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Wenn von dem Betroffenen die Aufhebung der Betreuung beantragt wird

Ein Antrag auf Aufhebung der Betreuung kann nur abgelehnt werden, wenn im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sämtliche Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers noch vorliegen.
Deshalb erfordert die Ablehnung eines solchen Antrags die Feststellung, dass dem Betroffenen die Fähigkeit fehlt, einen freien Willen i.S.v. § 1896 Abs. 1 a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu bilden.

Darauf hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschlüssen vom 16.09.2015 – XII ZB 500/14 – und vom 07.10.2015 – XII ZB 58/15 – hingewiesen.

Wie der Senat ausgeführt hat, ist die Betreuung nach § 1908 d Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen wegfallen.
Daher kann ein Antrag auf Aufhebung der Betreuung nur abgelehnt werden, wenn

  • im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung
  • sämtliche Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers noch vorliegen.

 

Der Wegfall nur einer dieser Voraussetzungen reicht für die Aufhebung der Betreuung aus.

Da nach § 1896 Abs. 1 a BGB gegen den freien Willen des Volljährigen ein Betreuer nicht bestellt werden darf, ist bei der Ablehnung eines Antrags auf Aufhebung einer Betreuung erforderlich, festzustellen, dass der Betroffene nicht in der Lage ist, seinen Willen in den bestimmten Aufgabenkreisen frei zu bestimmen.
Das Gericht hat daher festzustellen, ob der Betroffene trotz seiner Erkrankung noch zu einer freien Willensbestimmung fähig ist (vgl. BGH, Beschluss vom 09.02.2011 – XII ZB 526/10 –).
Dabei müssen die Feststellungen zum Ausschluss der freien Willensbestimmung durch ein noch aktuelles Sachverständigengutachten belegt sein (vgl. BGH, Beschluss vom 22.01.2014 – XII ZB 632/12 –).
Die Begriffe der freien Willensbestimmung in § 1896 Abs. 1 a BGB und in § 104 Nr. 2 BGB sind, wie der Senat bereits entschieden hat (BGH, Beschlüsse vom 09.02.2011 – XII ZB 526/10 – und vom 26.02.2014 – XII ZB 577/13 –), im Kern deckungsgleich. Die beiden entscheidenden Kriterien sind dabei

  • die Einsichtsfähigkeit des Betroffenen und
  • dessen Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln.

 

Einsichtsfähigkeit setzt die Fähigkeit des Betroffenen voraus, im Grundsatz die für und wider eine Betreuerbestellung sprechenden Gesichtspunkte

  • zu erkennen und
  • gegeneinander abzuwägen.

 

Dabei dürfen jedoch keine überspannten Anforderungen an die Auffassungsgabe des Betroffenen gestellt werden.
Auch der an einem Gebrechen im Sinne des § 1896 Abs. 1 BGB leidende Betroffene kann in der Lage sein, einen freien Willen zu bilden und ihn zu äußern.
Erforderlich ist sein Verständnis, dass ein gesetzlicher Vertreter (§ 1902 BGB) bestellt wird, der eigenständige Entscheidungen in den ihm übertragenen Aufgabenbereichen treffen kann. Der Betroffene muss Grund, Bedeutung und Tragweite einer Betreuung intellektuell erfassen können (BGH, Beschluss vom 26.02.2014 – XII ZB 577/13 –).
Die Einsichtsfähigkeit in den Grund der Betreuung setzt dabei denknotwendig voraus, dass der Betroffene seine Defizite wenigstens im Wesentlichen zutreffend einschätzen kann. Nur dann ist es ihm nämlich möglich, die für und gegen eine Betreuung sprechenden Umstände gegeneinander abzuwägen (BGH, Beschluss vom 09.02.2011 – XII ZB 526/10 –).

