Blog

Anforderung der Fahrerlaubnisbehörde ein Fahreignungsgutachten beizubringen ist nicht selbständig anfechtbar.

Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden nach § 46 Abs. 3 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) die §§ 11 bis 14 FeV über die Anordnung zur Beibringung eines Fahreignungsgutachtens Anwendung.
Eine solche auf § 46 Abs 3 i.V.m §§ 11 bis 14 FeV gestützte Anordnung der Fahrerlaubnisbehörde zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens stellt eine lediglich der Sachverhaltsaufklärung dienende vorbereitende Maßnahme dar,

  • die erst im Rahmen eines Verfahrens über die Entziehung oder Erteilung einer Fahrerlaubnis überprüft werden kann und
  • gegen die auch die Gewährleistung vorläufigen Rechtsschutzes in aller Regel unzulässig ist.

Darauf hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts (OVG) für das Land Schleswig-Holstein mit Beschluss vom 11.04.2014 – 2 MB 11/14 – hingewiesen.

Die Anordnung ein Fahreignungsgutachten beizubringen stellt danach lediglich eine Aufklärungsmaßnahme dar und ist damit kein selbständig anfechtbarer Verwaltungsakt, sondern nur eine Vorbereitungshandlung im Sinne des § 44a Satz 1  Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Voraussetzungen für die Anordnung sind erst im Verwaltungsrechtsstreit über die Erteilung oder Entziehung der Fahrerlaubnis zu überprüfen.
An dieser vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in ständiger Rechtsprechung zu § 15b StVZO a. F. vertretenen Rechtsauffassung (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 27.09.1995 – 11 C 34.94 –; BVerwG, Beschluss vom 28.06.1996 – 11 B 36.96 –) ist auch für die Anforderung von medizinisch-psychologischen Gutachten auf der Grundlage der §§ 11 ff. der Fahrerlaubnis-Verordnung vom 18.08.1998 festzuhalten; durch die einschlägigen Vorschriften der Fahrerlaubnis-Verordnung hat sich am Rechtscharakter der Gutachtensanordnung nichts geändert (vgl. mit ausführlicher Begründung OVG Münster, Beschluss vom 22.01.2001 – 19 B 1757/00 –; siehe auch Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim, Beschluss vom 24.06.2002 – 10 S 985/02 –; OVG Magdeburg, Beschluss vom 14.09.2007 – 1 O 190/07 –).
Danach scheidet auch vorläufiger Rechtsschutz gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Anordnung zur Vorlage eines Gutachtens mangels Vorliegens eines Verwaltungsakts aus.

Der Zulässigkeit vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO steht entgegen, dass die Gutachtensanordnung nicht als solche, sondern erst im Rahmen eines Verfahrens über die Entziehung oder Erteilung einer Fahrerlaubnis als Vorfrage überprüft werden kann.
Zwar darf die Fahrerlaubnisbehörde nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV bei ihrer Entscheidung über die Erteilung oder Entziehung einer Fahrerlaubnis auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn sich der Betroffene weigert, sich untersuchen zu lassen oder das von der Fahrerlaubnisbehörde geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt.
Der Schluss auf die Nichteignung ist aber nur dann zulässig, wenn die Anordnung der Untersuchung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 09.06.2005 – 3 C 21.04 – und – 3 C 25.04 –).
Da im Verfahren um die Entziehung der Fahrerlaubnis vorläufiger Rechtsschutz gewährt werden kann, ist auch nicht ersichtlich, dass im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) grundrechtlich gewährleisteten effektiven Rechtschutz ausnahmsweise vorläufiger Rechtsschutzes bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu gewähren wäre.

 

Betreuungserlaubnis für Tagesmutter – Schwerwiegende Verletzung der Aufsichtspflicht rechtfertigt sofortigen Entzug.

Bei einer schwerwiegenden Verletzung der Aufsichtspflicht durch eine Kindertagespflegeperson (hier: Tagesmutter) ist der Entzug der Betreuungserlaubnis (vgl. § 42 Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII)) mit sofortiger Wirkung gerechtfertigt.

Das hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) mit Beschluss vom 27.05.2014 – 4 B 48/14 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte die Tagesmutter die ihr anvertrauten 4 Kinder im Alter von 1 bis 2 Jahren für einen Zeitraum von mindestens einer halben Stunde allein in ihrer Wohnung zurückgelassen, um – ihren eigenen Angaben zufolge – in einer nahegelegenen Physiotherapie-Praxis einen Termin zu vereinbaren.

Die Stadt entzog der Tagesmutter daraufhin mit sofortiger Wirkung die Erlaubnis zur Kindertagespflege.

Den Antrag der Tagesmutter, ihr vorläufigen Rechtsschutz gegen diese Entscheidung zu gewähren, lehnte das Verwaltungsgericht (VG) ab.

Die dagegen gerichtete Beschwerde der Tagesmutter hat das Sächsische OVG zurückgewiesen.

Zur Begründung der Entscheidung führte das Sächsische OVG aus, dass es sich um eine gravierende Verletzung der Aufsichtspflicht gehandelt habe, da es zu einer erheblichen Gefährdung der Kinder gekommen sei. Diese wären nicht in der Lage gewesen, sich in einer Notsituation selbst zu helfen oder zumindest Hilfe herbeizuholen.
Das Verhalten der Tagesmutter vermittle den Eindruck, dass sie ihre Aufgabe, sich während der Betreuungszeit um die Tagespflegekinder zu kümmern, nicht ernst nehme und eigene Belange und Interessen über das Kindeswohl stelle.
Es gehe nicht alleine darum, dass die Tagesmutter die Wohnung verlassen habe, sondern vor allem darum, dass sie dies aus einem geringfügigen Anlass getan habe. Mit dieser Einstellung, die von Gleichgültigkeit und fehlender Sorgfalt geprägt sei, sei sie zur Kindertagespflege nicht geeignet.
Da vor diesem Hintergrund auch zukünftig Gefährdungen der ihr anvertrauten Kinder zu befürchten seien, sei der Entzug der Betreuungserlaubnis mit sofortiger Wirkung gerechtfertigt.
Die Versicherung der Tagesmutter, die Kinder in der Zukunft nicht mehr während der Betreuungszeit alleine zu lassen, sei nicht ausreichend, um für die Zukunft von einer Eignung ausgehen zu können.

Das hat der Pressesprecher des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts mitgeteilt.

 

Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) weist Klage gegen strategische Telekommunikationsüberwachung durch den Bundesnachrichtendienst (BND) im Jahre 2010 als unzulässig ab.

