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Für den Unterricht erforderlicher Taschenrechner muss kostenlos zur Verfügung gestellt werden

Ein für den Unterricht erforderlicher grafikfähiger Taschenrechner gehört im Freistaat Sachsen zu den Lernmitteln, die nach Art. 102 Abs. 4 der Sächsischen Verfassung vom Träger öffentlicher Schulen für alle Schüler unentgeltlich bereitgestellt werden müssen.

Darauf hat das Verwaltungsgericht (VG) Dresden mit Urteil vom 29.10.2015 – 5 K 2394/14 – hingewiesen und in einem Fall, in dem

  • der Träger einer Schule nicht bereit war, dem eine achte Klasse besuchenden Sohn des Klägers einen grafikfähigen Taschenrechners unentgeltlich zur Verfügung zu stellen und
  • der Kläger daraufhin einen solchen Taschenrechner gekauft hatte,

 

den Träger der Schule verurteilt, dem Kläger den Kaufpreis hierfür in Höhe von 131,45 EUR zu erstatten.

Da, wie das VG ausgeführt hat, der Träger der Schule seine Pflicht verletzt habe, jedem Achtklässler einen grafikfähigen Taschenrechner kostenlos zur Verfügung zu stellen, könne der Vater des Schülers den aufgebrachten Kaufpreis als Schadensersatz vom Schulträger zurückverlangen.

Das hat die Pressestelle des Verwaltungsgerichts Dresden am 16.11.2015 mitgeteilt. 

 

Trotz Zuteilungsreife des Bausparvertrages vor mehr als 10 Jahren kein Kündigungsrecht der Bausparkasse nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB?

Der Bausparkasse steht ein Recht zur Kündigung eines Bausparvertrags aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), trotz erstmaliger Zuteilungsreife vor mehr als 10 Jahren, nicht zu.

Das hat die 12. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Stuttgart mit Urteil vom 12.11.2015 – 12 O 100/15 – entschieden und in einem Fall,

  • in dem die beklagte Bausparkasse einen jährlich mit 3,0 % verzinsten Bausparvertrag mit einer vorgesehenen Bausparsumme von 25.564,59 €, der am 01.07.2000 zuteilungsreif und zum Jahresende 2014 mit 19.665,09 € bespart war,
  • mit Schreiben vom 12.01.2015 zum 24.07.2015 unter Berufung auf § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB gekündigt hatte,

 

festgestellt, dass der zwischen den Parteien abgeschlossene Bausparvertrag über den 24.07.2015 hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

Nach der Entscheidung der 12. Zivilkammer des LG Stuttgart

  • ist für den „vollständigen Empfang“ im Sinne des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB der Zeitpunkt der erstmaligen Zuteilungsreife nicht maßgeblich und
  • stellt es auch keinen Missbrauch des Bausparvertrags dar, wenn ein Bausparer ausschließlich die Ansparphase nutzt und ein mögliches Bauspardarlehen nicht in Anspruch nimmt.

 

Gleicher Ansicht wie das LG Stuttgart sind das Amtsgericht (AG) Ludwigsburg (Urteil vom 07.08.2015 – 10 C 1154/15 –) und LG Karlsruhe (Urteil vom 09.10.2015 – 7 O 126/15 –);
anderer Ansicht sind die LGe Mainz (Urteil vom 28.07.2014 – 5 O 1/14 –), Aachen (Urteil vom 19.05.2015 – 10 O 404/14 –), Hannover (Urteil vom 30.06.2015 – 14 O 55/15 –) sowie Nürnberg-Fürth (Urteil vom 17.08.2015 – 6 O 1708/15 –) die die Auffassung vertreten, dass Bausparverträge mit gebundenem Sollzinssatz, bei denen die vereinbarte Bausparsumme noch nicht erreicht ist, dann von der Bausparkasse nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB gekündigt werden können, wenn das Bauspardarlehen 10 Jahre nach Zuteilungsreife noch nicht abgerufen worden ist.