Ist der Betroffene zur Bildung eines klaren Urteils zur Problematik der Betreuerbestellung in der Lage, muss ihm weiter möglich sein,

 

Beruht die Entscheidung des Betroffenen gegen die Bestellung eines Betreuers schließlich auf einer nach den vorgenannten Maßstäben freien Willensbildung,

 

Für das Aufhebungsverfahren gelten die §§ 278 Abs. 1, 280 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG), die die persönliche Anhörung des Betroffenen und die Einholung eines Sachverständigengutachtens vorschreiben, nicht.
Die Durchführung eines Verfahrens auf Aufhebung einer Betreuung wird daher maßgebend von den Grundsätzen der Amtsermittlung (§ 26 FamFG) bestimmt. Nur nach den Maßstäben dieser Vorschrift bestimmt sich, ob im Einzelfall ein Sachverständigengutachten einzuholen ist (BGH, Beschluss vom 02.02.2011 – XII ZB 467/10 –). 

 

Wenn eingesetzte Mitarbeiter eines Pflegedienstes nicht über die vertraglich vereinbarte Qualifikation verfügen

Der Betreiber eines Pflegedienstes, der mit einem Kunden einen Vertrag über ambulante pflegerische Leistungen geschlossen hat,

  • in dem die sozialrechtlichen Abrechnungsgrundsätze durch Bezugnahme zur Grundlage der privatrechtlichen Leistungsbeziehung der Parteien gemacht worden sind, also die Abrechenbarkeit der erbrachten Pflegeleistungen nach den Grundsätzen des Sozialrechts zu beurteilen ist,

 

hat gegen den Kunden keinen Vergütungsanspruch nach § 611 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB),

  • soweit die eingesetzten Pflegekräfte nicht über die in dem Pflegevertrag vorausgesetzte Qualifikation verfügen.

 

Das hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 08.10.2015 – III ZR 93/15 – in einem Fall entschieden, in dem der Betreiber eines ambulanten Pflegedienstes auf seiner Homepage mit der Aussage geworben hatte, dass bei ihm ausschließlich festangestellte examinierte Kinderkrankenpflegefachkräfte arbeiten.

Ob die Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht worden sind ist dabei unerheblich.
Wie der Senat ausgeführt hat, führt in der gesetzlichen Krankenversicherung das Unterschreiten der nach dem Pflegevertrag vereinbarten Qualifikation nach den insoweit maßgeblichen Grundsätzen des Sozialrechts nämlich auch dann zum vollständigen Entfallen des Vergütungsanspruchs, wenn die Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht wurden (vgl. BGH, Beschluss vom 16.06.2014 – 4 StR 21/14 –; Sächsisches Landessozialgericht (LSG), Urteil vom 18.12.2009 – L 1 KR 89/06 –).
Dieser „streng formalen Betrachtungsweise“ liegt die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Vertragsarztrecht und zum Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung zugrunde, wonach Bestimmungen, die die Vergütung ärztlicher oder sonstiger Leistungen von der Erfüllung bestimmter formaler oder inhaltlicher Voraussetzungen abhängig machen, innerhalb dieses Systems zu gewährleisten haben, dass sich die Leistungserbringung nach den für diese Art der Versorgung geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen vollzieht.
Das wird dadurch erreicht, dass dem Leistungserbringer für Leistungen, die unter Verstoß gegen derartige Vorschriften bewirkt werden, auch dann keine Vergütung zusteht, wenn diese Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht worden und für den Versicherten geeignet und nützlich sind.
Um eine den praktischen Erfordernissen entsprechende Qualitätskontrolle zu gewährleisten, können die Krankenkassen auf formalen Ausbildungs- und Weiterbildungsqualifikationen bestehen mit der Folge, dass die Abrechenbarkeit von Leistungen streng an die formale Qualifikation des Personals anknüpft, wobei die vertragliche Vereinbarung mit dem Leistungserbringer maßgeblich ist.
Dementsprechend scheidet ein Vergütungsanspruch aus, wenn Pflegeleistungen durch Personal erbracht werden, welches nicht über die vertraglich vorausgesetzte Qualifikation verfügt.