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat mit Urteil vom 28.05.2014 – 6 A 1.13 – die Klage eines Rechtsanwalts abgewiesen, der sich gegen die strategische Telekommunikationsüberwachung im Jahre 2010 durch den Bundesnachrichtendienst gewandt hat.

Nach dem Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz – G 10) ist der BND im Rahmen seiner Aufgaben berechtigt, die Telekommunikation zu überwachen und aufzuzeichnen. Bei der sogenannten strategischen Telekommunikationsüberwachung werden bestimmte internationale Telekommunikationsbeziehungen anhand vorher festgelegter Suchbegriffe durchsucht.
Nach dem Bericht des Parlamentarischen Kontrollgremiums wurden dabei aufgrund der im Jahre 2010 verwendeten Suchbegriffe (3 752 Suchbegriffe im Bereich „Internationaler Terrorismus“, 26 147 Suchbegriffe im Bereich „Proliferation und konventionelle Rüstung“ sowie 634 Suchbegriffe im Bereich „Illegale Schleusung“) 37 Mio. „Treffer“ erzielt, die weiter bearbeitet wurden. Sie betrafen fast ausschließlich den E-Mail-Verkehr. Von den sogenannten Treffern wurden schließlich 213 (davon zwölf E-Mails) als nachrichtendienstlich relevant eingestuft.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war der Kläger ein Rechtsanwalt und Mitglied verschiedener (deutscher und internationaler) Anwaltsorganisationen.
Nach seinen Angaben kommuniziert er seit vielen Jahren per E-Mail häufig mit ausländischen Mandanten, Kollegen und anderen Gesprächspartnern, vielfach in Angelegenheiten, die dem Anwaltsgeheimnis unterliegen. Er müsse damit rechnen, dass auch seine anwaltliche Korrespondenz erfasst und gelesen worden sei.

Der Kläger hält die Vorschriften des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses für verfassungswidrig, soweit sie die strategische Telekommunikationsüberwachung betreffen, weil sie nicht geeignet seien, die Menge insbesondere der erfassten E-Mails wirksam auf das Maß zu begrenzen, das für eine legitime Auslandsaufklärung erforderlich sei. Jedenfalls hätten die im Jahre 2010 verwendeten Suchbegriffe wegen ihrer Weite eine unverhältnismäßige Erfassung des E-Mail-Verkehrs zur Folge gehabt.

Der Kläger hat deshalb beim erstinstanzlich zuständigen BVerwG Klage erhoben und die Feststellung beantragt, dass der BND durch die strategische Telekommunikationsüberwachung im Jahre 2010 insbesondere bezogen auf den E-Mail-Verkehr sein Fernmeldegeheimnis verletzt hat.

Das BVerwG hat die Klage als unzulässig abgewiesen.
Nach der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) muss die Feststellungsklage sich auf einen konkreten, gerade den Kläger betreffenden Sachverhalt beziehen. Mit der Feststellungsklage kann nicht allgemein, also losgelöst von einer eigenen, konkret feststehenden Betroffenheit die Rechtmäßigkeit behördlicher Maßnahmen einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung zugeführt werden. Die erhobene Feststellungsklage wäre deshalb nur zulässig gewesen, wenn der Telekommunikationsverkehr des Klägers, insbesondere sein E-Mail-Verkehr im Jahre 2010 im Zuge der strategischen Telekommunikationsüberwachung durch den BND tatsächlich erfasst worden wäre.
Hingegen genügt es nicht, wenn sich nur die Möglichkeit nicht ausschließen lässt, dass auch von ihm versandte oder an ihn gerichtete E-Mails von der Überwachung erfasst waren. Dass der E-Mail-Verkehr des Klägers im Jahre 2010 von der strategischen Telekommunikationsüberwachung tatsächlich erfasst war, hat das BVerwG nicht feststellen können. Die Wahrscheinlichkeit einer Erfassung des Klägers war zudem begrenzt, weil die strategische Telekommunikationsüberwachung durch den BND fragmentarisch ist.

Aufgrund der einschlägigen Vorschriften des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses, die für sich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind, sind alle 2010 erfassten, aber nachrichtendienstlich irrelevanten E-Mails, gelöscht.
Dasselbe gilt für die Daten über die vorgeschriebene Protokollierung dieser Löschung.
Zwar gerät ein Kläger durch die Heimlichkeit der Überwachung einerseits, die gesetzlichen Löschungsvorschriften andererseits in eine Beweisnot, für den Fall seiner tatsächlichen Betroffenheit diese belegen zu können. Dennoch ist es nicht zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes ausnahmsweise geboten, von dem Erfordernis abzusehen, dass die konkrete Betroffenheit des Klägers selbst als Voraussetzung einer zulässigen Klage feststehen muss. Weil sich die bloße Möglichkeit einer Betroffenheit schwerlich ausschließen lässt, würde damit letztlich eine allgemeine Kontrolle durch die Verwaltungsgerichte eröffnet. Diese Kontrolle wird jedoch nach dem Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses schon durch die unabhängige und mit effektiven Kontrollbefugnissen ausgestattete G-10-Kommission des Bundestages gewährleistet.

Das hat die Pressestelle des Bundesverwaltungsgerichts am 28.05.2014 – Nr. 35/2014 – mitgeteilt.

 

Wenn ein Verurteilter eine Freiheits- oder Jugendstrafe verbüßen muss – Wann und unter welchen Voraussetzungen kommt eine vorzeitige Entlassung zur Bewährung in Betracht?

Bei der Freiheitsstrafe im Erwachsenenrecht unterscheidet das Gesetz zwischen

  • zeitiger und
  • lebenslanger

Freiheitsstrafe (§ 38 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB).

Bei der zeitigen Freiheitsstrafe ist nach § 38 Abs. 2 StGB

  • das Mindestmaß ein Monat und
  • das Höchstmaß fünfzehn Jahre.

Bei einer zeitigen Freiheitsstrafe ist nach § 57 Abs. 1 Satz 1 StGB die Vollstreckung des Restes der zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn

  1. zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
  2. dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
  3. die verurteilte Person einwilligt.

Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht nach § 57 Abs. 2 StGB die Vollstreckung des Restes der zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aussetzen, wenn

  1. die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
  2. die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, dass besondere Umstände vorliegen,

und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.

Zu unterscheiden bei einer verhängten zeitigen Freiheitsstrafe ist somit zwischen

  • der Aussetzung des letzten Drittels einer Freiheitsstrafe nach § 57 Abs. 1 StGB, das ist der Normalfall und
  • dem Ausnahmefall der Aussetzung des Strafrestes schon nach Verbüßung der Hälfte der Strafe nach § 57 Abs. 2 StGB.

