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Ein noch kurz vor dem Tod in sein Notizbuch geschriebener Vermerk kann ein Testament sein

Auch ein vom Erblasser kurz vor seinem Tod eigenhändig gefertigter und von ihm unterschriebener Vermerk in seinem Notizbuch kann ein wirksames Testament darstellen.

Darauf hat der 2. Senat des Oberlandesgerichts (OLG) Köln in einem Beschluss vom 22.02.2016 – 2 Wx 12/16 – hingewiesen und in einem solchen Fall u. a.

  • aufgrund der Wortwahl und
  • weil Vermerke in einem privaten Notizbuch üblicherweise nicht mit einer Unterschrift versehen werden,

 

festgestellt, dass es sich nicht nur um einen Entwurf, sondern um ein rechtlich verbindliches, mit sog. Testierwillen verfasstes Dokument gehandelt hat.

Auch konnte in dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall, obwohl der Erblasser wenige Stunden nach Abfassung der letztwilligen Verfügung verstorben war, nicht festgestellt werden, dass er nicht mehr in der Lage war, sich über die Tragweite seiner Anordnungen ein klares Urteil zu bilden.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Köln am 22.02.2016 mitgeteilt.

 

Wann kann von Grundstücksnachbarn die Einräumung eines Notwegerechts verlangt werden?

Nach § 917 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann, wenn einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg fehlt,

  • der Eigentümer von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Behebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden, wobei
    • Richtung des Notwegs sowie Umfang des Benutzungsrechts erforderlichenfalls durch Urteil bestimmt werden und
    • die Nachbarn, über deren Grundstücke der Notweg führt, durch eine Geldrente zu entschädigen sind.

 

Dass ein Grundstück mit einem öffentlichen Weg verbunden ist, schließt ein Notwegrecht nicht von vornherein aus.

  • Entscheidend ist vielmehr, ob die ordnungsmäßige Benutzung des Grundstücks die Einräumung des Notwegs über das Grundstück der Nachbarn notwendig macht.

 

Dies bestimmt sich nach objektiven Gesichtspunkten.

  • Maßgebend ist die danach angemessene, den wirtschaftlichen Verhältnissen des Grundstücks entsprechende Nutzung.
  • Eine nur einem persönlichen Bedürfnis des Eigentümers oder eines Nutzungsberechtigten entsprechende oder eine nur provisorische Nutzung gibt daher keinen Anspruch auf einen Notweg nach § 917 BGB (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 18.10.2013 – V ZR 278/12 –).

 

Bei einem Wohngrundstück setzt eine in diesem Sinn ordnungsmäßige Grundstücksbenutzung

  • in der Regel die Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen voraus.
     

Dies ist zur Gewährleistung elementarer Bedürfnisse objektiv erforderlich, so etwa im Hinblick auf die Müllentsorgung oder die Belieferung mit Brennstoffen oder sperrigen Gütern.
Ebenfalls zur ordnungsgemäßen Benutzung eines Wohngrundstücks gehört die Möglichkeit, dieses mit dem eigenen Kraftfahrzeug anzufahren.

  • An dieser Erreichbarkeit fehlt es allerdings nicht bereits dann, wenn das Kraftfahrzeug nicht bis vor den Eingangsbereich des auf einem Grundstück aufstehenden Gebäudes fahren kann.
  • Vielmehr ist es ausreichend, wenn mit einem Kraftfahrzeug unmittelbar an das Wohngrundstück herangefahren und der Eingangsbereich von dieser Stelle aus in zumutbarer Weise – auch mit sperrigen Gegenständen – erreicht werden kann.

 

Dass das Erreichen des Hauseingangs bei dem Auffahren auf das Grundstück erleichtert möglich wäre, rechtfertigt kein Notwegrecht (BGH, Urteile vom 18.10.2013 – V ZR 278/12 – und vom 24.04.2015 – V ZR 138/14 –).

Aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis lässt sich, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht vorliegen, ein Anspruch auf Einräumung eines Notwegerechts nicht herleiten, weil die Vorschrift des § 917 BGB im Hinblick auf die nicht durch dingliche Rechte oder schuldrechtliche Verträge begründeten Wegerechte eine abschließende Regelung enthält (vgl. BGH, Urteile vom 15.12.2013 – V ZR 24/13 – und vom 12.12.2008 – V ZR 106/07 –).