Ob diese Grundsätze generell auf Pflegeverträge mit privat Versicherten anzuwenden sind, also auch auf Pflegeverträge bei denen die Parteien die sozialrechtlichen Abrechnungsgrundsätze nicht zur Grundlage ihrer privatrechtlichen Leistungsbeziehung gemacht haben, hat der Senat offen gelassen, weil dies in dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall keiner Entscheidung bedurfte. 

 

Wenn die Atemalkoholkonzentration mit einem Atemalkoholmessgerät bestimmt worden ist

Bei der Bestimmung der Atemalkoholkonzentration im Sinne von § 24a Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) unter Verwendung eines Atemalkoholmessgerätes, das die Bauartzulassung für die amtliche Überwachung des Straßenverkehrs erhalten hat, ist der gewonnene Messwert ohne Sicherheitsabschläge verwertbar, wenn

  • das Gerät unter Einhaltung der Eichfrist geeicht ist und
  • die Bedingungen für ein gültiges Messverfahren (Zeitablauf seit Trinkende mindestens 20 Minuten, Kontrollzeit von 10 Minuten vor der AAK-Messung, Doppelmessung im Zeitabstand von maximal 5 Minuten und Einhaltung der zulässigen Variationsbreite zwischen den Einzelwerten) gewahrt sind (Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 03.04.2001 – 4 StR 507/00 –; Bayerisches Oberstes Landesgericht (BayObLG), Beschluss vom 05.03.2003 – 1 ObOWi 9/03 –)).

 

Die vorgeschriebene Kontrollzeit von 10  Minuten dient dazu, die Gefahr der Verfälschung der Messwerte durch eine kurz vor der Messung erfolgte Einnahme von möglicherweise die Messung beeinflussenden Substanzen auszuschließen.
Die Wartezeit von 20 Minuten ist erforderlich, weil sich erst nach dieser Zeit ein definiertes Verhältnis zwischen Atemalkohol- und Blutalkoholkonzentration einstellt, das kurzfristigen Schwankungen nur noch in geringem Maß unterworfen ist (Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe, Beschluss vom 05.05.2006 – 1 Ss 32/06 –).

Die Nichteinhaltung der 10 Minuten dauernden Kontrollzeit führt allerdings nicht generell zu einer Unverwertbarkeit des Messergebnisses.
Sie steht einer Verwertbarkeit vielmehr grundsätzlich nur in den Fällen entgegen,

 

Darauf hat das OLG Karlsruhe mit Beschluss vom 15.10.2015 –  (7) SsBs 499/15; 2 (7) SsBs 499/15 – AK 151/15 – hingewiesen.

 

Darf Bausparkasse Bausparvertrag 10 Jahre nach Zuteilungsreife nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB kündigen?

Der Bausparkasse steht ein Recht zur Kündigung eines Bausparvertrags aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht zu,

  • solange das Bauspardarlehen nicht zugeteilt und
  • die vereinbarte Bausparsumme nicht vollständig angespart wurde.

 

Das hat die 7. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Karlsruhe mit Urteil vom 09.10.2015 – 7 O 126/15 – entschieden und in einem Fall,

  • in dem die beklagten Bausparkasse einen von dem klagenden Bausparer mit ihr am 16.04.1991 geschlossenen Bausparvertrag über eine Bausparsumme in Höhe von DM 23.000,00 (entspricht EUR 11.759,71), bei dem eine jährliche Verzinsung des Guthabens des Bausparers mit 2,5% vereinbart worden, der seit 15.04.2002 zuteilungsreif, aber bei dem die vertraglich vereinbarte Bausparsumme noch nicht angespart war,
  • mit Schreiben vom 16.02.2015 zum 20.08.2015 unter Berufung auf § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB gekündigt hatte,

 

festgestellt, dass der zwischen den Parteien abgeschlossene Bausparvertrag über den 20.08.2015 hinaus fortbesteht.