Die Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe kann bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 StGB oder des § 57 Abs. 2 StGB immer nur dann erfolgen, wenn dem Verurteilten gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB eine günstige Prognose für eine Legalbewährung in Freiheit gestellt werden kann. Nur dann lässt das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit eine vorzeitig bedingte Haftentlassung des Verurteilten zu.
An die Erwartung künftiger Straffreiheit sind dabei umso strengere Anforderungen zu stellen, je gewichtiger das im Falle eines Rückfalls bedrohte Rechtsgut ist (Bundesgerichtshof (BGH), Beschlüsse vom 25.04.2003 – StB 4/03 –; vom 04.10.2011 – StB 14/11 –).
Die vorzunehmende Abwägung zwischen den zu erwartenden Wirkungen des bereits erlittenen Strafvollzugs und dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit kann allerdings auch bei Kapitaldelikten, schweren Sexualstraftaten oder terroristischen Verbrechen zu dem Ergebnis führen, dass die bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug verantwortbar ist; die Voraussetzungen an eine positive Legalprognose dürfen auch in diesem Bereich nicht so hochgeschraubt werden, dass dem Verurteilten letztlich kaum eine Chance auf vorzeitige Haftentlassung bleibt.
Insbesondere kann auch bei terroristischen Straftätern, die sich im Vollzug ordnungsgemäß führten und von ihrer früheren Gewaltbereitschaft glaubhaft lossagen, eine Aussetzung der Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe zur Bewährung in Betracht kommen. Dazu ist es letztlich auch nicht zwingend erforderlich, dass der Verurteilte, der seine Tat während des gesamten Strafverfahrens und im Strafvollzug bestritten hat, sein strafbares Verhalten nunmehr einräumt (BGH, Beschluss vom 10.04.2014 – 3 StB 4/14 –).

Zweifel bei der Prognosebeurteilung gehen zu Lasten des Verurteilten, so das bei verbleibenden Unsicherheiten über die Frage, ob mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von künftiger Straffreiheit des Verurteilten auszugehen sei, eine bedingte Haftentlassung nicht in Betracht kommt. (Kammergericht (KG) Berlin, Beschluss vom 06.07.2006 – 1 AR 538/06 – 5 Ws 273/06 –).

Als besondere Umstände i. S. v. § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB, die neben einer günstigen Legalprognose vorliegen müssen, wenn der Strafrest schon nach Verbüßung der Hälfte der Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden soll, sind nur solche anzusehen, die im Vergleich mit gewöhnlichen, durchschnittlichen, allgemeinen oder einfachen Milderungsgründen ein besonderes Gewicht aufweisen und eine Strafrestaussetzung trotz des Unrechts- und Schuldgehalts der Tat als nicht unangebracht und den vom Strafrecht geschützten Interessen nicht zuwiderlaufend erscheinen lassen.
Die Umstände müssen die Tat, ihre Auswirkungen bzw. die Entwicklung der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt vergleichbarer Fallgestaltungen so deutlich abheben und in einem so milden Licht erscheinen lassen, dass eine Strafaussetzung ohne Gefährdung der allgemeinen Interessen verantwortet werden kann (OLG Hamm, Beschluss vom 12.07.2012 – 3 Ws 143/12 –).
Anders als bei einer Aussetzung des Strafrestes nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe (§ 57 Abs.1 Satz 1 StGB) fließen in die Bewertung auch Gesichtspunkte der Schuldschwere, der Generalprävention  und der Verteidigung der Rechtsordnung ein(OLG Köln, Beschluss vom 27.03.2012 – 2 Ws 223/12 –).
Bei einer Verurteilung wegen Steuerstraftaten kann das Vorliegen besonderer Umstände durch die Höhe des Steuerschadens und aufgrund von Vorstrafen des Verurteilten gehindert sein – selbst wenn ansonsten zahlreiche ihm günstige Umstände vorliegen (OLG Hamm, Beschluss vom 18.12.2012 – III -1 Ws 661/12 –).

  • Ob das letzte Drittel einer zeitigen Freiheitsstrafe ausgesetzt wird, hat das Gericht von Amts wegen zu prüfen.
  • Zum Verfahren vergleiche § 454 Strafprozessordnung (StPO).
  • Im Fall des § 57 Abs. 2 StGB wird von dem Gericht eine Entscheidung nur getroffen, wenn vom Verurteilten oder der Staatsanwaltschaft ein entsprechender Antrag gestellt wird.

Bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe setzt das Gericht nach § 57a Abs. 1 Satz 1 StGB die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aus, wenn

  1. fünfzehn Jahre der Strafe verbüßt sind,
  2. nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet und
  3. die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 StGB vorliegen.
     
  • Gegen die Entscheidung des Gerichts, ob die Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird, ist sofortige Beschwerde zulässig (§ 454 Abs. 3 Satz 1 StPO).
  • Beschließt das Gericht (§ 454 Abs. 1 Satz 1 StPO), dass der Strafrest nicht zur Bewährung ausgesetzt wird, kann der Verurteilte jederzeit einen neuen Antrag auf Aussetzung des Strafrestes stellen, sofern keine Sperrfrist nach § 57 Abs. 7 StGB festgesetzt wurde.
  • Wird der Strafrest zur Bewährung ausgesetzt, kann die Aussetzung unter den Voraussetzungen des § 56 f Abs. 1 StGB widerrufen werden (§ 57 Abs. 3 Satz 1 HS 1 StGB; zum Verfahren siehe § 453 StPO).

Bei einer Verurteilung nach Jugendrecht zu einer Jugendstrafe beträgt nach § 18 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Jugendgerichtsgesetz (JGG)

  • das Mindestmaß der Jugendstrafe sechs Monate und
  • das Höchstmaß zehn Jahre und für Heranwachsende, wenn es sich bei der Tat um Mord handelt und das Höchstmaß von zehn Jahren wegen der besonderen Schwere der Schuld nicht ausreicht, nach § 105 Abs. 3 JGG fünfzehn Jahre.

Die Vollstreckung des Restes einer Jugendstrafe kann nach § 88 Abs. 1 JGG zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn der Verurteilte

  • einen Teil der Strafe verbüßt hat und
  • dies im Hinblick auf die Entwicklung des Jugendlichen, auch unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit, verantwortet werden kann.

