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Kündigungsschutz bei Studentenzimmern

Bundesgerichtshof entscheidet zum Kündigungsschutz von Studentenzimmern

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 13.06.2012 – VIII ZR 92/11 – entschieden, wann ein Gebäude als Studentenwohnheim im Sinne des § 549 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) zu qualifizieren ist, für das der soziale Kündigungsschutz des § 573 BGB nicht eingreift.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall hatte der Beklagte im Februar 2004 vom Kläger ein Zimmer in einem als „Studentenwohnheim“ bezeichneten Anwesen gemietet.
Die Baugenehmigung war 1972 für ein Studentenwohnheim erteilt worden. 63 der darin befindlichen Wohneinheiten waren aus Landessondermitteln zur Förderung von Studentenwohnheimen öffentlich gefördert worden, wobei die Preisbindung inzwischen abgelaufen ist.
Das Anwesen verfügte über 67 Wohnräume, von denen mindestens vier nicht an Studenten vermietet waren. Die möblierten Zimmer waren etwa 12 m² groß, wobei Küche, Sanitäranlagen und Waschräume als Gemeinschaftsräume ausgeführt sind. Die gegenwärtige monatliche Teilinklusivmiete des Beklagten betrug 190 €. Die Mietverträge waren regelmäßig auf ein Jahr befristet und verlängerten sich um ein Semester, wenn nicht drei Monate vor Semesterende schriftlich gekündigt wurde. Die Verweildauer der Mieter war sehr unterschiedlich.

Am 27. Dezember 2008 kündigte der Kläger dem Beklagten schriftlich unter Hinweis auf „Hetzereien und Reibereien gegenüber uns und Dritten“ zum 31. März 2009.
Der Kläger meinte, die Kündigung sei auch ohne Darlegung eines berechtigten Interesses gemäß § 573 BGB wirksam, da diese Vorschrift gemäß § 549 Abs. 3 BGB nicht anwendbar sei; es handele sich um ein Studentenwohnheim.

Das Amtsgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Räumung und Herausgabe verurteilt.

Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen.

Die dagegen gerichtete Revision der Klägerseite hatte keinen Erfolg.

Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH hat die Entscheidung des Berufungsgerichts, dass es sich bei dem Anwesen des Klägers nicht um ein Studentenwohnheim im Sinne des § 549 Abs. 3 BGB handelt, bestätigt.
Aus der Entstehungsgeschichte des § 549 Abs. 3 BGB ergibt sich, dass der Gesetzgeber die in dieser Norm enthaltene Einschränkung des sozialen Mieterschutzes nur vor dem Hintergrund des als höher gewichteten Ziels für gerechtfertigt gehalten hat, möglichst vielen Studierenden das Wohnen in einem Studentenwohnheim zu ermöglichen und dabei alle Bewerber gleich zu behandeln.
Dieses gesetzgeberische Ziel kann nur erreicht werden, wenn der Vermieter in dem Wohnheim ein an studentischen Belangen orientiertes Belegungskonzept praktiziert, das eine Rotation nach abstrakt-generellen Kriterien vorsieht. Die Dauer des Mietverhältnisses muss dazu im Regelfall zeitlich begrenzt sein und darf nicht den Zufälligkeiten der studentischen Lebensplanung oder dem eigenen freien Belieben des Vermieters überlassen bleiben. § 549 Abs. 3 BGB dient nicht dazu, dem Vermieter eine im Einzelfall gewollte Vertragsbeendigung mit ihm nicht genehmen Mietern zu ermöglichen. Das der Rotation zugrundeliegende, die Gleichbehandlung aller Bewerber wahrende Konzept des Vermieters muss sich dabei mit hinreichender Deutlichkeit aus einer Satzung, entsprechender Selbstbindung oder jedenfalls einer konstanten tatsächlichen Übung ergeben. An einem derartigen Belegungskonzept fehlt es bei dem vom Kläger betriebenen Wohnheim. Die von ihm erklärte Kündigung war deshalb – mangels eines gemäß § 573 Abs. 1 BGB erforderlichen berechtigten Interesses an der Beendigung des Mietverhältnisses – unwirksam.

– Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 13.06.2012 –

 

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Erbscheinsverfahren – Kostenrisiko bei Einwendungen ins Blaue.

Wenn der in einem Testament eingesetzte Erbe die Erteilung eines Erbscheins beantragt, ein anderer Beteiligter behauptet, das Testament sei gefälscht, ein vom Nachlassgericht daraufhin eingeholtes Gutachten zur Frage der Formgültigkeit des Testaments die Urheberidentität des Erblassers ergibt und das Nachlassgericht den beantragten Erbschein erteilt, stellt sich die Frage, wer die Gutachterkosten tragen muss.

Folgt einem auf Antrag vorzunehmenden Geschäft (Antrag auf Erbscheinserteilung) ein Amtsgeschäft (Einholung eines Sachverständigengutachtens), so haftet, wenn vom Gericht in seinem Beschluss keine anderweitige Kostenentscheidung getroffen ist, als Kostenschuldner nach § 2 Nr. 1 KostO grundsätzlich der Antragsteller auch für solche Sachverständigenauslagen, die allein auf Grund der Einwände eines anderen Beteiligten veranlasst wurden.
Allerdings muss das Gericht zur Vermeidung von Unbilligkeiten nach § 81 ff FamFG prüfen, ob es die Kosten des Verfahrens ganz oder „zum Teil“ einem anderen Beteiligten auferlegt, wobei nach § 81 FamFG nicht nur eine Quotelung, sondern auch eine Differenzierung nach Art der Kosten (beispielsweise Gutachterkosten) in Betracht kommt.
Lassen bestimmte Umstände in einem derartigen Fall den Schluss zu, dass die Behauptung, das Testament sei gefälscht, von dem Beteiligten ins Blau abgegeben worden ist, entspricht es nach § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG der Billigkeit diesem Beteiligten die Kosten des Gutachtens aufzuerlegen.

Das hat das Oberlandesgericht München mit Beschluss vom 30.04.2012 – 31 Wx 68/12 – entschieden.

 

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Wohnraummiete – Verpflichtung des Mieters zur Leistung erhöhter Betriebskostenvorauszahlungen.

Sind Betriebskostenvorauszahlungen vereinbart, kann gemäß § 560 Abs. 4 BGB jede Vertragspartei nach einer Abrechnung durch Erklärung in Textform eine Anpassung der Vorauszahlungen auf eine angemessene Höhe vornehmen. Nach der bisherigen Rechtsprechung des achten Senats des Bundesgerichtshofs genügte hierfür eine formell ordnungsgemäße Abrechnung; auf die inhaltliche Richtigkeit kam es nicht an.

Mit Urteil vom 15.05.2012 – VIII ZR 246/11 – hat der achte Senat des Bundesgerichtshofs seine Rechtsprechung geändert und entschieden, dass eine Anpassung der Vorauszahlungen gemäß § 560 Abs. 4 BGB nur insoweit wirksam ist, als sie auf einer auch inhaltlich korrekten Abrechnung beruht.
Hinzunehmen ist die damit verbundene Konsequenz, dass der Streit über die inhaltliche Richtigkeit einer Abrechnung auch in einem Rechtsstreit über die Klage auf Zahlung erhöhter Vorauszahlungen oder eine auf Nichtzahlung derartiger Beträge gestützte Räumungsklage geklärt werden muss und diesen gegebenenfalls verlängert.

 

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Arzthaftung – Erstbehandelnder Arzt haftet auch für Folgen eines Zweiteingriffs!