Begründet hat die Kammer ihre Entscheidung damit, dass der Anwendungsbereich von § 489 BGB nicht eröffnet sei, da

 

Das gesetzliche Kündigungsrecht aus § 488 Abs. 3 BGB steht, wie die 7. Zivilkammer des LG Karlsruhe weiter ausgeführt hat, der Bausparkasse erst nach Vollansparung der vereinbarten Bausparsumme zu.

 

Auch schuldhaft verursachte Unfälle und deren Folgen sind nicht immer vorhersehbar

Ein Mitverschulden des Unfallgegners kann die Vorhersehbarkeit eines Unfalls und seiner Folgen für den Unfallverursacher ausschließen, wenn das Mitverschulden

  • in einem gänzlich vernunftwidrigen oder
  • außerhalb der Lebenserfahrung liegenden Verhalten besteht.

 

Darauf hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Beschluss vom 20.08.2015 – 5 RVs 102/15 – hingewiesen.

Kommt es beispielsweise auf einer Kreuzung,

  • wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung des Angeklagten und
  • eines jedenfalls zu Gunsten des Angeklagten nicht auszuschließenden Rotlichtverstoßes des anderen Beteiligten, zu einem Unfall, bei dem dieser tödlich verletzt wird,

 

soll nach der Entscheidung des 5. Strafsenats des OLG Hamm

  • ein entscheidendes Kriterium für die Bewertung sein, ob der Rotlichtverstoß des anderen Unfallbeteiligten als “gänzlich vernunftwidrig“ einzustufen ist, wie lange die Ampel im Zeitpunkt des Verstoßes schon Rotlicht gezeigt hat und
  • zumindest eine vorsätzliche Begehung eines qualifizierten Rotlichtverstoßes bei der gebotenen wertenden Betrachtung als gänzlich vernunftwidriges Verhalten anzusehen sein.

 

Begründet hat der Senat dies damit,

  • dass der sog. qualifizierte Rotlichtverstoß (länger als 1 Sekunde Rot) bereits durch die Bußgeldkatalogverordnung als grobe Pflichtverletzung bewertet wird und
  • ein vorsätzlich begangener Rotlichtverstoß deutlich schwerer wiegt als ein fahrlässiger Verstoß.

 

Da in dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall das Landgericht (LG) den angeklagten Unfallverursacher wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung verurteilt hatte,

  • ohne zu klären, ob der nach dem Grundsatz “in dubio pro reo“ (im Zweifel für den Angeklagten) zugunsten des Angeklagten unterstellte Rotlichtverstoß des Unfallgegners die Vorhersehbarkeit des Unfalls für den Angeklagten ausgeschlossen hat,

 

hat der Strafsenat die Verurteilung aufgehoben und die Sache an eine andere kleine Strafkammer des LG zurückverwiesen, die den Fall erneut zu verhandeln sowie zu entscheiden, dabei,

  • soweit möglich, nähere Feststellungen zum Rotlichtverstoß des Unfallbeteiligten zu treffen und
  • verbleibende Zweifel nach dem Grundsatz “in dubio pro reo“ zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen haben wird.

 

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm am 27.10.2015 mitgeteilt.

 

Bodenwelle auf Autobahn

Die straßenverkehrssicherungspflichtige Behörde ist verpflichtet, auch Führern von Fahrzeugen mit hoher Geschwindigkeit und geringer Bodenfreiheit vor für sie gefährlichen Bodenwellen zu warnen.

Das hat die 12. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Aachen mit Urteil vom 01.10.2015 – 12 O 87/15 – in einem Fall entschieden, in dem der Ferrari Modena Spider des Klägers beim Überfahren einer nahezu quer zur Fahrbahn einer Autobahn verlaufenden Bodenwelle, die eine Höhe von bis zu 18 cm aufwies, beschädigt worden war.