 

Dürfen Geschwindigkeitsmessdaten durch private Unternehmen im Auftrag der Bußgeldbehörde ausgewertet werden?

Die Bußgeldbehörde darf ein privates Unternehmen vertraglich mit der Aufbereitung und Auswertung der bei Geschwindigkeitsmessungen im Straßenverkehr erhobenen Rohdaten („Blitzerdaten“) beauftragen und das Ergebnis dieser Datenauswertung anschließend in der Behörde zur Grundlage eines Bußgeldverfahrens gegen die Verkehrssünder machen.

Darauf hat das Oberlandesgericht Rostock in zwei Beschlüssen vom 17.11.2015 – 21 Ss OWi 158 – und – 161/15 – hingewiesen.

Dass die Überlassung der durch Geschwindigkeitsmessungen ermittelten Rohdaten durch die Bußgeldbehörde an ein privates Unternehmen zur Aufbereitung und Auswertung für das weitere Verfahren grundsätzlich nicht zu beanstanden ist, hat der Senat damit begründet, dass nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) die Beauftragung von Sachverständigen, die nicht notwendig im Öffentlichen Dienst beschäftigt seien müssen, mit der Auswertung ordnungsgemäß erlangter Beweismittel (hier: der Rohmessdaten) rechtlich möglich ist und auch in zahlreichen anderen Verfahrensordnungen vorgesehener und gängiger Praxis entspricht, wie beispielsweise bei

  • der Auswertung von Blutproben zur Bestimmung der Alkoholkonzentration oder zum Nachweis des Konsums illegaler Drogen,
  • der Analyse von Gewebeproben zur DNA-Identitätsfeststellung oder
  • der Sicherung und Auswertung elektronisch gespeicherter Daten in Fällen sogenannter Cyberkriminalität.

 

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgericht Rostock am 20.11.2015 mitgeteilt.

 

Wann kann einer Prozesspartei Beweisvereitelung vorgeworfen werden?

Von einer Beweisvereitelung kann nur ausgegangen werden, wenn eine Partei dem beweisbelasteten Gegner die Beweisführung schuldhaft unmöglich macht oder erschwert, indem sie vorhandene Beweismittel vernichtet, vorenthält oder ihre Benutzung erschwert.
Der subjektive Tatbestand der Beweisvereitelung verlangt dabei einen doppelten Schuldvorwurf.

  • Das Verschulden muss sich sowohl auf die Zerstörung oder Entziehung des Beweisobjekts als auch auf die Beseitigung seiner Beweisfunktion beziehen, also darauf gerichtet sein, die Beweislage des Gegners in einem gegenwärtigen oder künftigen Prozess nachteilig zu beeinflussen (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 23.09.2003 – XI ZR 380/00 –).

Wäre es der beweisbelasteten Partei möglich gewesen, den Beweis – etwa im Wege eines selbständigen Beweisverfahrens – zu sichern, ist eine Beweisvereitelung nicht anzunehmen.

Liegen die Voraussetzungen einer Beweisvereitelung vor, können zugunsten der beweisbelasteten Partei Beweiserleichterungen in Betracht kommen, die unter Umständen bis zur Umkehr der Beweislast gehen können (BGH, Urteile vom 23.09.2003 – XI ZR 380/00 –; vom 23.11.2005 – VIII ZR 43/05 – und vom 23.10.2008 – VII ZR 64/07 –).
Die Beweisvereitelung durch den Gegner der beweisbelasteten Partei führt

  • jedoch nicht bereits als solche zum Verlust des Prozesses,
  • sondern allenfalls dazu, dass ihr Verhalten im Rahmen der Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) zu ihren Lasten gewürdigt werden kann (BGH, Beschluss vom 18.12.2008 – I ZB 118/07 –; Urteil vom 17.01.2008 – III ZR 239/06 –).