Nach § 88 Abs. 2 JGG darf vor Verbüßung von sechs Monaten die Aussetzung der Vollstreckung des Restes nur aus besonders wichtigen Gründen angeordnet werden.
Sie ist bei einer Jugendstrafe von mehr als einem Jahr nur zulässig, wenn der Verurteilte mindestens ein Drittel der Strafe verbüßt hat.

 

Vom Betreuten angesparte Vermögenswerte zur Absicherung der Kosten für seine Bestattung – Wann stellt der Einsatz dieser Mittel für die Vergütung des Berufsbetreuers eine unzumutbare Härte für den Betreuten dar?

Der Einsatz einer angemessenen finanziellen Vorsorge für den Todesfall für die Vergütung des Berufsbetreuers stellt für den Betreuten nur dann eine Härte i.S.v. § 90 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) dar, wenn die Zweckbindung verbindlich festgelegt ist.

Darauf hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 30.04.2014 – XII ZB 632/13 – hingewiesen.

Vergütungsschuldner des Berufsbetreuers ist

  • bei Mittellosigkeit des Betreuten die Staatskasse (§§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 Satz 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über die Vergütung von Vormündern und Betreuern (VBVG)) und
  • bei vorhandenem verwertbaren Vermögen der Betreute (§§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Satz 1 VBVG).

Als mittellos gilt ein Betreuter, der die Vergütung aus seinem einzusetzenden Einkommen oder Vermögen nicht oder nur zum Teil oder nur in Raten oder nur im Wege gerichtlicher Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen aufbringen kann (§§ 1908 i Abs. 1, 1836 d BGB).

Das einzusetzende Vermögen bestimmt sich gemäß § 1836 c Nr. 2 BGB nach § 90 SGB XII.
Danach ist das gesamte verwertbare Vermögen (§ 90 Abs. 1 SGB XII) mit Ausnahme des in § 90 Abs. 2 SGB XII im Einzelnen aufgeführten Schonvermögens einzusetzen, soweit dies keine Härte bedeutet (§ 90 Abs. 3 SGB XII).

Bei einer von dem Betreuten abgeschlossenen kapitalbildenden Lebensversicherung auf den Todesfall bzw. deren Rückkaufswert handelt es sich grundsätzlich um verwertbares Vermögen im Sinne des § 90 Abs. 1 SGB XII (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 13.05.2004 – 5 C 3/03 – sowie BGH, Beschluss vom 09.06.2010 – XII ZB 120/08 – zur Prozesskostenhilfe).
Da eine Lebensversicherung nicht zu den geschützten Vermögenswerten zählt, die in § 90 Abs. 2 SGB XII abschließend genannt sind, scheidet eine Berücksichtigung der Lebensversicherung bzw. deren Rückkaufswert bei der Ermittlung des einzusetzenden Vermögens nur aus, soweit die Verwertung der Lebensversicherung für die Betroffene eine Härte bedeuten würde (§ 90 Abs. 3 SGB XII).
Mit dieser Vorschrift können atypische Fallkonstellationen im Einzelfall aufgefangen werden, die nicht von den in § 90 Abs. 2 SGB XII genannten Fallgruppen erfasst sind, die aber den in dieser Vorschrift zum Ausdruck kommenden Leitvorstellungen des Gesetzes für die Verschonung von Vermögen vergleichbar sind.
Vermögenswerte, die zur Absicherung der Kosten einer angemessenen Bestattung und Grabpflege angespart wurden, werden durch die Härteregelung des § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII geschützt (BVerwG, Urteil vom 11.12.2003 – 5 C 84/02 –; Oberlandesgericht (OLG) München, Beschluss vom 04.04.2007 – 33 Wx 228/06 –).
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit der Erwägung, dass der Wunsch vieler Menschen, für die Zeit nach ihrem Tod vorzusorgen, dahin zu respektieren sei, dass ihnen die Mittel erhalten bleiben müssten, die sie für eine angemessene Bestattung und Grabpflege zurückgelegt haben, erbrachte Leistungen auf einen Grabpflegevertrag als zu verschonendes Vermögen nach § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII behandelt.
Dieser Auffassung tritt der XII. Zivilsenat des BGH für die Frage, welche Vermögenswerte ein Betreuter nach §§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1836 c Nr. 2 BGB für die Betreuervergütung einzusetzen hat, im Grundsatz bei.
Das verfassungsrechtlich in Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst das Recht, über die eigene Bestattung zu bestimmen. Dazu gehört auch die Dispositionsfreiheit, bereits zu Lebzeiten in angemessenem Umfang für die Durchführung und Bezahlung der eigenen Bestattung Sorge zu tragen. Dieses durch Art. 2 Abs. 1 GG garantierte Recht ist nur dann ausreichend gewährleistet, wenn ein Betreuter die für eine angemessene finanzielle Vorsorge für den Todesfall bestimmten Mittel nicht für die Vergütung des Betreuers einsetzen muss.
Allerdings ist diese Privilegierung nur dann gerechtfertigt, wenn sichergestellt ist, dass der angesparte Vermögenswert tatsächlich für die Bestattungskosten oder die Grabpflege verwendet wird.
Die Privilegierung der finanziellen Vorsorge für die Bestattung und Grabpflege gegenüber dem sonstigen Vermögen des Betreuten beruht zwar zum einen auf deren besonderer Zweckbestimmung, die Ausfluss der Menschenwürde und des allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG ist.
Bei der Prüfung der Härtefallregelung nach § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII ist jedoch auch von Bedeutung, dass der Betreute seinen Wunsch, für eine angemessene Bestattung vorzusorgen, dadurch verwirklicht, dass er bereits zu Lebzeiten eine entsprechende Vermögensdisposition trifft und ihm dieser Vermögenswert somit nicht mehr zur freien Verfügung steht.

  • Nur wenn der Betreute die für die Bestattung vorgesehenen Mittel aus seinem übrigen Vermögen ausgeschieden und mit einer entsprechenden Zweckbindung verbindlich festgelegt hat, stellt der Einsatz dieser Mittel für die Betreuervergütung für ihn eine unzumutbare Härte i.S.v. § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII dar (OLG Frankfurt, Beschluss vom 15.02.2001 – 20 W 23/00 –).
    Dies ist etwa der Fall, wenn der Betreute ein angespartes Guthaben an ein Bestattungsunternehmen abgetreten hat, bei einem mit Sperrvermerk versehenen Sparkonto angelegten Guthaben (Landgericht (LG) Stade, Beschluss vom 12.03.2003 – 9 T 13/02 –), einer Sterbegeldversicherung (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 10.08.2005 – 3 W 79/05 –), einem sogenannten Bestattungsvorsorgevertrag (vgl. OLG München, Beschluss vom 04.04.2007 – 33 Wx 228/06 –) oder einem Grabpflegevertrag (BVerwG, Urteil vom 11.12.2003 – 5 C 84/02 –).
     