Wie die 12. Zivilkammer des LG Aachen ausgeführt hat, ist von dem jeweiligen Straßenbaulastträger zu erwarten, dass er diejenigen Gefahren ausräumt und erforderlichenfalls vor ihnen warnt, die für den Verkehrsteilnehmer, der die nötige Sorgfalt beachtet,

  • nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und
  • auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einrichten kann,

 

wobei, bei der Bemessung des Umfanges der Verkehrssicherungspflicht insbesondere auch Art, Bedeutung und Häufigkeit der Benutzung des Verkehrsweges zu berücksichtigen sind (Oberlandesgericht (OLG) Jena, Urteil vom 10.06.2009 – 4 U 67/09 –; OLG Brandenburg, Urteil vom 03.06.2008 – 2 U 18/05 –).

Jedenfalls bei wichtigen Straßen muss aber ein Verkehrsteilnehmer, auch unter Berücksichtigung der angespannten Finanzlage der Körperschaften und des Umstandes, dass ebene Fahrbahnen nicht überall zu erwarten sind, darauf vertrauen dürfen, dass jedenfalls keine ganz erheblichen Niveauunterschiede vorhanden sind (OLG Celle, Urteil vom 08.02.2007 – 8 U 199/06 –).
Welche Niveauunterschiede hiernach auch ohne Warnung noch hinzunehmen sind, hängt dabei

  • nicht allein von der absoluten Höhendifferenz ab,
  • sondern auch von der Art der Vertiefung und den besonderen Umständen der einzelnen Örtlichkeit.

 

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall ging die Kammer,

  • weil die zum Unfallzeitpunkt bestehende Bodenwelle seinerzeit eine erhebliche Fahrbahnunebenheit und insbesondere für bestimmte zugelassene Fahrzeuge mit geringer Bodenfreiheit bei hoher Geschwindigkeit eine erhebliche Gefahr darstellte,

 

von einer Amtspflichtverletzung und damit von einer Haftung des beklagten Landes nach §§ 839 Abs. 1 Satz 1, 249 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), Art, 34 Satz 1 Grundgesetz (GG) aus.
Jedoch minderte sie,

  • da der Kläger rund 200 km/h schnell gefahren war und nicht feststand, dass diese deutliche Überschreitung der Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen keinen Einfluss auf den Unfall hatte,

 

wegen der deshalb auch nicht hinter dem Verschulden des Haftenden zurücktretenden erhöhten Betriebsgefahr seines Fahrzeugs, die Ansprüche des Klägers um 50 % (OLG Oldenburg, Urteil vom 21.03.2012 – 3 U 69/11 –).

 

Sprungrevision ist auch in einem Fall der Annahmeberufung zulässig

Eine Sprungrevision nach § 335 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) ist auch zulässig, wenn ein Angeklagter

  • lediglich zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen verurteilt worden ist und
  • eine Berufung deshalb gemäß § 313 StPO der Annahme durch das Berufungsgericht bedurft hätte.

 

Das hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden mit Urteil vom 31.08.2015 – 2 OLG 21 Ss 210/15 – entschieden.

Nach der Entscheidung des 2. Strafsenats des OLG Dresden kann auch in einem Fall der Annahmeberufung ein Urteil des Amtsgerichts mit der Sprungrevision grundsätzlich uneingeschränkt angefochten werden, weil nach der Gesetzgebungsgeschichte kein Anhalt dafür besteht, dass dem Begriff „zulässig“ in § 312 StPO durch die Einfügung des § 313 StPO nunmehr aufgrund der Gesetzesergänzung eine über die Bedeutung „statthaft“ hinausgehende Bedeutung zukommen sollte (Kammergericht (KG) Berlin, Beschluss vom 27.04.2009 – 1 Ss 90/09 (39/09) –).

 

Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer oder (faktische) Geschäftsleiter einer Gesellschaft

Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer oder (faktische) Geschäftsleiter einer Gesellschaft haften wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung nach § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf Schadensersatz, wenn das von ihnen ins Werk gesetzte Geschäftsmodell der Gesellschaft

  • von vornherein auf Täuschung und Schädigung der Kunden angelegt ist,
  • es sich mithin um ein „Schwindelunternehmen“ handelt (Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 17.03.2015 – VI ZR 11/14 – und VI ZR 12/14 –).