Die Annahme einer Beweisvereitelung durch eine Partei rechtfertigt nicht die Annahme, dass vom Vortrag der beweisbelasteten Partei auszugehen ist.

  • Kann einer Partei der Vorwurf gemacht werden, sie habe in zu missbilligender Weise den vom Prozessgegner zu führenden Beweis vereitelt, führt dies nicht dazu, dass eine Beweiserhebung gänzlich unterbleiben kann und der Vortrag der beweispflichtigen Partei als bewiesen anzusehen ist.
  • Vielmehr sind zunächst die von der beweispflichtigen Partei angebotenen Beweise zu erheben.
  • Stehen solche Beweise nicht zur Verfügung oder bleibt die beweisbelastete Partei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme beweisfällig, ist eine Beweislastumkehr in Betracht zu ziehen und den Beweisangeboten des Prozessgegners nachzugehen.

Darauf hat der I. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 11.06.2015 – I ZR 226/13 – hingewiesen.

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Der Versuch einer Straftat

Nach § 22 Strafgesetzbuch (StGB) versucht eine Straftat, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestands unmittelbar ansetzt.
Hierfür ist nicht erforderlich, dass der Täter bereits ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht.
Es genügt, dass er Handlungen vornimmt,

  • die nach seinem Tatplan
  • schon bei ungestörtem Fortgang unmittelbar in die tatbestandliche Handlung einmünden.
     

Dies ist der Fall, wenn ein Täter

  • die Schwelle zum „Jetzt geht es los“ überschreitet,
  • es eines weiteren Willensimpulses nicht mehr bedarf und
  • sein Tun ohne Zwischenakte in die Erfüllung des Tatbestands übergeht.

 

Nicht als Zwischenakte in diesem Sinne anzusehen sind Handlungen,

  • die wegen ihrer notwendigen Zusammengehörigkeit mit der Tathandlung nach dem Plan der Täter als deren Bestandteil erscheinen, weil sie an diese zeitlich und räumlich angrenzen und mit ihr im Falle der Ausführung eine natürliche Einheit bilden;
  • dies kann auch für ein notwendiges Mitwirken des Opfers gelten (Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 16.07.2015 – 4 StR 219/15 –).
  • Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung im Einzelfall sind u.a. die Dichte des Tatplans und der Grad der Rechtsgutgefährdung.

 

Danach liegt ein unmittelbares Ansetzen zum Diebstahl vor, wenn beispielsweise ein Diebstahl aus der Wohnung eines Opfers dadurch ermöglicht werden soll, dass sich ein Täter unter einem Vorwand Einlass verschafft, um das Tatopfer abzulenken und dann zu bestehlen. Der Angriff auf den fremden Gewahrsam beginnt in diesen Fällen bereits mit dem Begehren um Einlass (BGH, Beschluss vom 11.05.2010 – 3 StR 105/10 –).

Dass das Gelingen und damit die Vollendung der Tat letztlich noch von dem Erfolg der Täuschung und von dem Auffinden von Wertgegenständen innerhalb der Wohnung abhängig ist, und der Diebstahl beispielsweise „ohne Zutun“ des Täters deshalb scheitert, weil das Opfer erklärt, niemanden in die Wohnung einzulassen und die Wohnungseingangstüre schließt, so dass der Täter sein Vorhaben abbrechen muss, hindert nicht den Eintritt ins Versuchsstadium.

Vielmehr handelt es sich dann um einen fehlgeschlagenen Versuch, bei dem ein Rücktritt vom Versuch nach allen Varianten des § 24 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB ausscheidet.
Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen nahe liegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Dabei kommt es auf die Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (Rücktrittshorizont). Wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt erkennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Aussetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs, liegt ein Fehlschlag vor (vgl. BGH, Beschluss vom 04.08.2015 – 1 StR 329/15 – und Urteil vom 13.08.2015 – 4 StR 99/15 –).