Hat ein erstbehandelnder Arzt eine Operation grob fehlerhaft ausgeführt und wird aufgrund dessen ein zusätzlicher Eingriff erforderlich, kann der Patient von dem erstbehandelnden Arzt Ersatz der materiellen und immateriellen Schäden verlangen, die ihm infolge einer von einem nachbehandelnden Arzt fehlerfrei durchgeführten Nachoperation entstanden sind.
Dabei beschränkt sich die Einstandspflicht des erstbehandelnden Arztes nicht auf die unmittelbar mit dem Zweiteingriff verbundenen gesundheitlichen Belastungen des Patienten (= Primärschaden) sondern umfasst grundsätzlich auch Komplikationen (= weitere Gesundheitsschäden), die im Zusammenhang mit dem Zweiteingriff auftreten und in ihrer konkreten Ausprägung ohne den zweiten Eingriff nicht eingetreten wären.
Derartige weitere Gesundheitsschäden sind adäquat kausal auf die Primärschädigung zurückzuführen (= Frage der haftungsausfüllenden Kausalität).
Unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks der Norm käme eine Begrenzung der Schadensersatzpflicht des erstbehandelnden Arztes in einem solchen Fall nur dann in Betracht,

  • wenn die Gesundheitsschäden in keinem inneren Zusammenhang mit der durch den erstbehandelnden Arzt geschaffenen Gefahrenlage stehen,
  • wenn das Schadensrisiko der Erstbehandlung zum Zeitpunkt der Weiterbehandlung schon gänzlich abgeklungen war, sich der Behandlungsfehler auf den weiteren Krankheitsverlauf also nicht mehr ausgewirkt hat oder
  • es um die Behandlung einer Krankheit geht, die mit dem Anlass für die Erstbehandlung in keiner Beziehung steht, oder
  • wenn der die Zweitschädigung herbeiführende Arzt in außergewöhnlich hohem Maße die an ein gewissenhaftes ärztliches Verhalten zu stellenden Anforderungen außer Acht gelassen und derart gegen alle ärztlichen Regeln und Erfahrungen verstoßen hat, dass der eingetretene Schaden seinem Handeln haftungsrechtlich-wertend allein zugerechnet werden muss.

Kommt nach diesen Grundsätzen (= Frage des Schutzzwecks der Norm) eine Haftungsbegrenzung nicht in Betracht und wendet der Arzt ein, dass der Patient die gleichen weiteren Gesundheitsschäden auch bei fehlerfreier Durchführung der Erstoperation erlitten hätte, muss der Arzt dies beweisen (= Frage des hypothetischen Kausalverlaufs bei rechtmäßigem Alternativverhalten).

Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 22.05.2012 – VI ZR 157/11 – entschieden.

 

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Wenn Verschulden nur gesetzlich vermutet wird – Mitverschulden gemäß § 254 Abs. 1 BGB?

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 20.03.2012 – VI ZR 3/11 – an seiner ständigen Rechtsprechung festgehalten, dass für die Schadensabwägung nach § 254 BGB nur solche Umstände verwertet werden dürfen, von denen feststeht, dass sie eingetreten und für die Entstehung des Schadens ursächlich geworden sind.
Ein Verschulden, das nur gesetzlich vermutet wird, darf bei der Verteilung des Schadens daher nicht berücksichtigt werden. Verschuldensvermutungen sind nur für den Haftungsgrund relevant.

 

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Beeinträchtigung des Mietgebrauchs einer Wohnung – Substantiierung des Sachmangels.

Da die Minderung nach § 536 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) kraft Gesetzes eintritt, genügt der Mieter seiner Darlegungslast schon mit der Darlegung eines konkreten Sachmangels, der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigt; das Maß der Gebrauchsbeeinträchtigung (oder einen bestimmten Minderungsbetrag) braucht er hingegen nicht vorzutragen.

Bei wiederkehrenden Beeinträchtigungen durch Lärm oder Schmutz ist deshalb die Vorlage eines „Protokolls“ nicht erforderlich. Vielmehr genügt grundsätzlich eine Beschreibung, aus der sich ergibt, um welche Art von Beeinträchtigungen (Partygeräusche, Musik, Lärm durch Putzkolonnen auf dem Flur o. ä.) es geht, zu welchen Tageszeiten, über welche Zeitdauer und in welcher Frequenz diese ungefähr auftreten.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) im Urteil vom 29.02.2012 – VIII ZR 155/11 – hingewiesen.