  • Die bloße Absicht des Betreuten, ein angespartes Guthaben im Falle des Todes für die Bestattungskosten zu verwenden, ohne einen entsprechenden Teil seines Vermögens mit einer entsprechenden Zweckbindung aus dem übrigen Vermögen auszugliedern, genügt dagegen nicht.

Ist nicht sichergestellt, dass ein angespartes Guthaben oder eine von dem Betreuten angesparte kapitalbildende Lebensversicherung auch tatsächlich für die Bestattungskosten eingesetzt wird, stellt es auch keine Härte i.S.v. § 90 Abs. 3 SGB XII dar, wenn dieser Vermögenswert im Rahmen der Prüfung der Mittellosigkeit der Betroffenen berücksichtigt wird. 

 

In Leasingverträgen gegenüber Verbrauchern verwendete Restwertgarantieklauseln sind wirksam.

In Leasingverträgen gegenüber Verbrauchern verwendete Formularklauseln über die Restwertgarantie sind wirksam und Leasingnehmer deshalb zum Restwertausgleich sowie zur Entrichtung von Umsatzsteuer auf den Differenzbetrag zwischen dem kalkulierten Restwert und dem erzielten Verwertungserlös verpflichtet.

Das hat der unter anderem für das Leasingrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in zwei Fällen mit Urteilen jeweils vom 28.05.2014 – VIII ZR 179/13 – und – VIII ZR 241/13 – entschieden.

In dem dem Verfahren VIII ZR 179/13 zugrunde liegenden Fall hatte das klagende Leasingunternehmen mit der Beklagten einen „Privat-Leasing-Vertrag“ über einen Pkw geschlossen.
In der dem Vertrag zugrunde liegenden „PrivatLeasing-Bestellung“ der Beklagten findet sich in der Mitte des von der Klägerin verwendeten Formulars unter der Überschrift „Vereinbarungen (Vertragsabrechnung, Individualabrede)“ folgende Regelung:

„Nach Zahlung sämtlicher Leasingraten und einer eventuellen Sonderzahlung verbleibt zum Vertragsende ein Betrag von EUR 19.455,48 (einschl. USt), der durch die Fahrzeugverwertung zu tilgen ist (Restwert). Reicht dazu der vom Leasing-Geber beim Kfz-Handel tatsächlich erzielte Gebrauchtwagenerlös nicht aus, garantiert der Leasingnehmer dem Leasing-Geber den Ausgleich des Differenzbetrages (einschl. USt.). […] Die Kalkulation erfolgt auf Basis einer jährlichen Fahrleistung vom 15.000 km. Die Gebrauchtwagenabrechnung erfolgt unabhängig von den gefahrenen Kilometern.“

Nach Ablauf der Leasingzeit gab die Beklagte das Fahrzeug an die Klägerin zurück, die es zum Preis von 12.047,89 € brutto verwertete.
Den Restbetrag von 7.305,48 € brutto (6.139,06 € zzgl. 1.166,42 € USt) beanspruchte die Klägerin aus der genannten Restwertgarantie.

Die auf Zahlung dieses Restbetrages gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen nur hinsichtlich des darin enthaltenen Nettobetrages vom 6.139,06 € Erfolg.

Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin hatte Erfolg.

Dem Verfahren VIII ZR 241/13 lag ebenfalls ein zwischen der klagenden Leasinggesellschaft und der dortigen Beklagten unter Verwendung des gleichen Vertragsformulars „PrivatLeasing-Bestellung“ abgeschlossener Leasingvertrag über einen Pkw zu Grunde.
Der am Vertragsende zu tilgende Betrag (Restwertgarantie) war hier mit 44.694,71 einschließlich der Mehrwertsteuer beziffert.

Nach Ablauf der Vertragslaufzeit verwertete die Klägerin das Fahrzeug hier für 26.210 € zuzüglich Umsatzsteuer.
Den Restbetrag vom 14.660,72 € (12.319,93 € nebst Umsatzsteuer) beanspruchte die Klägerin aus der Restwertgarantie.

Die auf Zahlung dieses Betrages gerichtete Klage hatte in der ersten Instanz mit Ausnahme der Umsatzsteuer Erfolg.

Auf die Berufung der Klägerin verurteilte das Berufungsgericht die Beklagte auch zur Zahlung der Umsatzsteuer; die Berufung der Beklagten wies es zurück.

Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision hatte keinen Erfolg.

Nach der Entscheidung des VIII. Zivilsenats des BGH sind die Formularklauseln über die Restwertgarantie wirksam und die beklagten Leasingnehmerinnen deshalb zum Restwertausgleich sowie zur Entrichtung von Umsatzsteuer auf den Differenzbetrag zwischen dem kalkulierten Restwert und dem erzielten Verwertungserlös verpflichtet.

Eine Verpflichtung des Leasingnehmers zum sogenannten Restwertausgleich ist wegen des – einem Finanzierungsleasingvertrag tragend zugrunde liegenden – Vollamortisationsprinzips (Ersatz aller Aufwendungen des Leasinggebers einschließlich eines kalkulierten Gewinns) auch in der hier vereinbarten Form einer Restwertgarantie leasingtypisch und als solche rechtlich unbedenklich.

Auch ein juristisch nicht vorgebildeter Durchschnittskunde kann nach dem Text der Klausel nicht davon ausgehen, dass der Aufwand der Klägerin, den sie sich vom Leasingnehmer vergüten lässt, durch die Zahlung der Leasingraten abgegolten ist und er darüber hinaus keine Leistungen erbringen muss. Bereits im Eingangssatz der Klausel wird vielmehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass der Klägerin neben der Zahlung der Leasingraten und einer etwaigen Sonderzahlung auch noch der bezifferte Restwert zusteht, der möglichst – wenn auch nicht notwendigerweise und auch nicht regelmäßig – durch die Fahrzeugverwertung gedeckt werden solle, im Übrigen aber vom Leasingkunden zu zahlen ist.

Aus dem zweiten Satz der Klausel ergibt sich, dass eine vollständige Abdeckung des kalkulierten Restwerts durch die vorgesehene Fahrzeugverwertung ungewiss ist. Mit der weiteren Formulierung, dass der Leasingnehmer den Ausgleich des Differenzbetrages „garantiert“, wenn der Erlös aus der Fahrzeugverwertung den als Restwert genannten Betrag nicht erreicht, wird dem Leasingnehmer die eingegangene Verpflichtung unmissverständlich vor Augen geführt.