Darauf hat der 2. Strafsenat des BGH mit Urteil vom 16.09.2015 – 2 StR 71/15 – hingewiesen.

 

Mithaftung eines Hundehalters wenn durch die bloße Anwesenheit seines Hundes ein anderer Hund zum Angriff verleitet wird?

Es begründet keine Mithaftung eines Hundehalters wenn durch die bloße Anwesenheit seines Hundes der Hund eines anderen Halters zum Angriff auf ihn und seinen Hund verleitet wird.

Darauf hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg mit Beschluss vom 09.10.2015 – 5 U 94/15 – hingewiesen

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall

  • hatte sich, bei der Begegnung von zwei Hundehalterinnen, der Hund der Beklagten, der von dieser am Halsband festgehalten worden war, losgerissen,
  • war auf die Klägerin, die mit ihrem Fahrrad und ihrem an der Leine geführten Hund unterwegs war, zugelaufen und
  • hatte die Klägerin, die dabei eine Knieverletzung erlitt, zu Fall gebracht.

 

Nach Auffassung des OLG Oldenburg haftet für den der Klägerin entstandenen Schäden, nachdem deren Hund an dem Geschehen nicht (aktiv) beteiligt war, allein die Beklagte und zwar sowohl nach § 833 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), als auch nach § 823 Abs. 1 BGB.
Der Umstand, dass der Hund der Beklagten möglicherweise durch die Anwesenheit des Hundes der Klägerin zu dem Angriff verleitet worden ist, begründet danach keine Mithaftung der Klägerin. Jedenfalls soll aber eine etwaige (Mit)Verantwortlichkeit von ihr nach § 833 Satz 1 BGB in einem solchen Fall hinter die der Beklagten zurücktreten.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Oldenburg am 19.11.2015 – Nr. 74/2015 – mitgeteilt.

 

Psychiatrische Klinik muss einem Betroffenen wegen rechtswidriger Unterbringung 25.000 EUR Schmerzensgeld zahlen

Weil Ärzte einer psychiatrischen Klinik

  • unter Missachtung grundlegender fachlicher Standards bei einem Betroffenen zu Unrecht Eigen- und Fremdgefährdung prognostiziert hatten und
  • dieser aufgrund dessen rechtswidrig gegen seinen Willen knapp zwei Monate in der Klinik nach dem Unterbringungsgesetz untergebracht und dort in dieser Zeit zwangsweise medikamentös behandelt worden war,

 

muss die Trägerin der Klinik dem Betroffenen 25.000 EUR Schmerzensgeld zahlen.

Das hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe mit Urteil vom 12.11.2015 – 9 U 78/11 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall war

  • von Ärzten einer psychiatrischen Klinik beim zuständigen Amtsgericht (AG) unter Vorlage entsprechender ärztlicher Zeugnisse die Unterbringung des betroffenen Klägers wegen einer „Psychose mit Verfolgungswahn“ und weil von „Fremd- und Eigengefährdung“ auszugehen sei, beantragt,
  • vom AG darauf hin dessen Unterbringung gegen seinen Willen sowie seine zwangsweise medikamentöse Behandlung angeordnet und
  • auf Antrag des Klägers im Beschwerdeverfahren nach seiner Entlassung festgestellt worden, dass die Unterbringung rechtswidrig war, weil die Voraussetzungen hierfür nach den Vorschriften des Unterbringungsgesetzes nicht vorgelegen haben.

 

Der nachfolgenden Klage des Klägers auf Schadensersatz wegen der durch die Unterbringung erlittenen Beeinträchtigungen gab der 9. Zivilsenat des OLG Karlsruhe statt und sprach dem Kläger für die knapp zweimonatige Unterbringung und die zwangsweise medikamentöse Behandlung dort ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 EUR zu.