Darauf hat der V. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 22.01.2016 – V ZR 116/15 – hingewiesen.  

 

Bei Wechsel aus einem unbefristeten Arbeitsverhältnis in ein befristetes Arbeitsverhältnis

Bei einem Wechsel eines Arbeitnehmers aus einem unbefristeten Arbeitsverhältnis in ein befristetes Arbeitsverhältnis tritt im Anschluss an die befristete Tätigkeit dann keine Sperrzeit ein, wenn der Arbeitnehmer ein berechtigtes Interesse an der Lösung des unbefristeten Arbeitsverhältnisses hatte.

Darauf hat das Sozialgericht (SG) Speyer mit Urteil vom 17.02.2016 – S 1 AL 63/15 – hingewiesen und in einem Fall,

  • in dem ein Maurer, der zunächst ca. 50 km von seinem Wohnort beschäftigt war, bei seinem Arbeitgeber gekündigt, anschließend bei einem Betrieb in der Nähe seines Wohnortes gearbeitet hatte, sich, weil dieses Arbeitsverhältnis von Anfang an auf zunächst 2 Monate befristet war, danach arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld beantragt hatte,

 

entschieden, dass der Maurer Anspruch auf Arbeitslosengeld (ALG I) hat.

Begründet hat das SG seine Entscheidung damit,

  • dass bei einem Wechsel aus einem unbefristeten in ein befristetes Arbeitsverhältnis eine Sperrzeit von 12 Wochen im Anschluss an die befristete Beschäftigung nur eintrete, wenn dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden könne,
  • hier der Maurer ein berechtigtes Interesse an der Lösung des unbefristeten Arbeitsverhältnisses zu Gunsten eines befristeten gehabt habe, das das Interesse der Versichertengemeinschaft an einer Fortführung des unbefristeten Arbeitsverhältnisses überwiege,
    • da er durch die Aufnahme des befristeten Arbeitsverhältnisses nicht nur seinen Anfahrtsweg zur Arbeit und damit die Höhe der Fahrtkosten drastisch verkürzt,
    • sondern der Arbeitgeber des befristeten Arbeitsverhältnisses auch einen um ca. 20% höheren Stundenlohn gezahlt und
    • das befristete Arbeitsverhältnis für ihn somit deutlich attraktivere Arbeitsbedingungen geboten habe.

 

Das hat die Pressestelle des Sozialgerichts Speyer am 19.02.2016 – 01/16 – mitgeteilt.

 

Ansprüche nach dem Scheitern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft?

Bei Scheitern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft kommen zwischen den Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft in Betracht,

  • ein Bereicherungsanspruch wegen Zweckverfehlung nach § 812 Abs. 1 Satz 2 2. Alternative Bürgerliches Gesetzbuch (BGB),
    • soweit Leistungen in Rede stehen, die über das hinausgehen, was das tägliche Zusammenleben erst ermöglicht und
    • die bei einem oder beiden Partnern zur Bildung von die Beendigung der Lebensgemeinschaft überdauernden Vermögenswerten geführt haben (Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 06.07.2011 – XII ZR 190/08 –; vom 09.07.2008 – XII ZR 179/05 – und vom 25.11.2009 – XII ZR 92/06 –),

 

  • ein Ausgleichsanspruch nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB),
    • soweit der gemeinschaftsbezogenen Zuwendung die Vorstellung oder Erwartung zugrunde lag,
    • die Lebensgemeinschaft, deren Ausgestaltung sie gedient hat, werde Bestand haben sowie

 

  • ein Anspruch auf Herausgabe von Schenkungen nach § 1301 BGB,
    • wenn die Parteien zum Zeitpunkt der Zuwendungen verlobt waren.

 

Nach § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB besteht für den Empfänger einer Leistung

  • die Pflicht zur Herausgabe einer Zuwendung,
  • sofern der mit dieser Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eingetreten ist.