Danach ist ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei ggf. die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten.

 

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Berufungsverfahren – Wann muss ein Zeuge erneut vernommen werden?

Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) ist das Berufungsgericht grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen des ersten Rechtszuges gebunden.
Bei Zweifeln an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen ist eine erneute Beweisaufnahme zwingend geboten. Das gilt insbesondere für die erneute Vernehmung von Zeugen, die grundsätzlich gemäß § 398 Abs. 1 ZPO im Ermessen des Berufungsgerichts steht. Das Berufungsgericht ist deshalb verpflichtet, einen in erster Instanz vernommenen Zeugen erneut zu vernehmen, wenn es die protokollierte Aussage anders als die Vorinstanz verstehen oder würdigen will. Unterlässt es dies, so verletzt es das rechtliche Gehör der benachteiligten Partei.
Die nochmalige Vernehmung eines Zeugen kann allenfalls dann unterbleiben, wenn sich das Berufungsgericht auf solche Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen (d.h. seine Glaubwürdigkeit) noch die Vollständigkeit oder Widerspruchsfreiheit (d.h. die Glaubhaftigkeit) seiner Aussage betreffen.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) im Beschluss vom 21.03.2012 – XII ZR 18/11 – hingewiesen und weil danach das Berufungsgericht zur erneuten Vernehmung eines Zeugen verpflichtet gewesen wäre, das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

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Pflichtteilsergänzungsanspruch schon vor der Geburt

Der u.a. für das Erbrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat mit Urteil vom 23.05.2012 – IV ZR 250/11 – entschieden, dass der Pflichtteilsergänzungsanspruch – vorliegend der eines Abkömmlings – nach § 2325 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) nicht voraussetzt, dass die Pflichtteilsberechtigung bereits im Zeitpunkt der Schenkung bestand.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall machten die 1976 und 1978 geborenen Kläger gegen die Beklagte, ihre Großmutter, im Wege der Stufenklage Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche nach ihrem 2006 verstorbenen Großvater geltend.
Sie begehrten Auskunft über den Bestand des Nachlasses des Erblassers durch Vorlage eines notariell aufgenommenen Verzeichnisses, Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und Zahlung.
Die Großeltern hatten vier Kinder, unter anderem die 1984 verstorbene Mutter der Kläger. Im Jahr 2002 errichteten die Beklagte und der Erblasser ein gemeinschaftliches privatschriftliches Testament, in dem sie sich u.a. gegenseitig zu Erben einsetzten.
Die Parteien streiten insbesondere darüber, ob den Klägern ein Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 Abs. 1 BGB zusteht, wenn sie zwar im Zeitpunkt des Todes des Erblassers, nicht aber im Zeitpunkt der jeweiligen Schenkungen pflichtteilsberechtigt waren. Im Wesentlichen geht es darum, ob der Auskunftsanspruch auch Schenkungen erfasst, die der Erblasser vor der Geburt der Kläger zugunsten der Beklagten vorgenommen hatte. Die Vorinstanzen haben der Auskunftsklage überwiegend stattgegeben.