 

Darauf hat der VI. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 14.07.2015 – VI ZR 463/14 – in einem Fall hingewiesen,

  • in dem eine nicht börsennotierte Schweizer Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz, deren Geschäftsgegenstand offiziell das Factoring war,
  • den Großteil ihrer Umsätze erzielte, indem sie ihre eigenen, zu einem Nennwert von je 0,01 CHF ausgegeben 22 Millionen Namensaktien durch bei ihr angestellte Telefonverkäufer zu Preisen von 1,60 € bis zu 5,20 € an Privatanleger veräußerte,
  • ohne dass eine Grundlage für die Erwartung bestand, dass der Unternehmenswert sich zukünftig derart erhöhen wird.

 

Erneute Vernehmung eines Zeugen durch das Berufungsgericht

Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) sind erneute Feststellungen durch das Berufungsgericht geboten, wenn

  • es Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen entscheidungserheblichen Tatsachenfeststellungen hegt,
  • die sich auch aus der Möglichkeit unterschiedlicher Wertungen ergeben können.

 

Im Zuge dieser erneuten Tatsachenfeststellung muss das Berufungsgericht einen in erster Instanz vernommenen Zeugen gemäß § 398 Abs. 1 ZPO grundsätzlich nochmals vernehmen, wenn

 

Unterlässt es dies, so verletzt es den Anspruch der benachteiligten Partei auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (vgl. BGH, Beschluss vom 21.03.2012 – XII ZR 18/11 –).

Unterbleiben darf die erneute Vernehmung eines Zeugen, wenn sich das Berufungsgericht auf Umstände stützt, die

  • weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen, d. h. seine Glaubwürdigkeit,
  • noch die Vollständigkeit oder Widerspruchsfreiheit seiner Aussage, d. h. die Glaubhaftigkeit, betreffen, und

 

es die Zeugenaussage deshalb ohne Verstoß gegen das Verbot der vorweggenommenen Beweiswürdigung bewerten kann, weil es keines persönlichen Eindrucks von dem Zeugen bedarf.

Darauf hat der I. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 11.06.2015 – I ZR 217/14 – hingewiesen und in einem Fall, in dem

  • von dem Berufungsgericht ein erstinstanzlich vernommener Zeuge nicht erneut vernommen worden war, obwohl es dessen Aussagen anders gewürdigt hatte als das Landgericht,

 

auf die Nichtzulassungsklage der unterlegenen Partei das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache nach § 544 Abs. 7 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. 

 

Betreuerauswahl

Maßstab für die Betreuerauswahl ist bei der Erstentscheidung und auch bei einer Verlängerung der Betreuung § 1897 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
Die Vorschrift des § 1908 b Abs. 1 BGB, die die Voraussetzungen regelt, unter denen ein Betreuer entlassen werden kann, ist nur anwendbar, wenn bei fortbestehender Betreuung eine isolierte Entscheidung über die Beendigung des Amtes des bisherigen Betreuers getroffen werden soll (Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 25.03.2015 – XII ZB 621/14 –).

Nach § 1897 Abs. 1 BGB ist zum Betreuer eine natürliche Person zu bestellen, die geeignet ist, in dem gerichtlich bestimmten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betroffenen rechtlich zu besorgen und ihn in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen.
Die Beurteilung, ob eine bestimmte Person als Betreuer eines konkreten Betroffenen geeignet ist, erfordert die Prognose, ob der potentielle Betreuer voraussichtlich die sich aus der Betreuungsführung und den damit verbundenen Pflichten im Sinne des § 1901 BGB folgenden Anforderungen erfüllen kann.