 

Ein Bereicherungsanspruch wegen Fehlschlagens dieser Erwartung setzt allerdings voraus,

  • dass darüber mit dem Empfänger der Leistung eine Willensübereinstimmung erzielt worden ist;
  • einseitige Vorstellungen genügen nicht.
  • Jedoch kann eine stillschweigende Einigung in diesem Sinne angenommen werden, wenn der eine Teil mit seiner Leistung einen bestimmten Erfolg bezweckt und der andere Teil dies erkennt und die Leistung entgegennimmt, ohne zu widersprechen (BGH, Urteil vom 09.07.2008 – XII ZR 179/05 –).

 

Die danach erforderliche finale Ausrichtung der Leistung auf einen nicht erzwingbaren Erfolg wird sich innerhalb einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft allerdings nur bezüglich solcher Zuwendungen oder Arbeitsleistungen feststellen lassen,

  • die deutlich über das hinausgehen, was die Gemeinschaft Tag für Tag benötigt.
    Sie kann auch nicht allgemein in dem gegenwärtigen Zusammenleben mit dem Partner erblickt werden.

 

Zu fordern ist vielmehr eine konkrete Zweckabrede, wie sie etwa dann vorliegen kann, wenn die Partner zwar keine gemeinsamen Vermögenswerte schaffen wollten, der eine aber das Vermögen des anderen in der Erwartung vermehrt hat, an dem erworbenen Gegenstand langfristig partizipieren zu können (BGH, Urteil vom 09.07.2008 – XII ZR 179/05 –).

Dass die Voraussetzungen für einen Bereicherungsanspruch wegen Zweckverfehlung vorliegen hat der, der einen solchen Anspruch geltend macht, darzulegen und zu beweisen.

Die Ausgleichspflicht nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB), die die Fälle erfasst, in denen eine Zweckabrede im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. BGB nicht festzustellen ist oder in denen es nicht zu gesellschaftsrechtlichen Ausgleichsansprüchen kommt,

  • hat nicht zur Folge,
  • dass sämtliche Zuwendungen bei Scheitern der Beziehung auszugleichen wären.

 

Auszuscheiden sind zunächst die im Rahmen des täglichen Zusammenlebens ersatzlos erbrachten Leistungen.

Nicht anders zu beurteilen sind aber auch die Leistungen desjenigen Partners, der nicht zu den laufenden Kosten beiträgt, sondern größere Einmalzahlungen erbringt, da er insofern nicht besser gestellt werden kann als derjenige Partner,

  • dessen Aufwendungen den täglichen Bedarf decken oder
  • der sonst erforderlich werdende Beiträge übernimmt.

 

Bei der Abwägung, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Zuwendungen zurückerstattet oder Arbeitsleistungen ausgeglichen werden müssen, ist zudem zu berücksichtigen, dass der Partner es einmal für richtig erachtet hat, dem anderen diese Leistungen zu gewähren.
Ein korrigierender Eingriff ist grundsätzlich nur gerechtfertigt, wenn dem Leistenden die Beibehaltung der durch die Leistungen geschaffenen Vermögensverhältnisse nach Treu und Glauben nicht zuzumuten ist.
Das Merkmal der Unbilligkeit impliziert zugleich, dass ein Ausgleich nur wegen solcher Leistungen in Betracht kommt, denen nach den jeweiligen Verhältnissen erhebliche Bedeutung zukommt.
Maßgebend ist eine Gesamtabwägung der Umstände des Einzelfalls, in die auch der Zweck der Zuwendung einzubeziehen sowie zu berücksichtigen ist, inwieweit dieser Zweck erreicht worden ist (BGH, Urteil vom 09.07.2008, XII ZR 179/05).

Unter Geschenke im Sinne des § 1301 BGB fallen grundsätzlich alle Zuwendungen,

  • die mit der Auflösung der Verlobung ihre Grundlage verlieren,
  • nicht dagegen Unterhaltsbeiträge von Verlobten, die vor der Heirat einen gemeinsamen Hausstand führen (BGH, Urteil vom 13.04.2005 – XII ZR 296/00 – h  FamRZ 2005, 1151), weil diese nicht in Erwartung der Ehe, sondern im Hinblick auf das gegenwärtige Zusammenleben der Parteien erfolgen.

 

Darauf hat der 3. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (OLG) mit Urteil vom 09.02.2016 – 3 U 8712 – hingewiesen.