Begründet hat der Senat seine Entscheidung damit, dass eine Amtspflichtverletzung der Ärzte vorgelegen habe, weil

  • bei der Ausstellung der für die Unterbringung notwendigen ärztlichen Zeugnisse von den Ärzten grundlegende fachliche Standards missachtet worden seien und
  • es für eine Gefährdungsprognose im Sinne einer Eigen- und Fremdgefährdung keine Grundlage gegeben habe.

 

Da Eigen- oder Fremdgefährdung Voraussetzung für eine zwangsweise Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik ist, kam es darauf, ob bei dem Kläger zum Zeitpunkt der Unterbringung eine psychische Erkrankung vorgelegen hat, nicht an.

Verlangt ein Betroffener in einem solchen Fall Schadensersatz für behauptete finanzielle Einbußen, muss er deren Verursachung durch die rechtswidrige Unterbringung nachweisen.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Karlsruhe am 19.11.2015 mitgeteilt.

 

Ein Berufsausbildungsverhältnis beginnt mit einer Probezeit

Geht dem Beginn eines Berufsausbildungsverhältnisses ein Praktikum oder ein Arbeitsverhältnis voraus, ist deren Dauer nicht auf die Probezeit des Berufsausbildungsverhältnisses anzurechnen.

Darauf hat der 6. Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) mit Urteil vom 19.11.2015 – 6 AZR 844/14 – hingewiesen und in einem Fall, in dem dem Kläger,

  • der bei dem Beklagten vereinbarungsgemäß zum 01.08.2013 eine Ausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel mit einer Probezeit von drei Monaten begonnen und
  • zuvor zur Überbrückung ein Praktikum mit einer Laufzeit bis zum 31.07.2013 absolviert hatte,

 

vom Beklagten zum 29.10.2013 gekündigt worden war, festgestellt, dass das Ausbildungsverhältnis durch die Kündigung beendet worden ist, weil

  • ein Berufsausbildungsverhältnis während der Probezeit gemäß § 22 Abs. 1 Berufsbildungsgesetz (BBiG) ohne Einhalten einer Kündigungsfrist gekündigt werden kann und
  • hier die Kündigung vor Ablauf der dreimonatigen Probezeit erklärt worden war.

 

Denn entgegen der Auffassung des Klägers waren dessen Tätigkeiten vor dem 01.08.2013, deshalb auf die Probezeit nicht anzurechnen, weil, wie der 6. Senat des BAG ausgeführt hat,     

  • § 20 BBiG zwingend anordnet,
  • dass das Berufsausbildungsverhältnis mit einer Probezeit beginnt, die mindestens einen Monat betragen muss und höchstens vier Monate betragen darf.

 

Beide Vertragspartner sollen damit ausreichend Gelegenheit haben, die für die Ausbildung im konkreten Ausbildungsberuf wesentlichen Umstände eingehend zu prüfen, was nur unter den Bedingungen des Berufsausbildungsverhältnisses mit seinen spezifischen Pflichten möglich ist.

Das hat die Pressestelle des Bundesarbeitsgerichts am 19.11.2015 – Nr. 59/15 – mitgeteilt.

 

Verkehrssicherungspflichten eines privaten Grundstückseigentümers hinsichtlich seines an ein Nachbargrundstück angrenzenden Baumbestandes

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ist derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Verkehrssicherungspflichten anderer möglichst zu verhindern.
Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren (vgl. BGH, Urteil vom 08.11.2005 – VI ZR 332/04 –).

  • Dabei muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden.
  • Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden.
     

Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält.
Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind (vgl. BGH, Urteil vom 02.10.2012 – VI ZR 311/11 –).

Danach obliegt dem privaten Eigentümer eines Grundstücks, die auf seinem Grundstück vorhandenen Bäume

  • auf Schäden und Erkrankungen in regelmäßigen Abständen zu untersuchen und
  • im Falle des Verlustes der Standfestigkeit zu entfernen, damit von ihnen keine Gefahr ausgeht.
     

Die Kontrolle der im privaten Bereich unterhaltenen Bäume

  • kann der Eigentümer selbst durchführen und
  • muss sich hierbei keines Fachmannes bedienen.
     