Mit seinem Urteil hat der BGH entschieden, der Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 Abs. 1 BGB setze nicht voraus, dass die Pflichtteilsberechtigung bereits im Zeitpunkt der Schenkung bestand.
Seine dem entgegenstehende frühere Rechtsprechung, die eine Pflichtteilsberechtigung sowohl im Zeitpunkt des Erbfalls als auch der Schenkung forderte (u. a. Urteil vom 25.06.1997 – IV ZR 233/06 -), sog. Theorie der Doppelberechtigung, hat der Senat insoweit aufgegeben.
Hierbei hat er neben dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift auf den Sinn und Zweck des Pflichtteilsrechts abgestellt, eine Mindestteilhabe naher Angehöriger am Vermögen des Erblassers sicherzustellen. Hierfür ist es unerheblich, ob der im Erbfall Pflichtteilsberechtigte schon im Zeitpunkt der Schenkung pflichtteilsberechtigt war oder nicht. Die bisherige Auffassung führte demgegenüber zu einer mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Absatz 1 Grundgesetz nicht zu vereinbarenden Ungleichbehandlung von Abkömmlingen des Erblassers und machte das Bestehen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs von dem zufälligen Umstand abhängig, ob die Abkömmlinge vor oder erst nach der Schenkung geboren waren.

– Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 24.05.2012 –

 

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Keine arglistige Täuschung eines Anlegers durch den Vertrieb über die Höhe einer im Kaufpreis einer Immobilie enthaltenen Innenprovision

Der u. a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die Revisionen einer Bank in acht Parallelfällen entschieden, dass Anleger nicht arglistig über die Höhe der Vertriebsprovision getäuscht werden, wenn in dem Verkaufsprospekt angegeben wird, vom Gesamtaufwand entfielen für den Erwerb einer Immobilie 76,70% auf „Grundstück, Gebäude incl. Vertrieb und Marketing“ und darin eine Vertriebsprovision in Höhe von 18,24% eingepreist ist. Die den Erwerb finanzierende Bank traf deshalb insofern keine Aufklärungspflicht unter dem Gesichtspunkt eines Wissensvorsprungs.
Das Berufungsgericht hat die Zwangsvollstreckung aus notariellen Urkunden, die im Zusammenhang mit dem Immobilienerwerb errichtet wurden und Darlehensrückzahlungsansprüche der Bank sichern sollten, für unzulässig erklärt. Auf die Revisionen der Bank hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die Berufungsurteile aufgehoben und die Verfahren an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Zur Begründung hat der Senat ausgeführt:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist eine kreditgebende Bank, mit der kein Anlageberatungsvertrag geschlossen wurde, bei steuersparenden Bauherren-, Bauträger- und Erwerbermodellen zur Risikoaufklärung über das finanzierte Anlagegeschäft nur unter ganz besonderen Voraussetzungen verpflichtet. Das ist etwa bei einem Wissensvorsprung der Bank der Fall. Ein solcher liegt u.a. vor, wenn die Bank positive Kenntnis davon hat, dass der Anleger von seinem Geschäftspartner oder durch den Verkaufsprospekt über die von ihm zu zahlenden Vertriebsprovisionen arglistig getäuscht wurde.
Der hier verwendete Verkaufsprospekt weist zwar nicht aus, dass in den Kaufpreis eine Vertriebsprovision in Höhe von 18,24% eingepreist war. Eine arglistige Täuschung, wie sie vom Berufungsgericht angenommen wurde, liegt dennoch nicht vor. Der Anfall von Vertriebsprovisionen wurde im prospektierten Gesamtaufwand unter der Rubrik „Grundstück, Gebäude incl. Vertrieb und Marketing“ deutlich erkennbar dem Grunde nach offengelegt. Auch eine Täuschung über die Höhe der Vertriebsprovision ist nicht erfolgt. Aus der geringen Höhe anderer offen gelegter Bestandteile des Gesamtaufwandes kann, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, nicht geschlossen werden, die im Kaufpreis enthaltene Vertriebsprovision sei ebenfalls gering.
In den von den Vermittlern verwendeten formularmäßigen Vermittlungsaufträgen und Berechnungsbeispielen wurde ebenfalls nicht arglistig über die Höhe der Vertriebsprovision getäuscht. Diese weisen zwar nur die vom Anleger direkt an den jeweiligen Vermittler zu zahlende „Bearbeitungsgebühr“ in Höhe von 3,42% aus. Darin liegt jedoch keine abschließende Erklärung über Anfall und Höhe sonstiger Vertriebsprovisionen. Im Gegenteil wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Vermittler nicht nur für die Erwerber, sondern auch als Nachweismakler für eine zwischengeschaltete Vertriebsgesellschaft tätig werden und Provisionsansprüche auch gegen andere am Immobilienprojekt Beteiligte bestehen können. Schließlich ergab die in den Vorinstanzen durchgeführte Beweisaufnahme nicht, dass die Vermittler in den Verkaufsgesprächen wahrheitswidrige Angaben über Anfall und Höhe weiterer Vertriebsprovisionen gemacht haben.
Mangels einer arglistigen Täuschung der Anleger durch den Vertrieb konnte der Bank deshalb nicht der Vorwurf gemacht werden, eine Aufklärungspflicht verletzt zu haben. Schadensersatzansprüche der Anleger gegen die Bank, die der Zwangsvollstreckung entgegen gehalten werden könnten, bestehen somit nicht.