 

Wann ist eine Vertragspartei Verwender von vorformulierten Vertragsbedingungen?

Vertragsbedingungen unterliegen einer Inhaltskontrolle nicht,

  • wenn sie zwar für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind, aber sie die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Vertragsschluss nicht „gestellt“ hat, da die Vertragspartei dann nicht Verwender i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist oder
  • wenn die Vertragsbedingungen im Einzelnen ausgehandelt worden sind, weil dann keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) vorliegen (vgl. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB).

 

Da der Gesetzgeber das wesentliche Charakteristikum von AGB

  • in der Einseitigkeit ihrer Auferlegung sowie
  • in dem Umstand gesehen hat, dass der andere Vertragsteil, der mit einer solchen Regelung konfrontiert wird, auf ihre Ausgestaltung gewöhnlich keinen Einfluss nehmen kann,

 

ist mit Rücksicht darauf das Merkmal des „Stellens“ erfüllt, wenn die Formularbestimmungen auf Initiative einer Partei oder ihres Abschlussgehilfen (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 04.02.2015 – VIII ZR 26/14 –)

  • in die Verhandlungen eingebracht und
  • ihre Verwendung zum Vertragsschluss verlangt werden (BGH, Urteile vom 17.02.2010 – VIII ZR 67/09 –; vom 20.02.2014 – IX ZR 137/13 – und vom 13.05.2014 – XI ZR 170/13 –; siehe auch BGH, Urteil vom 20.03.2014 – VII ZR 248/13 –).

 

Der (einseitige) Wunsch einer Partei, bestimmte von ihr bezeichnete vorformulierte Vertragsbedingungen zu verwenden, ist grundsätzlich ausreichend (BGH, Urteil vom 17.02.2010 – VIII ZR 67/09 –).

  • Dabei kommt es nicht darauf an, wer die Geschäftsbedingungen entworfen hat.
  • Entscheidend ist, ob eine der Vertragsparteien sie sich als von ihr gestellt zurechnen lassen muss (BGH, Urteile vom 01.03.2013 – V ZR 31/12 – und vom 17.02.2010 – VIII ZR 67/09 –).

 

Dagegen liegt,

  • weil es an dem durch einseitige Ausnutzung der Vertragsgestaltungsfreiheit einer Vertragspartei zum Ausdruck kommenden „Stellen“ vorformulierter Vertragsbedingungen fehlt,

 

ein „Stellen“ von Vertragsbedingungen dann nicht vor, wenn

  • die Einbeziehung vorformulierter Vertragsbedingungen in einen Vertrag auf einer freien Entscheidung desjenigen beruht,
  • der vom anderen Vertragsteil mit dem Verwendungsvorschlag konfrontiert wird (vgl. BGH, Urteile vom 17.02.2010 – VIII ZR 67/09 –),

 

was allerdings voraussetzt, dass diese Vertragspartei

  • in der Auswahl der in Betracht kommenden Vertragstexte frei ist und
  • insbesondere Gelegenheit erhält, alternativ eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung in die Verhandlungen einzubringen (BGH, Urteil vom 17.02.2010 – VIII ZR 67/09 –; ebenso BGH, Urteile vom 20.02.2014 – IX ZR 137/13 – und vom 13.03.2014 – XI ZR 170/13 –).

 

Danach entfällt ein „Stellen“ von Vertragsbedingungen

  • nicht bereits dann,
  • wenn die vorformulierten Vertragsbedingungen dem anderen Vertragsteil mit der Bitte übersandt werden, Anmerkungen oder Änderungswünsche mitzuteilen.

 

Darauf hat der VIII. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 20.01.2016 – VIII ZR 26/15 – hingewiesen.

 

Anwaltsbeiordnung in Abstammungsverfahren

Wegen der besonderen Schwierigkeit des Abstammungsverfahrens ist im Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe nicht nur hinsichtlich des Antragstellers, sondern auch für die weiteren Beteiligten (§ 172 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)) regelmäßig eine Anwaltsbeiordnung nach § 78 Abs. 2 FamFG geboten.

