Verkehrsmitteln.

Diesen zeitlichen Aufwand hat das Gericht im konkreten Einzelfall als zumutbar erachtet, so dass der Anspruch auf Förderung in einer Kindertageseinrichtung (§ 24 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Achtes Buch (SGB VIII)) durch die angebotenen Plätze hätte erfüllt werden können.
Dabei wurde auch berücksichtigt, dass die Zeit, die die Eltern für das Bringen und Abholen des Kindes zu bzw. von den angebotenen Kindertageseinrichtungen aufbringen müssen, für beide Elternteile gleich ist und sie sich dabei entsprechend ihrer eigenen Planung abwechseln können. Der zeitliche Aufwand der Eltern, der für sie mit der Betreuung des Kindes in einer der angebotenen Kindertageseinrichtungen verbunden ist, wird dadurch auf beide Elternteile verteilt und insofern für den einzelnen Elternteil reduziert.

Gegen diese Entscheidung ist vom Bayerischen Verwaltungsgerichts München die Berufung zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen worden.

Das hat die Pressestelle des Bayerischen Verwaltungsgerichts München am 19.09.2013 mitgeteilt.

 

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Strafrecht – Wann ein Fahrverbot nicht mehr angeordnet werden darf.

Die Anordnung eines Fahrverbots nach § 44 Strafgesetzbuch (StGB ) begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, wenn sie als Warnungs- und Besinnungsstrafe für einen Angeklagten nicht mehr geeignet ist.
Als sogenannter Denkzettel für nachlässige und leichtsinnige Kraftfahrer kann ein Fahrverbot seine Funktion nur dann erfüllen, wenn es sich in einem angemessenen zeitlichen Abstand zur Tat auf den Täter auswirkt. Sind seit der von einem Angeklagten begangenen Tat bereits gut zwei Jahre vergangen, kann diese Denkzettelwirkung des Fahrverbots nicht mehr erreicht werden.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm mit Beschluss vom 23.07.2013 – 5 RVs 52/13 – hingewiesen und in dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall die Revision eines wegen Nötigung im Straßenverkehr verurteilten Angeklagten mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Anordnung des Fahrverbots von einem Monat entfällt.

 

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Strafrecht – Keine Nötigung im Straßenverkehr bei nur kurzzeitig bedrängender Fahrweise.

Der Tatbestand der Nötigung gemäß § 240 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB ) setzt die Anwendung von Gewalt oder die Drohung mit einem empfindlichen Übel voraus, um eine Handlung, Duldung oder Unterlassung zu erzwingen.

Bei bedrängender Fahrweise liegt nicht Nötigung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel vor, sondern es kommt nur Nötigung durch Gewaltanwendung in Betracht, wenn das Fahrverhalten geeignet ist, einen besonnenen Fahrer in Sorge und Furcht zu versetzen und zu zwingen, seinen Willen demjenigen des Täters unterzuordnen, insbesondere ihn durch die Herbeiführung eines gefährlichen Zustandes zu ungewollten Reaktionen, möglichweise zu einem gefährlichen Ausweichen oder zur Herbeiführung einer anderen unfallträchtigen Situation zu veranlassen.

Maßstab ist hierbei die Intensität der Einwirkung, die zu bestimmen nur unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles möglich ist. Hierzu gehören namentlich die örtlichen Verhältnisse (Fahrbahnbreite, Ausweichmöglichkeit), die Geschwindigkeit beider Fahrzeuge, ein etwaiger Gebrauch der Lichthupe oder des Signalhorns zur Bekräftigung des bedrängenden Verhaltens und der eingehaltene Abstand.

Darüber hinaus kommt es für die Annahme von Gewalt i.S.d. § 240 StGB aber auch auf eine gewisse Dauer der gefährlichen Fahrweise an, die je länger sie sich fortsetzt, als um so unausweichlicher empfunden wird.
Der Tatbestand der Gewalteinwirkung ist nicht erfüllt, wenn die Dauer der bedrängenden Fahrweise unerheblich ist oder diese sich lediglich in einem einmaligen, kurzzeitigen Näherkommen an den anderen Verkehrsteilnehmer erschöpft.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln mit Beschluss vom 18.06. 2013 – III-1 RVs 111/13 – hingewiesen.

 

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Verkehrsrecht – Sorgfaltspflichten beim Vorbeifahren an einem mit eingeschalteter Warnblinkanlage an einer Haltstelle stehenden Schulbus.

§ 20 Abs. 4 Straßenverkehrsordnung (StVO) lautet:

An Omnibussen des Linienverkehrs und an gekennzeichneten Schulbussen, die an Haltestellen (Zeichen 224) halten und Warnblinklicht eingeschaltet haben, darf nur mit Schrittgeschwindigkeit und nur in einem solchen Abstand vorbeigefahren werden, dass eine Gefährdung von Fahrgästen ausgeschlossen ist. Die Schrittgeschwindigkeit gilt auch für den Gegenverkehr auf derselben Fahrbahn. Die Fahrgäste dürfen auch nicht behindert werden. Wenn nötig, muss, wer ein Fahrzeug führt, warten.

Diese Vorschrift will alle Fahrgäste schützen, gleich aus welcher Richtung sie über die Straße zum Bus laufen, auch die, die von der – von dem sich Annähernden aus gesehen – linken Straßenseite über die Straße zum Bus laufen. Der sich Annähernde, der voreifahren will, ist damit verpflichtet, bei Annäherung an den mit eingeschalteter Warnblinkanlage in der Haltebucht stehenden Bus auch die Gegenfahrbahn zu beobachten, um rechtzeitig auf einen querenden Fußgänger reagieren zu können. Er muss in der Situation, dass ein Bus mit eingeschalteter Warnblinkleuchte an einer Haltebucht steht, mit Personen rechnen, die den Bus noch erreichen wollen und deshalb den direkten Weg über die Straße wählen. Er kann nicht darauf vertrauen, dass die Fahrgäste eine Fußgängerfurt in der Nähe benutzen werden.

§ 20 Abs. 4 StVO schützt gerade auch unachtsame Fußgänger, die wegen des wartenden Busses nicht auf den Verkehr achten. Ein Kfz-Fahrer muss, alarmiert durch die eingeschaltete Warnblinkanlage, sein Augenmerk besonders auf querende Fußgänger richten, gerade morgens, wenn Schüler zum Schulbus laufen.

Gehalten seine Geschwindigkeit herabzusetzen ist ein Kraftfahrer nicht erst bei Ansichtigwerden eines Fußgängers. § 20 Abs. 4 StVO erfordert bereits beim Vorbeifahren an einem Bus mit eingeschalteten Warnblinkleuchten ein Herabsetzen der Geschwindigkeit auf 4-7 km/h.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz mit Urteil vom 12.08.2013 – 12 U 806/11 – hingewiesen.

 

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