Die Verfahren waren zur Klärung weiterer, vom Berufungsgericht bislang noch nicht geprüfter Einwendungen der Anleger zurückzuverweisen.

Urteil vom 5. Juni 2012, Az. XI ZR 149/11

– Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 06.06.2012 –

 

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Bewegung an der File-Sharing-Front?

Wie wir bereits berichtet hatten wurden vor dem Amtsgericht (AG) München wegen File-Sharings eine Vielzahl von Verfahren eingeleitet. In den letzten Wochen haben wir die Erfahrung gemacht, dass sich auch andere Kanzleien wieder melden und wegen File-Sharing Unterlassungsansprüche geltend machen. Hintergrund könnte eine geplante Gesetzesänderung sein.

Das Bundesministerium der Justiz ist zur Erkenntnis gelangt, dass der bisherige § 97a Abs. 2 UrhG seinem Sinn und Zweck nicht gerecht wird da er zu selten angewendet wird. § 97a Abs. 2 UrHG soll die Abmahnkosten für Privatpersonen (erst einmal) auf 100,00 EUR gedeckelt sein. Dies ist für die abmahnenden Kanzleien aber nicht wirklich lukrativ. Zur Zeit werden (neben Schadenersatz) regelmäßig mehret hundert Euro bis hin zu über eintausend Euro verlangt. Zwar hat der BGH in einer Pressemitteilung bereits anklingen lassen, dass § 97a Abs. 2 UrhG (wohl) auch auf Urheberrechtsverletzungen anwendbar ist. Die Pressemitteilung wird jedoch regelmäßig von den Anwaltskanzleien als auch von den Gerichten ignoriert. Stattdessen werden umfassende Argumentationen geschaffen warum § 97a Abs. 2 UrhG nicht anwendbar sein soll.

Der neue Gesetzesentwurf zeigt eigentlich welche Intention der Gesetzgeber mit § 97a Abs. 2 UrhG verfolgt hat. Es erstaunt, dass manche Gerichte auch nach der geplanten Klarstellung des Gesetzgebers noch immer an der bisherigen „Auslegung“ festhalten. Das große Problem an der bisherigen Auslegung der Gerichte ist, dass man den Privatpersonen effektiv die Möglichkeit nimmt sich gegen die Vorwürfe zu verteidigen. Die Anforderungen an den Vortrag der Abgemahnten wurden mit einem „Kniff“ sehr hoch angesiedelt. Normalerweise muss derjenige, der etwas mlchte, auch beweisen, dass er einen Anspruch hat. Im File-Sharing ist dieser Gedanke teils jedoch pervertiert worden. Der BGH hat schon vor einiger Zeit das Rechtsinstitut der sog. „sekundären Darlegungslast“ geschaffen. Das bedeutet, dass eine Partei im Prozess vortragen muss, wenn sie, nicht aber der Gegner, Kenntnis von bestimmten Umständen hat. In der Regel wird dieses Rechtsinstitut praktisch nicht verwendet. Vertreten Sie eine Versicherung und tragen vor, der Gegner müsse doch ausführen warum er einen Mietwagen benötigt habe da die Versicherung hierzu naturgemäß keine Kenntnis hat, so wird dies von den Gerichten oftmals nicht berücksichtigt. Die Gerichte berufen sich hier teils auf den „Geschädigtenschutz“. Unbeschadet der Frage ob man dies für richtig hält ist es im File-Sharing anders herum. Wenn SIe dort einfach nur behaupten, Sie haben die Urheberrechtsverletzung nicht begangen, so berücksichtigen manche Gerichte diesen Vortrag nicht und verweisen darauf, dass Sie benennen müssen warum sie es nicht gewesen sein wollen. Hier wird letztendlich nach unserem Dafürhalten mit zweierlei Maßstäben gemessen.