Darauf hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 27.01.2016 – XII ZB 639/14 – hingewiesen und in einem Fall,

  • in dem von einem Ehemann die Vaterschaft zu dem während der Ehe geborenen minderjährigen Kind angefochten und
  • der nach § 172 FamFG am Verfahren auf Anfechtung der Vaterschaft beteiligten Ehefrau und Kindsmutter Verfahrenskostenhilfe bewilligt, aber ihr Antrag auf Beiordnung einer Rechtsanwältin von Amtsgericht (AG) und Oberlandesgericht (OLG) abgelehnt worden war,

 

der Kindsmutter, unter Aufhebung der ablehnenden Entscheidung, mit Wirkung ab Antragstellung, eine Rechtsanwältin beigeordnet.

 

Rücktritt vom Kaufvertrag wegen Mangelhaftigkeit der Kaufsache

Das Recht des Käufers, wegen Mängeln der Kaufsache nach § 437 Nr. 2, §§ 440, 323 BGB vom Vertrag zurückzutreten,

  • setzt, sofern dies nicht nach §§ 440, 323 Abs. 2 Nr. 1, 281 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB entbehrlich ist (vgl. hierzu Bundesgerichtshofs (BGH), Urteile vom 01.07.2015 – VIII ZR 226/14 –; vom 13.07.2011 – VIII ZR 215/10 – und vom 21.12.2005 – VIII ZR 49/05 –), nach § 323 Abs. 1 BGB voraus,
  • dass der Käufer dem Verkäufer zuvor gemäß § 439 Abs. 1 BGB Gelegenheit zur Nacherfüllung gegeben hat, was bedeutet,
    • dass der Käufer dem Verkäufer zuvor nicht nur erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung, also zur Beseitigung des Mangels oder zur Lieferung einer mangelfreien Sache gesetzt (vgl. hierzu Hanseatisches Oberlandesgericht (OLG) in Bremen, Urteil vom 27.03.2015 – 2 U 12/15 –), sondern
    • dem Verkäufer grundsätzlich auch die Möglichkeit gegeben haben muss, die Kaufsache an dessen Niederlassung zur Überprüfung der erhobenen Mängelrügen zu untersuchen, da der Verkäufer erst auf Grund einer solchen Untersuchung beurteilen kann, ob die gerügten Mängel bestehen und bereits bei Gefahrübergang vorgelegen haben und der Verkäufer nur unter dieser Voraussetzung überhaupt zur Nacherfüllung verpflichtet ist (vgl. BGH, Urteile vom 10.03.2010 – VIII ZR 310/08 –; vom 19.12.2012 – VIII ZR 96/12 – und vom 01.07.2015 – VIII ZR 226/14 –; Landgericht (LG) Heidelberg, Urteil vom 05.02.2015 – 2 O 75/14 –).

 

Deshalb stellt eine an den Verkäufer gerichtete Aufforderung, innerhalb einer gesetzten Frist dem Grunde nach die Bereitschaft zur Nachbesserung zu erklären, kein ordnungsgemäßes Nacherfüllungsverlangen dar (vgl. BGH, Urteil vom 01.07.2015 – VIII ZR 226/14 –).

Auch ist für jeden Mangel grundsätzlich eine eigene Nacherfüllungsaufforderung notwendig (BGH, Urteile vom 15.06.2011 – VIII ZR 139/09 – vom 29.06.2011 – VIII ZR 202/10 –; vgl. ferner BGH, Urteil vom 23.01.2013 – VIII ZR 140/12 –).

Demzufolge kann,

  • wenn wegen eines vom Käufer gerügten Mangels nach vergeblichem Nacherfüllungsverlangen der Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt sowie Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe der Kaufsache erhoben worden ist und
  • sich im Rechtstreit, nach Einholung eines Sachverständigengutachtens herausstellt, dass dieser gerügte Mangel nicht vorhanden war, jedoch andere Mängel vorliegen, auf die sich das Nacherfüllungsverlangen nicht bezogen hat,

 

der erklärte Rücktritt nicht auf diese anderen Mängel gestützt werden, weil zu deren Beseitigung der Verkäufer noch nicht gemäß § 439 BGB erfolglos aufgefordert worden war.