  • Diese Prognose muss sich jeweils auf die aus der konkreten Betreuung erwachsenden Aufgaben beziehen und zu der Einschätzung führen, dass die als Betreuer in Aussicht genommene Person das Amt zum Wohl des Betroffenen (§ 1901 Abs. 2 Satz 1 BGB) führen wird.
  • Dafür können unter anderem ihre intellektuellen und sozialen Fähigkeiten, ihre psychische und körperliche Verfassung, die persönlichen Lebensumstände – etwa räumliche Nähe zum Betroffenen, berufliche Auslastung oder finanzielle Verhältnisse -, bereits bestehende familiäre oder sonstige Beziehungen zum Betroffenen, aber auch besondere Kenntnisse oder Einstellungen zu für die Betreuungsführung relevanten Fragen von Bedeutung sein.
     

Weil es sich um eine rechtliche Betreuung handelt,

  • werden jedoch regelmäßig nicht Spezialwissen oder außergewöhnliche Fertigkeiten nötig sein,
  • sondern es wird in der Regel ausreichen, wenn der Betreuer sich erforderlichenfalls fachkundiger Hilfen bedienen kann.

 

Ob sich die tatrichterliche Prüfung darauf beschränken kann,

  • Umstände auszuschließen, die der Eignung einer bestimmten natürlichen Person für eine konkrete Betreuung entgegenstehen („negative Selektion“), oder
  • positiv das Vorliegen bestimmter Umstände ermitteln muss,

 

ist letztlich nur die Frage nach der zielführenden Methode des Einzelfalls.
Unabhängig davon, dass im Zweifel beide Vorgehensweisen bei vollständiger Berücksichtigung des maßgeblichen Sachverhalts zu identischen Ergebnissen führen werden, dürfte sich diese Frage einer allgemein gültigen Antwort entziehen.

  • Jedenfalls aber bedarf es der positiven Feststellung der Eignung, die nicht durch pauschale Annahmen auf der Grundlage eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses ersetzt werden kann.

 

Die vom Tatrichter vorgenommene Beurteilung der Eignung einer Person als Betreuer ist rechtlich fehlerhaft, wenn der Tatrichter

  • den unbestimmten Rechtsbegriff der Eignung verkennt,
  • relevante Umstände in unvertretbarer Weise bewertet oder
  • bei der Subsumtion wesentliche Umstände unberücksichtigt lässt.

 

Bei der Auswahl gemäß § 1897 Abs. 5 BGB zwischen mehreren geeigneten Personen räumt § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB dem Willen des Betroffenen Vorrang ein.

  • Schlägt er eine Person vor, die zum Betreuer bestellt werden kann – also die nach § 1897 Abs. 1 BGB erforderliche Eignung aufweist -, so ist diesem Vorschlag zu entsprechen, wenn es dem Wohl des Betroffenen nicht zuwiderläuft.
  • Schlägt der Betroffene hingegen niemanden als Betreuer vor, so ist aus dem Kreis der als Betreuer geeigneten und auch im Übrigen in Betracht kommenden Personen eine (bzw. sind in den von § 1899 BGB geregelten Fällen mehrere) auszuwählen.
    Nach § 1897 Abs. 5 BGB ist hierbei auf die verwandtschaftlichen und sonstigen persönlichen Bindungen des Betroffenen, insbesondere zu Eltern, zu Kindern, zum Ehegatten und zum Lebenspartner, sowie auf die Gefahr von Interessenkonflikten Rücksicht zu nehmen.

 

Dem Tatrichter steht bei der Auswahl zwischen mehreren geeigneten Personen ein Ermessen zu.
Die Auswahlentscheidung ist rechtsfehlerhaft, wenn der Tatrichter

  • sich des ihm zustehenden Ermessens nicht bewusst ist,
  • nicht alle wesentlichen Umstände berücksichtigt,
  • von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch macht oder
  • die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschreitet.

 

Darauf hat der XII. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 30.09.2015 – XII ZB 53/15 – in einem Fall hingewiesen, in dem die geschiedenen Eltern des Betreuten, mit dem eine Verständigung nicht möglich war und von dem ein Betreuerwunsch nicht vorlag, darüber stritten, wer von ihnen die Betreuung im Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge für ihren Sohn führen soll.