Der Leasingkunde kann deshalb gerade nicht davon ausgehen, dass es sich bei dem als Restwert genannten Betrag um den Fahrzeugerlös handelt, der nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge am Ende der Leasingzeit zu erwarten ist. Die Klausel ist in den hier vorliegenden Fällen weder überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) noch ist sie gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebots unwirksam.

Weil es sich bei der Restwert-Ausgleichszahlung um einen Teil des Entgelts für die Gebrauchsüberlassung des Fahrzeugs und damit der Hauptleistungspflicht handelt, findet eine Inhaltskontrolle der Klausel (§ 307 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, §§ 308, 309 BGB) im Übrigen nicht statt. Als Teil des Entgelts für die Gebrauchsüberlassung unterliegt die Ausgleichszahlung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Satz 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) der Umsatzsteuerpflicht.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 28.05.2014 – Nr. 86/2014 – mitgeteilt.

 

Wie wird die Tagessatzhöhe bei Empfängern von Leistungen nach dem SGB II bestimmt?

Nach § 40 Abs. 2 Sätze 1 und 2 Strafgesetzbuch (StGB) bestimmt das Gericht die Höhe eines Tagessatzes unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters, wobei es in der Regel von dem Nettoeinkommen ausgeht, das der Täter durchschnittlich an einem Tag hat oder haben könnte.
Zur Ermittlung des Nettoeinkommens i. S. dieser Vorschrift sind bei Leistungsempfängern nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) neben dem Regelbedarf (§ 20 SGB II in Verbindung mit den Bekanntmachungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales über die Höhe der Regelbedarfe) auch Leistungen gemäß § 22 SGB II (Bedarfe für Unterkunft und Heizung) einzubeziehen.
Dass bei der Ermittlung des Nettoeinkommens weitere Sachbezüge zu berücksichtigen sind ist anerkannt (Oberlandesgericht (OLG) Köln, Beschluss vom 10.06.2001 – III 1 RVs 96/11 –).
Zu diesen Sachbezügen gehören solche nach § 22 SGB II (Unterkunft und Heizung), die ein Angeklagter erhält.
Als unerlässliches Existenzminimum muss einem Leistungsempfänger monatlich 70 % des Regelbedarfs verbleiben. Dies ist bei der Bemessung der Geldstrafe zu beachten und ggf. durch eine Ratenzahlungsanordnung gemäß § 42 StGB zu gewährleisten.
Im Einzelfall kann es bei besonders einkommensschwachen Personen auch geboten sein, nicht nur Zahlungserleichterungen anzuordnen, sondern die Tagessatzhöhe zu senken (OLG Hamm, Beschluss vom 02.02.2012 – III 3 RVs 4/12 –).

Das hat der 1. Strafsenat des OLG Braunschweig mit Beschluss vom 19.05.2014 – 1 Ss 18/14 – entschieden.

Ob es regelmäßig geboten ist, bei einem Sozialleistungsempfänger, der über keine anderen Mittel verfügt und auch nicht seine Arbeitskraft verwerten könnte, die Tagessatzhöhe durch das drei- bis vierfache des Differenzbetrages zwischen den erhaltenen Sozialleistungen einschließlich Sachbezügen und dem unerlässlichen Lebensunterhalt pro Tag zu begrenzen (so OLG Frankfurt, Beschluss vom 26.02.2010 – 1 Ss 425/08 –; OLG Frankfurt, Beschluss vom 19.09.2006 – 1 Ss 167/06 –; OLG Stuttgart, Beschluss vom 05.03.1993 – 2 Ss 60/93 –), musste der 1. Strafsenat des OLG Braunschweig nicht entscheiden.
Allerdings hat der 1. Strafsenat des OLG Braunschweig darauf hingewiesen, dass er dazu tendiert, der zitierten Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Stuttgart und Frankfurt nicht zu folgen, weil diese im Gesetz keine Stütze findet.
Die in rechtlicher Hinsicht gebotene Begrenzung dürfte stattdessen ebenfalls dem SGB II zu entnehmen sein, wonach eine Aufrechnung gegen den Anspruch auf den Regelbedarf aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nur 3 Jahre lang möglich ist (§ 43 Abs. 4 S. 2 SGB II), um den Sozialleistungsempfänger nicht dauerhaft vom soziokulturellen Existenzminimum auszuschließen.
Eine Geldstrafe wird deshalb bei Leistungsempfängern nach dem SGB II regelmäßig unverhältnismäßig sein, wenn der Angeklagte sie nicht innerhalb von 3 Jahren begleichen kann, ohne auf den unerlässlichen Lebensbedarf zugreifen zu müssen.

 

„Unerheblich“ im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ist ein Mangel in der Regel (nur), wenn der Mängelbeseitigungsaufwand einen Betrag von fünf Prozent des Kaufpreises nicht überschreitet.

Bei einem behebbaren Sachmangel ist die Erheblichkeitsschwelle des § 323 Abs. 5 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) im Rahmen der auf der Grundlage der Einzelfallumstände vorzunehmenden Interessenabwägung in der Regel bereits dann erreicht, wenn der Mängelbeseitigungsaufwand einen Betrag von fünf Prozent des Kaufpreises überschreitet.
Von einem geringfügigen Mangel der den Rücktritt ausschließt kann demzufolge in der Regel nur gesprochen werden, wenn der Mängelbeseitigungsaufwand die vorgenannte flexible Schwelle von fünf Prozent des Kaufpreises nicht übersteigt.

Das hat der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 28.05.2014 – VIII ZR 94/13 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall begehrte der Kläger von dem beklagten Autohaus die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen zum Preis von 29.953 € erworbenen Neuwagen.
Nach der Übergabe des Fahrzeugs hatte er verschiedene Mängel geltend gemacht, unter anderem Fehlfunktionen des akustischen Signals und das völlige Fehlen des optischen Signals der Einparkhilfe. Wegen der Mängel suchte er wiederholt das Autohaus der Beklagten und eine andere Vertragswerkstatt auf und setzte schließlich – erfolglos – in Bezug auf einige Mängel, darunter die Mängel an der Einparkhilfe, eine letzte Frist zur Mängelbeseitigung.
Die Beklagte teilte dem Kläger hierauf schriftlich mit, die Einparkhilfe funktioniere nach einem vorangegangenen Nachbesserungsversuch einwandfrei und entspreche dem Stand der Technik.
Der Kläger erklärte daraufhin den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Mit seiner Klage begehrte er die Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung, insgesamt 27.257,23 €.