  • Sollte für diesen (neuen) Nacherfüllungsanspruch in einem solchen Fall die zweijährige Verjährungsfrist (vgl. § 438 Abs.1 Nr. 3, Abs. 2 BGB) bereits abgelaufen sein, wäre, wenn sich der Verkäufer darauf beruft, ein neuerlicher, nach Verjährungseintritt erklärter Rücktritt gemäß § 218 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
  • Denn die Verjährung des Nacherfüllungsanspruchs, der auf die Beseitigung der erst im Rechtsstreit festgestellten Mängel zielt, wurde
    • weder nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB durch die Erhebung der Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe der Kaufsache gehemmt,
    • noch nach § 213 BGB, da von dieser Vorschrift die in § 437 BGB aufgeführten Nacherfüllungs- und Gewährleistungsrechte nur insoweit erfasst werden, als sie auf demselben Mangel (und das war hier nur der Mangel auf den die Rücktrittsklage gestützt war) beruhen (vgl. BGH, Urteil vom 29.04.2015 – VIII ZR 180/14 –). 

 

Darauf hat der VIII. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 20.01.2016 – VIII ZR 77/15 – hingewiesen. 

 

Unbefugte Überlassung der Mietwohnung kann den Vermieter zur außerordentlichen Kündigung berechtigen

Der Vermieter kann einem Mieter, der eine Wohnung gemietet und erklärt hat, in diese einziehen zu wollen, fristlos kündigen, wenn

  • der Mieter in die Wohnung nicht selbst einzieht,
  • sondern diese ohne Erlaubnis des Vermieters an dritte Personen überlässt.

 

Darauf hat das Amtsgericht (AG) München mit Urteil vom 29.09.2015 – 432 C 8687/15 –hingewiesen und in einem Fall,

  • in dem die Beklagten die gemietete Wohnung nicht selbst genutzt,
  • sondern in dieser regelmäßig immer wieder mehrere sogenannte Medizintouristen aus dem arabischen Raum untergebracht hatten,

 

entschieden,

  • dass die, wegen dieser unbefugten Gebrauchsüberlassung an Dritte, vom Vermieter erklärte außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt war und die Beklagten die Wohnung räumen müssen.

 

Wie das AG ausgeführt hat stellt eine solche (gewerbliche oder auch nicht gewerbliche) Überlassung der Mieträume an Dritte einen derart schwerwiegenden Pflichtverstoß dar, dass dem Vermieter eine Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zuzumuten ist.

Das hat die Pressestelle des Amtsgerichts München am 19.02.2016 – 15/16 – mitgeteilt.

 

Auch Whatsapp-Nachrichten können den Tatbestand des Sexuellen Missbrauchs von Kindern erfüllen

Wer auf ein Kind

  • mittels Schriften (§ 11 Absatz 3 Strafgesetzbuch – StGB) oder mittels Informations- oder Kommunikationstechnologie einwirkt,
  • um das Kind zu sexuellen Handlungen zu bringen, die es an oder vor dem Täter oder einer dritten Person vornehmen oder von dem Täter oder einer dritten Person an sich vornehmen lassen soll,

 

wird wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 176 Abs. 4 Nr. 3 Strafgesetzbuch (StGB) mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

Erfüllt ist dieser Straftatbestand, wenn ein Erwachsener, beim Chatten über den Kurznachrichtendienst Whatsapp, ein neunjähriges Mädchen

  • zunächst nach ihrem Freund sowie in den folgenden Tagen danach fragt, ob die Nacht bei ihrem Freund schön gewesen sei, ob sie eine Freundin für ihn habe, die nicht erwachsen sein müsse und sodann noch, „vielleicht mag sie mich ja auch. Dann können wir ja zu 4 was machen. Du und dein Freund u ich mit ihr“.

 

Nicht erforderlich dabei ist, dass sich der Absender und der Adressat des Kontaktes zum Zeitpunkt der Kontaktaufnahme noch nicht kennen.

Das hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Beschluss 14.01.2016 – 4 RVs 144/15 – entschieden.

Wie der Senat zur Begründung seiner Entscheidung u. a. ausgeführt hat,

  • war die auf das Mobiltelefon des Mädchens geschickte Nachricht mit dem Vorschlag, „etwas zu viert zu machen“ eine Schrift im Sinne von §§ 176 Abs. 4 Nr. 3, 11 Abs. 3 StGB,
  • mit der auf das Mädchen eingewirkt worden ist, weil
    • der Vorschlag eines sexuellen Erlebnisses mit mehreren Beteiligten, das das Mädchen noch nicht gehabt habe, ersichtlich dazu gedient habe die Neugier des Mädchens zu wecken.