Ungeklärt erscheint uns die Frage wie weit die sekundäre Darlegungslast geht. Befinden sich im Haushalt weitere Personen so stellt sich die Frage ob man diese konkret benennen muss. Wenn man Kenntnis hat wer die Urheberrechtsverletzung begangen hat, so stellt sich ebenfalls die Frage ob m an diese Personen „verpfeifen“ muss. Dies ist insbesondere bei Kindern und Ehepartnern von Bedeutung. Hier sieht der Gesetzgeber Aussageverweigerungsrecht vor. Es erscheint zumindest bedenklich wenn diese über die sekundäre Darlegungslast ausgehebelt werden. Dies erst Recht nachdem im Zusammenhang mit File-Sharing regelmäßig auch Strafrechtsvorwürfe erhoben werden. Da auf Grund des Kostenrisikos eine Rechtsverteidigung mit einem erheblichen Risiko verbunden können die Rechte von Privatpersonen denen eine Rechtsverletzung im Rahmen von File-Sharing vorgeworfen wird, zur Zeit kaum durchgesetzt werden.

Erfreulich ist daher, dass der Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz vom 12.03.2012 für das Gerichtskostengesetz (GKG) folgende Regelung vorsieht:

§ 49 Urheberrechtsstreitsachen
(1) In einer Urheberrechtsstreitsache beträgt der Streitwert für den Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch 500 Euro, wenn der Beklagte
1. eine natürliche Person ist, die urheberechtliche Werke oder durch verwandte Schutzrechte geschützte Leistungen nicht für ihre gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit verwendet, und
– 12 – Bearbeitungsstand: 12.03.2012 13:48 Uhr
2. nicht bereits wegen eines Anspruchs des Klägers durch Vertrag, aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung oder einer einstweiligen Verfügung zur Unterlassung verpflichtet ist.
(2) Absatz 1 ist auch anzuwenden, wenn ein Unterlassungs- und ein Beseitigungsanspruch nebeneinander geltend gemacht werden.“

Dies würde bedeuten, dass Abmahnkosten nur noch aus einem Gegenstandswert von 500,00 EUR geltend gemacht werden können. Außergerichtlich würden dann Kosten von netto 146,00 EUR entstehen. Das Prozesskostenrisiko (ohne Sachverständigenkosten) würde dann erstinstanzlich 430,57 EUR betragen (Fremde außergerichtliche Anwaltskosten netto, Eigene Anwaltskosten brutto, Gerichtskosten). Netto deshalb, das die Rechteinhaber in der Regel zumindest bei File-Sharing-Fällen vorsteuerabzugsberechtigt sind.

Interessant ist auch, dass im neuen § 97a Abs. 2 UrhG ein Kostenerstattungsanspruch vorgesehen ist wenn zu unrecht abgemahnt wird. Dies dürfte das Risiko für die Abmahnenden erhöhen einfach mal auf „gut Glück“ eine Abmahnung zu übersenden. Alles in allem erscheint der Referentenentwurf sehr fair wobei berücksichtigt werden sollte, dass (zu Recht) nur solche Personen geschützt werden sollen, die nicht gewerblich handeln und keine Widerholungstäter sind.

 

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen und Gewissen erstellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.