Schäden und Erkrankungen können in der Regel von einem Laien hinreichend (z. B. aufgrund abgestorbener Äste, brauner oder trockener Blätter, Verletzungen der Rinde und sichtbaren Pilzbefalls) erkannt werden und es kann darauf rechtzeitig reagiert werden.
Dies gilt auch für ältere Bäume, denn ein allgemein anerkannter Grundsatz, dass von älteren (und in der Regel auch alt werdenden) Bäumen eine schwerer zu erkennende Gefahr ausginge, existiert nicht.

Wie oft und in welcher Intensität solche Baumkontrollen durchzuführen sind, läßt sich nicht generell beantworten. Ihre Häufigkeit und ihr Umfang sind von dem Alter und Zustand des Baumes sowie seinem Standort abhängig (BGH, Urteil vom 02.07.2004 – V ZR 33/04 –).

Allerdings kann auch dann, wenn eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nicht vorliegt, einem geschädigten Nachbarn ein verschuldensunabhängiger nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch in entsprechender Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zustehen.
Ein solcher auf einen angemessenen Ausgleich in Geld gerichteter Anspruch steht einem geschädigten Nachbarn dann zu,

  • wenn von einem Grundstück im Rahmen seiner privatwirtschaftlichen Benutzung Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen,
  • sofern der davon betroffene Eigentümer aus besonderen Gründen gehindert war, diese Einwirkungen gemäß § 1004 Abs. 1 BGB rechtzeitig zu unterbinden (BGH, Urteil vom 21.03.2003 – V ZR 319/02 –).

 

Die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs sind aber dann nicht gegeben, wenn Äste allein in Folge eines von niemandem zu beherrschenden Naturereignisses abgebrochen sind, Denn dann bestand kein Zustand, der Gegenstand eines Beseitigungsanspruches nach § 1004 Abs. 1 BGB hätte sein können.

Darauf hat der 5. Zivilsenat des Brandenburgischen OLG mit Urteil vom 22.10.2015 – 5 U 104/13 – hingewiesen.

 

Niemand muss sich im Strafverfahren selbst belasten

Der Grundsatz, dass niemand im Strafverfahren gegen sich selbst auszusagen braucht, insoweit also ein Schweigerecht besteht, ist notwendiger Bestandteil eines fairen Verfahrens.
So steht es einem Angeklagten frei,

  • sich zu äußern oder
  • nicht zur Sache auszusagen (§ 136 Abs. 1 Satz 2, § 243 Abs. 5 Satz 1 Strafprozessordnung (StPO)).

 

Macht ein Angeklagter von seinem Schweigerecht Gebrauch, so darf dies nicht zu seinem Nachteil gewertet werden (Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 03.05.2000 – 1 StR 125/00 –).
Der unbefangene Gebrauch dieses Schweigerechts wäre nicht gewährleistet, wenn der Angeklagte die Prüfung und Bewertung der Gründe für sein Aussageverhalten befürchten müsste.

 

Erst recht darf aus dem Zeitpunkt, zu dem ein Verteidiger einen Beweisantrag anbringt, nichts zum Nachteil des bis dahin schweigenden Angeklagten hergeleitet werden.

  • Der Verteidiger ist neben dem Angeklagten selbständig berechtigt, Beweisanträge zu stellen.
    Er kann einen solchen Antrag auch gegen den offenen Widerspruch des Angeklagten vorbringen, der Antrag muss nicht mit der Einlassung des Angeklagten übereinstimmen, die unter Beweis gestellte Behauptung kann auch einem Geständnis des Angeklagten widersprechen.

 

Dementsprechend darf der Antrag des Verteidigers sowie die hierzu abgegebene Begründung oder weitergehende Erläuterung

 

Darauf hat der 3. Strafsenat des BGH mit Beschluss vom 17.09.2015 – 3 StR 11/15 – hingewiesen.