 

In dem der Entscheidung des 4. Strafsenats des OLG Hamm zugrunde liegendem Fall ist der Angeklagten aufgrund des obigen Chats wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer in ihrer Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt worden.
Er war zur Tatzeit 55 Jahre alt und hatte das 9 Jahre alte Mädchen bereits einige Zeit gekannt.

 

Wenn Eltern mit Kinderkrippenbetreiber streiten

Schließen Eltern für ihr Kind mit einem Kinderkrippenbetreiber einen Betreuungsvertrag ab, in dessen formularmäßigen Vertragsbedingungen ein ordentliches Kündigungsrecht von zwei Monaten zum Monatsende vorgesehen ist,

  • so ist dies im Hinblick auf die AGB-Kontrolle nach § 307 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unbedenklich,
  • wenn es sich bei dem Betreuungsvertrag um ein dauerndes Dienstverhältnis mit festen Bezügen handelt.

 

Auch ist es bei einer solchen, vergleichsweise kurzen Frist nicht geboten, dass den Eltern für die Dauer der anfänglichen Eingewöhnungsphase – im Sinne einer „Probezeit“ – ein fristloses Lösungsrecht eingeräumt wird.

Dagegen sind Vertragsbedingungen von Krippenbetreibern wegen unangemessener Benachteiligung ihrer Vertragspartner gemäß § 307 BGB unwirksam,

  • die Eltern zur Leistung einer Kaution in erheblicher Höhe (hier: 1.000 €) in Form eines „Darlehens“ an den Betreiber der Kinderkrippe verpflichten,
  • die Eltern verpflichten, ihr Kind regelmäßig in die Kinderkrippe zu bringen und dort betreuen zu lassen sowie Zuwiderhandlungen durch Schadensersatzansprüche der Kinderkrippe sanktionieren und
  • die im Fall des Annahmeverzuges nicht lediglich vorsehen, dass vereinbarte Fest- und Pauschalbeträge stets für volle Monate zu entrichten sind, sondern die Möglichkeit der Eltern, von der Vergütungspflicht einen Abzug wegen der vom Krippenbetreiber ersparten Aufwendungen nach § 615 Satz 2 BGB vorzunehmen, vollständig abbedingen.

 

Das hat der unter anderem für das Dienstvertragsrecht zuständige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 18.02.2016 – III ZR 126/15 – in einem Fall entschieden, in dem

  • von dem Vater eines Kleinkindes (Kläger) am 19.09.2013, nachdem sein 16 Monate alter Sohn die Krippe des beklagten Betreibers in der Zeit vom 09. bis zum 19.09.2013 besucht hatte, die Rückzahlung der von ihm entsprechend der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Beklagten geleisteten Kaution in Höhe von 1.000 € mit der Begründung verlangt worden war, dass er, weil sein Sohn sich in der Krippe nicht wohl gefühlt habe, die Betreuung in der Einrichtung des Beklagten nicht mehr in Anspruch nehmen wolle und
  • der Beklagte, unter Hinweis auf die nach den Vertragsbedingungen früheste Kündigungsmöglichkeit zum 30.11.2013,
    • Fortzahlung der Betreuungsvergütung zuzüglich Verpflegungs- und Pflegemittelpauschale für die Monate September bis November 2013 (insgesamt 1.590 €) sowie
    • darüber hinaus, mit der Begründung, dass ihm die Rückzahlung kindbezogener staatlicher und kommunaler Fördermittel drohe, weil diese zur Voraussetzung hätten, dass ein regelmäßiger Besuch der Krippe durch die von der Förderung erfassten Kinder erfolge und eine Nachbesetzung des freigewordenen Platzes vor dem 01.12.2013 nicht gelungen sei, die Feststellung begehrt hatte, dass der Kläger ihren Förderausfall für die Monate September bis November 2013 in Höhe von 2.495,07 € zu bezahlen habe.

 

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 18.02.2016 – Nr. 43/2016 – mitgeteilt.