Das Landgericht (LG) wies die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens ab.

Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.
Das Berufungsgericht stellte unter Zugrundelegung des Sachverständigengutachtens fest, das Fahrzeug sei insoweit mangelhaft, als die Sensoren der Einparkhilfe in falscher Höhe und mit falschem Abstand zueinander eingebaut seien, was dazu führe, dass die Einparkhilfe immer wieder Warnsignale ohne erkennbares Hindernis abgebe. Der Mangelbeseitigungsaufwand betrage gemäß dem Gutachten des Sachverständigen 1.958,85 €. Der Rücktritt sei jedoch gemäß §§ 440, 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausgeschlossen, da die Mangelbeseitigungskosten zehn Prozent des Kaufpreises nicht überstiegen und die in der Mangelhaftigkeit der Kaufsache liegende Pflichtverletzung deshalb unerheblich, der Mangel also geringfügig sei.

Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision hatte Erfolg und führte zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

Nach der Entscheidung des VIII. Zivilsenats des BGH ist bei einem behebbaren Sachmangel die Erheblichkeitsschwelle des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB im Rahmen der auf der Grundlage der Einzelfallumstände vorzunehmenden Interessenabwägung in der Regel bereits dann erreicht, wenn der Mängelbeseitigungsaufwand einen Betrag von fünf Prozent des Kaufpreises überschreitet.
Von einem geringfügigen Mangel, der zwar den Rücktritt, nicht aber die übrigen Gewährleistungsrechte ausschließt, kann hingegen in der Regel noch gesprochen werden, wenn der Mängelbeseitigungsaufwand die vorgenannte flexible Schwelle von fünf Prozent des Kaufpreises nicht übersteigt.
Eine generelle Erhöhung der Erheblichkeitsschwelle über diesen Prozentsatz hinaus ist mit dem durch den Gesetzeswortlaut und durch die Gesetzesmaterialien klar zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers, dem Sinn und Zweck des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB sowie der Systematik der Rechte des Käufers bei Sachmängeln nicht zu vereinbaren. Die Erheblichkeitsschwelle von (nur) fünf Prozent des Kaufpreises steht im Einklang mit den Vorgaben der EU-Verbrauchsgüterkaufrichtlinie.

Da im vorliegenden Fall bereits für die Beseitigung der vom Berufungsgericht festgestellten Fehlfunktion der Einparkhilfe ein die oben genannte Erheblichkeitsschwelle übersteigender Aufwand in Höhe von 6,5 Prozent des Kaufpreises erforderlich ist und das Berufungsgericht keine besonderen Umstände festgestellt hat, die es rechtfertigten, den Mangel gleichwohl ausnahmsweise als unerheblich anzusehen, ist der vom Kläger erklärte Rücktritt vom Kaufvertrag nicht gemäß § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausgeschlossen.
Das Berufungsurteil war daher aufzuheben und der Rechtsstreit zur Feststellung der Höhe der vom Käufer aufgrund des Rücktritts geschuldeten Nutzungsentschädigung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 28.05.2014 – Nr. 87/2014 – mitgeteilt.

 

Leasingfahrzeug gestohlen – Leasingnehmer muss zahlen, wenn er seinen Informationspflichten gegenüber der Leasinggeberin nicht nachkommt und die Kaskoversicherung deshalb nicht zahlt.

Ein Leasingnehmer hat der Leasingfirma nach einem angezeigten Diebstahl des Leasingfahrzeugs Schadensersatz zu leisten, wenn er es versäumt, die Leasingfirma umfassend über den Diebstahl zu unterrichten und die Leasingfirma deswegen keine Schadensregulierung der Kaskoversicherung erreichen kann.

Das hat der 18. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 10.03.2014 – 18 U 84/13 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte der Beklagte im Jahre 2006 bei der klagenden Leasingfirma einen Pkw geleast. Vereinbarungsgemäß schloss die Klägerin im Namen des Beklagten eine Kaskoversicherung für das Fahrzeug ab, d. h. der beklagte Leasingnehmer wurde Versicherungsnehmer und hatte die Beiträge zu zahlen.
Bei dieser vom Leasingnehmer abgeschlossenen Kaskoversicherung handelte es sich um eine so genannte Fremdversicherung i. S. der §§ 43 ff. Versicherungsvertragsgesetz (VVG vormals: §§ 74 ff. VVG a. F.) zugunsten des Leasinggebers, dessen Risiko als Eigentümer durch die Versicherung abgedeckt werden soll. Dabei hat der Leasinggeber als Versicherter eigene Leistungsansprüche gegen den Versicherer, ohne dass es einer Abtretung von Ansprüchen des Versicherungsnehmers bedarf (§ 44 Abs. 1 VVG n. F. bzw. § 75 VVG a. F.).

Am Ende der Leasingzeit gab der Beklagte das Fahrzeug nicht zurück, weil es – so seine Begründung – wenige Tage nach Zeitablauf im April 2010 gestohlen worden sei.

Nachdem die Kaskoversicherung eine Regulierung abgelehnt hatte, weil sie nach den Angaben des Beklagten an einem tatsächlich begangen Diebstahl zweifelte, hat die Klägerin vom Beklagten zur Schadensregulierung die Zahlung von ca. 13.000 Euro verlangt.

Nach der Entscheidung des 18. Zivilsenats des OLG Hamm zu Recht.

Der Beklagte schulde nach dem Verlust des Leasingfahrzeugs den mit der Klage geltend gemachten Betrag aus dem Leasingvertrag. Den vereinbarten Leasingbedingungen zufolge trage der Beklagte das Risiko eines Fahrzeugdiebstahls. Das verpflichte ihn gegenüber der Klägerin zum Ersatz des Diebstahlschadens.
Die Klägerin habe in den Bedingungen des Leasingvertrages die Sachgefahr wirksam auf den Beklagten übertragen. Solche Klauseln in Leasingverträgen seinen zulässig, wenn dem Leasingnehmer zugleich ein Kündigungsrecht eingeräumt wird, was im vorliegenden Fall erfolgt sei.
Dadurch, dass der Beklagte durch die Versicherung des Leasingfahrzeugs Ansprüche gegen den Kaskoversicherer verschafft habe, sei er noch nicht von seiner Verpflichtung zum Schadensersatz frei geworden. Denn wenn der Schuldner dem Gläubiger statt der an sich geschuldeten Leistung lediglich eine weitere Forderung gegen einen Dritten verschafft, liegt darin in entsprechender Anwendung der Auslegungsregel des § 364 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) grundsätzlich keine Leistung an Erfüllungs statt. Der Leasinggeber werde regelmäßig auch keine Veranlassung haben das Risiko einer erfolgreichen Verwertung des Deckungsanspruchs gegen den Versicherer zu übernehmen. Die Versicherung des Fahrzeugs durch den Leasingnehmer diene vielmehr der Sicherung der Ansprüche des Leasinggebers wegen Beschädigung oder Verlusts des Fahrzeugs und könne je nach der vertraglichen Ausgestaltung im Einzelfall eine Leistung erfüllungshalber des Leasingnehmers in Bezug auf etwaige Schadensersatzansprüche des Leasinggebers darstellen mit der Folge, dass der Leasinggeber im Schadensfall primär Befriedigung aus den Ansprüchen gegen den Versicherer suchen muss.
In den Fällen einer Leistung erfüllungshalber ergibt sich aus der Abrede der Parteien in der Regel für den Gläubiger die Verpflichtung, aus dem erfüllungshalber angenommenen Gegenstand mit verkehrsüblicher Sorgfalt Befriedigung zu suchen. Zwischen den Parteien besteht ein Rechtsverhältnis eigener Art, das einem Auftragsverhältnis ähnelt. Der Gläubiger muss sich bei der Leistung erfüllungshalber um eine rasche und bestmögliche Verwertung bemühen. Auf die ursprüngliche Forderung darf er regelmäßig erst zurückgreifen, wenn die Befriedigung fehlgeschlagen ist.
Jedoch besteht keine Verpflichtung des Gläubigers, bei ungesicherter Erfolgsaussicht Klage zu erheben, insbesondere schon dann nicht, wenn der Drittschuldner ernsthafte Einwendungen gegen die Forderung erhebt.
Deshalb könne der Beklagte dem Schadensersatzverlangen der Klägerin hier nicht entgegenhalten, die Klägerin müsse sich weiterhin vorrangig um eine Schadensregulierung durch die Kaskoversicherung bemühen.
Nachdem die Kaskoversicherung ihre Einstandspflicht abgelehnt und den Beklagten als Versicherungsnehmer auf den Rechtsweg verwiesen habe, sei die Klägerin im vorliegenden Fall nicht mehr gehalten, außergerichtlich oder auch gerichtlich – im Wege einer Deckungsklage – gegen die Kaskoversicherung vorzugehen.
Der Beklagte habe es nämlich versäumt, die Klägerin über alle für den Fahrzeugverlust bedeutsamen Umstände zu unterrichten. Eine derartige Informationspflicht des Beklagten folge als vertragliche Nebenpflicht aus dem Leasingvertrag. Sie bestehe insbesondere dann, wenn der Kunde erwarte, dass in erster Linie die Leasingfirma und nicht er selbst die Kaskoversicherung in Anspruch nehme.
Aufgrund fehlender Angaben des Beklagten müsse die Klägerin gegenüber der Kaskoversicherung weder außergerichtlich weiter vorgehen noch die Versicherung gerichtlich in Anspruch nehmen. So sei insbesondere zweifelhaft, ob die Versicherung erfolgreich verklagt werden könne, weil die bisherige Darstellung des Beklagten voraussichtlich nicht ausreiche, um einen Diebstahl in einem Deckungsprozess zu belegen. Seine Angaben zum Abhandenkommen des Fahrzeugs beschränkten sich im Wesentlichen auf die Behauptung, er sei an dem in Frage stehenden Tag nach Berlin gefahren, um bei einer Botschaft ein Visum zu beantragen, und habe das Fahrzeug später an der Stelle, an der es zuvor abgestellt worden sei, nicht wiedergefunden. Überprüfbare Indizien für die Richtigkeit seiner Behauptungen fehlten. Auch habe er nicht erklärt, warum einer der beiden von ihm der Kaskoversicherung als Originalfahrzeugschlüssel übersandten Schlüssel nicht zum Fahrzeug passe, was die Versicherung nach einer Überprüfung durch den Hersteller festgestellt habe.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm am 27.05.2014 mitgeteilt.

 

Die Bundespolizei ist nur unter engen Voraussetzungen zum Einschreiten auf Bahnhofsvorplätzen befugt.

Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) mit Urteil vom 28.05.2014 – 6 C 4.13 – entschieden.

Gegenstand des Rechtsstreits in dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall war die Rechtmäßigkeit eines Polizeieinsatzes auf dem Bahnhofsvorplatz in Trier.
Eine Streife der Bundespolizei hatte dort im Jahr 2011 als Bahnpolizei den Ausweis des Klägers kontrolliert und die Daten per Funk mit einer polizeilichen Datenbank abgeglichen.

Das vom Kläger angerufene Verwaltungsgericht (VG) hat die Rechtswidrigkeit der polizeilichen Maßnahmen festgestellt, u.a. weil die Bundespolizei (Bahnpolizei) für polizeiliche Maßnahmen auf dem Bahnhofsvorplatz nicht zuständig sei.

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat diese Frage gegenteilig beurteilt und auf die Berufung der Bundespolizeidirektion die Klage abgewiesen.

Auf die Revision des Klägers hat das BVerwG unter Änderung des Berufungsurteils die Berufung der Bundespolizeidirektion zurückgewiesen und somit der Klage (wieder) zum Erfolg verholfen.

Danach war das Vorgehen der Bundespolizei rechtswidrig, weil sie für die unternommenen Maßnahmen sachlich nicht zuständig war.
Die Bundespolizei hat die Aufgabe, auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. Maßgeblich für die Bestimmung des Begriffs „Bahnanlage“ ist die Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO). Als „Anlagen einer Eisenbahn, die das Be- und Entladen sowie den Zu- und Abgang ermöglichen oder fördern“ (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EBO) sind danach nur solche Flächen im Vorfeld eines Bahnhofs einzustufen, bei denen objektive, äußerlich klar erkennbare, d.h. räumlich präzise fixierbare, Anhaltspunkte ihre überwiegende Zuordnung zum Bahnverkehr im Unterschied zum Allgemeinverkehr belegen.
Hiervon ausgehend handelten im vorliegenden Fall die Bahnpolizisten außerhalb ihrer Zuständigkeit. Der Einsatzort befand sich nämlich vor dem Bahnhofsgebäude in Trier neben der Treppe auf dem Bahnhofsvorplatz.

Das hat die Pressestelle des Bundesverwaltungsgerichts am 28.05.2014 – Nr. 34/2014 – mitgeteilt.